Wien/Brüssel (OTS) – Im Vorfeld der Abstimmung über ein neues EU-Waldschutzgesetz im Europäischen Parlament am 13. September zeigt eine neue Umfrage in Österreich und acht weiteren EU-Ländern eine überwältigende Befürwortung für das Gesetz. 82 Prozent der Befragten in Österreich geben an, dass sie über die Zerstörung und Schädigung der weltweiten Wälder besorgt sind. 83 Prozent sprechen sich für ein EU-Waldschutzgesetz aus, das es Unternehmen untersagt, Waren aus waldschädigendem Anbau zu verkaufen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Umfrage vom Marktforschungsunternehmen Globescan im Juli 2022 mit je 1.000 Befragten in Österreich, der Tschechischen Republik, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Spanien und Schweden. Europaweit sind 82 Prozent der Ansicht, dass Unternehmen keine Produkte verkaufen sollten, die auf Waldzerstörung zurückgehen und 78 Prozent befürworten gesetzliche Verbote von Produkten aus Waldzerstörung.
Mehr als acht von zehn Östereicher:innen (84 %) sind der Meinung, dass das Gesetz nicht nur gegen die Entwaldung vorgehen sollte, sondern Unternehmen auch dazu verpflichten sollte, keine Produkte mehr zu verkaufen, die andere wichtige Ökosysteme wie etwa Savannen und Feuchtgebiete zerstören. Darüber hinaus sollte es laut 83 Prozent für Unternehmen verboten sein, Produkte zu verkaufen, die die Landrechte von Indigenen verletzen.
Kundinnen und Kunden sind zum Umdenken bereit
Drei von vier Österreicher:innen (75%) geben an, gegen Unternehmen vorgehen zu wollen, die Produkte herstellen oder verkaufen, die Abholzung vorantreiben. 39 Prozent würden ganz aufhören, bei diesen Unternehmen zu kaufen, 36 Prozent geben an, ihre Einkäufe reduzieren zu wollen und fast jede und jeder Fünfte (18%) würde sogar so weit gehen, Bekannte davon zu überzeugen, ebenfalls nicht mehr bei diesen Unternehmen zu kaufen. Diese Boykotts- und Reduktionsbereitschaft liegt in Österreich über dem Durchschnitt der neun Untersuchungsländer.
Die Hälfte der Österreicher:innen (50%) ist der Ansicht, dass große Unternehmen die größte Verantwortung für den Schutz der Wälder tragen, gegenüber 46 Prozent in sämtlichen anderen Untersuchungsländern. Gleichzeitig sind in Österreich fast drei Viertel (73%) der Meinung, dass große Unternehmen am schlechtesten abschneiden, wenn es darum geht, Waldzerstörung zu verhindern, gegenüber 64 Prozent in den anderen Untersuchungsländern.
Unternehmen in Europa sind aufgrund ihrer Importe zusammengenommen der zweitgrößte Verursacher weltweiter Entwaldung. Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist die industrielle Landwirtschaft für fast 90 Prozent der Abholzung von Tropenwäldern verantwortlich. Fast 1,2 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger forderten bereits im Dezember 2020 in einer Petition eine strenge Verordnung, um die importierte Entwaldung zu stoppen.
Diese von GlobeScan durchgeführte Verbraucherumfrage wurde von einer breiten Koalition von Umwelt- und Verbraucherorganisationen in Auftrag gegeben, darunter Fern, WWF EU Office, Ecologistas en Acción, Envol Vert, Deutsche Umwelthilfe, CECU, Adiconsum, Zero, Verdens Skove.
Jede Lösung schafft neue Probleme. Um die Klimakrise einzudämmen, müssen wir so schnell wie möglich aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Doch Erdöl und Erdgas enthalten normalerweise 1 bis 3 Prozent Schwefel. Und dieser Schwefel wird gebraucht. Und zwar bei der Herstellung von Phosphatdünger und bei der Extraktion von Metallen, die für die neuen grünen Technologien benötigt werden, von Photovoltaik-Anlagen bis zu Batterien für Elektrofahrzeuge.
Die Welt verbraucht derzeit jährlich 246 Millionen Tonnen Schwefelsäure. Mehr als 80 Prozent des weltweit genutzten Schwefels stammen aus fossilen Energieträgern. Schwefel fällt derzeit als Abfallprodukt bei der Reinigung der fossilen Produkte an, um die Schwefeldioxid-Emissionen einzuschränken, die sauren Regen verursachen. Der Ausstieg aus diesen Energieträgern wird das Angebot an Schwefel drastisch reduzieren, während die Nachfrage aber steigen wird.
Mark Maslin ist Professor für Erdsystemwissenschaften am University College London. Eine unter seiner Leitung durchgeführte Studie[1] hat ergeben, dass beim Ausstieg aus Fossilen, der notwendig ist, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, im Jahr 2040 bis zu 320 Millionen Tonnen Schwefel fehlen werden, also mehr, als wir heute jährlich verbrauchen. Das würde zu einem Anstieg der Preise für Schwefelsäure führen. Diese Preise könnten eher von den hochprofitablen „grünen“ Industrien verkraftet werden, als von den Düngemittelproduzenten. Das wiederum würde zu einer Verteuerung des Düngers und damit zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen. Vor allem kleine Produzenten in ärmeren Ländern könnten sich weniger Dünger leisten und ihre Erträge würden zurückgehen.
Schwefel kommt in vielen Produkten vor, von Autoreifen bis zu Papier und Waschmitteln. Doch seine wichtigste Anwendung findet er in der chemischen Industrie, wo die Schwefelsäure gebraucht wird, um eine breite Palette von Materialien aufzuspalten.
Das rapide Wachstum von CO2-armen Technologien wie Hochleistungsbatterien, leichten Fahrzeugmotoren oder Solarpaneelen wird zu einer Steigerung des Abbaus von Mineralien führen, vor allem kobalt- und nickelhaltigen Erzen. Die Nachfrage nach Kobalt könnte bis 2050 um 460 Prozent zunehmen, die nach Nickel um 99 Prozent und nach Neodymium um 37 Prozent. Alle diese Metalle werden heutzutage mithilfe von großen Mengen Schwefelsäure extrahiert. Die Zunahme der Weltbevölkerung und geänderte Essgewohnheiten werden auch die Nachfrage der Düngerindustrie nach Schwefelsäure steigern.
Es gibt zwar einen gewaltigen Vorrat an Sulfatmineralen, Eisensulfiden und elementarem Schwefel, unter anderem in vulkanischem Gestein, doch müsste zu ihrer Gewinnung der Abbau drastisch erweitert werden. Sulfate in Schwefel umzuwandeln braucht viel Energie und verursacht bei den derzeitigen Methoden große Mengen an CO2-Emissionen. Die Gewinnung und Verarbeitung von Schwefel bzw. Sulfidmineralien kann eine Quelle von Luft-, Boden und Wasserverschmutzung sein, zur Versauerung von Oberflächen- und Grundwasser führen und Gifte wie Arsen, Thallium und Quecksilber freisetzen. Und intensiver Bergbau ist immer wieder mit Menschenrechtsproblemen verbunden.
Recycling und Innovation
Es müssen also neue Quellen für Schwefel gefunden werden, der nicht aus fossilen Brennstoffen stammt. Zusätzlich muss die Nachfrage nach Schwefel durch Recycling und durch innovative Industrieprozesse gesenkt werden, die mit weniger Schwefelsäure auskommen.
Phosphate aus Abwässern zurückzugewinnen und zu Dünger zu verarbeiten, würde die Notwendigkeit reduzieren, Schwefelsäure zur Verarbeitung von Phosphatgesteinen zu verwenden. Das würde helfen, einerseits den begrenzten Vorrat an Phosphatgesteinen zu schonen und andererseits die Überdüngung von Gewässern zu verringern. Durch Überdüngung hervorgerufene Algenblüten führen zu Sauerstoffmangel und ersticken so Fische und Pflanzen.
Mehr Lithium-Batterien zu recyceln wäre ebenfalls ein Beitrag zur Lösung des Problem. Auch die Entwicklung von Batterien und Motoren, die weniger der seltenen Metalle brauchen, würde zu einer Verringerung des Bedarfs an Schwefelsäure führen.
Die Speicherung von erneuerbarer Energie ohne den Einsatz von Batterien, durch Technologien, die zum Beispiel komprimierte Luft nutzen oder die Schwerkraft oder die kinetische Energie von Schwungrädern und andere Innovationen, würde sowohl den Bedarf an Schwefelsäure wie an fossilen Brennstoffen reduzieren und die Dekarbonisierung vorantreiben. In Zukunft könnten auch Bakterien eingesetzt werden, um Schwefel aus Sulfaten zu gewinnen.
Nationale und internationale Politiken müssen also bei der Planung der Dekarbonisierung auch die zukünftige Knappheit an Schwefel in Betracht ziehen, indem sie Recycling fördern und alternative Quellen finden, die möglichst geringe soziale und Umweltkosten mit sich bringen.
[1] Maslin, M., Van Heerde, L. & Day, S. (2022) Sulfur: A potential resource crisis that could stifle green technology and threaten food security as the world decarbonises. The Geographical Journal, 00, 1– 8. Online: https://rgs-ibg.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/geoj.12475
In diesem kurzen, leicht zu lesenden Essay präsentiert die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter sieben grundsätzliche Überlegungen für den Weg in eine Gesellschaft, die auch das Leben nachkommender Generationen sichern kann. Freilich ist es kein Anleitungsbuch – „In sieben Schritten zu …“ – sondern, wie Winiwarter im Vorwort schreibt, ein Beitrag zu einer Debatte, die geführt werden soll. Die Naturwissenschaften haben die Ursachen der Klima- und Biodiversitätskrise längst geklärt und auch die erforderlichen Maßnahmen benannt. Winiwarter setzt sich darum mit der gesellschaftlichen Dimension des notwendigen Wandels auseinander.
Die erste Überlegung betrifft die Daseinsfürsorge. In unserer vernetzten und arbeitsteiligen Industriegesellschaft können einzelne Menschen oder Familien nicht mehr unabhängig für das eigene Dasein sorgen. Wir sind abhängig von Gütern, die anderswo erzeugt werden und von Infrastrukturen wie Wasserleitungen, Abwasserkanälen, Gas und Stromleitungen, Verkehrsmitteln, Gesundheitseinrichtungen und vielen anderen, die wir nicht selber verwalten. Wir vertrauen darauf, dass das Licht angeht, wenn wir den Schalter betätigen, aber tatsächlich haben wir keine Kontrolle darüber. Alle diese Strukturen, die uns das Leben ermöglichen, wären ohne staatliche Institutionen nicht möglich. Entweder stellt der Staat sie selber zur Verfügung oder er reguliert ihre Bereitstellung durch Gesetze. Ein Computer mag von einer privaten Firma hergestellt werden, aber ohne das staatliche Bildungssystem gäbe es niemanden, der ihn konstruieren könnte. Nicht vergessen darf man dabei, dass die Daseinsfürsorge, der Wohlstand, wie wir ihn kennen, durch die Nutzung fossiler Energien ermöglicht wurde und mit der Armut der „Dritten Welt“ oder des globalen Südens untrennbar verbunden ist .
Im zweiten Schritt geht es um die Daseinsvorsorge. Diese zielt auf die Zukunft, auf die Vorsorge für unser eigenes Dasein und das der nächsten und übernächsten Generationen. Daseinsvorsorge ist die Voraussetzung und Konsequenz einer nachhaltigen Gesellschaft. Damit ein Staat Daseinsvorsorge betreibt, muss er ein auf unveräußerlichen Menschen- und Grundrechten aufgebauter Rechtsstaat sein. Korruption hintertreibt wirksame Daseinsvorsorge. Auch wenn Institutionen der Daseinsfürsorge wie zum Beispiel die Wasserversorgung privatisiert werden, sind die Folgen negativ, wie die Erfahrung in vielen Städten zeigt.
Im dritten Schritt werden also der Rechtsstaat, Grund- und Menschenrechte beleuchtet: „Nur ein Rechtsstaat, in dem alle Amtsträger:innen sich dem Recht unterwerfen müssen und in dem eine unabhängige Justiz darüber wacht, kann Staatsbürger:innen vor Willkür und staatlicher Gewalt schützen.“ Vor Gericht kann in einem Rechtsstaat auch gegen staatliches Unrecht vorgegangen werden. In Österreich ist seit 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention in Kraft. Diese garantiert unter anderem das Recht jedes Menschen auf Leben, Freiheit und Sicherheit. „Somit“ folgert Winiwarter, „müssten die Organe der Grundrechtsdemokratie Österreich, um verfassungsgemäß zu handeln, die Lebensgrundlagen der Menschen dauerhaft schützen und damit nicht nur das Pariser Klima-Abkommen umsetzen, sondern sich umfassend als Umwelt- und damit Gesundheitsschützer betätigen.“ Doch sind die Grundrechte in Österreich keine „Individualrechte“, die ein einzelner Mensch für sich in Anspruch nehmen kann, sondern nur eine Richtschnur staatlichen Handelns. Es wäre also nötig, die Verpflichtung des Staates, für Klimaschutz zu sorgen, in die Verfassung aufzunehmen. Doch müsste jede nationale Gesetzgebung zum Klimaschutz auch in einen internationalen Rahmen eingebettet sein, da der Klimawandel ein globales Problem ist.
Schritt vier benennt drei Gründe, warum die Klimakrise ein „tückisches“ Problem ist. „Wicked problem“ ist ein Begriff, den die Raumplaner Rittel und Webber 1973 geprägt haben. Sie bezeichnen damit Probleme, die sich nicht einmal eindeutig definieren lassen. Tückische Probleme sind meistens einzigartig, daher gibt es keine Möglichkeit, durch Versuch und Irrtum eine Lösung zu finden, es gibt auch keine eindeutig richtigen oder falschen, sondern nur bessere oder schlechtere Lösungen. Die Existenz des Problem kann auf unterschiedliche Weisen erklärt werden, und mögliche Lösungen hängen von der jeweiligen Erklärung ab. Eine eindeutige Lösung für das Problem des Klimawandels gibt es nur auf der naturwissenschaftlichen Ebene: Keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre! Doch dies umzusetzen, ist ein gesellschaftliches Problem. Gelingt die Umsetzung durch technische Lösungen wie Carbon Capture and Storage und Geoengineering, oder durch Änderung des Lebensstils, Bekämpfung von Ungleichheit und Wertewandel oder durch ein Ende des vom Finanzkapital getriebenen Kapitalismus und seiner Wachstumslogik? Winiwarter hebt drei Aspekte hervor: der eine ist die „Tyrannei der Gegenwart“ oder einfach die Kurzsichtigkeit von Politiker:innen, die sich die Sympathie ihrer gegenwärtigen Wähler:innen sichern wollen: „Die österreichische Politik ist damit beschäftigt, durch Priorisierung von klimaschädlichem Wirtschaftswachstum die Pensionen für heutige Pensionist:innen zu sichern, statt mindestens ebenso stark durch klimaschützende Politik eine gute Zukunft für die Enkelkinder zu ermöglichen.“ Ein zweiter Aspekt ist, dass diejenigen, denen die Maßnahmen zur Lösung eines Problems nicht passen, dazu neigen, das Problem, in diesem Fall den Klimawandel, zu leugnen oder kleinzureden. Der dritte Aspekt betrifft das „kommunikative Rauschen“, also eine Überfülle an belanglosen Informationen, in denen die wesentlichen Informationen untergehen. Zudem werden gezielt Fehlinformationen, Halbwahrheiten und regelrechter Schwachsinn verbreitet. Dadurch wird es den Menschen erschwert, richtige und sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Nur freie und unabhängige Qualitätsmedien können die rechtsstaatliche Demokratie schützen. Dazu braucht es aber auch eine unabhängige Finanzierung und ebenso unabhängige Aufsichtsgremien.
Der fünfte Schritt benennt Umweltgerechtigkeit als die Basis aller Gerechtigkeit. Armut, Krankheit, Mangelernährung, Unbildung und Schädigung durch eine vergiftete Umwelt machen es Menschen unmöglich, sich an demokratischen Aushandlungen zu beteiligen. Umweltgerechtigkeit ist so die Basis des demokratischen Rechtsstaates, Basis der Grundrechte und der Menschenrechte, weil sie überhaupt erst die physischen Voraussetzungen für Teilhabe schafft. Winiwarter zitiert hier unter anderem den indischen Ökonomen Amartya Sen. Nach Sen ist eine Gesellschaft umso gerechter, je mehr durch Freiheit geschaffene „Verwirklichungschancen“ sie den Menschen ermöglicht. Freiheit umfasst die Möglichkeit politischer Teilhabe, ökonomische Institutionen, die für Verteilung sorgen, soziale Absicherung durch Mindestlöhne und Sozialhilfen, soziale Chancen durch Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem und Pressefreiheit. Alle diese Freiheiten müssen partizipativ ausgehandelt werden. Und das ist nur möglich, wenn die Menschen Zugang zu Umweltressourcen haben und frei von Umweltlasten sind.
Der sechste Schritt setzt sich weiter mit dem Begriff der Gerechtigkeit und den damit verbundenen Herausforderungen auseinander. Erstens ist der Erfolg von Maßnahmen, die zu mehr Gerechtigkeit führen sollen, oft nur schwer zu kontrollieren. Die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 etwa soll anhand von 242 Indikatoren gemessen werden. Eine zweite Herausforderung ist mangelnde Anschaulichkeit. Gravierende Ungleichheiten sind für nicht Betroffene oft gar nicht sichtbar, wodurch auch keine Motivation entsteht, dagegen vorzugehen. Drittens gibt es Ungleichheit nicht nur zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Menschen, sondern auch zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden und nicht zuletzt innerhalb einzelner Nationalstaaten. Armutsbekämpfung im Norden darf nicht auf Kosten des Südens gehen, Klimaschutz nicht auf Kosten der schon bisher Benachteiligten und ein gutes Leben in der Gegenwart nicht auf Kosten der Zukunft . Gerechtigkeit kann nur ausgehandelt werden, doch dem Aushandeln stehen oft Verständigungsschwierigkeiten entgehen, besonders auf der globalen Ebene.
Schritt sieben betont: „Ohne Frieden und Abrüstung gibt es keine Nachhaltigkeit.“ Krieg bedeutet nicht nur unmittelbare Zerstörungen, auch in Friedenszeiten verursachen Militär und Rüstung Treibhausgase und andere Umweltschäden und beanspruchen riesige Ressourcen, die besser für den Schutz der Lebensgrundlagen aufgewendet werden sollten. Frieden erfordert Vertrauen, das nur durch demokratische Teilhabe und Rechtsstaatlichkeit erreicht werden kann. Winiwarter zitiert den Moralphilosophen Stephen M. Gardiner, der einen globalen Verfassungskonvent vorschlägt, um eine klimagerechte Weltgesellschaft zu ermöglichen. Als eine Art Probehandeln schlägt sie einen österreichischen Klimaverfassungskonvent vor. Damit sollte auch den Zweifeln begegnet werden, die viele Aktivist:innen, Beratungsgremien und Wissenschaftler:innen an der Fähigkeit der Demokratie hegen, mit den klimapolitischen Herausforderungen fertigzuwerden. Die Begrenzung des Klimawandels verlangt umfassende gesellschaftliche Anstrengungen, die nur möglich sind, wenn sie von einer faktischen Mehrheit unterstützt werden. Am demokratischen Ringen um Mehrheiten führt also kein Weg vorbei. Ein Klimaverfassungskonvent könnte die institutionellen Reformen anstoßen, die dafür notwendig sind, und könnte dazu beitragen, das Vertrauen herzustellen, dass eine gedeihliche Entwicklung möglich ist. Denn je komplexer die Probleme sind, um so wichtiger ist Vertrauen, damit die Gesellschaft handlungsfähig bleibt.
Abschließend und fast nebenbei geht Winiwarter auf eine Institution ein, die eigentlich prägend für die moderne Gesellschaft ist: die „freie Marktwirtschaft“. Sie zitiert zuerst den Schriftsteller Kurt Vonnegut, der der Industriegesellschaft ein Suchtverhalten attestiert, nämlich die Sucht nach fossiler Energie, und einen „kalten Entzug“ vorhersagt. Und weiter den Drogenexperten Bruce Alexander, der die globale Suchtproblematik darauf zurückführt, dass die freie Marktwirtschaft die Menschen dem Druck zu Individualismus und Wettbewerb aussetzt. Die Abkehr von fossiler Energie könnte, meint Winiwarter, auch die Abkehr von der freien Marktwirtschaft zur Folge haben. Den Ausweg sieht sie darin, die psychosoziale Integration zu fördern, also die Wiederherstellung von Gemeinschaften, die durch Ausbeutung zerstört wurden, deren Umwelt vergiftet wurde. Diese müssen beim Wiederaufbau unterstützt werden. Eine alternative zur Marktwirtschaft wären Genossenschaften aller Art, in denen die Arbeit auf die Gemeinschaft ausgerichtet ist. Eine klimagerechte Gesellschaft ist demnach eine, die weder nach fossiler Energie noch nach bewusstseinsverändernden Drogen süchtig ist, weil sie durch Zusammenhalt und Vertrauen die mentale Gesundheit der Menschen fördert.
Was diesen Essay auszeichnet, ist der interdisziplinäre Ansatz. Leser:innen werden Hinweise auf eine Reihe von Autor:innen aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen finden. Dass ein solcher Text nicht alle Fragen beantworten kann, ist klar. Doch da die Schrift auf den Vorschlag eines Klimaverfassungskonvents zugespitzt ist, würde man eine ausführlichere Darstellung der Aufgaben erwarten, die ein solcher Konvent zu lösen hätte. Um die gegenwärtige Verfassung um einen Artikel zu Klimaschutz und Daseinsvorsorge zu erweitern, würde ja ein Parlamentsbeschluss mit Zweidrittelmehrheit genügen. Ein eigens gewählter Konvent müsste sich wohl mit der grundlegenden Struktur unseres Staatswesens auseinandersetzen, vor allem mit der Frage, wie konkret die Interessen von künftigen Generationen, deren Stimme wir ja nicht hören können, in der Gegenwart vertreten werden können. Denn, wie Stephen M. Gardiner ausführt, unsere gegenwärtigen Institutionen, vom Nationalstaat bis zur UNO, sind dafür nicht konzipiert worden. Dazu würde dann auch die Frage gehören, ob es außer der derzeitige Form der repräsentativen Demokratie durch Volksvertreter:innen noch andere Formen geben kann, die zum Beispiel Entscheidungsbefugnisse weiter nach „unten“, also näher zu den Betroffenen verlagern. Auch die Frage der Wirtschaftsdemokratie, des Verhältnisses von privater, profitorientierter Wirtschaft einerseits und gemeinschaftlicher, am Gemeinwohl orientierter Wirtschaft andererseits müsste Gegenstand eines solchen Konvents sein. Ohne strenge Regulierung ist eine nachhaltige Wirtschaft nicht denkbar, schon allein, weil zukünftige Generationen nicht als Konsument:innen über den Markt auf die Wirtschaft Einfluss nehmen können. Darum müsste geklärt werden, auf welche Weise solche Regulierungen zustande kommen sollen.
Auf jeden Fall ist Winiwarters Buch inspirierend, weil es den Blick weit über den Horizont von technologischen Maßnahmen wie Windkraft und Elektromobilität hinaus auf die Dimensionen menschlichen Zusammenlebens lenkt.
Verena Winiwarter ist Umwelthistorikerin. Sie wurde 2013 zur Wissenschaftlerin des Jahres gewählt, ist Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften und leitet dort die Kommission für interdisziplinäre ökologische Studien. Sie ist Mitglied von Scientists for Future. Ein Interview zum Thema Klimakrise und Gesellschaft ist auf unserem Podcast „Alpenglühen“ zu hören.
Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaften erklären das Grundproblem der Ökonomie gerne so: Die Mittel, die den Menschen zur Verfügung stehen, sind begrenzt, doch die Wünsche der Menschen seien unbegrenzt. Dass es zur menschlichen Natur gehört, immer mehr zu wollen, ist generell eine weit verbreitete Ansicht. Aber trifft es auch zu? Wenn es wahr wäre, würde das eine große Hürde für einen nachhaltigen Umgang mit den Mitteln darstellen, die uns der Planet zur Verfügung stellt.
Dabei muss man zwischen Wünschen und Bedürfnissen unterscheiden. Es gibt auch Grundbedürfnisse, die immer wieder befriedigt werden müssen, wie Essen und Trinken. Die können zwar niemals endgültig gestillt werden, solange ein Mensch lebt, aber sie erfordern nicht, dass man immer mehr und mehr davon anhäuft. Ähnlich ist es mit den Bedürfnissen nach Kleidung, Behausung usw. wo Güter immer wieder ersetzt werden müssen, wenn sie verschleißen. Aber unbegrenzte Wünsche zu haben bedeutet, immer mehr Güter anhäufen und konsumieren zu wollen.
Die Psycholog:innen Paul G. Bain und Renate Bongiorno von der Universität Bath in Großbritannien haben ein Experiment[1] durchgeführt, um die Frage näher zu beleuchten. Sie haben untersucht, wie viel Geld Menschen in 33 Ländern auf 6 Kontinenten sich jeweils wünschen würden, um das „absolut ideale“ Leben führen zu können. Und zwar sollten die Befragten sich vorstellen, dass sie zwischen verschiedenen Lotterien mit verschieden hohen Preisgeldern wählen könnten. Ein Lotteriegewinn ist nicht mit Verpflichtungen zu Dankbarkeit verbunden und auch nicht mit beruflichen oder geschäftlichen Verpflichtungen oder Verantwortlichkeiten. Für die meisten Menschen ist ein Lotteriegewinn der Weg zu Reichtum, den sie sich am ehesten für sich selber vorstellen können. Die Preisgelder der verschiedenen Lotterien begannen bei 10.000 USD und erhöhten sich jeweils um das Zehnfache, also 100.000 USD, 1 Million USD und so weiter bis 100 Milliarden USD. Jede Lotterie sollte die gleichen Gewinnchancen haben, also ein Gewinn von 100 Milliarden Dollar sollte genauso wahrscheinlich sein wie ein Gewinn von 10.000 Dollar. Die Annahme der Wissenschaftler:innen war, dass Menschen, deren Wünsche unbegrenzt sind, soviel Geld wie nur möglich haben wollen, sich also für die höchste Gewinnmöglichkeit entscheiden würden. Alle anderen, die einen weniger hohen Gewinn wählten, müssten klarerweise begrenzte Wünsche haben. Das Ergebnis müsste die Verfasser:innen von Ökonomielehrbüchern erstaunen: Nur eine Minderheit wollte so viel Geld wie nur möglich ergattern, je nach Land zwischen 8 und 39 Prozent. In 86 Prozent der Länder war die Mehrheit der Leute der Ansicht, dass sie mit 10 Millionen Dollar oder weniger ihr absolut ideales Leben führen könnten, in einigen Ländern würde der Mehrheit der Befragten 1 Million Dollar oder weniger genügen. Dabei waren Beträge zwischen 100 Millionen und 10 Milliarden wenig gefragt. Das heißt die Menschen entschieden sich entweder für einen – relativ – bescheidenen Betrag oder sie wollten alles. Für die Forscher:innen hieß das, sie konnten die Befragten einteilen in die „Unersättlichen“ und die mit begrenzten Wünschen. Der Anteil an„Unersättlichen“ war in wirtschaftlich „entwickelten“ und „weniger entwickelten“ Ländern ungefähr gleich. „Unersättliche“ waren eher unter jüngeren Menschen zu finden, die in Städten leben. Doch das Verhältnis von „Unersättlichen“ zu Menschen mit begrenzten Wünschen unterschied sich nicht nach Gender, sozialer Schicht, Bildung oder politischer Richtung. Manche der „Unersättlichen“ gaben an, ihren Reichtum für die Lösung von sozialen Problemen verwenden zu wollen, aber die Mehrheit beider Gruppen wollte den Gewinn nur für sich, ihre Familie und ihre Freunde verwenden.
1 bis 10 Millionen Dollar – den Bereich, in dem die meisten Befragten ihr absolut ideales Leben führen könnten – kann man als Reichtum bezeichnen, vor allem in ärmeren Ländern. Aber nach westlichen Standards wäre das kein übertriebener Reichtum. In manchen Gegenden von New York oder London könnte man mit 1 Million Dollar kein Einfamilienhaus kaufen, und ein Vermögen von 10 Millionen Dollar ist weniger als das jährliche Einkommen der leitenden Manager von der 350 größten US-Firmen, das 14 bis 17 Millionen Dollar beträgt.
Die Erkenntnis, dass die Wünsche der Mehrheit der Menschen keineswegs unersättlich sind, hat weitreichende Konsequenzen. Ein wichtiger Punkt ist, dass Menschen oft nicht nach ihren eigenen Überzeugungen handeln, sondern nach dem, wovon sie annehmen, dass es die Überzeugung der Mehrheit ist. Wenn Menschen wissen, dass es „normal“ ist, nur begrenzte Wünsche zu haben, sind sie nach Ansicht der Autor:innen weniger anfällig für die ständigen Reize, mehr zu konsumieren. Ein weiterer Punkt ist, dass ein wesentliches Argument für die Ideologie unbegrenzten Wirtschaftswachstums entkräftet wird. Dafür kann diese Erkenntnis Argumenten für eine Reichensteuer mehr Gewicht verleihen. Eine Steuer auf Vermögen über 10 Millionen USD würde für die meisten Menschen keine Einschränkung ihres „absolut idealen“ Lebensstils bedeuten. Die Erkenntnis, dass die Wünsche der meisten Menschen begrenzt sind, sollte uns Mut machen, wenn wir für mehr Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Lebens eintreten wollen.
Ein aktueller Report nimmt 25 Unternehmen unter die Lupe
2019 hat Amazon zusammen mit anderen Großunternehmen The Climate Pledge gegründet, einen von mehreren Zusammenschlüssen von Firmen, die sich verpflichten, bis 2040 klimaneutral zu werden. Doch bis heute hat Amazon nicht im Detail dargelegt, wie es dieses Ziel erreichen will. Es ist nicht klar, ob das Versprechen nur die CO2-Emissionen oder alle Treibhausgase umfasst, und es ist nicht klar, in welchem Umfang die Emissionen tatsächlich reduziert oder bloß durch CO2-Kompensation ausgeglichen werden sollen.
Ikea möchte bis 2030 „klimapositiv“ sein. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar, aber es suggeriert, dass Ikea bis dahin noch mehr als klimaneutral werden will. Konkret plant das Unternehmen eine Reduktion seiner Emissionen bis 2030 um nur 15 Prozent. Für den Rest will sich Ikea unter anderem „vermiedene“ Emissionen anrechnen, d. h. Emissionen, die eigentlich seine Kund:innen vermeiden, wenn sie Solarpaneele von Ikea kaufen. Weiter rechnet Ikea sich den in seinen Produkten gebundenen Kohlenstoff an. Dabei ist sich das Unternehmen bewusst, dass dieser Kohlenstoff im Durchschnitt nach ca. 20 Jahren wieder freigesetzt wird (z. B. wenn Holzprodukte entsorgt und verbrannt werden). Das macht natürlich die Klimawirkung dann wieder zunichte.
Der Bodenverbrauch ist eines der größten Umweltprobleme Österreichs, findet aber kaum Aufmerksamkeit in der politischen Diskussion. Gesunder Boden ist für uns unersetzbar – er sichert nicht nur unsere Ernährung, sondern bietet auch Schutz vor z.B. Hochwasser, Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, sorgt für sauberes Grundwasser, speichert CO2 und ist Erholungsfaktor.
Diese Funktionen des Bodens bilden wichtige Lebensgrundlagen – und doch wird die Funktion des Bodens als Bauland oft priorisiert. In ganz Österreich werden immer wieder neue Bauprojekte angestoßen, die gesunden Boden versiegeln. Dabei gehen seine anderen Funktionen verloren. Die Konsequenzen dessen zeigen sich allerdings schleichend. Was diese „Tyrannei der kleinen Entscheidungen“ zur Folge hat und was sich ändern muss, erörterten Andreas Baumgarten (AGES – Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), Kirsten von Elverfeldt (Universität Klagenfurt, S4F Kärnten, S4F Fachkollegium) und Arthur Kanonier (Technische Universität Wien, Österreichische Gesellschaft für Raumplanung) letzte Woche in einem Pressegespräch von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz und Scientists for Future. Sofia Palzer-Khomenko von Scientists for Future moderierte.
Die Statements von Andreas Baumgarten, Kirsten von Elverfeldt und Arthur Kanonier können hier nachgehört werden:
Bodenverbrauch in Österreich dramatisch hoch
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Neben der zunehmenden Bodenversiegelung (Thema des letzten Positionspapiers von S4F Kärnten) ist auch die Diskussion um Sanierung vs. Abriss/Neubau („Reconstructing“) eine Frage des Bausektors mit Relevanz fürs Klima.
Stefan Breuer von den S4F Kärnten geht in seiner Stellungnahme in der Kärntner Allgemeinen Zeitung kaz auf das Beispiel der Kanaltaler Siedlung in Villach, einem gemeinnützigen Wohnbau, ein.
Kärnten hat einen enormen Bodenverbrauch – nämlich den mit Abstand größten Pro-Kopf-Bodenverbrauch in Österreich. Er ist doppelt so groß wie der österreichische Durchschnitt und Kärnten alleine verbraucht mehr an Böden als nach Zielwerten in ganz Österreich verbraucht werden dürfte. Doch warum ist das ein Problem?
Die S4F Regionalgruppe Kärnten hat sich kürzlich näher mit dem Thema beschäftigt und ein Positionspapier entwickelt. Die Autorinnen gehen hier auf den aktuellen Stand des Bodenverbrauchs in Kärnten ein, erklären Probleme und weisen auf einen Handlungsbedarf und Lösungsansätze hin. Das komplette Positionspapier mit Hintergründen, Zahlen und weiteren Infos gibt es hier zum Download:
Warum ist der hohe Bodenverbrauch in Kärnten ein Problem?
Boden ist knapp und bildet eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen: Er liefert Nahrung, bildet Lebensraum für Tiere und Pflanzen, schützt vor Naturgefahren wie Hochwasser, wirkt kühlend auf die Umgebung und speichert CO2. Diese Funktionen gehen uns verloren, wenn der Boden verbaut wird. Er ist kaum wiederherstellbar, sobald er einmal schwer beeinträchtigt wurde. Doch gerade hinsichtlich der fortschreitenden Klimakrise brauchen wir diese Funktionen.
Das macht die Zahlen umso alarmierender: In den letzten zehn Jahren sind täglich durchschnittlich 2,2 Hektar verbaut worden, also mehr als 2 Fußballfelder. Laut Überschlagsrechnung wären bei gleichbleibendem Verbauungstempo in spätestens 170 Jahren alle Anbauflächen in Kärnten zugebaut.
Die Wurzeln des Problems sind an mehreren Stellen zu finden: In Kärnten gibt es z. B. kein Bodenschutzgesetz und keine spezifische Ansprechstelle für solche Belange. Grund dafür sind Einzelinteressen von Gemeinden, Nutzungskonflikte, ein starkes Eigentumsrecht, Böden als beliebte Anlageform (Betongold) und fehlende politische Maßnahmen.
Was muss passieren und was kann ich tun?
Die effektivste Maßnahme sind die Einführung von Grenzwerten gegen den Bodenverbrauch, die Nachnutzung bereits bebauter Flächen und klimafitte Ortschaften.
Doch auch jede*r Einzelne kann dazu beitragen, dass Flächen effektiver genutzt werden. Wenn der Fleischkonsum beispielsweise reduziert wird, kann viel Fläche eingespart werden, die aktuell für die Viehwirtschaft benötigt wird. Rund um das Eigenheim können Möglichkeiten wie Photovoltaik, mehr Grün und weniger versiegelte Flächen genutzt werden. Im Alltag können durch das Umsteigen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Rad Flächen eingespart werden, die aktuell von Autos beschlagnahmt werden. Und zu guter Letzt kann sich jeder politisch engagieren bzw. auf Politiker*innen einwirken, um solche Entwicklungen voranzutreiben.
Hier kannst du erfahren wie du dich bei Scientist4Future einbringen kannst.
Der Meeresboden ist das größte CO2-Reservoir auf der Erde. Besonders auf lange Sicht ist dies für uns wichtig – Der Meeresboden kann CO2 über Jahrtausende binden. Der Boden kann den gebundenen Kohlenstoff jedoch wieder als CO2 ins Wasser abgeben, wenn er beschädigt wird. Auslöser dafür können Schleppnetze sein, die beim industriellen Fischfang über den Meeresgrund gezogen werden. Das CO2, das dabei freigesetzt wird, kann eine Versauerung des Meeres verursachen. Dies kann sich wiederum negativ auf die Artenvielfalt und die Produktion von Nahrungsmitteln durch den Ozean auswirken.
Zusammenfassung des Vortrags „Silent Spring – Biodiversität in der Krise“ von Franz Essl
Im Alltag fällt es zwar nicht unbedingt immer auf, aber wir befinden uns in einer Krise, die die Vielfalt der Arten bedroht – weltweit und in Österreich. Silent Spring – der stille Frühling – zeichnet ein Bild der Auswirkungen eines Artensterbens, das Realität werden kann. Franz Essl geht in seinem Vortrag „Silent Spring – Biodiversität in der Krise“ auf Ursprünge und Auswirkungen des Artensterbens ein, das uns Menschen nicht nur betrifft, sondern das wir auch in der Hand haben.
"Silent Spring" von Franz Essl | Online-Vortragsreihe Uni Wien
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Rückblick: Das vom Menschen verursachte Massensterben
Die Anfänge des durch den modernen Menschen verursachte Massensterbens werden rückblickend bereits in der Besiedlung der einzelnen Kontinente deutlich. Mehr als 50 % der ausgerotteten Großsäuger zu dieser Zeit sind dem Menschen zuzuschreiben. Der noch relativ junge Übergang zur Landwirtschaft und das folgende exponentielle Wachstum von Weltbevölkerung und Ressourcen intensivierten das Artensterben weiter. Heute leben wir im „Anthropozän“: Das Zeitalter, in dem der Mensch die Biosphäre dominiert. Dies drückt sich auch in der Population bestimmter Arten aus: Etwa 95 % der heute lebenden großen Säugetiere sind Nutztiere des Menschen. Die Populationen anderer großer Säugetiere hingegen stellen Franz Essl zufolge „Inseln in einer von Menschen geprägten Welt“ dar.
Die Wirtschaft als übergeordnetes System: Ein unrealistisches Weltbild der industrialisierten Welt
Die Dominanz des Menschen in der Biosphäre entspricht dem Weltbild, das in der industrialisierten Welt vorherrscht: Die Natur wird hierbei als ein System gesehen, das vom wirtschaftlichen System für den Menschen nutzbar gemacht wurde, z.B. in Form von Landwirtschaft, Abbau von Rohstoffen, Sport oder Urlaub. In dieser Ansicht existiert Natur eingebettet in das wirtschaftliche System. Dass diese Ansicht nicht der Realität entsprechen kann, zeigt sich bereits in der Abhängigkeit des Menschen von einem intakten Ökosystem. Dieses liefert Nahrung und Lebensraum. In einem realistischen Weltbild ist das wirtschaftliche System also vielmehr eingebettet in das System der Gesellschaft, das wiederum eingebettet ist in das Ökosystem der Erde. Ein funktionierendes, stabiles Ökosystem und Artenvielfalt wirken daher wie ein sicheres Fundament für einen lebenswerten Planeten. Raubbau daran kann deshalb nicht endlos betrieben werden. Dies zeigt sich auch im Aussterben von Arten.
In einigen Punkten gerät der Planet bereits an seine Grenzen, u. a. in der Unverletzlichkeit der Artenvielfalt. Der globale Trend zeigt zwar, dass sich ein stärkeres Bewusstsein für Artenschutz bildet: Es werden mehr Schutzmaßnahmen getroffen. Die Zustände verschlechtern sich aber trotzdem. Die klimatischen Bedingungen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Je mehr sich die Erde erwärmt, desto mehr Arten sind bedroht: Selbst für das Erreichen des Klimaziels von 1,5° C Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wird ein Artensterben von 6 % der Insekten, 8 % der Pflanzen und 4 % der Wirbeltiere prognostiziert. Dies erscheint jedoch sehr gering im Vergleich mit der Prognose bei einer Erderwärmung von 3,2° C: In diesem Fall würden 49 % der Insekten, 44 % der Pflanzen und 26 % der Wirbeltiere aussterben.
Dringender Handlungsbedarf: Das Artensterben in Österreich
Ein für Österreich besonders anschauliches Beispiel für die Auswirkung des Klimawandels auf die Artenvielfalt sind die Fichtenwälder: Bereits jetzt werden diese durch den Borkenkäfer geschädigt. Diese Tiere fühlen sich bei warmem, trockenem Klima besonders wohl, während Fichten Wärme und Trockenheit weniger gut vertragen. Bei zunehmender Erderwärmung breitet sich der Borkenkäfer weiter aus, während sich die Anzahl der Gebiete, in denen Fichten überleben können, stetig verringert. Auch die Population von Brutvögeln, wie dem Rebhuhn oder der Feldlerche, geht zurück. Dies ist wiederum auf das Sterben von Insektenarten zurückzuführen, die den Vögeln als Nahrungsquellen dienen. Im internationalen Vergleich ist das Artensterben in Österreich sogar gravierender als im Durchschnitt: Jede dritte Art steht hierzulande auf der roten Liste und gilt damit als vom Aussterben bedroht.
Wo ansetzen? Klima- und Umweltschutz als wirtschaftliches, politisches und gesellschaftliches Ziel
Franz Essl schließt seinen Vortrag mit den großen Stellschrauben, die bewegt werden müssen, um eine Trendwende herbeizuführen. Er plädiert für den Stopp des Biodiversitätsverlustes bis 2030 als politisches Ziel. In Österreich wird eine Landwirtschaft benötigt, die ihre Prioritäten in ihrer Klima- und Naturfreundlichkeit sieht, da immerhin 25 % der CO2 Emissionen aus der Landnutzung kommen. Auch weniger Flächenversiegelung ist eine Maßnahme. Hierfür sind politische Instrumente notwendig, die solches Wirtschaften fördern. Die aktuellen Maßnahmen sind dafür nicht ausreichend.
Doch auch als Einzelperson ist man Teil des Systems, das sich verändern muss. Also kann auch im Kleinen etwas bewirkt werden, z. B. mit politischem Engagement, Umweltaktivismus oder den täglichen Konsumentscheidungen. Denn ähnlich wie die Veränderung der Umwelt und das Aussterben von Arten bestehen Systemänderungen aus vielen kleinen Einzelveränderungen.
Der komplette Vortrag von Franz Essl mit vielen weiteren Details, Zahlen und einem Diskussionsteil ist unter https://www.youtube.com/watch?v=aV467tQaFHU abrufbar. Gesichtet: M. A.