Am 4. April wurde der letzte Teil des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC veröffentlicht, und zwar der Bericht der Arbeitsgruppe III: Vermeidung des Klimawandels. Der erste Teil behandelte die physikalischen Grundlagen des Klimawandels, der zweite Teil die Auswirkungen und die Notwendigkeiten der Anpassung. Der neue Bericht betont den Ernst der Lage, zeigt aber die Möglichkeiten auf, die wir haben, um einen extremen Klimawandel zu verhindern. Insofern macht der Bericht Mut und gibt Hoffnung.
In den Jahren von 2010 bis 2019 waren die Treibhausgas-Emissionen die höchsten der Geschichte. Sie nehmen immer noch zu, aber langsamer als zuletzt. Ohne sofortige und tiefgreifende Emissionsreduktionen in allen Sektoren wird es nicht möglich sein, die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Doch können die Wissenschaftler*innen feststellen, dass vermehrt Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
Seit 2010 sind die Kosten für Solar- und Windenergie und auch für Batterien um bis zu 85 Prozent gesunken. Eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzen haben zu mehr Energieeffizienz (also besserer Ausnutzung von Energie) geführt, zu einer Verringerung der Geschwindigkeit der Entwaldung und zu einer beschleunigten Anwendung von erneuerbaren Energien.
„Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können uns eine lebenswerte Zukunft sichern“, sagte der Vorsitzende des IPCC, Hoesung Lee. „Wir haben die nötigen Werkzeuge und das nötige Wissen, um den Klimawandel einzudämmen. Ich bin ermutigt durch die Klimaschutzmaßnahmen, die in vielen Ländern durchgeführt werden. Es gibt Maßnahmen, Regulierungen und Marktinstrumente, die sich als wirksam erwiesen haben. Wenn diese in großem Maßstab und auf faire Weise angewandt werden, können sie tiefgreifende Emissionsreduktionen bewirken und Innovationen stimulieren.“
Umfassende Veränderungen im Energiesektor werden notwendig sein, um den Klimawandel zu begrenzen: Massive Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe, weitreichende Elektrifizierung, verbesserte Energieeffizienz und alternative Brennstoffe wie Wasserstoff. Änderungen im Lebensstil haben das Potential, bis 2050 40 bis 70 Prozent der Treibhausgase einzusparen. Diese Veränderungen hätten gleichzeitig positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Städte bieten wichtige Möglichkeiten für die Verringerung von Emissionen, zum Beispiel durch die Schaffung kompakter, fußgängerfreundlichen Städten, die Elektrifizierung des Transportwesens in Kombination mit emissionsarmen Energiequellen, und vermehrte Kohlenstoffbindung durch Begrünung. Das sind Optionen für bestehende, für wachsende und für neue Städte. Es gibt bereits Beispiele von Null-Energie-Gebäuden und Null-Emissions-Gebäuden. Das Potential von Gebäuden für den Klimaschutz muss in diesem Jahrzehnt genutzt werden.
Um die Emissionen der Industrie zu senken müssen Materialien effizienter genutzt, wiederverwendet und recycelt werden und Abfall auf ein Minimum reduziert werden. Für die Erzeugung von Stahl, Baumaterial und Chemikalien sind Produktionsprozesse mit wenig bis gar keinen Treibhausgas-Emissionen im Pilotstadium oder nahe der Marktreife. Dieser Sektor ist für rund ein Viertel der globalen Emissionen verantwortlich. Es braucht neue Produktionsprozesse die grüne Elektrizität, Wasserstoff und wenn nötig auch Kohlenstoffabscheidung anwenden.
Land- und Forstwirtschaft bieten ebenfalls Möglichkeiten zu Treibhausgas-Reduktionen in großem Maßstab. Klimaschutzmaßnahmen in diesem Bereich nützen auch der Erhaltung der Artenvielfalt, helfen uns bei der Anpassung an den Klimawandel und sichern Lebensunterhalt, Nahrung, Wasser und die Versorgung mit Holz.
Um die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, müssen die CO2-Emissionen spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben und bis 2030 um 43 Prozent verringert werden. Methanemissionen müssen bis dahin um ein Drittel reduziert werden. Selbst dann werden die Temperaturen das angestrebte Limit zeitweise überschreiten, können aber bis zum Ende des Jahrhunderts wieder sinken. Die globale Temperatur wird sich stabilisieren, wenn die Treibhausgas-Emissionen auf netto Null reduziert sind. Für 1,5°C bedeutet das, netto Null in den frühen 2050ern zu erreichen, für das 2°C-Ziel in den frühen 2070ern.
Der Bericht stellt fest, dass genügend Kapital vorhanden ist, um Klimaschutz zu finanzieren. Doch braucht es starke Signale von Regierungen und der internationalen Gemeinschaft, um die Finanzströme in die richtige Richtung zu lenken, und dazu auch eine entsprechende Ausrichtung der öffentlichen Ausgaben.
Beschleunigte und faire Klimaschutzmaßnahmen sind notwendig, um Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Einige Maßnahmen können Kohlenstoff aufnehmen und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschen begrenzen. Zum Beispiel können Netzwerke von Parks, Grünland, Feuchtgebieten und städtischem Nahrungsmittelanbau das Risiko von Überschwemmungen verringern und die Bildung von Hitzeinseln vermeiden. Klimaschutzmaßnahmen in der Industrie können Umweltschäden verringern und Arbeitsplätze schaffen. Elektrifizierung mit grünem Strom und der Umstieg auf öffentlichen Verkehr können Gesundheit, Arbeitsplätze und Gerechtigkeit fördern.
Keywan Riahi: Ohne tiefgreifende Veränderungen steuern wir auf 3°C zu
Bei der Pressekonferenz, die gemeinsam von CCCA (Climate Change Center Austria), IIASA (Internationanal Institute for Applied Systems Analysis) und Scientists for Future Österreich organisiert wurde, betonte Keywan Riahi, einer der Hauptautoren des Berichts, dass die letzten zehn Jahre, in denen die Emissionen so stark gestiegen sind, einen Zeitraum darstellen, indem bereits klimapolitische Maßnahmen gesetzt worden sind. Wenn es bei den derzeitigen Maßnahmen der Staaten bleibt, steuert die Welt auf eine Erwärmung von 3°C zu. Selbst wenn die Staaten ihre bisherigen freiwilligen Selbstverpflichtungen einhalten, reicht das nicht aus, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen. Ein fundamentaler Strukturwandel ist notwendig: der Verbrauch von Kohle muss bis 2030 um 90 % reduziert werden, der von Erdöl um 60 % und der Gasverbrauch um 40 %. Eine Tonne CO2 einzusparen, kostet heute weniger als 100 USD. Entsprechende Investitionen müssen jetzt getätigt werden. In einigen Sektoren, wie dem Flugverkehr, der Landwirtschaft und der Industrie wird der Treibhausgas-Ausstoß nicht vollständig auf null reduziert werden können. Um das auszugleichen, werden negative Emissionen notwendig sein. Das kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden, etwa durch Aufforstung. Eine weiter Möglichkeit liegt darin, Biomasse zur Energiegewinnung zu verwenden und das dabei anfallende CO2 Abzuscheiden und zu lagern. Eine dritte Möglichkeit wäre die Entnahme von CO2 aus der Luft durch großtechnische Anlagen. Ein großes Potential hat zum Beispiel Biokohle. Darunter versteht man, Produkte wie Holzkohle in den Boden einzubringen. Dadurch erhöht man gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit, also die landwirtschaftlichen Erträge. Und es ist eine „Low-Tech“-Lösung, die problemlos auch in wenig entwickelten Ländern durchführbar ist. Welche Möglichkeiten Aufforstung bietet, zeigt die Tatsache, dass wir schon heute durch bewirtschaftete Wälder jährlich 1 bis 3 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Bei der Verwendung von Biomasse zur Energiegewinnung gibt es Zielkonflikte. Große Anbauflächen wären nötig, die für die Produktion von Nahrungsmitteln fehlen würden, und die auch der Biodiversität schaden würden. Auch die großindustrielle CO2-Entnahme aus der Atmosphäre würde große Landflächen in Anspruch nehmen und dazu sehr viel Energie brauchen.
Silvie Kreibiehl: Drei- bis sechsmal so hohe Klimainvestitionen notwendig
Silvie Kreibihl, Leitautorin des Kapitels „Investitionen und Finanz“ erklärte, dass immer noch mehr Kapital in fossile Energie als in Klimaschutz fließt. Klimafreundliche Investitionen müssen noch in diesem Jahrzehnt verdreifacht bis versechsfacht werden. Besonders in den Sektoren Landwirtschaft und Aufforstung. In den Finanzinstituten gibt es noch viel zu wenig Wissen über Klimawandelrisiken, viele machen noch gar keine Klimarisikoabschätzung. Sie wies auf die immer noch großen Ungerechtigkeiten für Länder des globalen Südens hin, sowohl, was den Zugang zu Kapital als auch, was die Konditionen betrifft. Die Finanzierungslücke sei aber gerade dort viel größer als in den Industrieländern. Die Länder des globalen Südens brauchen Unterstützung vor allem in Form von echten Zuschüssen, nicht nur in Form von Krediten.
Volker Krey: National festgelegte Ziele müssen nachgeschärft werden
Volker Krey, Leitautor des Kapitels „Minderungs- und Entwicklungspfade“ betonte, dass die NDCs, also national festgelegten Beiträge oder Selbstverpflichtungen der Staaten unbedingt nachgeschärft werden müssen. Der Nachschärfungsprozess der letzten fünf Jahre hat wohl zu einer Verbesserung der Situation geführt, das heißt die geplanten Maßnahmen würden zu einer jährlichen Reduktion der Emissionen um 4 bis 5 Gigatonnen CO2 führen. Ungefähr 20 Länder haben es bis jetzt geschafft, dass ihre Emissionen dauerhaft sinken. Allerdings nur in Bezug auf die territorialen Emissionen, also die Emissionen, die im Land selbst entstehen. Zieht man die Emissionen in Betracht, die die im Land konsumierten Güter verursachen, ist die Zahl der erfolgreichen Länder allerdings geringer.
Aus der Videobotschaft von UN-Generalsekretär António Guterres
Die Geschworenen haben ihr Urteil gefällt: Und es ist vernichtend. Der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change ist eine Litanei gebrochener Klimaversprechungen. Sie sind eine Dokumentation der Schande, ein Katalog der leeren Versprechungen, die uns auf den Weg zu einer nicht bewohnbaren Welt führen. Wir sind auf dem besten Weg zur Klimakatastrophe. Großstädte unter Wasser, nie dagewesene Hitzewellen, schreckliche Stürme, verbreiteter Wassermangel, die Auslöschung von einer Million Tier- und Pflanzenarten, das ist keine Fiktion, das ist, wie die Wissenschaft uns sagt, das Ergebnis unserer gegenwärtigen Energiepolitik. Wir sind auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung mum mehr als das Doppelte des 1,5°C-Ziels von Paris. Manche Regierungen und Wirtschafts-Führungskräfte sagen das Eine, aber tun das Andere. Einfach gesagt: Sie lügen.
Titelfoto: Nuno Marques via Unsplash