Mehr als 200 Wissenschaftler*innen, darunter viele, die an den Berichten des Weltklimarats (IPCC) beteiligt waren, haben einen offenen Brief an die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommes veröffentlicht. In diesem fordern Sie die Staaten auf, die Erkenntnsisse des IPCC, und vor allem des jüngsten Berichts im Abschlusstext vollinhaltlich anzuerkennen.
Laut Plan arbeiten die Vertragsstaaten heute an den Schlusserklärungen des Klimagipfels in Glasgow (COP26). Dabei wird an einzelnen Absätzen und Textpassagen gefeilt. In den Abschlusstexten eines Klimagipfels wird oft stundenlang um die Formulierung eines Absatzes gerungen. Dabei macht es einen großen Unterschied ob etwas nur „zur Kenntnis genommen“ wird oder ob es „anerkannt“ wird. Damit wird in der Klimadiplomatie die Wichtigkeit der einzelnen Textpassagen unterschieden.
Bei den letzten beiden Klimagipfeln COP24 in Warschau und COP25 in Madrid, wurde der Bericht zu Global Warming of 1.5 ºC zum Beispiel noch nicht “fully recognized” bzw. “fully acknowledged”. Dieser Bericht hat aufgezeigt, wie wichtig es ist, die Erwärmung des Planeten auf 1,5°C über den vorindustriellen Stand zu beschränken, und dass eine Erwärmung um 2°C ungleich katastrophalere Folgen haben würde.
Der erste Teil des 6. Sachstandsbericht des IPPC wurde im August veröffentlicht und ist die klimawissenschaftliche Basis, an der sich der UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen) Prozess und alle Vertragsstaaten orientieren sollten.
Der Vorstoß der Wissenschaftler, darunter österreichische Wissenschaftler*innen vom Wegener Center der Universität Graz – Albert Ossó, Andrea K. Steiner, Birgit Bednar-Friedl, Douglas Maraun, Gottfried Kirchengast und Karl Steininger – und vom IIASA in Laxenburg – Zbigniew Klimont und Joeri Rogelj – zeigt, dass die Politik vor allem im multilateralen Zusammenspiel noch weit weg ist davon, “listen to the science” als Qualitätsstandard des eigenen Wirken und Handelns anerkannt zu haben.
Laurence Tubiana, CEO der European Climate Foundation und gemeinsam mit Christiana Figueres eine der maßgeblichen Architekt*innen des Pariser Klimavertrags, meinte auf die Frage, ob sie eine Chance für das Anliegen der Wissenschaftler sieht, dass mittlerweile Fortschritt bei der Anerkennung von Wissenschaft spürbar wird. Es kam leider aber in den letzten Jahren oft nur zu einer “Kenntnisnahme” in den Texten. Sie begrüßt aber, dass die IPCC Autoren jetzt dafür kämpfen, dass der IPCC Report vollumfänglich akzeptiert wird, und hält es für wichtig, dass es diesmal auch in den finalen Texten geschieht.
Titelfoto: Pressekonferenz im Wissenschaftspavillion der COP26 zur Veröffentlichung des Briefes. Von links nach rechts: Piers Forster, University of Leeds, UK, Sonia Seneviratne, ETH, Switzerland, Joeri Rogelj, Imperial College, UK und IIASA Österreich, and Paulina Aldunce, Universidad de Chile, (CR)2, Chile.
Gesichtet: Martin Auer