Klimakatastrophe und Konflikte um kritische Rohstoffe
von Martin Auer

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Lesedauer 8 Minuten

Dieser Essay beruht auf einem Vortrag von Martin Auer (Scientists for Future Österreich) bei den Linzer Friedensgesprächen am 27. Jänner 2023.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hörte und las man oft Sätze wie: „Erneuerbare Energien sichern Frieden“. Eine typische Argumentation ist diese: „Öl und Gas heizen nicht nur den Klimawandel an, sie befeuern auch militärische Konflikte in aller Welt. Wer Frieden schaffen will, muss deshalb die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen beseitigen – durch Investitionen in saubere Energiequellen wie Sonne und Wind.“1

Dabei wird leider übersehen, dass für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und für dessen Speicherung große Mengen „kritischer Metalle“ gebraucht werden, wie Kupfer, Lithium, Kobalt, Nickel und Seltenerdmetalle. Und diese sind sehr ungleich in der Erdkruste verteilt. Drei Viertel der Gewinnung von Lithium, Kobalt und Seltenen Erden finden in China, der Demokratischen Republik Kongo und im Lithiumdreieck Chile-Argentinien-Bolivien statt.2

Rohstoffe sind eine strategische Sicherheitsfrage

In einem Papier von 2020 hat die Europäische Kommission festgehalten: „Der Zugang zu Rohstoffen ist eine strategische Sicherheitsfrage für Europa, um den „Green Deal“ zu verwirklichen. (…) Europas Übergang zu Klimaneutralität könnte an die Stelle der heutigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen die Abhängigkeit von Rohstoffen setzen, von denen wir viele aus dem Ausland beziehen und um die die globale Konkurrenz immer erbitterter wird.“3

Die Ukraine ist reich an Lithium und anderen Mineralien

Im Juli 2021 hatte die EU mit der Ukraine ein strategisches Abkommen zur Gewinnung und Verarbeitung von kritischen Rohstoffen und Erzeugung von Batterien geschlossen4. Die Ukraine verfügt über große Reserven von Lithium, Kobalt, Beryllium und Seltenerdmetallen, die vom Ukrainian Geological Survey mit 6.700 Millionen Euro bewertet werden5. Das Lithium-Vorkommen wird mit 500.000 Tonnen als eines der größten der Welt eingeschätzt.

Lithiumvorkommen in der Ukraine
Quelle: Ukrainian Geological Survey

Im Februar 2022 hat Russland dann die Ukraine überfallen. Das größte Vorkommen liegt in den seit Februar 2022 von Russland besetzten Gebieten im Osten in der Oblast Donetsk. Laut der Politologin Olivia Lazard (Carnegie Europe) geht es Putin unter anderem darum, der EU den Zugang zu diesen Vorräten abzuschneiden. Russland verfügt selbst über große Reserven an kritischen Rohstoffen und strebt danach, mit deren Hilfe wieder ein mächtiger Player auf dem Weltmarkt zu werden. Die Wagner-Söldnertruppe ist übrigens auch in mineralreichen Ländern in Afrika aktiv, wie Mosambik, Zentrafrikanische Republik, Madagaskar und Mali.6

Die EU verklagt Indonesien wegen Zugang zu Nickel

Ein anderer kritischer Rohstoff ist Nickel. Im Dezember 2022 hat die Welthandelsorganisation (WTO) einer Klage der EU gegen Indonesien stattgegeben. Indonesien hatte 2020 ein Gesetz erlassen, das die Ausfuhr von Nickel verbietet und verlangt, dass Nickelerz in Indonesien raffiniert werden muss. Dagegen hatte die EU geklagt. Das, wogegen Indonesien sich wehrt, ist das klassische koloniale Muster: Rohstoffe werden im globalen Süden gewonnen, aber die Wertschöpfung findet im globalen Norden statt. Unternehmensprofite, Steuern, Arbeitsplätze wandern also in den Norden. „Wir wollen ein entwickeltes Land werden, wir wollen Arbeitsplätze schaffen“, erklärte der indonesische Präsident. Die EU aber will koloniale Muster aufrechterhalten.7

Lithiumproduktion schädigt die Landwirtschaft der Indigenen in Chiles Atacamawüste

Der zweitgrößte Lithiumproduzent ist derzeit Chile (nach Australien). In der Atacama Wüste, einer der trockensten der Erde, wird Lithiumkarbonat als Salzsole aus dem Boden hochgepumpt. Die Sole lässt man in großen Becken verdunsten. Laut Bergbau-Kommission der chilenischen Regierung wurde dem Grundwasser in der Atacama zwischen 2000 und 2015 viermal so viel Wasser entzogen, wie auf natürliche Weise in Form von Regen- oder Schmelzwasser in das Gebiet gelangte. Für die Landwirtschaft der Indigenen in den Oasen wird das Wasser immer knapper. Die Indigenen wurden auch zu den Lithiumprojekten nicht konsultiert. Das verstößt gegen die UN-Konvention für indigene Völker.8

Lithium und der Putsch in Bolivien

Die größten Lithiumreserven liegen unter der Salzwüste Salar de Uyuni in Bolivien. Allerdings werden sie bisher kaum abgebaut. Die sozialistische Regierung von Evo Morales hat Lithium zum strategischen Rohstoff erklärt mit dem langfristigen Ziel, Bolivien zu einem weltweit führenden Hersteller von Batterien zu machen, also die Wertschöpfung im Land zu behalten. Es gab hier zunächst einen Konflikt mit lokalen Kräften der Provinz Potosí, wo die Vorkommen liegen. Diese wollten möglichst bald von Lizenzgebühren profitieren und waren auch mit der Wahl des strategischen Partners für die Erschließung nicht einverstanden. Das sollte die deutsche Firma ACI Systems sein, die auch Tesla mit Batterien beliefert, und die sich verpflichtete, auch eine Fabrik für Batterien für den südamerikanischen Markt zu bauen und bolivianische Mitarbeiter:innen auszubilden und zu qualifizieren. Das sollte einerseits einen Technologietransfer für Bolivien bringen, andererseits sollte durch das Joint Venture natürlich auch Deutschland Zugang zum begehrten Lithium bekommen.

Der Konflikt zwischen Potosí und der Zentralregierung wurde mit Demonstrationen, Hungerstreiks und blutigen Polizeieinsätzen ausgetragen. Morales stoppte schließlich den Vertrag mit ACI.9 Bei den kurz darauf folgenden Präsidentenwahlen, zu denen Morales zum vierten Mal antrat, behauptete die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die die Wahl überwachen sollte, Wahlbetrug festgestellt zu haben. Der Vorwurf wurde später widerlegt. Rechte Kräfte nahmen den angeblichen Wahlbetrug am 10. November 2019 als Vorwand für einen Putsch.10 Die OAS wird zu 60 Prozent von den USA finanziert. Morales beschuldigte also die USA, hinter dem Putsch zu stehen. Die TrumpAdministration begrüßte den Putsch offiziell.

Nur am Rand: Elon Musk tweetete einige Zeit später: „Wir putschen gegen wen wir wollen, schluckt das!“11

Die Putschregierung annullierte den Vertrag mit ACI endgültig und machte so den Weg frei für den Ausverkauf bolivianischen Lithiums an transnationale Konzerne. Die investigative Plattform „Declassified“ berichtete von hektischen Aktivitäten der britischen Botschaft nach dem Putsch, um in Verhandlungen über Lithium einzutreten.12

Der Widerstand gegen den Putsch war aber stark genug, um Neuwahlen zu erzwingen.
Diese Wahlen fanden 2020 statt und wurden von Luis Arce, einem Parteigenosse von Morales gewonnen, diesmal mit unbestreitbarem Vorsprung, und die Verhandlungen mit ACI wurden wieder aufgenommen mit dem Ziel, bessere Bedingungen für Bolivien zu erreichen.13

Widerstand gegen Lithiumabbau in Europa

Die EU strebt natürlich auch danach, den Bedarf an kritischen Mineralien im Inneren und im näheren Umkreis zu decken. Doch hier stößt der Lithiumabbau auf prinzipiellen Widerstand.

So ist Barroso, eine Landschaft im Norden Portugals, die von der FAO zum „Landwirtschaftlichen Kulturerbe“ erklärt worden ist, vom Lithium-Gewinnung im Tagebau bedroht.

In Serbien haben die Proteste gegen geplanten Lithiumabbau dazu geführt, dass die Regierung die Lizenz für den Großkonzern Rio Tinto aufgehoben hat.

Das Rennen um kritische Rohstoffe

Warum ist das Rennen um kritische Rohstoffe so erbittert?

Laut einer Prognose der Investment-Bank Goldman Sachs sollen im Jahr 2050 drei Milliarden PKWs auf dem Planeten unterwegs sein, also mehr als doppelt so viele wie heute, davon 19 % Elektrofahrzeuge und 9 % mit Wasserstoff oder mit Flüssiggas betrieben.

Abbildung 1: PKW im Jahr 2050 laut Goldman Sachs
Orange: Verbrenner, blau: Elektroautos, gelb: alternative Kraftstoffe (z.B. Wasserstoff)
Quelle: https://www.fuelfreedom.org/cars-in-2050/

Das Szenario der Internationalen Energieagentur sagt, es müssen 33 % E-Autos sein. Die Gesamtzahl von drei Milliarden Autos wird aber nicht in Frage gestellt.14 Niemand fragt sich: „Wie können wir mit dem auskommen, was wir haben?“, sondern man schätzt den Bedarf an diesen kritischen Rohstoffen auf Grund des vorhergesagten Wirtschaftswachstums, und da ist der Druck, sich diese Ressourcen zu beschaffen, natürlich umso größer.

Laut OECD soll die gesamte Weltwirtschaft sich bis 2050 verdoppeln, von heute 100 Billionen Dollar auf 200 Billionen, in Kaufkraft gemessen.15 Wir sollen also 2050 doppelt so viel von allem herstellen und verbrauchen wie heute. Das bedeutet aber, dass sich der Bedarf an Rohstoffen generell auch verdoppeln wird, leicht gemildert durch verbessertes Recycling.

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung von Wissenschaftler:innen der Universität Valladolid kam zum Ergebnis: Wenn man den gegenwärtigen Trend zur E-Mobilität in die Zukunft fortschreibt, würde der akkumulierte Verbrauch an Lithium bis 2050 120 % der jetzt bekannten Reserven ausmachen. Bei einem Szenarium mit hohem Anteil an E-Autos beträgt diese Zahl 300 %, bei einem Szenario mit Schwergewicht auf leichten E-Fahrzegen wie E-Bikes knapp unter 100 %, und nur bei einem Degrowth-Szenario würden wir bis 2050 erst 50 % der Vorkommen abgebaut haben. Ähnlich sehen die Ergebnisse für Kobalt und Nickel aus.16

Abbildung 2: Quelle: Pulido-Sánchez, Daniel; Capellán-Pérez, Iñigo; Castro, Carlos de; Frechoso, Fernando (2022): Material and energy requirements of transport electrification. In: Energy Environ. Sci. 15 (12), S. 4872–4910
https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2022/EE/D2EE00802E

Eine bloße Änderung der Energiebasis wird also am Wettlauf um Ressourcen nichts ändern. Er wird sich nur verlagern von Öl und Kohle auf andere Materialien. Und es geht bei diesem Wettlauf nicht nur darum, die Verfügung über die Rohstoffe zu bekommen, sondern auch um die Beherrschung des Marktes.

Die Beherrschung der Märkte

Ich möchte auf ein historisches Beispiel verweisen: Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze schreibt über die Ziele des späteren deutschen Reichskanzler Gustav Stresemann als Reichstagsabgeordneter im 1. Weltkrieg: Die Ausweitung des deutschen Hoheitsgebiets durch die Eingliederung Belgiens, der französischen Küste bis Calais, Marokko und zusätzlichen Gebieten im Osten fand er ‚notwendig‘, weil sie Deutschland eine adäquate Plattform für den Wettbewerb mit Amerika verschaffen konnte. Keine Volkswirtschaft, die nicht über einen garantierten Markt von mindestens 150 Millionen Abnehmern verfügte, würde sich mit den Vorteilen der Massenproduktion in den USA messen können.17

Das ist die Logik, die den Ersten und Zweiten Weltkrieg bestimmte, das ist die Logik, die die Ausweitung der EU bestimmt, das ist die Logik, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine bestimmt, das ist die Logik, die den Konflikt zwischen den USA und China bestimmt. Es ist nicht so, dass derjenige, der besser und günstiger produziert, den Markt beherrschen wird, sondern umgekehrt, wer den größeren Markt beherrscht, kann die wirtschaftlichen Vorteile der Massenproduktion besser ausnützen und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen.

Es geht in den Kriegen der Neuzeit nicht nur darum, wer wem Ressourcen wegnehmen kann, wer wessen Arbeitskraft ausbeuten kann, sondern auch – und vielleicht sogar in erster Linie – darum, wer wem was verkaufen kann. Das ist die Logik einer Wirtschaftsweise, die auf Konkurrenz beruht und auf dem Einsatz von Kapital zur Erzeugung von noch mehr Kapital. Da geht es gar nicht um die Gier von bösen Kapitalisten, sondern um die Struktur der Wirtschaftsweise: Wenn Sie ein Unternehmen leiten, müssen Sie Gewinne machen, um in Innovationen investieren zu können, damit sie nicht hinter der Konkurrenz zurückbleiben. Die Villa und die Yacht sind angenehme Nebenerscheinungen, aber das Ziel ist die Vermehrung des Kapitals, um im Geschäft bleiben zu können. Innovationen führen dazu, dass Sie entweder mit derselben Arbeit mehr produzieren können, oder dasselbe mit weniger Arbeit. Aber da ihr Produkt durch die Innovation billiger wird, müssen Sie mehr davon verkaufen, um die nötigen Gewinne für neue Investitionen zu machen. Dabei werden Sie noch vom Staat und von den Gewerkschaften unterstützt, denn wenn Sie Ihren Absatz nicht ausweiten können, gehen Arbeitsplätze verloren. Sie dürfen sich nicht fragen: Braucht die Welt mein Produkt eigentlich, ist das gut für die Menschen? Sondern Sie fragen sich, wie kann ich die Leute dazu bringen, es zu kaufen? Durch Werbung, dadurch, dass ich es künstlich schnell veralten oder kaputtgehen lasse, dadurch, dass ich die Konsument:innen über die wahren Eigenschaften im Unklaren lasse, dass ich sie danach süchtig mache, wie im Fall der Tabakindustrie, oder dass ich überhaupt, wie im Fall von Panzern und dergleichen, es von den Steuerzahler:innen bezahlen lasse. Natürlich bringt die kapitalistische Wirtschaftsweise auch gute und nützliche Produkte hervor, aber es ist für die Verwertung des Kapitals unerheblich, ob das Produkt nützlich oder schädlich ist, solange es verkaufbar ist.

Die Grenzen des Planeten und die Grenzen des Nachbarn

Diese Wirtschaftsweise muss zwangsläufig an die Grenzen des Planeten stoßen, und sie muss immer wieder an die Grenzen des Nachbarn stoßen. Dieses Wirtschaftssystem erlaubt uns nicht zu sagen: So, wir haben jetzt eigentlich genügend von allem, mehr brauchen wir nicht. Eine „Degrowth“-Wirtschaftsweise, eine Wirtschaftsweise, die nicht zu unendlichem Wachstum tendiert, muss prinzipiell anders organisiert sein. Und das Prinzip muss sein: Der Kreis der Konsument:innen und Produzent:innen – und und mit Produzent:innen meine ich jene, die die Arbeit machen – muss demokratisch bestimmen, was, wie, in welcher Qualität, in welcher Menge produziert wird. Welche Bedürfnisse sind grundlegend und unverzichtbar, was ist fein, wenn man es hat, und was ist überflüssiger Luxus? Wie können wir die wahren Bedürfnisse mit möglichst geringem Einsatz von Energie, Material und öder Routinearbeit befriedigen?

Wie lässt sich das organisieren? Ein funktionierendes Beispiel scheint es bis jetzt auf der Welt nicht zu geben. Vielleicht ist ein Denkanstoß der Klimarat der Bürger:innen. Das waren in Österreich 100 zufällig und repräsentativ für die Gesellschaft ausgewählte Menschen, die – von Expert:innen beraten – Vorschläge ausgearbeitet haben, wie Österreich seine Klimaziele erreichen könnte. Leider hat dieser Rat keine Macht, seine Vorschläge durchzusetzen. Solche Bürger:innenräte, die sowohl über wirtschaftliche als auch über politische Entscheidungen beraten, könnte es auf allen Ebenen der Gesellschaft geben, auf Gemeinde- Landes-, Bundesebene und auch auf europäischer Ebene. Und über ihre Empfehlungen müsste dann auch demokratisch abgestimmt werden. Die Unternehmen müssten auf das Gemeinwohl verpflichtet werden anstatt auf den Shareholder-Value. Und wenn privatwirtschaftliche Unternehmen das nicht leisten können oder wollen, müssen ihre Aufgaben durch genossenschaftliche, kommunale oder staatliche Unternehmen übernommen werden. Nur eine solche Wirtschaftsweise wird nicht an die Grenzen des Planeten und nicht an die Grenzen des Nachbarn stoßen. Nur eine solche Wirtschaftsweise kann daher die Voraussetzungen für dauerhaften Frieden schaffen.

Gesichtet: Petra Seibert

Titelfoto: Bucha, Ukraine, April 2022: Rodrigo Abd via flickr, CC BY


1 https://energiewinde.orsted.de/klimawandel-umwelt/energiewende-friedensprojekt

2 https://www.nytimes.com/2022/03/02/climate/ukraine-lithium.html

3 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0474&from=EN

4 https://single-market-economy.ec.europa.eu/news/eu-and-ukraine-kick-start-strategic-partnership-raw-materials-2021-07-13_en

5 https://www.geo.gov.ua/wp-content/uploads/presentations/en/investment-opportunities-in-exploration-production-strategic-and-critical-minerals.pdf

6Lazard, Olivia (2022): Russia’s Lesser-Known Intentions in Ukraine. Online verfügbar unter https://carnegieeurope.eu/strategiceurope/87319

7 https://www.aspistrategist.org.au/the-global-race-to-secure-critical-minerals-heats-up/

8 https://www.dw.com/de/zunehmender-lithium-abbau-verst%C3%A4rkt-wassermangel-in-chiles-atacama-w%C3%BCste/a-52039450

9 https://amerika21.de/2020/01/236832/bolivien-deutschland-lithium-aci-systems

10 https://www.democracynow.org/2019/11/18/bolivia_cochabamba_massacre_anti_indigenous_violence

11 https://pbs.twimg.com/media/EksIy3aW0AEIsK-?format=jpg&name=small

12 https://declassifieduk.org/revealed-the-uk-supported-the-coup-in-bolivia-to-gain-access-to-its-white-gold/

13 https://dailycollegian.com/2020/09/bolivias-new-government-and-the-lithium-coup/
https://www.trtworld.com/magazine/was-bolivia-s-coup-over-lithium-32033
https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/nov/13/morales-bolivia-military-coup

14 https://www.fuelfreedom.org/cars-in-2050/

15 https://data.oecd.org/gdp/real-gdp-long-term-forecast.htm

16 Pulido-Sánchez, Daniel; Capellán-Pérez, Iñigo; Castro, Carlos de; Frechoso, Fernando (2022): Material and energy requirements of transport electrification. In: Energy Environ. Sci. 15 (12), S. 4872–4910. DOI: 10.1039/D2EE00802E

17 Tooze, Adam (2006): Ökonomie der Zerstörung, München



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„Letzte Generation“: Rund 60 Wissenschafter:innen in Graz solidarisieren sich mit Sorge der Aktivist:innen

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In Graz haben Aktivist:innen der Letzten Generation heute früh durch eine Straßenblockade auf die dramatischen Klimafolgen hingewiesen, auf die unser Planet ohne deutlichen Klimaschutz zusteuert. Zahlreiche Wissenschafter:innen waren vor Ort. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass die Klimasorgen mehr als berechtigt sind. Bereits im März 2019 haben über 26.000 Wissenschafter:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – davon rund 2000 aus Österreich – eine unmissverständliche und klare Stellungnahme unterschrieben: Die Sorgen der jungen Menschen sind berechtigt. Vier Jahre später ist die Klimakrise weiter gefährlich angewachsen und diese Sorgen ernst zu nehmen ist dringlicher denn je. In unseren wissenschaftlichen Studien sehen wir, wie zerstörerisch die Folgen für uns alle sein werden, wenn wir nicht umgehend für viel mehr Klimaschutz sorgen. Wir schließen daraus, dass ein volles Bewusstsein über diese Folgen bei einer breiten Mehrheit zu wohl wesentlich mehr Klimaschutz führen würde, als wir derzeit in Österreich beobachten können. Wir sehen es daher als unsere Verantwortung als Bürger:innen, auf diese Folgen hinzuweisen, und dies auch als Wissenschafter:innen auf Einladung aller gesellschaftlichen Kräfte zu tun. Mit den Aktivist:innen der Letzten Generation sind wir dazu auch im Austausch, wie nächste Schritte einer Umsetzung und gesellschaftlichen Entscheidung hin zu deutlich mehr Klimaschutz gelingen können. Klug gestaltet bringt Klimaschutz zudem mehr von vielem: von Gesundheit über Arbeitsplätze bis zu Lebensqualität. Während die Protestform umstritten ist, zeigen Beispiele aus der Geschichte, dass ziviler Ungehorsam ein wesentlicher Katalysator sein kann für wichtige gesellschaftliche Änderungen, deren Resultate uns heute völlig normal erscheinen, wie etwa Frauenwahlrecht und Bürger:innenrechte. Die Situation ist heute im Hinblick auf die Klimafolgen kritisch – gesellschaftliche Diskussion und gemeinsame Entscheidungen sind daher in unser aller ureigenstem Interesse.

Univ.-Prof. Dr. Karl Steininger, Klimaökonom
Assoz.-Prof. Dr. Thomas Brudermann, Nachhaltigkeitsforscher
Univ.-Prof. Anke Strüver, PhD, Stadtgeographin

Das Originaldokument mit den weiteren Unterzeichner:innen:



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APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben
Der große Umbau
von Martin Auer

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Lesedauer 11 Minuten

Es ist nicht leicht, in Österreich klimafreundlich zu leben. In allen Bereichen der Gesellschaft, von Arbeit und Pflege über Wohnen bis zu Mobilität, Ernährung und Freizeit sind tiefgreifende Veränderungen notwendig, um dauerhaft ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, ohne die Grenzen des Planeten zu sprengen. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen zu diesen Fragen haben österreichische Top-Wissenschaftler:innen in zweijähriger Arbeit zusammengetragen, gesichtet und bewertet. So ist dieser Bericht entstanden, der Antwort geben soll auf die Frage: Wie können die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass ein klimafreundliches Leben möglich ist?

Koordiniert hat die Arbeit am Bericht Dr. Ernest Aigner, der auch Scientist for Future ist. Im °CELSIUS-Interview gibt er Auskunft über die Entstehung, den Inhalt und die Ziele des Berichts.
(Weitere Interviews mit Autor:innen zu den verschiedenen Themenfeldern werden folgen)

°CELSIUS: Erste Frage: Was ist dein Hintergrund, was sind die Gebiete, auf denen du arbeitest?

Dr. Ernest Aigner
Ernest Aigner
Foto: Martin Auer

ERNEST AIGNER: Bis letzten Sommer war ich an der Wirtschaftsuniversität Wien am Department für Sozioökonomie angestellt. Mein Hintergrund ist ökologische Ökonomie, also ich habe sehr viel zu der Schnittstelle Klima, Umwelt und Wirtschaft gearbeitet – aus verschiedenen Blickwinkeln – und im Rahmen dessen habe ich eben in den letzten beiden Jahren – von 2020 bis 2022 – den Bericht „Strukturen für ein Klimafreundliches Leben“ mit herausgegeben und koordiniert. Jetzt bin bei der „Gesundheit Österreich GmbH“ in der Abteilung „Klima und Gesundheit“, in der wir zum Zusammenhang Klimaschutz und Gesundheitsschutz arbeiten.

°CELSIUS: Das ist ein Bericht des APCC, des „Austrian Panel on Climate Change“. Was ist das APCC und wer ist das?

ERNEST AIGNER: Das APCC ist sozusagen das österreichische Pendant zum Intergovernmental Panel on Climate Change, auf Deutsch „Weltklimarat“. Das APCC ist angesiedelt an das CCCA, das ist das Zentrum für Klimaforschung in Österreich, und dieses gibt die APCC-Berichte heraus. Der erste von 2014 war ein allgemeiner Bericht, der den Stand der Klimaforschung in Österreich so zusammenfasst, dass Entscheidungstragende und auch die Öffentlichkeit informiert werden, was die Wissenschaft zum Klima im breitesten Sinne zu sagen hat. In regelmäßigen Abständen werden Special Reports herausgegeben, die sich mit speziellen Themenfeldern beschäftigen. Es hat zum Beispiel einen Special Report gegeben zu „Klima und Tourismus“, dann hat es einen zum Thema Gesundheit gegeben, und der kürzlich veröffentlichte „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ fokussiert auf Strukturen.

Strukturen: Was ist eine „Straße“?

°CELSIUS: Was sind „Strukturen“? Das kling furchtbar abstrakt.

ERNEST AIGNER: Ganz genau, es ist furchtbar abstrakt, und wir hatten selbstverständlich viele Debatten dazu. Ich würde einmal sagen, zwei Dimensionen sind besonders für diesen Bericht: Das eine ist, dass es ein sozialwissenschaftlicher Bericht ist. Die Klimaforschung wird ja oft sehr stark von den Naturwissenschaften geprägt, weil sie sich mit Meteorologie beschäftigt und mit Geowissenschaften und so weiter, und dieser Bericht ist ganz klar in den Sozialwissenschaften verankert und argumentiert eben, dass sich Strukturen verändern müssen. Und Strukturen sind all jene Rahmenbedingungen, die das alltägliche Leben prägen und gewisse Handlungen ermöglichen, gewisse Handlungen verunmöglichen, manche Handlungen nahelegen und andere Handlungen eher nicht nahelegen.

Ein klassisches Beispiel ist ein Straße. Da würde man zuerst über Infrastruktur nachdenken, das ist also alles Physische, aber dann gibt es auch das ganze rechtliche Regelwerk, also die Rechtsnormen. Die machen die Straße erst zur Straße, und so ist der rechtliche Rahmen auch eine Struktur. Dann ist natürlich auch eine Voraussetzung um die Straße benutzen zu können, das Eigentum an einem Auto zu haben beziehungsweise die Möglichkeit, eines zu kaufen. Insofern spielen auch Preise eine zentrale Rolle, Preise und Steuern und Förderungen, auch diese stellen eine Struktur dar. Ein weiterer Aspekt ist natürlich, ob Straßen oder das Benutzen von Straßen mit dem Auto positiv oder negativ dargestellt wird – wie darüber gesprochen wird. In dem Sinn kann man über mediale Strukturen sprechen. Selbstverständlich spielt auch eine Rolle, wer die größeren Autos fährt, wer die kleineren, wer mit dem Rad fährt. Insofern spielt auch soziale und räumliche Ungleichheit in der Gesellschaft eine Rolle – also wo man lebt und welche Möglichkeiten man hat. So kann man aus sozialwissenschaftlicher Perspektive systematisch verschiedene Strukturen abarbeiten und sich die Frage stellen, inwiefern diese jeweiligen Strukturen in den jeweiligen Fachgebieten ein klimafreundliches Leben erschweren oder erleichtern. Und das war der Zweck dieses Berichts.

Vier Sichtweisen auf Strukturen

°CELSIUS: Der Bericht ist ja einerseits strukturiert nach Handlungsfeldern und andererseits nach Herangehensweisen, also z. B. über den Markt oder über tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen oder technologische Innovationen. Kann man das ein bisschen näher ausführen?

Sichtweisen

Marktperspektive: Preissignale für klimafreundliches Leben…
Innovationsperspektive: soziotechnische Erneuerung von Produktions- und Konsumptionssystemen…
Bereitstellungsperspektive: Bereitstellungssysteme, die suffiziente und resiliente Praktiken und Lebensformen erleichtern…
Gesellschafts-Natur-Perspektive: Verhältnis Mensch und Natur, Kapitalakkumulation, soziale Ungleichheit…

ERNEST AIGNER: Ja, im ersten Abschnitt werden verschiedene Herangehensweisen bzw. Theorien beschrieben. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist es klar, dass verschiedene Theorien nicht zum selben Ergebnis kommen. Insofern können verschiedene Theorien in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Wir im Bericht schlagen vier Gruppen vor, vier verschiedene Herangehensweisen. Die eine Herangehensweise, die viel in der öffentlichen Debatte ist, ist der Fokus auf Preismechanismen und auf Marktmechanismen. Eine zweite, die zunehmend Aufmerksamkeit erhält, aber nicht so prominent ist, sind die verschiedenen Versorgungsmechanismen und Bereitstellungsmechanismen: Wer die Infrastruktur bereitstellt, wer den Rechtsrahmen bereitstellt, wer die Versorgung mit Dienstleistungen und Gütern bereitstellt. Eine dritte Perspektive, die wir in der Literatur identifiziert haben, ist der Fokus auf Innovationen im breiten Sinn, also zum einen natürlich technische Aspekte von Innovationen, aber auch alle sozialen Mechanismen, die damit einhergehen. Zum Beispiel bei der Etablierung von Elektroautos oder E-Scootern verändert sich nicht nur die Technik, die dem zugrunde liegt, sondern auch die sozialen Verhältnisse. Die vierte Dimension, das ist die Gesellschaft-Natur-Perspektive, das ist das Argument, dass man auf große wirtschaftliche und geopolitische und soziale langfristige Trends achten muss. Dann wird erkenntlich, wieso Klimapolitik in vielerlei Hinsicht nicht so erfolgreich ist, wie man erhoffen würde. Zum Beispiel Wachstumszwänge, aber auch geopolitische Gemengelagen, demokratiepolitische Fragestellungen. Also wie die Gesellschaft sich auch zum Planeten verhält, wie wir die Natur verstehen, ob wir die Natur als eine Ressource verstehen oder uns als Teil der Natur verstehen. Das wäre die Gesellschafts-Natur-Perspektive.

Die Handlungsfelder

Aufbauend auf diesen vier Perspektiven gibt es die Handlungsfelder. Da sind die, die oft in der Klimapolitik diskutiert werden: Mobilität, Wohnen, Ernährung, und dann noch mehrere andere, bisher nicht so oft diskutierte, wie zum Beispiel das Thema Erwerbsarbeit, das Thema Sorgearbeit.

Handlungsfelder

Wohnen, Ernährung, Mobilität, Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Freizeit und Urlaub

Dann versucht der Bericht Strukturen zu identifizieren, die diese Handlungsfelder prägen. Zum Beispiel der Rechtsrahmen ist prägend dafür, wie klimafreundlich gewohnt wird. Die Governance-Mechanismen, zum Beispiel der Föderalismus, wer welche Entscheidungskompetenzen hat, welche Rolle die EU hat, sind prägend, inwiefern Klimaschutz durchgesetzt wird oder wie rechtsverbindlich ein Klimaschutzgesetz eingeführt wird – oder eben auch nicht. Dann geht’s weiter: wirtschaftliche Produktionsprozesse oder die Wirtschaft als solches, Globalisierung als eine globale Struktur, Finanzmärkte als eine globale Struktur, soziale und räumliche Ungleichheit, die Versorgung mit sozialstaatlichen Dienstleistungen, und selbstverständlich ist auch die Raumplanung ein wesentliches Kapitel. Bildung, wie das Bildungssystem funktioniert, ob es auch auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist oder nicht, inwiefern die notwendigen Kompetenzen beigebracht werden. Dann die Frage der Medien und der Infrastrukturen, wie das Mediensystem aufgebaut ist und welche Rolle Infrastrukturen haben.

Strukturen, die in allen Handlungsfeldern klimafreundliches Handeln behindern oder fördern

Recht, Governance und politische Beteiligung, Innovationssystem und -politik, Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, Globale Warenketten und Arbeitsteilung, Geld- und Finanzsystem, Soziale und räumliche Ungleichheit, Sozialstaat und Klimawandel, Raumplanung, Mediendiskurse und -strukturen, Bildung und Wissenschaft, netzgebundene Infrastrukturen

Transformationspfade : Wie kommen wir von hier nach dort?

All das, von den Betrachtungsweisen, zu den Handlungsfelder, zu den Strukturen, wird in einem letzten Kapitel verbunden zu Transformationspfaden. Die noch einmal systematisch aufbereiten, welche Gestaltungsoptionen besonders das Potential haben, Klimaschutz voranzutreiben, welche sich gegenseitig befruchten, wo es eventuell Widersprüche gibt, und das zentrale Ergebnis dieses Kapitels ist, dass sehr viel Potential darin liegt, dass man verschiedene Herangehensweisen in Verbindung bringt und verschiedene Gestaltungsoptionen unterschiedlicher Strukturen zusammen denkt. Damit schließt der Bericht als Gesamtes.

Mögliche Wege zur Transformation

Leitplanken für eine klimafreundliche Marktwirtschaft (Bepreisung von Emissionen und Ressourcenverbrauch, Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, Technologieoffenheit)
Klimaschutz durch koordinierte Technologieentwicklung (staatlich koordinierte technologische Innovationspolitik zur Effizienzsteigerung)
Klimaschutz als staatliche Vorsorge (staatlich koordinierte Maßnahmen zur Ermöglichung klimafreundlichen Lebens, z. B. durch Raumordnung, Investition in öffentlichen Verkehr; rechtliche Regelungen zur Einschränkung klimaschädlicher Praktiken)
Klimafreundliche Lebensqualität durch soziale Innovation (gesellschaftliche Neuorientierung, regionale Wirtschaftskreisläufe und Suffizienz)

Klimapolitik geschieht auf mehr als einer Ebene

°CELSIUS: Der Bericht ist ja sehr stark auf Österreich und Europa bezogen. Die globale Situation wird behandelt, insofern es da eine Wechselwirkung gibt.

ERNEST AIGNER: Ja, das Besondere an diesem Bericht ist, dass er sich auf Österreich bezieht. Das ist ja schon – aus meiner Sicht – eine der Schwächen dieser IPCC-Weltklimarat-Berichte, dass sie inhärent immer eine globale Perspektive als Ausgangspunkt nehmen müssen. Danach gibt es schon auch Unterkapitel für jeweilige Regionen wie Europa, ganz viel Klimapolitik passiert aber auf anderen Ebenen, sei es jetzt Gemeinde, Bezirk, Land, Bund, EU… Also der Bericht bezieht sich stark auf Österreich. Das ist auch der Zweck der Übung, allerdings wird Österreich schon als Teil einer globalen Wirtschaft verstanden. Deswegen gibt es auch das Kapitel über Globalisierung und ein Kapitel, das sich auf globale Finanzmärkte bezieht.

°CELSIUS: Es heißt auch „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ und nicht für ein nachhaltiges Leben. Die Klimakrise ist ja aber Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitskrise. Ist das historisch bedingt, weil es das Austrian Panel on Climate Change ist, oder gibt’s da noch eine andere Begründung?

ERNEST AIGNER: Ja, das ist im Prinzip der Grund. Es handelt sich um einen Klimabericht, deswegen richtet sich der Fokus auf das klimafreundliche Leben. Allerdings, wenn man sich den aktuellen IPCC-Bericht ansieht oder die gegenwärtige Klimaforschung, kommt man relativ schnell zum Schluss, dass der reine Fokus auf Treibhausgasemissionen tatsächlich nicht zielführend sein wird. Daher haben wir uns auf Berichtsebene dafür entschieden, das klimafreundliche Leben wie folgt zu verstehen: „Klimafreundliches Leben sichert dauerhaft ein Klima, das ein gutes Leben innerhalb planetarer Grenzen ermöglicht.“ In diesem Verständnis ist zum einen die Betonung darauf, dass es eine klare Ausrichtung am guten Leben gibt, was bedeutet, dass soziale Grundbedürfnisse gesichert sein müssen, eine Grundversorgung besteht, dass Ungleichheit reduziert wird. Das ist die soziale Dimension. Auf der anderen Seite die Frage der planetaren Grenzen, da geht es nicht nur darum, die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, sondern dass auch die Biodiversitätskrise eine Rolle spielt, oder Phosphor- und Nitratkreisläufe usw., und in diesem Sinne das klimafreundliche Leben deutlich breiter verstanden wird.

Ein Bericht nur für die Politik?

°CELSIUS: An wen wendet sich eigentlich der Bericht? Wer ist der Adressat?

Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts
Der Bericht wurde am 28. 11. 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt
Prof. Karl Steininger (Herausgeber), Martin Kocher (Arbeitsminister), Leonore Gewessler (Umweltministerin), Prof. Andreas Novy (Herausgeber)
Foto: BMK / Cajetan Perwein

ERNEST AIGNER: Der Adressat sind zum einen all jene, die Entscheidungen treffen, die ein klimafreundliches Leben erleichtern oder erschweren. Das ist natürlich nicht bei allen gleich. Zum einen auf jeden Fall die Politik, gerade jene Politiker:innen, die besondere Kompetenzen haben, offensichtlich das Klimaschutzministerium, aber selbstverständlich auch das Arbeits- und Wirtschaftsministerium oder Sozial- und Gesundheitsministerium, auch das Bildungsministerium. Also die jeweiligen Fachkapitel adressieren die jeweiligen Ministerien. Aber auch auf Länderebene all jene, die die Kompetenzen haben, auch auf Gemeindeebene, und selbstverständlich entscheiden auch Unternehmen in vielerlei Hinsicht, ob klimafreundliches Leben ermöglicht oder erschwert wird. Offensichtliches Beispiel ist, ob die jeweiligen Lade-Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Weniger diskutierte Beispiele sind, ob die Arbeitszeitarrangements überhaupt ermöglichen, klimafreundlich zu leben. Ob ich so arbeiten kann, dass ich mich in meiner Freizeit oder im Urlaub klimafreundlich fortbewegen kann, ob der Arbeitgeber Home-Office ermöglicht oder erlaubt, mit welchen Rechten das in Verbindung steht. Das sind dann auch Adressat:innen…

Protest, Widerstand und öffentliche Debatte sind zentral

…und selbstverständlich die öffentliche Debatte. Weil tatsächlich ganz klar aus diesem Bericht hervorkommt, dass Protest, Widerstand, öffentliche Debatte und mediale Aufmerksamkeit zentral sein werden, um klimafreundliches Leben zu erreichen. Und der Bericht versucht zu einer fundierten öffentlichen Debatte beizutragen. Mit dem Ziel, dass sich die Debatte am aktuellen Stand der Forschung orientiert, dass sie relativ nüchtern die Ausgangssituation analysiert und versucht, Gestaltungsoptionen auszuhandeln und koordiniert umzusetzen.

Foto: Tom Poe

°CELSIUS: Und wird jetzt der Bericht in den Ministerien gelesen?

ERNEST AIGNER: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, was in den Ministerien gelesen wird. Wir sind mit unterschiedlichen Akteuren in Kontakt, und zum Teil haben wir schon auch gehört, dass die Zusammenfassung zumindest von Referent:innen gelesen worden ist. Ich weiß, die Zusammenfassung ist schon sehr oft heruntergeladen worden, wir bekommen immer wieder Anfragen zu verschiedenen Themen, aber selbstverständlich würden wir uns noch mehr mediale Aufmerksamkeit wünschen. Es gab eine Pressekonferenz mit Herrn Kocher und Frau Gewessler. Das wurde auch medial rezipiert. Es gibt immer wieder Zeitungsartikel dazu, aber selbstverständlich ist aus unserer Sicht da noch Raum nach oben. Insbesondere kann auf den Bericht sehr oft verwiesen werden, wenn gewisse Argumente eingebracht werden, die aus klimapolitischer Sicht nicht haltbar sind.

Die gesamte wissenschaftliche Community war einbezogen

°CELSIUS: Wie war denn eigentlich die Vorgangsweise? Da sind 80 Forschende beteiligt gewesen, aber die haben jetzt nicht eine neue Forschung begonnen. Was haben die gemacht?

ERNEST AIGNER: Ja, es handelt sich bei dem Bericht um kein originäres wissenschaftliches Projekt, sondern um eine Zusammenfassung der gesamten relevanten Forschung in Österreich. Das Projekt wird gefördert vom Klimafonds, der auch dieses APCC-Format vor 10 Jahren in die Wege geleitet hat. Dann wird ein Prozess initiiert, wo sich Forschende bereit erklären, unterschiedliche Rollen einzunehmen. Dann wurden die Mittel für die Koordination beantragt, und im Sommer 2020 hat dann der konkrete Prozess begonnen.

Wie auch beim IPCC ist das eine sehr systematische Vorgehensweise. Zum einen gibt es drei Ebenen von Autor:innen: Es gibt die Hauptautor:innen, eine Ebene darunter die Leitautor:innen und eine Ebene darunter die beitragenden Autor:innen. Die koordinierenden Autor:innen haben die Hauptverantwortung über das jeweilige Kapitel, beginnen einen ersten Entwurf zu schreiben. Dieser Entwurf wird dann von allen anderen Autor:innen kommentiert. Die Hauptautor:innen müssen auf die Kommentare reagieren. Die Kommentare werden eingearbeitet. Dann wird ein weiterer Entwurf geschrieben und die gesamte wissenschaftliche Community wird gebeten, wiederum Kommentare abzugeben. Die Kommentare werden wieder beantwortet und eingearbeitet, und im nächsten Schritt wird dasselbe Prozedere nochmal gemacht. Und am Ende werden externe Akteure dazu geholt und gebeten, zu sagen ob alle Kommentare adäquat behandelt worden sind. Das sind noch einmal andere Forscher:innen.

°CELSIUS: Das heißt, es waren jetzt nicht nur die 80 Autor:innen beteiligt?

ERNEST AIGNER: Nein, es waren noch 180 Reviewer:innen. Aber das ist nur der wissenschaftliche Prozess. Alle Argumente, die im Bericht verwendet werden, müssen literaturbasiert sein. Forscher:innen können nicht ihre eigene Meinung schreiben, oder was sie denken, was stimmt, sondern tatsächlich können sie nur Argumente machen, die sich so auch in der Literatur wiederfinden, und sie müssen diese Argumente dann auf Basis der Literatur einschätzen. Sie müssen sagen: Dieses Argument wird von der gesamten Literatur geteilt und es gibt sehr viel Literatur dazu, also das gilt als gesichert. Oder sie sagen: Da gibt’s nur eine Publikation dazu, nur schwache Evidenz, es gibt widersprüchliche Ansichten, dann müssen sie das auch anführen. Insofern handelt es sich um eine bewertende Zusammenfassung des Stands der Forschung mit Hinblick auf die wissenschaftliche Qualität zur jeweiligen Aussage.

Alles, was in dem Bericht steht, basiert auf einer Literaturquelle, und insofern sind die Aussagen immer mit Hinblick auf die Literatur zu lesen und auch zu verstehen. Wir haben dann auch darauf geachtet, dass in der Zusammenfassung für Entscheidungstragende jeder Satz für sich steht und immer klar ist, auf welches Kapitel sich dieser Satz bezieht, und im jeweiligen Kapitel kann dann recherchiert werden, auf welche Literatur sich dieser Satz bezieht.

Stakeholder aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wurden eingebunden

Bis jetzt habe ich nur über den wissenschaftlichen Prozess gesprochen. Es hat begleitend einen sehr umfassenden Stakeholderprozes gegeben, und im Rahmen dessen hat es auch einen Online-Workshop und zwei physische Workshops mit jeweils 50 bis 100 Stakeholder:innen gegeben.

°CELSIUS: Wer waren die? Wo kamen die her?

ERNEST AIGNER: Aus Wirtschaft und Politik, aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, aus Verwaltung, Unternehmen, Zivilgesellschaft – aus unterschiedlichsten Akteursfeldern. Also möglichst breit aufgestellt und immer in Bezug zu den jeweiligen Themenfeldern.

°CELSIUS: Diese Menschen, die ja keine Wissenschaftler:innen waren, die mussten sich da jetzt durcharbeiten?

ERNEST AIGNER: Da gab es verschiedene Zugänge. Der eine war, dass man online die jeweiligen Kapitel kommentiert. Die mussten sich da durcharbeiten. Der andere war, dass wir Workshops organisiert haben, um einen besseren Einblick zu bekommen, was die Stakeholder brauchen, also welche Informationen für sie hilfreich sind, und zum anderen ob sie noch Hinweise haben, welche Quellen wir noch beachten sollen. Die Ergebnisse des Stakeholderprozesses wurden in einem eigenen Stakeholderbericht veröffentlicht.

Ergebnisse aus dem Stakeholder-Workshop

Viel freiwillige unbezahlte Arbeit steckt in dem Bericht

°CESLSIUS: Also insgesamt ein sehr aufwendiger Prozess.

ERNEST AIGNER: Das ist nichts, was man einfach nur kurz hinschreibt. Diese Zusammenfassung für Entscheidungsträger:innen, da haben wir fünf Monate daran gearbeitet… Es sind gesamt ´gut 1000 bis 1500 Kommentare eingearbeitet worden, und es haben 30 Autor:innen wirklich mehrmals gelesen und bis auf jedes Detail abgestimmt. Und dieser Prozess passiert nicht im luftleeren Raum, ist aber tatsächlich im Wesentlichen unbezahlt geschehen, das muss man schon auch sagen. Die Bezahlung für diesen Prozess betraf die Koordination, also ich war finanziert. Die Autor:innen haben eine kleine Anerkennung bekommen, die nie und nimmer ihre Aufwände reflektiert. Die Reviewer:innen haben keine finanziellen Mittel erhalten, die Stakeholder:innen auch nicht.

Eine wissenschaftliche Basis für den Protest

°CELSIUS: Wie kann die Klimagerechtigkeitsbewegung diesen Bericht nützen?

ERNEST AIGNER: Ich denke der Bericht kann auf sehr viele Arten genutzt werden. Man sollte ihn auf jeden Fall ganz stark in die öffentliche Debatte einbringen, auch die Politik darauf hinweisen, was alles möglich ist und was nötig ist. Da werden ganz viele Gestaltungsoptionen aufgezeigt. Ein wesentlicher Punkt ist hier auch: Der Bericht verweist sehr explizit darauf, dass, wenn es kein stärkeres Engagement aller Akteure gibt, dass die Klimaziele schlicht verfehlt werden. Das ist der Stand der Forschung, da gibt es Einigkeit im Bericht, und diese Message muss an die Öffentlichkeit kommen. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wird sehr viele Argumente finden, wie klimafreundliches Leben im Zusammenhang mit Einkommens- und Vermögensungleichheit betrachtet werden kann. Auch welche Bedeutung die globale Dimension hat. Es gibt viele Argumente dazu, die die Beiträge der Klimagerechtigkeitsbewegung schärfen und auf eine bessere wissenschaftliche Basis stellen können.

Foto: Tom Poe

Es gibt auch eine Nachricht in dem Bericht, die lautet: „Durch Kritik und Protest hat die Zivilgesellschaft Klimapolitik ab 2019 weltweit zeitweise ins Zentrum öffentlicher Debatten gebracht“, also da ist schon relativ klar, dass das wesentlich ist. „Wesentlich hierfür war das koordinierte Handeln sozialer Bewegungen wie z. B. Fridays for Future, das zur Folge hatte, dass der Klimawandel als gesellschaftliches Problem diskutiert wird. Diese Entwicklung hat neue klimapolitische Gestaltungsspielräume eröffnet. Umweltbewegungen können ihr Potential allerdings nur dann entfalten, wenn sie von einflussreichen politischen Akteur_innen innerhalb und außerhalb der Regierung unterstützt werden.“ Das ist schon der nächste Aspekt: Die Bewegung baut Druck auf und kann Veränderungen herbeiführen, allerdings braucht es auch Akteure, die in den jeweiligen entscheidungsträchtigen Positionen sitzen, die dann auch tatsächlich Veränderungen umsetzen können.

°CELSIUS: Jetzt ist die Bewegung ja auch darauf aus, diese Entscheidungsstrukturen, die Machtverhältnisse zu verändern. Also zum Beispiel wenn man sagt: Na ja, Klimarat der Bürger:innen ist schön und gut, aber der braucht auch Kompetenzen, der braucht auch Entscheidungsbefugnisse. So etwas wäre eigentlich eine sehr große Veränderung in unseren demokratischen Strukturen.

ERNEST AIGNER: Ja, der Bericht sagt wenig bis nichts aus zum Klimarat, weil er gleichzeitig stattgefunden hat, insofern gibt es da keine Literatur, die aufgegriffen werden könnte. An und für sich würde ich dir da schon recht geben, aber nicht literaturbasiert, sondern aus meinem Hintergrund heraus.

°CELSIUS: Vielen Dank für das Gespräch!

Der Bericht wird Anfang 2023 als Open Access Buch bei Springer Spektrum erscheinen. Bis dahin sind die jeweiligen Kapitel auf der Homepage des CCCA verfügbar.



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„Die Fakten sind klar. Es ist Zeit zu handeln“: Scientists for Future beim Klimastreik am 23. September

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Auch ein Block der Scientists for Future war beim großen Klimastreik am 23. September vertreten. Insgesaamt gingen in Wien 12.000 Menschen unter dem Motto „Energiewende für alle“ auf die Straße, um für eine sozial gerechte Klimazukunft zu demonstrieren.

Ohne Frieden gibt es keine nachhaltige Zukunft, ohne Nachhaltigkeit gibt es keinen Frieden

Fotos: Martin Auer



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Klimawahlen in Tirol: 12 Fragen an die Parteien

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Fridays for Future haben zusammen mit Scientists for Future Tirol und Parents for Future Tirol zwölf Fragen an die sieben wahlwerbenden Parteien gestellt. Die Fragen drehten sich um die Dringlichkeit des Klimaschutzes, um ein eventuelle Klimaschutzgesetz auf Landesebene, Klimacheck für alle neuen Gesetze und Förderungen, die Stelle eines „Beauftragten für die künftigen Generationen“, einen Klimafahrplan bis 2040, Reduktion des Bodenverbrauchs, Schutz der Biodiversität, Mobilitätswende, Agrarwende, Nachhaltigkeit in der Bildung und Klimaschutz als Grundrecht. ÖVP, SPÖ, FPÖ, GRÜNE, Liste FRITZ und NEOS haben Antworten geschickt, stumm geblieben ist nur die Liste MFG.
Die Fragen im Detail und die Antworten der Parteien sind hier nachzulesen: https://klimawahlen.at/Tirol2022.html



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Gemeinsame Pressekonferenz von Scientists for Future, Armutskonferenz und Fridays for Future zum Klimastreik
von Martin Auer

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Mitten im ausgetrockneten Zicksee gaben am Dienstag Vertreter:innen von Scientists for Future, der Armutskonferenz und von Fridays for Future eine Pressekonferenz zum bevorstehenden Klimastreik.

Daniel Huppmann von Scientists for Future widerlegte die oft zitierte Selbstdarstellung von Österreich als Klimamusterland dank Wasserkraft und Bio-Landwirtschaft. Während in der EU in den letzten Jahren die CO2-Emissionen um 25 Prozent gesunken sind, sind sie in Österreich heute höher als zur Zeit von Huppmanns Geburt (Anm. d. Red.: 3. Jänner 1985). Zwei Drittel unseres Energieverbrauchs kommen aus importierten fossilen Ressourcen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat gezeigt, dass die Klimakrise und die Energiekrise untrennbar miteinander verbunden sind und gemeinsam gelöst werden müssen. Die Auswirkungen des Klimawandels, die der 6. Sachstandsbericht des IPCC benennt, können wir jetzt schon in Österreich beobachten, sowohl Dürren als auch Überschwemmungen. Der 6. Sachstandsbericht zeigt uns aber auch Wege zur Verminderung und zur Anpassung: erneuerbare Energiequellen, bessere Energieeffizienz, aber auch Veränderung der Strukturen, so dass ein klimafreundliches Leben einfacher wird. Die Wissenschaft kann durch ihre Analysen eine evidenzbasierte Politik und eine Diskussion quer durch die Gesellschaft ermöglichen. Dafür stehen die Scientists for Future gerne bereit.

Für die Armutskonferenz sprach Martin Schenk . Er betonte, dass die Klimakrise im Kerne eine soziale und eine Gerechtigkeitsfrage ist. Die Klimakrise trifft nicht alle gleich. Die Umweltfolgen belasten ärmere Haushalte sowohl in Österreich als auch weltweit stärker als Haushalte, die oben in der Verteilungsskala liegen. Die meisten Menschen, die in Hitzewellen an Hitzefolgen sterben, sind Menschen aus Vierteln mit den geringsten Einkommen. Seit 2013 gab es immer wieder Jahre, wo mehr Menschen durch Hitze gestorben sind als im Straßenverkehr. 2 Grad Klimaerwärmung bedeuten 50 Prozent mehr Hitzetote. Die Klimakrise wird auch nicht von allen gleich verursacht. Reiche belasten die Umwelt deutlich mehr als Arme. Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Österreich verbrauchen vier Mal so viel an Ressourcen und Energie wie die ärmsten 10 Prozent, und sie tragen doppelt soviel zur Klimakrise bei wie die ärmere Hälfte. Beide Tatsachen zusammen machen klar, dass der Klimaschutz nur dann erfolgreich sein wird, wenn er nicht sozial blind ist. Soziale Kälte abwenden und globale Hitze verhindern ist eine Verteilungs- und Gerechtigkeitsfrage.

Die sogenannte Strompreisbremse bezeichnet Schenk als eine sozial sinnvolle Maßnahme. Sie sollte zur Energiegrundsicherung weiterentwickelt werden: Eine bestimmte Menge an Strom bzw. Energie soll jedem Menschen zustehen. Darüber hinaus sollen die Kosten progressiv ansteigen.

Klara König von Fridays for Future erinnerte an den Sommer mit sich überschlagenden Negativrekorden und einen bevorstehenden harten Winter. Die Klimakatastrophe, der russische Angriffskrieg, die Energiekrise werde befeuert und finanziert von einem desaströsen fossilen System. Sie kritisierte, dass die Regierung noch immer nicht die notwendigen Gesetze beschließt, dass Landeshauptleute sich weigern, die notwendigen Flächen für Photvoltaik und Windräder freizugeben. In Niederösterreich denkt man lieber über Fracking nach, Politiker:innen in Kärnten finden Windräder einfach nicht schön, in Oberösterreich wird über die Reaktivierung eines Kohlkraftwerks nachgedacht, das frühestens in zwei Jahren fertig wäre und hinterfragt die Sanktionen, in Tirol, Salzburg und Vorarlberg steht noch kein einziges Windrad. König verwies auf die kommenden Landtagswahlen, in denen über weiteres Blockieren entschieden werden wird.

Fridays for Future fordern eine Energiewende für alle. Sie betont die Rolle von erneuerbaren Energien für die Bekämpfung von Energiearmut, für die Unabhängigkeit von brutalen Autokraten, und prinzipiell für eine sichere, friedliche Zukunft. Die Stromsparkampagne „Mission 11“ der Bundesregierung reiche nicht. Fridays for Future kritisieren auch das Fehlen einer Übergewinnsteuer. Energiekonzerne seien Profiteure der humanitären Krise in der Ukraine. Klimaschutzgesetz und Erneuerbare-Wärme-Gesetz seien längst überfällig.

Kritik äußern Fridays for Future an WKO und ÖVP, die Österreich so abhängig von russischem Gas gemacht haben. Sie seien diejenigen, die jede einzelne Klimaschutzmaßnahme in den letzten Jahren blockiert haben. Die WKO ignoriere, dass ein Klimaschutzgesetz auch Planungssicherheit für Unternehmen bedeuten würde. FFF fordern die ÖVP auf, ihre Blockadehaltung zum Klimaschutzgesetz zu beenden. „Denn wenn das Haus nach den Überschwemmungen nicht mehr steht, dann hilft uns auch der Hausverstand der ÖVP nicht weiter. Auch die Grünen hätten drei Jahre verstreichen lassen, ohne das Klimaschutzgesetz durchzusetzen. Wenn es ihnen jetzt nicht gelingt, das Gesetz im großen Herbstpaket zu beschließen, drohe das Klimaschutzgesetz gar nicht mehr zu kommen.

Die fossile Krise fordere radikale Klimaschutzmaßnahmen. Alle Klimaschutzvorhaben im Regierungsprogramm müssten jetzt im Rekordtempo umgesetzt werden. FFF wünschen sich, nächstes Jahr auf einen schwierigen, aber transformativen Winter zurückblicken zu können, in dem wir aufgehört haben, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu finanzieren und die Klimakrise zu befeuern, in dem die horrenden Übergewinne der Energiekonzerne an die Leute, die es benötigen, verteilt worden sind, mit einer Energiegrundsicherung, die eine soziale und treffsichere Entlastung bietet und zugleich zum Energiesparen animiert, einen Winter, in dem Windräder so schnell wie Skipisten gebaut werden und wo die Einstellung zu erneuerbaren Energien Wahlen entschieden hat, einen Winter, in dem die Probleme an der Wurzel gepackt und transformative Gesetze beschlossen worden sind.



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Klimawahlkabine zur Tiroler Landtagswahl

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Eine Woche vor der Tiroler Landtagswahl am 25. September geht die „Klima und Energie“-Wahlkabine online und bietet den Wählerinnen und Wählern in Tirol Orientierung im aktuellen Landtagswahlkampf. Auf www.klimawahl.at können die Standpunkte der Tiroler Parteien rund um Klimaschutz und eine moderne Energieversorgung mit den eigenen Meinungen abgeglichen werden.
Sei es die saubere Stromgewinnung oder die Alternativen zu Öl und Gas beim Heizen – mit wenigen Klicks beantworten User und Userinnen in rund 30 Fragen, was sie sich von der Tiroler Landespolitik beim Klimaschutz und der Energieversorgung zukünftig erwarten. BürgerInnen können so auf spielerische Weise herausfinden, wie ihre persönliche Meinung mit den Standpunkten der Parteien übereinstimmt und erhalten eine detaillierte Übersicht, wie die Parteien geantwortet haben.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220919_OTS0069/endspurt-im-tiroler-wahlkampf-wie-stehen-die-parteien-zu-klimaschutz-und-einer-modernen-energieversorgung



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Greenpeace kündigt Klage gegen EU-Taxonomie an

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Mit der EU-Taxonomie sollen Investitionen in Gas und Atom ab 2023 als nachhaltig eingestuft werden. Aus Sicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist dieses Vorgehen eindeutig rechtswidrig, denn die Taxonomie untergräbt damit das Ziel der EU bis 2050 klimaneutral zu werden. Jetzt hat Greenpeace Zentral- und Osteuropa – und damit auch Greenpeace Österreich – gemeinsam mit den Länderbüros in Deutschland, Spanien, Italien, Belgien, Frankreich, Luxemburg, der EU, sowie mit weiteren Umweltorganisationen einen formellen Widerspruch bei der Europäischen Kommission eingelegt. Die EU-Kommission hat bis spätestens Februar 2023 Zeit zu antworten. Sollte sie nicht einlenken, wird Greenpeace eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einbringen.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220919_OTS0004/greenpeace-kuendigt-klage-gegen-eu-taxonomie-an



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Südafrika: Gericht verbietet Shells Ölexploration mit Schallkanonen vor der „Wilden Küste“

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Umweltschützer:innen und örtliche Fiscber:innen haben vor Gericht durchgesetzt, dass eine Genehmigung für Öl- und Gasexploration vor der „Wilden Küste“ Südafrikas aufgehoben wurde. Die Genehmigung durch das Department of Mineral Resources and Energy hätte dem Ölriesen Shell erlaubt, mit einem Schiff, das eine sechs Kilometer lange Kette von seismischen Schallkanonen hinter sich ziehen sollte, den Meeresboden auf Öl- und Gasvorkommen abzuklopfen. Wissenschaftler warnen, dass dieser extreme Lärm über tausende Kilometer lärmempfindliche Tiere wie Wale, Delphine und Meeresschildkröten gefährdet. Das Gericht hat befunden, dass Shell keine echten Konsultationen mit der Bevölkerung gehalten hat. Das Vorhaben wurde durch Inserate bekannt gemacht, die nur Lesekundigen zugänglich waren und auch nicht in den Sprachen der örtlichen Bevölkerung abgefasst waren, und die Verhandlungen wurden nur mit örtlichen Oberhäuptern geführt statt mit der breiten Bevölkerung.
https://insideclimatenews.org/news/02092022/oil-exploration-south-africa-wild-coast/



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Erfolg der Indigenen in Ecuador: Nach Streik vorerst keine neuen Öl- und Minenkonzessionen

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Die ecuadorianische Indigenenbewegung und die Regierung von Guillermo Lasso haben sich auf ein einjähriges Moratorium für neue Öl- und Minenkonzessionen geeinigt. Damit werdnen Pläne der Regierung, die Ölförderung zu verdoppeln in Frage gestellt. Die Einigung wurde nach zweimontagen Verhandlungen erzielt, denen 18 Tage dauernden Streik der Indigenen gegen steigende Lebenshaltungskosten, Umweltzerstörung und Rechtsverletzungen durch Öl- und Minenaktivitäten im Amazonasgebiet und den Anden vorangegangen war. Das Moratorium wird mindestens 12 Monate in Kraft bleiben oder bis ein neues Gesetz freie, informierte Konsultationen über geplante Erschließungen garantiert.
https://amazonwatch.org/news/2022/0913-ecuador-declares-temporary-moratorium-on-new-oil-and-mining-concessions



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