Der Minimalst-Kompromiss von Baku

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Nach den enttäuschenden Ergebnissen von Baku haben wir drei Expert:innen der Scientists for Future um ihre Einschätzungen gebeten: Renate Christ (Langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats IPCC), Daniel Huppmann, Senior Research Scholar am IIASA (International Institute for Applied System Analysis) in Laxenburg und Karl Steininger, Professor für Klimaökonomie am Wegener Institut der Universität Graz.

Renate Christ:

Renate Christ hält fest, dass die neuen NDCs (Nationally Determined Contributions), die bei der COP30 in Brasilien vorgelegt werden sollen, wohl die letzte Möglichkeit sind, das 1,5°C-Limit auch nur annähernd einzuhalten: „Der UNFCCC Synthesebericht zur Implementierung der derzeitigen NDCs zeigt, dass diese völlig unzureichend sind. Auch wenn alle NDCs umgesetzt würden, wären die globalen Emissionen 2030 nur um 2,6% unter dem Niveau von 2019. Auch der diesjährige UNEP Emissions Gap Report lässt dazu mit klaren Aussagen aufhorchen. Er geht bei einer vollumfänglichen Umsetzung aller NDCs von einer Erwärmung von 2,6°C in diesem Jahrhundert aus, die derzeitigen politischen Maßnahmen würden eine Erwärmung von 3,1°C zur Folge haben. Theoretisch ist es noch möglich, das 1,5°C Limit einzuhalten. ABER – dazu müssen die globalen Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 42% fallen, für ein 2°C Limit um 28%. Bis 2035, ein Meilenstein, der in auch in den neuen NDCs reflektiert werden soll, bedeutet das 57%, respektive 37% Reduktion. Da die globalen Emissionen in den letzten Jahren jährlich um ca. 1,3% angestiegen sind und 2023 wieder einen neuen Höchstwert erreicht haben, wird das Erreichen dieses Ziels noch schwieriger und erfordert eine jährliche Emissionsreduktion von 7,5% respektive 4%.“

Daniel Huppmann

Laut Daniel Huppmann waren die Erwartungen an die diesjährige Klimakonferenz von vornherein sehr niedrig. Er hält fest: „In Azerbaidschan konnten sich die Verhandlerinnen und Verhandler allerdings nicht über den Minimalst-Kompromiss hinausbewegen. Die 300 Milliarden Dollar an jährlicher Unterstützung für jene Länder, die am stärksten von den Auswirkungen der Erderhitzung betroffen sind, ist zwar am Papier ein Fortschritt. Diese Zusage gilt aber erst ab 2035 und ist weit unter jenen Investitions- und Anpassungskosten, die für eine rasche Emissions-Reduktion und Schutz der Bevölkerung notwendig wären. Zum Vergleich: wir geben etwa 600 Mrd Dollar jährlich für die Subvention fossiler Energie aus. Es ist bedauerlich, dass die internationale Staatengemeinschaft es nicht geschafft hat, eine Verknüpfung von Klima-Finanzierung und Abbau kontra-produktiver Subventionen herzustellen.“ Als besonders enttäuschend bezeichnet Huppmann die Tatsache, dass „die Erdöl-exportierenden Länder und insbesondere Saudi Arabian ein erneutes Commitment zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Öl, Gas und Kohle verhindert haben. Die erneuerbaren Energieträger sind bereits jetzt kostengünstiger und effizienter als fossile Energie und bieten viele weitere Vorteile wie etwa Reduktion der Luftverschmutzung, aber zu einer raschen Energiewende braucht es zum ‚Kosten-Pull‘ auch einen ‚Policy-Push‘.“

Karl Steininger, Professor für Klimaökonomie am Wegener Institut der Universität Graz

„Auch bei der COP29 zeigte sich: durch die Einstimmigkeitserfordernis ist das UN Format sehr schwerfällig, Beschlüsse sind extrem aufwändig, es wird getrickst (wie diesmal bei beiden Hauptergebnissen: Emissionshandel und Klimafinanzierung) oder es wird vertagt. mgekehrt steht auf der Habenseite die COP als einziger Platz, an dem viele der betroffenen Staaten, kleine Inselstaaten, Staaten aus der Karibik oder Afrika, eine Stimme haben.

Wir werden COPs grundsätzlich weiterhin brauchen, sie wirken selbst in ihrer Unvollkommenheit: Als man 1995 zu verhandeln begonnen hat, ging man von einer Erderwärmung von über 4 Grad aus, mittlerweile sind wir bei 2,7 Grad. Nimmt man die versprochenen Verpflichtungen hinzu, sind es 2 Grad.

Was es dringend braucht ist eine Weiterentwicklung: häufigere Treffen, auch in kleineren Arbeitsgruppen, mit zielgerichteter Auswahl des Gastgeber- und damit Vorsitzlandes. Ein Vorschlag u.a. des ehemaligen UN Generalsekretärs Ban Ki Moon wurde während der COP 29 eingebracht. Es gilt mit einer Weiterentwicklung des Formats aus den Verhandlungen in die Umsetzung zu kommen.

Es gab in Baku eine Reihe von Fortschritten, die nicht im Zentrum der Berichterstattung standen: Reflektierend auch die 13 bereits abgegebenen „Transparency Reports“ (u.a. EU, Deutschland, Japan) wurden „Enhanced Transparency Framework Reporting Tools“ verabschiedet. Für die Anpassung wurden ein Unterstützungsprogramm für die Least Developed Countries beschlossen, für die Unterstützung Indigener Völker ein Arbeitsprogramm.

Vor allem aber auch das Begleitprogramm war ein florierender Platz, um Synergien von Initiativen weltweit zu stärken und weiterzuentwickeln, zunehmend in Bereichen wie der Finanzierung (Regulative zum Greening), oder der Integration von Bewegungen in nationale Klimapolitiken.

Die letztlich von der Präsidentschaft durchgewunkene Verpflichtung der „reichen“ Länder 300 Mrd US$ pro Jahr dem globalen Süden für Emissionsminderung und Anpassung zur Verfügung zu stellen – dies erfolgte ohne Ländern wie Indien die Möglichkeit einer ablehnenden Stellungnahme zu geben – bedeutet kaufkraftbereinigt de facto zwar eine Verdoppelung der bisherigen 100 Mrd US$, die benötigten Summen werden auf zumindest 1 Billion US$ (unabhängige High Level Expert Group) geschätzt, von anderen Gruppen – je nachdem ob dabei auch die in den Ländern selbst aufzubringenden Mittel berücksichtigt sind – auch auf das Fünffache des letztgenannten Wertes. Dafür wurde in Baku nun der Prozess gestartet, die Mittel aus den reichen Ländern – und aus den seit Verabschiedung der Klimarahmenkonvention 1992 reich gewordenen Länder (China, Ölstaaten am Golf) nach wie vor nur freiwillig – zu steigern: in den Kategorien Zuwendung (grants), Finanzierung über Multilaterale Institutionen (wie regionale Entwicklungsbanken) und Private Finanzierung. Auf dem Tisch lagen auch Vorschläge der Aufbringung über Steuern auf fossile Treibstoffe, globale Schifffahrt, Vermögen, oder CO2-intensive Aktivitäten wie Privatjets. Das schwierige Finanzierungsthema lag so umfassend erstmals auf dem Verhandlungstisch. Vermutlich wären Zusagen für jeweils konkretere Verwendungszwecke besser erzielbar. Die Industrieländer waren besorgt, nicht nochmal Versprechen nicht einzuhalten. Die zuletzt zugesagten 100 Mrd US$ pro Jahr wurden erst mit zwei Jahren Verspätung 2022 erreicht, und enthalten nur 20% nicht rückzahlbare Zuschüsse, sonst rückzahlungspflichtige Kredite.

Die reichen Industriestaaten müssten großes Interesse haben, die Reduktion der CO2-Emissionen dort zu finanzieren, wo sie in Zukunft sonst ungebremst steigen würden. Die Forderung der EU, auch Länder wie China oder die Golfstaaten als große Emittenten in die Pflicht zu nehmen und von ihnen einen Beitrag zur Finanzierung zu fordern, ist berechtigt.

Zum Emissionshandel direkt zwischen Ländern (Artikel 6.2 des Pariser Abkommens) und insbesondere für einen allgemeinen Markt (Artikel 6.4) wurden die Voraussetzungen geschaffen, den Markt nun einzurichten. Das Regulativ des für seine Erstellung beauftragten „Subsidiary Body“ wurde ohne Zulassung einer Diskussion vom Plenum „zur Kenntnis genommen“. Nach einem Jahrzehnt der Verhandlungen dazu sind zwar Verbesserungen erreicht worden, etwa in Hinblick auf Vermeidung von Doppelzählungen und Menschenrechtsverletzungen bei Projekten, deren Emissionsreduktion gehandelt werden darf, aber es sind eine Reihe von Fragen noch zu klären, und das Plenum gab dafür eine lange To-do-Liste zur Klärung mit, bevor voraussichtlich Mitte 2025 die ersten Emissionsreduktionsmengen gehandelt werden: Ist das Vergleichsszenario wirklich ein relevantes (oder sind es gar keine zusätzlichen Reduktionen)? Werden genug Abschläge vorgesehen, für CO2-Bindung in jenen Senken, wo es zu Umkehrungen kommen kann, etwa wenn Waldbrände die zunächst erfolgte Bindung des CO2 wieder umkehren? Wird das nicht gesichert, besteht die Gefahr, dass ein fehlerhafter Emissionshandel das gesamte Zielsystem des Pariser Abkommens aushebelt, in dem er Emissionsreduktionen vorgaukelt wo gar keine sind. Das verdeutlicht die während der COP publizierte Analyse des bisher freiwilligen Marktes, in dem weniger als 16% wirkliche Reduktionen erzielt wurden, während weit über 80% nur „hot air“ sind.

Zwei G20 Länder, UK und Brasilien, haben ihre neuen, ambitionierten Emissionsreduktionsziele bekannt gegeben. Das Vereinigte Königreich strebt bis 2035 eine Reduktion von 81% gegenüber 1990 an. Bis Februar 2025 sind alle Länder aufgerufen, nach den bisher bekanntgegeben Zielen für 2030 nun jene für 2035 an die UN zu übermitteln, als Basis für die COP30 in Brasilien.

In allen Kernbereichen, Emissionsreduktion, Emissionshandel und Klimafinanzierung wird sich daher erst weisen, wie erfolgreich der jeweils angestoßene Prozess sein wird – auf der „road to Belem“, dem Austragungsort der COP30.“

Titelfoto: https://president.az/, CC BY | Mídia NINJA , CC BY-NC 4.0


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Unterstützung für die Forderungen engagierter Lehrer:innen nach besseren Arbeitsbedingungen und besserer Klimabildung

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30.000 öffentlich Bedienstete, darunter viele Lehrer:innen, wurden am 26. 11. zu einer Großdemonstration in Wien für einen Gehaltsabschluss 2025 erwartet. In letzter Minute haben sich Gewerkschaft und Verteter:innen der Regierung auf einen Abschluss geeinigt. Die Demonstration wurde daher abgesagt. Laut dem Vorsitzenden der Younion, Christian Meidlinger, beträgt der Abschluss 3,5 Prozent, und zwar sozial gestaffelt. Minimal wird um 82,40 Euro erhöht, maximal um 437,80, berichtete er im Ö1-Mittagsjournal.

Die Lehrer:inenbewegung Teachers for Future hat den Streikaufruf mit der folgenden Erklärung unterstützt, der sich auch die AG Schulen und die AG Öffentlichkeitsarbeit der Scientists for Future angeschlossen haben:

Engagierte Lehrkräfte am Limit: Bessere Arbeitsbedingungen, bessere Klimabildung!

Lehrerinnen schlagen Alarm: Ohne gute Arbeitsbedingungen keine Klimabildung! Wir sind frustriert und überarbeitet. Zukunftsfähige Schulen setzen gute Arbeitsbedingungen voraus!

Am Dienstag, den 26. November, gehen Lehrkräfte in Österreich für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße. Dabei geht es nicht nur um gerechte Löhne, sondern um die Zukunft unserer Kinder. Denn eine fundierte Klimabildung, die unsere Schülerinnen für die Herausforderungen der Zukunft rüstet, ist nur möglich, wenn Lehrerinnen über die notwendigen Ressourcen und Arbeitsbedingungen verfügen.

Derzeit ist das nicht so: Schulen sind zwar verpflichtet Bildung für nachhaltige Entwicklung umzusetzen, aber das meiste Engagement dahinter – wie Fortbildungen, innovative Unterrichtskonzepte, Planung von Workshops, Aktionstagen, Klimafesten oder Projektwochen u.v.m. – passiert in der Freizeit. “Die bezahlte Arbeitszeit deckt schon lange nicht mehr all das ab, was von uns Lehrkräften erwartet wird. Es ist ehrenamtliche unbezahlte Arbeit, die Lehrerinnen wie wir am Abend, wenn unsere Kinder eingeschlafen sind, machen”, so auch Karl Marquardt, Lehrer an einer AHS in Wien und Aktivist bei Teachers for Future.

Die aktuelle Situation ist frustrierend, so Barbara Fross von Teachers for Future, ebenfalls Lehrerin in Wien: “Wir haben den gesetzlichen Auftrag, wir möchten dass sich unsere Schüler*innen auf eine aktive Rolle in der Gesellschaft vorbereiten, wir wollen uns engagieren, aber bekommen dafür weder Ressourcen noch Verankerung in der Arbeitszeit. Wir rufen die Regierung auf, Lehrkräfte auch für ihre viele Arbeit außerhalb des Klassenzimmers zu bezahlen und uns Freiraum zu verschaffen, um unsere Schulen fit für die Zukunft zu machen.”

Unsere Forderungen sind klar! Wir sind streikbereit!

Daher schließen sich Teachers for Future den Streikforderungen von „Schule brennt“ und GÖD an und fordern nicht nur konsequenten Klimaschutz und die Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), sondern auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – d.h.:

  • Eine faire Bezahlung von Zusatzengagement (z.B. durch Werteinheiten für Klimabeauftragte, finanzielle Abgeltung für die Organisation von Klimaprojektwochen, bezahlte Besprechungsschienen, …) statt engagierte Lehrkräfte knapp vorm Burn-Out
  • Verbesserte Arbeitsbedingungen, von denen Lehrkräfte und Schülerinnen profitieren
  • Mehr Unterstützungspersonal & multiprofessionelle Teams als echte Entlastung – statt Lehrkräfte, die alles übernehmen müssen
  • einen breit aufgestellten und verbindlichen Gipfel für Klimabildung und BNE – als deutliches Zeichen eines Neuanfangs
  • eine diskriminierungsfreie, inklusive, diverse, intersektionale und wertschätzende Schule sowohl für Schülerinnen als auch Lehrer*innen

Es ist zu bezweifeln, dass der Abschluss – der unter der Inflationsrate liegt – den Bedürfnissen der engagierten Lehrer und Lehrerinnen entspricht.

Die AG Schulen und die AG Öffentlichkeitsarbeit haben dazu erklärt: AlsExpert:innen für Nachhaltigkeitsbildung an Schulen und in der Öffentlichkeit halten wir die von Teachers for Future aufgestellten Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung für gerechtfertigt. Die Klimakrise ernst zu nehmen bedeutet für uns auch, Engagement für das Klima unter Lehrer*innen wie Schüler*innen aktiv zu fördern und die unsere Jugend inhaltlich und methodisch auf die drängenden Krisen unserer Gesellschaft vorzubereiten.


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Biodiversitätsrat: Absicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ins Regierungsprogramm!

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Krems/Wien, 22.11.2024: Zu Beginn der Regierungsverhandlungen durch ÖVP, SPÖ und NEOS appelliert der Österreichische Biodiversitätsrat in einem Offenen Brief an die Verhandler:innen, seine 5 Kernforderungen in das künftige Regierunsprogramm aufzunehmen. Darunter u.a. die Fortführung eines eigenständigen Umweltministeriums, die Maßnahmen zur Erfüllung der internationalen Biodiversitätsabkommen sowie zur Erreichung der Biodiversitätsstrategien auf nationaler und EU-Ebene.

Offener Brief, 22.11.2024

 An die Parteivorsitzenden von ÖVP, SPÖ und NEOs sowie die Leiter:innen der Steuerungsgruppe Regionen, Mobilität, Umwelt, Landwirtschaft

Angesichts der laufenden Regierungsverhandlungen möchten wir Ihnen im Namen des gesamten Österreichischen Biodiversitätsrates (https://biodiversityaustria.at/biodiversitätsrat) unsere fünf Kernforderungen zum Schutz der Biodiversität in Österreich übermitteln. Aus Sicht der Wissenschafter:innen ist es unabdingbar, dass – in gleichem Maße wie die großen wirtschaftlichen Herausforderungen – die Absicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen eine zentrale Rolle in Ihrem Regierungsprogramm einnimmt. Eine intakte Natur ist die Grundvoraussetzung für alles Leben, eine gesunde Gesellschaft und damit auch für eine gesunde Wirtschaft und das Wohlergehen des Landes.

  1. Kernforderung: Biodiversitätskrise stoppen

Die Biodiversitätskrise muss als Notstand anerkannt und als politische Herausforderung höchster Priorität behandelt werden. Wir fordern die Ausrufung des Biodiversitäts-Notstands durch den Nationalrat und die Verankerung des Schutzes der Biodiversität als Priorität im Regierungsübereinkommen. Der Ausbau der Finanzierung des Biodiversitätsschutzes durch Aufstockung des nationalen Biodiversitätsfonds auf 1 Milliarde Euro und die Erhöhung anderer Förderschienen sind unerlässlich, um konkrete Schutzmaßnahmen zu finanzieren.

  1. Kernforderung: Verpflichtungen tatsächlich einhalten

Österreich muss seine europäischen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität nachweislich einhalten. Dies umfasst die Umsetzung des EU-Nature Restoration Laws und die Erfüllung der Ziele der europäischen und nationalen Biodiversitätsstrategie 2030+. Ein flächendeckendes Monitoringsystem zur Dokumentation der Biodiversität ist zu etablieren.

  1. Kernforderung: Zur naturverträglichen Gesellschaft werden

Eine umfassende gesellschaftliche Transformation hin zu Ökologisierung und Nachhaltigkeit ist notwendig. Dies erfordert die Schaffung eines Bundesrahmennaturschutzgesetzes, die Stärkung des Biodiversitätsschutzes in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Umsetzung einer sozial-ökologischen Steuerreform. Zur nationalen Koordination aller vorgegebenen und notwendigen Biodiversitätsschutzmaßnahmen fordern wir das Fortbestehen eines eigenständigen Umweltministeriums sowie eine entscheidungsbefugte Bund-Länderstelle für die Transformation in die Bundesländer. Partizipative Prozesse zur Einbindung der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft sind dabei zu fördern.

  1. Kernforderung: Wissenschaft und Bildung stärken

Die Biodiversitätsforschung und das Lehrangebot an Universitäten und Forschungseinrichtungen müssen ausgebaut werden. Ein nationales Biodiversitätsforschungs-Programm und ein Zentrum für Biodiversitätsdokumentation sind einzurichten. Der Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Politik ist zu stärken, etwa durch die Einführung eines wissenschaftlichen Dienstes im Nationalrat.

  1. Kernforderung: Biodiversitätsfördernde Landnutzung & Grüne Infrastruktur

Die Landnutzung in Österreich muss biodiversitätsfördernd gestaltet werden. Dies beinhaltet die wesentlich zu forcierende ökologische Gestaltung der Agrarpolitik, die Sicherung von Biodiversitätsförderungsflächen und die Reduktion sowie mittel- bis langfristigen Stopp des Flächenverbrauchs. Nationale und regionale Artenschutzprogramme sind umzusetzen und Schutzgebiete besser zu finanzieren, um ein entsprechendes Management sicherzustellen. Die Umsetzung der EU-Strategie zur “Grünen Infrastruktur”, sowie eine Förderung von “Nature-based Solutions” sind konkrete und dringend gebotene Maßnahmen, um biodiversitätsfördernde naturverträgliche Landnutzung mit wirtschaftlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen.

Wir appellieren an Sie, diese Forderungen in Ihre Verhandlungen aufzunehmen und sich auf möglichst viele der genannten Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität in Österreich zu einigen. Bitte vergessen Sie, während der – sicherlich komplexen – Verhandlungen nie die eingangs erwähnter Fakten, dass eine intakte Natur die Grundlage für das Wohlergehen jedes Einzelnen und unserer Gesellschaft als Ganzes sowie zukünftiger Generationen ist.


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Salzburger Landesregierung will Rechte der Landesumweltanwaltschaft beschneiden

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Stellungnahme ausgearbeitet von der Regionalgruppe Salzburg und der Fachgruppe Politik und Recht:

Im Salzburger Landtag soll im Dezember 2024 eine Gesetzesnovelle beschlossen werden, mit der unter Führung der schwarz-blauen Landesregierung viele wichtige Rechte der unabhängigen und weisungsfreien Landesumweltanwaltschaft (LUA) ersatzlos abgeschafft werden.

Die gravierendste Einschränkung ist der komplette Entfall des Revisionsrechts an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Dies bedeutet, dass Rechtsfragen von wesentlicher Bedeutung in Zukunft nicht mehr durch die LUA an das Höchstgericht getragen werden können und ungeklärt bleiben.

Die LUA verliert ihre Parteistellungen (ua.) in allen Verfahren in Landschaftsschutzgebieten inkl. Seen ebenso wie in Flurbereinigungsverfahren.

Es ist daher zu befürchten, dass aufgrund der Novelle Projekte und Vorhaben in geschützten alpinen Landschaften und an Seen genehmigt und gebaut werden, ohne dass naturverträglichere Lösungen oder notwendige Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Als Argumente für eine Beschneidung der Rechte der LUA werden die Verfahrensbeschleunigung sowie die Umsetzung der Aarhus Konvention vorgeschoben. Beide Argumente werden in unserer Stellungnahme entkräftet:

Die Aarhus Konvention ist in Österreich nur unzureichend umgesetzt. Außerdem ist die Teilnahme von spendenabhängige Umwelt-NGOs in umweltrechtlichen Verfahren nicht mit der LUA als unabhängige Institution (Formalpartei), die mit Expert:innen besetzt ist gleichzusetzen.

Der LUA geht es weniger um die Verhinderung von Projekten, sondern in den allermeisten Fällen um naturverträglichere Lösungen, Alternativvorschläge und Kompromisse, die in den erstinstanzlichen Verfahren gefunden werden. In den jährlich hunderten Verfahren, bei denen der LUA Parteistellung zukommt, kam es in mehr als 97 % zu Bewilligungen, in weniger als 5 % zu Beschwerden an das Landes- oder Bundesverwaltungsgericht und in weniger als 1 % der Fälle zu einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Unser Fazit lautet:

Die Beschneidung der Rechte der Landesumweltanwaltschaft ist derart gravierend, dass dies mit den Zielsetzungen des Landesumweltanwaltschafts-Gesetzes, vor allem der Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen und deren Schutz vor schädlichen Einwirkungen, nicht mehr  vereinbar erscheint. Auch sollte eine Novellierung des Landesumweltanwaltschafts-Gesetzes im Sinne einer ausdrücklichen Erweiterung auf Klimaschutz und Klimawandelanpassung als Zielbestimmung erfolgen und es wären Maßnahmen zu begrüßen, um Zielkonflikte zwischen Natur- und Klimaschutz besser berücksichtigen zu können.
In Zeiten der Biodiversitäts- und Klimakrise sollte die Landesumweltanwaltschaft als Stimme für die Natur nicht eingeschränkt, sondern gestärkt werden!

Die vollständige Stellungnahme zum Gesetzesentwurf kann hier eingesehen werden. Alle eingelangten Stellungnahmen gibt es hier.


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Die 10 größten Exporteure von Emissionen aus fossilen Brennstoffen

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Auf der COP29 ist der Einfluss der fossilen Brennstoffindustrie allgegenwärtig. Climate Action Tracker wirft in einem aktuellen Blogbeitrag einen Blick auf die zehn Länder, die für etwa 60 % der weltweiten Emissionen aus exportierten fossilen Brennstoffen verantwortlich sind:

Russland hat den größten absoluten Beitrag zu den exportierten Emissionen, mit erheblichen Mengen an Öl- und Gasexporten sowie Kohle. Australien und Indonesien stechen durch ihre großen Kohleexporte hervor; die USA verursachen den größten Anteil der Emissionen aus Gasexporten und Saudi-Arabien aus Ölexporten.

Die sechs führenden Länder (Russland, Australien, USA, Indonesien, Saudi-Arabien und Kanada) repräsentieren 50 % der gesamten exportierten Emissionen. Diese Länder spielen eine Schlüsselrolle bei der Ermöglichung eines schnellen Übergangs weg von fossilen Brennstoffen. Während die Käufer dieser Brennstoffe die Nachfrage reduzieren müssen, ist das Geschäftsmodell des Exports fossiler Brennstoffe nicht im Einklang mit dem Ziel des „transitioning away“ von fossilen Brennstoffen.


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Wie kompostierbar ist das Sackerl wirklich?

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Kompostierbarer Kunststoff endet nicht immer als Nahrung für Würmer, erklärt ein Beitrag in der Zeitschrift Chemistry World. In vielen Fällen wird er aus dem Biomüll separiert und verbrannt, weil der Biomüll gar nicht im Kompost landet, sondern in Anlagen zur Biogaserzeugung, und diese meistens die Kunststoffverpackungen nicht verarbeiten können. Additive, die beim Abbau des Kunststoffs helfen, sind ebenfalls potenziell giftig. Besteht also Hoffnung auf ein wirklich abbaubares Verpackungsmaterial aus Kunststoff? „Wir haben eine Reihe verschiedener kompostierbarer Kunststoffe, die schnell angenommen wurden, sie sind jedoch keine bewährte Antwort auf herkömmliche Kunststoffe“, sagt die Kreislaufwirtschaftsforscherin Teresa Domenech Aparisi.

Domenech arbeitet am Plastic Waste Innovation Hub des University College London mit, der das Big Compost Experiment durchführte und Bürger:innen fragte, was sie fanden, als sie versuchten, Plastik zu Hause zu kompostieren. Das Experiment sammelte ihre Ergebnisse in Form von Bildern und Geschichten. Die meisten Gegenstände waren nach einem Jahr noch intakt.

Vorschriften und klare Kennzeichnungen sowie Materialwissenschaften sind erforderlich.
Quelle: https://www.chemistryworld.com/features/clearing-up-the-compostable-plastic-mess/4020481.article


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Carbon Brief: 744 Studien beziffern Verluste an Menschenleben und wirtschaftliche Schäden durch vom Klimawandel verursachte Extremereignisse

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Eine neue Datenbank mit Hunderten von Studien, die die Rolle der globalen Erwärmung bei Extremwetter analysieren, wurde von der Website Carbon Brief zusammengestellt 

Mindestens 24 Hitzewellen, die zuvor undenkbar gewesen wären, haben Gemeinschaften auf der ganzen Welt heimgesucht, ein deutlicher Beweis dafür, wie stark die vom Menschen verursachte globale Erwärmung das Extremwetter verstärkt.

Diese bisher unmöglichen Hitzewellen haben in Nordamerika, Europa und Asien Menschenleben gefordert. Untersuchungen haben ergeben, dass ohne die zusätzliche Wärme, die durch die Emissionen fossiler Brennstoffe entsteht, so gut wie keine Chance für sie bestanden hätte.

Die Analyse von beinahe 750 Studien zeigt, dass 550 Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Dürren und Waldbrände durch die globale Erwärmung deutlich schlimmer oder häufiger geworden sind. Diese Aufzählung des Leids ist jedoch nur ein kleiner Einblick in die wahren Schäden. Die meisten extremen Wetterereignisse wurden von Wissenschaftlern noch nicht analysiert.

Die Verbrennung fossiler Brennstoffe hat das Klima so dramatisch verändert, dass Hitzewellen die Menschen mit einer Intensität und Häufigkeit treffen, wie sie während der gesamten Entwicklung der menschlichen Zivilisation in den letzten 5.000 Jahren noch nie vorgekommen sind. Es ist eine neue Welt, auf die Städte, Krankenhäuser, Straßen und Landwirtschaften nicht vorbereitet sind, eine Welt, die jeden Tag noch gefährlicher wird, da weiterhin Kohlendioxidemissionen in die Atmosphäre gepumpt werden.

Auch menschliche Kosten werden in die Studien mit einbezogen

Attributionswissenschaftler analysieren nicht mehr nur die extremen Wetterereignisse selbst, sondern machen auch die menschlichen Kosten sichtbar, indem sie schätzen, wie viele der verursachten Schäden hätten vermieden werden können, wenn die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Erde nicht erwärmt hätte.

Einer Studie zufolge hätte jedes dritte Neugeborene, das an Hitze stirbt, überlebt, wenn die globale Erwärmung die Temperaturen nicht über das Normalmaß hinaus getrieben hätte – das sind etwa 10.000 verlorene Babys pro Jahr. Die Studie untersuchte Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen von 2001 bis 2019.

Eine weitere Studie über hitzebedingte Todesfälle im Sommer von 1991 bis 2018 stellte in den 43 untersuchten Ländern ebenfalls tödliche Auswirkungen der globalen Erwärmung fest. Diese Ergebnisse auf eine globale Zahl zu übertragen, ist nicht einfach, aber eine ungefähre Schätzung der Wissenschaftler geht von mehr als 100.000 Todesfällen pro Jahr aus. Über die nächsten zwei Jahrzehnte hinweg bedeutet dies, dass die Klimakrise Millionen von Menschenleben kosten wird.

Aber auch wirtschaftliche Kosten des Temperaturanstiegs werden berechnet. Die Schäden durch Hurrikans, wie sie etwa durch Hurrikan Sandy in den USA im Jahr 2012 oder Taifun Hagabis in Japan im Jahr 2019 verursacht wurden, sind dadurch um Milliarden Dollar in die Höhe getrieben worden. Ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel hätten vier schwere Überschwemmungen in Großbritannien nur die Hälfte der Gebäudeschäden im Wert von 18 Milliarden Dollar verursacht. Zu dieser Liste der Zerstörung kommen noch die Ernteausfälle in den USA und Südafrika hinzu. Die globale Erwärmung ist dafür verantwortlich ist, dass Nahrungsmittel im Wert von Milliarden Dollar vom Tisch der Menschen verschwinden.

Quelle: Carbon Brief, https://interactive.carbonbrief.org/attribution-studies/index.html


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Analyse: Es ist im wirtschaftlichen Interesse der reichen Länder, die Dekarbonisierung der Entwicklungs- und Schwellenländer zu finanzieren

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Die Rechnung ist einfach: Für Schwellenländer und Entwicklungsländer sind die Kosten für einen Ausstieg aus Kohle höher als der Nutzen, den sie selber davon haben würden. Sie müssten die Kosten alleine tragen, aber den Nutzen durch weniger Klimaschäden hätten alle Länder. Die reichen Länder würden enorm profitieren, wenn Schwellenländer und Entwicklungsländer keine Kohle mehr verbrennen. Für die reichen Länder lohnt es sich wirtschaftlich, die Länder mit geringem und mittlerem Einkommen bei der Dekarbonisierung und besonders beim Ausstieg aus Kohle zu unterstützen. Denn obwohl die Pro-Kopf-Emissionen in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern nach wie vor viel niedriger sind als in den Industrieländern, verursachen die Schwellen- und Entwicklungsländer inzwischen fast 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Bedenkt man allein die Schäden von 300 Milliarden Dollar, die die beiden letzten Hurikkane im Süden der USA verursacht haben, oder die Schäden durch die Flutkatastrophe in Valencia, ist leicht einzusehen, warum die Rechnung für die reichen Länder aufgeht. Die Europäische Union hat ihre Emissionen seit 1990 um 37 % und seit 2022 um 8 % gesenkt, und doch sie ist immer noch mit Klimaschäden konfrontiert, die durch steigende Emissionen anderswo verursacht werden.

Auch wenn die reichen Länder den Schwellen- und Entwicklungsländern nicht rückzahlbare Zuschüsse zur Deckung aller Kosten der Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien zur Verfügung stellen, liegt der wirtschaftliche Nettonutzen für die reichen Länder der Analyse zufolge bei über 100 Prozent.

Eine Analyse der Klimafinanzierungsexpertin Alissa Kleinnijenhuis für Bruegel, eine politische Denkfabrik in Brüssel, zeigt, dass die Vorteile, andere für die Dekarbonisierung zu bezahlen, die Kosten überwiegen, wenn man die vermiedenen zukünftigen Klimaschäden und die Anpassungskosten berücksichtigt. Indem man den Schwellen- und Entwicklungsländern jedes Jahr Hunderte von Milliarden Dollar zahlt, spart man im eigenen Land Billionen.

Um die kohlebedingten Emissionen zu reduzieren, empfiehlt die Analyse, dass die reichen Länder mindestens 220 Milliarden Dollar pro Jahr an öffentlicher Klimafinanzierung bereitstellen (1,1 Billionen Dollar im Zeitraum 2025–2030) und insgesamt 890 Milliarden Dollar jährlich, um die Pariser Ziele zu erreichen (unter der Annahme, dass öffentliche Mittel in Höhe von 25 Prozent den privaten Sektor motivieren können, den Restbetrag bereitzustellen).

Die Länder, die historisch den größten Anteil an der heutigen CO2-Verschmutzung verantworten, haben nicht nur eine moralische Verpflichtung, die Länder, die am wenigsten zur Klimakatastrlophe beigetragen haben, zu unterstützen. Es ist in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse.

Quelle: https://www.bruegel.org/policy-brief/economic-case-climate-finance-scale


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Lancet Countdown Report 2024: Die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels haben ein Rekordniveau erreicht.

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Eine gesunde Zukunft bleibt in Reichweite, wenn heute eiligst gehandelt wird.

The Lancet ist eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt und am University College London angesiedelt. Der Lancet Countdown on Health and Climate Change erscheint jährlich knapp vor der Weltklimakonferenz. Im Lancet Countdown arbeiten 300 führende Forscher:innen aus aller Welt zusammen, um über aktuelle Entwicklungen zu den Zusammenhängen von menschlicher Gesundheit und Klimawandel zu informieren und damit eine wissensbasierte Grundlage für klimapolitische Entscheidungen zu schaffen.

Während die Menschen in allen Ländern durch den Klimawandel beispiellosen Bedrohungen ausgesetzt sind, die ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit und ihr Überleben gefährden, wird weiterhin in fossile Brennstoffe investiert und die Finanzierung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz wird nur schleppend vorangetrieben. Eine dringend erforderliche Umleitung der Ressourcen weg von einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft hin in eine emissionsfreie, gesunde Zukunft wird rasche gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile bringen.

Der Bericht 2024 bietet die aktuellste Einschätzung der Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimawandel. Von den15 Indikatoren zur Überwachung der Gesundheitsgefahren, Expositionen und Auswirkungen des Klimawandels erreichten 10 im letzten Jahr der Datenerhebung einen besorgniserregenden neuen Rekord.

Hitze und Gesundheit

Im Jahr 2023 erreichten die hitzebedingten Todesfälle bei Menschen über 65 Jahren den höchsten Stand aller Zeiten und lagen um 167 % höher als im Zeitraum 1990–1999. Das ist mehr als das Doppelte des Anstiegs, der ohne Temperaturänderung zu erwarten gewesen wäre.

Hitzebelastung schränkt die Arbeitskapazität zunehmend ein und führte im Jahr 2023 zu einem weltweiten Verlust von 512 Milliarden potenziellen Arbeitsstunden. Dies ist eine Steigerung von 49 % gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1999. Der damit verbundene potenzielle Einkommensverlust erreichte einen Rekordwert von 835 Milliarden US-Dollar. Die Länder mit einem niedrigen Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, kurz HDI) waren am stärksten betroffen. Ihr Arbeitskräfteverlust entsprach 7,6 Prozent ihres BIP.

Zudem kommt es immer häufiger zu extremen Niederschlagsereignissen, die die Nahrungsmittel- und Wassersicherheit und die Abwasserentsorgung gefährden sowie die Übertragung von Infektionskrankheiten begünstigen und das Risiko von Erdrutschen und Überschwemmungen erhöhen. Im letzten Jahrzehnt ist die durchschnittliche Zahl der Tage mit extremen Niederschlägen pro Jahr auf 61,3 Prozent der globalen Landfläche im Vergleich zum Basiszeitraum von 1961 bis 1990 gestiegen. Das ist ein Rekordwert.

Die höhere Häufigkeit von Hitzewellen und Dürren führte dazu, dass in 124 Ländern insgesamt 151 Millionen Menschen zusätzlich unter mäßiger oder schwerer Nahrungsmittelunsicherheit litten, was das Risiko von Unterernährung und Hunger erhöhte. Aufgrund der wärmeren Küstengewässer erreichten die Vibriose-Fälle im Jahr 2023 weltweit einen geschätzten Rekordwert von 692.000.

Und auch das globale Übertragungsrisiko von Dengue-Fieber durch die Asiatische Tigermücke und die Ägyptische Tigermücke nimmt zu, was zu einem weltweiten Anstieg der Dengue-Fälle führt.

Anpassungsmaßnahmen im Gesundheitsbereich

Während die Klimabedrohungen zunehmen, verschärfen sich die Risiken für die Gesundheit der Menschen durch jahrelange Verzögerungen bei der Umsetzung lebensrettender Anpassungsmaßnahmen.

Nur 68 % der Länder meldeten im Jahr 2023 eine hohe bis sehr hohe Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kapazitäten zur Bewältigung gesundheitlicher Notlagen.

Angesichts der deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländergruppen des Human Development Index nehmen die gesundheitlichen Ungleichheiten zu und nur 35 % der Länder gaben an, über Frühwarnsysteme für hitzebedingte Erkrankungen zu verfügen, und nur 10 % hatten Frühwarnsysteme für psychische und psychosoziale Gesundheitsrisiken.

Energieerzeugung, Energienutzung und Gesundheit

Trotz dieser wachsenden Bedrohungen gießen Regierungen und Unternehmen weiterhin Öl ins Feuer und gefährden so die Gesundheit und das Überleben der Menschen:

Die globalen energiebezogenen Emissionen erreichten 2023 einen neuen Rekordwert und die Menschen auf der ganzen Welt sind weiterhin auf umweltschädliche, schmutzige Brennstoffe angewiesen. Zusätzlich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen gingen zwischen 2016 und 2022 fast 182 Millionen Hektar Wald verloren, was die natürliche Kapazität der Welt zur Bindung von atmosphärischem Kohlendioxid verringerte.

Aufgrund der langsamen Einführung sauberer Energien machen schmutzige Brennstoffe wie Biomasse (z.B. Brennholz, Holzkohle, Dung) immer noch über 90 % der Energie aus, die Menschen in Ländern mit niedrigem Human Development Index in ihren Häusern verbrauchen. Infolgedessen sind diese Menschen in Innenräumen einer hohen Luftverschmutzung durch Brennstoffe ausgesetzt, was zu 2,3 Millionen Todesfälle in 65 Ländern im Jahr 2020 führte. Am stärksten betroffen waren ländliche Haushalte.

Trotz der zunehmenden gesundheitlichen Schäden weiten Öl- und Gasunternehmen ihre Pläne zur Produktion fossiler Brennstoffe weiter aus. Im März 2024 waren die 114 größten Öl- und Gasunternehmen gemeinsam auf dem besten Weg, ihren Anteil an den Emissionen, der mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist, im Jahr 2040 um 189 % zu überschreiten. Dies ist über 15 Prozentpunkte mehr als die ein Jahr zuvor prognostizierte Überschreitung von 173%.

Durch die Verzögerung des Übergangs zu sauberen, erneuerbaren Energien blieben die Länder weiterhin von den volatilen Märkten für fossile Brennstoffe abhängig.

Angesichts der rasant steigenden Kosten für fossile Brennstoffe erhöhten die Regierungen ihre Subventionen für fossile Brennstoffe, um die Energiepreise erschwinglich zu halten. Infolgedessen subventionierten 84 % der untersuchten Länder im Jahr 2022 weiterhin fossile Brennstoffe und stellten dafür eine Rekordnettosumme von 1.400 Milliarden US-Dollar bereit. In 55 % der Länder entsprachen diese Subventionen 10 % der nationalen Gesundheitsausgaben oder mehr. In 27 % der Länder waren die Subventionen für fossile Brennstoffe höher als die gesamten Gesundheitsausgaben. Diese Mittel könnten umgeleitet werden, um den Übergang zu sauberen Energiequellen zu unterstützen, gefährdete Bevölkerungsgruppen vor den steigenden Risiken des Klimawandels zu schützen und eine gesunde Zukunft zu ermöglichen.

Nach einer Phase des Rückgangs nehmen die Investitionen in fossile Brennstoffe wieder zu und erreichten allein im Jahr 2023 1.100 Milliarden US-Dollar.

Aufgrund dieser anhaltenden Investitionen in fossile Brennstoffe steigt der Gesamtwert der Kohlekraftwerke, die ihren Betrieb einstellen müssen, um die schwerwiegendsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, immer weiter an. Bislang wird erwartet, dass der Wert der aktuellen Kohlekraftwerke, die auf dem Weg zu einer lebenswerten Zukunft nicht mehr nutzbar sind, zwischen 2025 und 2034 einen Gesamtwert von 164,5 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Diese Verluste werden noch größer werden, wenn die Investitionen in fossile Brennstoffe anhalten.

Ökonomische Auswirkungen des Klimawandels

Im Jahr 2023 verursachten wetterbedingte Extremereignisse weltweit wirtschaftliche Verluste in Höhe von 212 Milliarden US-Dollar. Das sind 23 % mehr als im Durchschnitt von 2020 bis 2014.

Der durchschnittliche jährliche monetarisierte Wert der globalen hitzebedingten Sterblichkeit für den Zeitraum 2019–2023 betrug 199 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von 179 % gegenüber 2000–2004.

Im Jahr 2023 erreichten die weltweiten potenziellen Einkommensverluste durch Abbau von Arbeitskapazität aufgrund extremer Hitze einen Rekordwert von 835 Milliarden US-Dollar. Der monetarisierte Wert der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund von Luftverschmutzung erreichte 2021 einen Rekordwert und belief sich auf 4,95 Billionen US-Dollar, 14 % mehr als 2016.

Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass die Weltwirtschaft bis 2050 auf einen Einkommensrückgang von 11–29 % zusteuert, was die sozialen und wirtschaftlichen Systeme bedroht, von denen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen abhängen.

Die Schäden, die innerhalb der nächsten 26 Jahre zu erwarten sind, übersteigen die Kosten für die Minderung der Erderwärmung auf 2 °C laut einer aktuellen Studie um das Sechsfache.

Fortschritte

Doch trotz dieser besorgniserregenden Ergebnisse zeigen einige Indikatoren Anzeichen für erste Fortschritte und weisen auf wichtige Handlungsoptionen hin, die verstärkt genutzt werden müssen, um die Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und einen Übergang in eine gesunde und gerechtere Zukunft zu ermöglichen.

Gesundheitssektoren reagieren zunehmend auf die Bedrohungen des Klimawandels und tragen dazu bei, die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen zu verringern. Die Zahl der Länder, die Bewertungen ihrer Verletzlichkeit (Vulnerabilität) gegenüber den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und Anpassung an diese entwickelt haben, stieg von 11 im Jahr 2022 auf 50 im Jahr 2023. Die Zahl der Länder, die ihre nationalen Gesundheitsanpassungspläne (National Health Adaptation Plans) abgeschlossen haben, stieg von 4 auf 43. 70 % der 279 befragten Bildungseinrichtungen im Bereich öffentliche Gesundheit gaben an, im Jahr 2023 Bildung zum Thema Klima und Gesundheit anzubieten, ein entscheidender Schritt zur Entwicklung einer Belegschaft, die die Bevölkerung vor den wachsenden Gesundheitsrisiken des Klimawandels schützen kann.

Und obwohl die Mittel für gesundheitsbezogene Anpassung im Jahr 2023 nur 27 % der gesamten Anpassungsmittel aus Projekten des Grünen Klimafonds ausmachten, stellt dies immer noch einen Anstieg von 137 % seit 2021 dar.

Auch wenn fossile Brennstoffe nicht ausreichend ersetzt wurden, sind im Energiesektor dennoch wichtige Fortschritte zu verzeichnen. Die Beschäftigung im Bereich erneuerbarer Energien ist seit 2016 um 35,6 % gestiegen und bietet gesündere und nachhaltigere Beschäftigungsmöglichkeiten als die fossile Brennstoffindustrie. Der weltweite Anteil an Strom aus sauberen, modernen erneuerbaren Energien erreichte im Jahr 2021 einen Rekordwert von 10,5 %.

Erfreulicherweise ist die Zahl der Todesfälle aufgrund von Feinstaub-Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe im Freien zwischen 2016 und 2021 um 6,9 % zurückgegangen . Dies verdeutlicht, dass durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe unmittelbare und wichtige Verbesserungen für die Gesundheit erzielt werden könnten.

Es gibt bedeutende Möglichkeiten, auf diesen Fortschritten aufzubauen und eine gesunde Zukunft zu ermöglichen. Dies erfordert eine dringende Umverteilung der Mittel weg von Aktivitäten, die der menschlichen Gesundheit schaden, hin zur Förderung eines Übergangs zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft und damit zu einer gesunden Zukunft Nach jahrzehntelanger Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen sind nun abgestimmte, strukturelle und nachhaltige Veränderungen in den Energie-, Transport-, Landwirtschaft-, Ernährungs- und Gesundheitssystemen erforderlich, um die schwerwiegendsten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Eine gesunde Zukunft für alle bleibt in Reichweite, wenn heute eiligst gehandelt wird.

Quelle: Romanello, M. et al. (2024): The 2024 report of the Lancet Countdown on health and climate change: facing record-breaking threats from delayed action. The Lancet 404, 1847–1896, https://lancetcountdown.org


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Privatjets: Sprunghafter Anstieg von Flügen und Emissionen

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Die Zahl der Privatflugzeuge, die Anzahl der Flüge und die Gesamtentfernung, die diese Flugzeuge zurücklegen, sind in den letzten vier Jahren sprunghaft angestiegen, was die Kohlendioxidemissionen des Sektors auf neue Höhen getrieben hat. Ein Team um Stafan Gössling von der Universität Kalmar ermittelte, dass Privatflüge im vergangenen Jahr 15,6 Millionen Tonnen CO2 produzierten.

Die Forscher:innen berechneten die CO2-Emissionen des Sektors anhand von Flugtrackerdaten für den Zeitraum 2019 bis 2023. Die Flugzeiten von 25.993 Privatflugzeugen und 18.655.789 Einzelflügen in den Jahren 2019-2023 sind mit 72 Flugzeugmodellen und ihrem durchschnittlichen Treibstoffverbrauch verknüpft. Sie stellten fest, dass die private Luftfahrt im Jahr 2023 mindestens 15,6 Mt CO2 an direkten Emissionen verursacht hat , oder etwa 3,6 t CO2 pro Flug. Fast die Hälfte aller Flüge (47,4 %) sind kürzer als 500 km. Die private Luftfahrt konzentriert sich auf die USA, wo 68,7 % der Flugzeuge registriert sind. Die Flugmusteranalyse bestätigt umfangreiche Reisen zu Freizeitzwecken sowie zu kulturellen und politischen Veranstaltungen wie der COP2 in Dubai. Die Emissionen stiegen zwischen 2019 und 2023 um 46 %, und die Branche erwartet anhaltend starkes Wachstum. Die Wissenschaftler:innen fordern Regulierungen, um den zunehmenden Klimaauswirkungen des Sektors Rechnung zu tragen.
https://www.nature.com/articles/s43247-024-01775-z


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