Was der Klimawandel mit unserer Gesundheit zu tun hat – und wie man auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels reagieren sollte

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Dr. Isolde Reichel, Sportwissenschafterin mit Schwerpunkt Prävention, Bewegungspraxis Wels

Der Körper ist anpassungsfähig, aber Temperaturschwankungen von bis zu 20 Grad Unterschied und das innerhalb weniger Tage bedeuten enormen Stress. Chronischer Stress führt zu erhöhter Cortisolausschüttung und damit zur Verschlechterung der Immunreaktionen. Er gilt als Auslöser für Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Schlaflosigkeit und hat außerdem negative Auswirkungen auf die Gehirntätigkeit. Wie aber kann man sich gegen Wetterextreme wappnen und die eigene Gesundheit schützen?

Ein wichtiger Schritt ist es, die eigene körperliche Fitness zu stärken und damit das Immunsystem zu verbessern. Dazu braucht es regelmäßige moderate Bewegung, mindestens 10 min mit erhöhter Atemfrequenz, aber nicht zu hohem Puls, wie z.B. den Weg in die Arbeit, auf die Universität oder ins Kaffeehaus mit dem Rad oder zu Fuß zurückzulegen – wichtig ist täglich! Das nützt nicht nur die Feinstaubbelastung gering zu halten – in Linz sollten es unter 10 µg/m³ im Vergleich zu durchschnittlich 14 (10. März 2023) sein – sondern es macht auch deutlich fitter.

Aber auch die Schadstoffbelastung durch kontaminierte Lebensmittel mit z.B. Antibiotika, die in der konventionellen Massentierhaltung eingesetzt werden, schaden unserer Resilienz gegenüber Stress. Herbizide wie Glyphosat, das weltweit dafür verwendet wird, Getreide ausreifen zu lassen und in Österreich trotz gesetzlichem Verbot immer noch eingesetzt wird, schaden dem Immunsystem.  Früchte verlieren durch lange Lieferwege deutlich an Vitamin C.  Im Fall von Bisphenol A – ursprünglich entwickelt um als Östrogenersatz zu fungieren – wird nach wie vor zur Beschichtung von Getränke- und Konservendosen, in manchem recycelten Plastik, aber auch im Polykarbonat (z.B. Trinkflaschenverschluss) eingesetzt. Die Aufnahme führt zu Unfruchtbarkeit, wie Studien 2021 zeigten. 2020 wurde zumindest der Einsatz in Thermopapieren wie Kassenzettel verboten. Unverpackte, frische, regionale Lebensmittel aus biologischer und nicht-industrieller Landwirtschaft schützen also nicht nur unser Klima, sondern dienen vor allem der Gesundheit.  Natürlich, Veränderungen im Lebensstil – hin zu mehr Bewegung und besseren Lebensmitteln – brauchen Zeit. 39 % der Österreicher und -innen sind laut Umfragedaten von 2022 nicht bereit, ihren Lebensstil aufgrund des Klimawandels zu ändern. Doch dieses selbstschädigende Verhalten schadet am Schluss allen. Studien zu Verhaltensänderungen zeigen, dass sich nach 6 Wochen das neue Verhalten etabliert hat und man mit einem verbesserten Lebensgefühl rechnen kann, gelassener, gesünder und vielleicht ein bisschen glücklicher.



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Zukunft von Mobilität in Städten

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Nikolaus Doppelhammer, JKU-Absolvent, forscht an Materialchemie, derzeit Postdoc an der KU Leuven

Die Nibelungenbrücke in Linz ist insgesamt 30 Meter breit. Auf großzügigen sechs Fahrspuren werden 16 Meter, also mehr als die Hälfte dieser Breite, dem Autoverkehr eingeräumt. Die Straßenbahnschienen beanspruchen 6 Meter,  die Fußgängerwege in etwa 5 Meter. Nur etwa 2 Meter, also gerade einmal 6,6 Prozent der Gesamtbreite, entfallen auf die beiden  schmalen Radwege. Diese sind jedoch nur spärlich durch einen weißen Streifen von den Fußgängern und einer Gehsteigkante von dem Auto- und LKW-Verkehr “getrennt”, was vor allem bei Glatteis im Winter – und hier spreche ich aus eigener Erfahrung – ein hohes Unfallrisiko birgt.

Beispiele dieser Art findet man nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern in ganz Oberösterreich. Sie stellen plakativ zur Schau, wie gering der Stellenwert von klimafreundlicher Mobilität selbst im Jahr 2023 noch immer ist. Radikale, nachhaltige Veränderungen wären angesagt, denn der Verkehrssektor ist für rund ein Drittel des österreichweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich und um 53 Prozent höher als der EU-Schnitt. Somit weist dieser Sektor eines der größten Potenziale zur Einsparung von klimaschädlichen Emissionen auf.

Dass drastische Veränderungen im städtischen Verkehrswesen durch mutige und visionäre politische Maßnahmen auch umgesetzt werden können, haben Städte wie Paris oder Barcelona eindrucksvoll gezeigt. In wenigen Jahren wurden dort beispielsweise der öffentliche Verkehr massiv ausgebaut, viele neue Radwege errichtet und ganze Stadtteile verkehrsberuhigt und/oder auto-(parkplatz)frei gemacht. Durch die zahlreichen positiven Nebeneffekte dieser Maßnahmen wie ruhigere und kindergerechte Stadtviertel, verbesserte Luftqualität und mehr nutzbarer öffentlicher Raum, wurden diese Maßnahmen auch von einer breiten Öffentlichkeit wohlwollend akzeptiert. Paris will in Zukunft sogar noch ambitioniertere Ziele verfolgen: Ab 2024 sollen Dieselfahrzeuge nicht mehr in der Stadt verkehren dürfen. Ein Aus von allen privaten Verbrenner-Fahrzeugen ist für 2030 geplant. Im selben Jahr will die Stadt gänzlich CO2 neutral werden, zehn Jahre früher als Österreich. Diese Art von Politik wäre auch hierzulande angebracht, wenn man ernsthaft vorhat, beim größten Problem unserer Zeit tatsächlich anzupacken.

Online Artikel in den OÖN



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Beim Verkehr nehmen die Emissionen zu, statt ab – Interview mit der Bezirksrundschau

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Bei den jüngsten Klimaprotesten der „Letzten Generation“ in Linz stellten sich auch die Scientists for Future hinter die Aktivistinnen und Aktivisten. BezirksrundschauRedakteurin Silvia Gschwandtner hat mit einem Mitglied – dem Linzer Forscher Mirko Javurek – über seine Beweggründe, Sorgen und Vorschläge gesprochen.

zum Online-Artikel der Bezirksrundschau

LINZ. Seit 2019 haben sich unter der internationalen Bewegung Scientists for Future rund 30.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem deutschen Sprachraum angeschlossen. Einer von ihnen ist Mirko Javurek (50). An der JKU forscht der Mechatroniker im Bereich Strömungs- und Wärmeprozesse. Seit ihrer Gründung ist er in der oberösterreichischen Regionalgruppe aktiv. Wir haben ihn zum Interview gebeten.

Warum engagieren sie sich bei „Scientists for Future“?
Mirko Javurek:  Ziel von „Scientists for Future“ ist es, die Klimaproteste und deren Forderungen als wissenschaftlich begründet zu unterstützen, und auch die Klimakatastrophe und die Klimaschutzmaßnahmen der Politik und Öffentlichkeit gegenüber verständlich zu machen. Ich bin in der oberösterreichischen Regionalgruppe von Anfang an aktiv, weil ich mir große Sorgen über drastischen Folgen der Klimakrise mache. Ich sehe es als wesentliche Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen, dass wir jetzt rasch handeln und alles tun, um den nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.

Wie wirkt sich der Klimawandel jetzt schon auf Linz aus?
Der Hitzesommer 2018 hat gezeigt, dass Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders stark von Hitze und Trockenheit betroffen war. Die Donaukraftwerke hatten durch den niedrigen Wasserstand eine deutlich reduzierten Stromerzeugung. Noch konnten diese Engpässe durch den Einsatz nicht nachhaltiger Stromerzeugung aufgefangen werden, aber wenn sich die Klimakatastrophe weiter verstärkt, wird das bald nicht mehr möglich sein. Die Flüsse erwärmen sich auch stärker, wodurch die Industrie mit der Kühlung Probleme bekommt.

Generell sind Städte wie Linz besonders stark betroffen: Die aktuell erreichte durchschnittliche globale Erderwärmung von 1,2 °C bedeutet in Städten bis zu 5 °C höhere Temperaturen, Tendenz leider stark steigend. Immer mehr Haushalte installieren Klimageräte, um die Hitze im Sommer besser ertragen zu können. Dass es im Winter kaum noch Schnee in Linz gibt, wird viele nicht stören, aber es bedeutet auch, dass viele Schigebiete in OÖ, wie zum Beispiel Kirchschlag bei Linz aufgegeben werden müssen, und der Dachsteingletscher schon stark geschrumpft ist, und bald verschwunden sein wird. Momentan sind die Auswirkungen in Linz also schon spürbar, aber wenn wir so lange warten, bis wir deutlich darunter leiden, ist es zu spät, um noch etwas dagegen tun zu können. Infos zu den Auswirkungen des Klimawandels in Linz gibt es im Klimaerlebnisraum.

Was fordern Sie von der Politik – im Speziellen der Stadtpolitik?
Ich sehe es positiv, dass an einer umfassenden Klimaschutz-Strategie gearbeitet wird. Allerdings verlieren wir gerade wertvolle Zeit, wenn wir noch ein Jahr auf die Ergebnisse warten, obwohl jetzt schon viel getan werden könnte. Und dann ist für mich noch nicht klar, ob für die Umsetzung der Strategie auch die entsprechend nötigen Budgets und politischen Entscheidungen getroffen werden. Ich sehe den dringendsten Handlungsbedarf beim Verkehr: Da nehmen die Emissionen weiterhin zu statt ab und machen Einsparungen in anderen Bereichen zunichte. Daher wäre es in Linz dringend nötig, den Autoverkehr zu reduzieren. Laut einer JKU-Studie [1] könnten mehr als die Hälfte der Autofahrten jetzt schon eingespart werden, wenn der rote Teppich für den öffentlichen Verkehr, das Rad fahren und zu Fuß gehen ausgelegt würde, statt so wie bisher hauptsächlich für den Autoverkehr.

Ein Bau- beziehungsweise Planungsstopp von sämtlichen Straßenbauprojekten wie der Westring-Bahnhofsautobahn und der Ostumfahrung wären ein Anfang. In Paris dürfen ab 2024 keine Diesel-Fahrzeuge und ab 2030 keine Verbrenner-Fahrzeuge mehr fahren. Für den Ausbau des Radverkehrs braucht es ein ähnliches Budget wie in Graz, wo jeweils 10 Millionen Euro in 10 Jahren ausgegeben werden, statt wie in Linz derzeit 0,5 Millionen Euro – damit erreichen wir nie einen attraktiven, flächendeckenden Ausbau des Radverkehrs. Auch Projekte für den öffentlichen Verkehr wie die S-Bahnen ins Mühlviertel müssen entschlossen und rasch angegangen werden. Alle Stadtteile brauchen eine dicht getaktete Anbindung, auch am Abend und am Wochenende. Durchgehende Busspuren müssen eingerichtet werden, sodass Busse nie mehr im Stau stehen. Auch für Fußgängerinnen und Fußgänger muss mehr Platz geschaffen werden. Ein autofreier Hauptplatz sollte beispielsweise schon längst umgesetzt sein. 

Was kann jeder selbst tun, um seine persönliche CO₂-Bilanz zu verbessern?
Die größten Hebel liegen auch hier im Bereich der Mobilität: Fliegen und Autofahren haben den größten schädlichen Einfluss auf die persönliche CO₂-Bilanz. Bei der Ernährung bringen pflanzliche Biolebensmittel anstelle von Fleisch, Fisch und Milchprodukten am meisten. Beim Wohnen ist es die Energie fürs Heizen, die idealerweise durch gute Wärmedämmung möglichst reduziert und mit erneuerbarer Energie bereitgestellt wird, zum Beispiel durch eine Wärmepumpe mit Ökostrom oder eine Holzpelletsheizung anstelle von Gas oder Öl.
Mehr dazu in der Aufzeichnung meines VHS-Vortrags: HIER

Viele kritisieren die Klimaproteste als „zu radikal“ – Stichwort Klima-Kleber. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Es ist traurig, dass es diese Art des Protests braucht, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Zehntausende Menschen sind im Rahmen der Klimastreiks auf die Straße gegangen und haben nicht ansatzweise die gleiche Aufmerksamkeit bekommen wie die aktuellen „radikaleren“ Proteste. In der Geschichte gab es schon öfter ähnliche Situationen, wie zum Beispiel im Kampf gegen die Rassendiskriminierung, wo mit angemeldeten Demonstrationen, Petitionen und Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern nichts erreicht wurde. Martin Luther King wurde damals auch stark kritisiert, heute ist er bekannt für seinen Einsatz, der zum Erfolg geführt hat. Teilweise wird sogar von „Klimaterroristen“ gesprochen. Rechtswissenschaftler Professor Alois Birklbauer von der JKU meint dazu: „Wir brauchen eine Abrüstung der Worte. Die Bezeichnung „Klimaterroristen“ für Aktivistinnen und Aktivisten ist völlig unangebracht. Wenn man beachtet, wie stark durch unterlassene Maßnahmen das Klima geschädigt wird, wäre es passender zu sagen, dass die größeren Terroristen in der Regierung sitzen.“ 

Wo können sich Interessierte seriös und leicht verständlich über den Klimawandel informieren?
Der Klimawandel ist für mich das komplizierteste globale Problem, mit dem sich die Menschheit je auseinandersetzen musste. Dementsprechend schwierig ist es, den Klimawandel einfach verständlich zu erklären. Nachdem die für den österreichischen Klimarat zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Menschen eine mehrtägige Intensivausbildung mit Klimaexpertinnen und -experten absolviert hatten, stellten viele von ihnen fest, dass sie für ihre erarbeiteten Vorschläge keine Volksabstimmungen empfehlen können. Ohne die Ausbildung hätten sie selbst die falschen Entscheidungen getroffen. Das zeigt, wie hoch der Informationsbedarf in der Bevölkerung noch ist. Ich möchte das aktuelle Buch „Earth for all“ des Club of Rome empfehlen, von dem es eine kostenlose Zusammenfassung gibt es HIER. Es schildert anschaulich anhand des Schicksals von vier verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Erdregionen, wie wir durch eine bewusste Veränderung ein besseres Leben für alle erreichen können, oder aber auch, was auf uns zukommt, wenn wir zu spät handeln und zu wenig tun. Fakten in Form von Diagrammen und Texte sind beispielsweise HIER zusammengestellt. Dann ist da noch der 6. IPCC Bericht als seriöse, aber leider nicht unbedingt leicht verständliche Informationsquelle, von dem es HIER auch deutsche Übersetzungen gibt. Kernaussage: Es ist nach wie vor möglich, die globale Erwärmung zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.

AM 19. April 2023 um 18 Uhr lädt die „Letzte Generation“ zum Krisengespräch im Seminarraum 2 des KHG-Studentenheims in der Mengerstraße 23 statt. Dort wird Mirko Javurek versuchen, die Klimakrise anschaulich zu erklären. 

Referenzen

[1] Höfler, Malinsky, Priewasser: Verkehrsverlagerung durch Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl – Systemische, verkehrsplanerische und verhaltenswissenschaftliche Ansätze am Beispiel des oö. Zentralraums, Universitätsverlag Trauner, 2000



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Scientists For Future unterstützen Klimaprotest in Linz

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Linz, 21. März 2023, 7.45 Uhr. Den zweiten Tag in Folge sind die Menschen der Letzten Generation auf der Straße, um in der eskalierenden Klimakrise erste Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung einzufordern: Tempo 100 auf der Autobahn, und ein Verbot neuer Öl- und Gasbohrungen. Sie brachten den Verkehr auf der Waldeggstraße und der Wiener Straße friedlich zum Stillstand, unterstützt von solidarischen Wissenschaftler:innen, Parents For Future und der Radlobby.

Lisa Aigelsperger, Ernährungswissenschaftlerin, steht als Teil der Scientists for Future hinter den Protesten: “Meine zwei Kinder sind 6 und 10 Jahre alt. Ich wünsche mir, dass sie auf dieser Welt noch eine Zukunft haben. Die Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt; in Afrika habe ich mit eigenen Augen gesehen, was die Klimakrise heute schon anrichtet.“ Die Ernährungswissenschaftlerin arbeitet bei Südwind OÖ und kennt die Zusammenhänge zwischen Klima und Hungerkatastrophen.

Professor Andreas Janko vom Institut für Staatsrecht an der JKU im ORF-Interview zur Frage, ob die Proteste rechtens sind: „Rechtswidrig ist es, allerdings: die Aktivist*innen sehen aufgrund ihrer großen Besorgnis keine andere Möglichkeit mehr, und das ist genau das Wesen von zivilem Ungehorsam.“ Ob härtere Sanktionen eine abschreckende Wirkung haben würden? „Das kommt darauf an, in welcher Höhe man sie verhängen würde, aber ich gehe mal davon aus, dass hier die Besorgnis so groß ist, dass man eben ganz bewusst auch diese Rechtsbrüche in Kauf nimmt, und dass ein Drehen an der Sanktionenschraube wahrscheinlich nichts bewirken würde.“ Ob es nicht gangbarere legale Alternativen für Aktivist*innen gäbe, ihren Unmut kundzutun, die nicht so viel Wirbel auslösen? „Wir haben ein Demonstrationsrecht, und das kann man auch völlig rechtsmäßig und rechtskonform ausüben, mit Anmeldung, da sind auch Straßenblockaden unter Umständen möglich, oder man kann auch wo anders demonstrieren gehen. Allerdings will man natürlich das Aufsehen und die Aufmerksamkeit. Andere Aktionen werden als zu wenig effektiv eingestuft, genauso wie auch die bloße Teilnahme an ganz klassischen, vor allem direktdemokratischen Elementen: wir wissen, natürlich kann man bei uns Volksbegehren stellen, nur, wir wissen auch, die Volksbegehren sind ein Wunsch ans Parlament, und entscheiden werden am Ende die Abgeordneten, und da geht es den Aktivist*innen einfach zu wenig schnell.“

Professor Alois Birklbauer vom Institut für Strafrechtswissenschaften an der JKU spricht Respekt für die Proteste aus: „Die Proteste sind ungeheuer wichtig, weil sonst der Diskurs über die Klimakrise nicht in dem Ausmaß existieren würde in dem es notwendig ist. Wir brauchen eine Abrüstung der Worte. Die Bezeichnung „Klimaterroristen“ für Aktivist:innen ist völlig unangebracht. Wenn man beachtet, wie stark durch unterlassene Maßnahmen das Klima geschädigt wird, wäre es passender zu sagen, dass die größeren Terroristen in der Regierung sitzen.“

Jelena Saf von der Letzten Generation: “Gestern erst hat der Weltklimarat seinen Bericht veröffentlicht, und die Warnung könnte nicht deutlicher sein. Der Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen schreitet mit rasendem Tempo voran; in den verwundbarsten Gebieten sind mehr als 3 Milliarden Menschen umittelbar bedroht. Unsere Regierung baut weiter an der Autobahn in die Klimahölle, statt wenigstens die billigsten, einfachsten Schritte in eine überlebbare Zukunft zu setzen. Allein mit Tempo 100 könnten wir jedes Jahr 460.000 Tonnen CO2 einsparen, und gleichzeitig dank weniger Lärm und Schadstoffen die Lebensqualität in Österreich verbessern.” In den OÖ Nachrichten: Heute hätte sie bemerkt, dass die Leute im Stau anfingen, miteinander über die Notwendigkeit der Proteste zu diskutieren. „Das hat mich gefreut„, denn auch hier wurde Solidarität sichtbar.

Die Letzte Generation ist fest entschlossen, ihren zivilen Widerstand deutlich auszuweiten, falls die Fakten von Politiker:innen wie Bundeskanzler Nehammer noch länger ignoriert werden: Nehammer höre lieber auf einen diskreditierten Klimaleugner. Kein Wunder also, dass Österreich seine Klimaziele Jahr für Jahr krachend verfehle und auf Strafzahlungen in Milliardenhöhe zusteuere.

Wie bedrohlich die Lage ist, stellte UN-Generalsekretär Antonio Guterres anlässlich der gestrigen Veröffentlichung der Zusammenfassung des Weltklimarats-Berichts klar: “Die Menschheit steht auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt schnell. Jedes Land muss Teil der Lösung sein. Wer von anderen verlangt, sich zuerst zu bewegen, stellt die Menschheit an letzte Stelle.”

Die Scientists for Future OÖ stellen sich entschlossen hinter die Forderungen der Klimaaktivist:innen und zeigen sich solidarisch mit den Menschen, die für eine lebenswerte Zukunft für alle eintreten.

Medienberichte



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Die drei Säulen der Nachhaltigkeit: warum erneuerbare Energien fossile nicht 1:1 ersetzen können

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Mirko Javurek, Forscher im Bereich Strömungs- und Wärmeprozesse an der Johannes Kepler Universität Linz

Die Treibhausgasemissionen stammen großteils aus Kohlenstoffdioxid (CO2), das bei der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle entsteht. Für die Einhaltung der Klimaziele ist es erforderlich, diese fossilen Energiequellen bis 2040 zur Gänze durch erneuerbare Energiequellen wie Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse zu ersetzen. Dazu braucht es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energiequellen. Das ist nur zu schaffen, wenn gleichzeitig der Energiebedarf gesenkt wird.

Am Beispiel einer Beleuchtung: Lampen nur dann einschalten, wenn sie wirklich benötigt werden (Reduktion durch Suffizienz), für die Beleuchtung effiziente Leuchtmittel wie LED-Lampen verwenden (Reduktion durch Effizienz), versorgt mit Ökostrom (erneuerbare Energie). Bei Autofahrten bedeutet Suffizienz, sie auf das Nötigste zu reduzieren durch Ausbau und Nutzung von Alternativen (öffentlicher Verkehr, Radfahren, zu Fuß gehen). Eine möglichst effiziente Nutzung wird durch gemeinsame Fahrten und eine energiesparende Fahrweise erzielt. Die erneuerbare Energie in Form von Ökostrom lädt die E-Fahrzeuge. Ähnlich auch beim Heizen: so wenig warm, so wenig Räume und so wenig Zeit wie möglich (Suffizienz), mit guter Wärmedämmung von Wänden, Fenstern und Türen, Stoß- statt Dauerlüftung (Effizienz), und eine Heizung mit Wärmepumpe aus Ökostrom oder mit Biomasse aus nachhaltiger Produktion (Pellets, Holz).

Nur wenn jeweils alle drei Säulen (Suffizienz, Effizienz und erneuerbar) berücksichtigt werden, ist ein vollständiger Umstieg auf erneuerbare Energien auch machbar. Um mehr Effizienz zu erreichen und erneuerbare Energien zu nutzen, ist es oft mit einmaligen Entscheidungen getan (z.B. Wechsel des Stromanbieters, Wärmedämmung verbessern, Gas- durch Pelletsheizung ersetzen, Anschaffung eines E-Autos). Mehr Suffizienz bedeutet jedoch in vielen Fällen, dass wir unser Verhalten anpassen müssen. Oft reicht es, Gewohnheiten zu hinterfragen und achtsamer, vorausschauender zu handeln.

Mit einer positiven persönlichen Grundeinstellung gelingt es, in einem “weniger” auch mehr Lebensqualität zu sehen. Von der Politik braucht es jedenfalls die Entschlossenheit, alle drei Säulen zu berücksichtigen, und die generellen Rahmenbedingungen dafür zu setzen: mit bloßen Aufrufen zu freiwilligen Verhaltensänderungen (Beispiel: Tempo 100 auf Autobahnen) und Belohnungen (Beispiel: Förderungen für bessere Wärmedämmung) ist es nicht getan. Die Aufgabe für die Politik ist es vielmehr, Klimaschutz gesetzlich zu verankern, und der Bevölkerung zu erklären, warum es das braucht.

Videoaufzeichnung des VHS-Vortrags „Zukunftsfähig leben im Alltag“



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Bahnbrechende Technologien für unser Klima: Die direkte elektrokatalytische CO2 Umwandlung

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Wolfgang Schöfberger, Professor am Institut für Organische Chemie der Johannes Kepler Universität Linz

Die Welt-Meteorologie Organisation (WMO) hat einen neuen Klimabericht veröffentlicht und warnt erneut vor dem Überschreiten der 1,5 °C-Schwelle [1]. Demnach könnten die Durchschnittstemperaturen schon in den nächsten fünf Jahren zeitweise die Marke von 1,5 Grad überschreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies in den nächsten fünf Jahre mindestens einmal passiert, läge bei 50 %. Der Wert von 1,5°C ist ein Indikator für den Punkt, an dem die Klimaauswirkungen für die Menschen und den gesamten Planeten zunehmend schädlich werden. Da die Reduktion der CO2-Emissionen alleine leider nicht ausreichen wird, müssen auch andere Wege wie z.B. die Speicherung und Verwertung von CO2 verstärkt angegangen werden. Ein möglicher Ansatz dazu ist die Verwertung durch eine elektrochemische Reduktion von Kohlendioxid zu Brennstoffen wie Methan, Methanol, Ethanol, einer sogenannten „Dream Reaction“, an der bereits seit mehr als einem Jahrhundert geforscht wird. Wenn die elektrische Energie, die für diese Umwandlung notwendig ist, aus erneuerbaren Energien aufgebracht werden kann, wird ein völlig nachhaltiger und klimafreundlicher Zyklus ermöglicht. Das Team des „SchoefbergerLabs“ an der Johannes Kepler Universität Linz hat neue molekulare Katalysatoren erfunden, die CO2 effizient auf günstigen Kohlenstoff-Papier-Elektroden in Kohlenmonoxid (CO), Ethylen, Methanol, Ethanol oder Essigsäure umwandeln können. Die so entstandenen Produkte können unter Verwendung bestehender Technologien in eine Reihe nützlicher Chemikalien umgewandelt werden, wodurch ein effizienter Weg zur Nutzung von CO2 offensteht. Langzeitversuche an einer typischen Rauchgasmischung (CO2, NOx, O2, O2, CO) bestätigten, dass die Katalysatoren aktiv bleiben und ein Hochskalieren des Prozesses möglich ist. Im Rahmen eines FFG Projekts wird nun eine Versuchsanlage an der JKU gebaut und bis Ende 2023 fertiggestellt. Diese Laboranlage wird danach für Unternehmen zu Demonstrationszwecken zugänglich sein.

Die wissenschaftlichen Arbeiten werden vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Land Oberösterreich unterstützt. Die Forschungsergebnisse wurden unter anderem in den Fachjournalen Nature Communications und Angewandte Chemie publiziert. [2-4]

Artikel in der OÖ Nachrichten Online Ausgabe

Referenzen

  1. WMO Klimabericht: https://hadleyserver.metoffice.gov.uk/wmolc/WMO_GADCU_2022-2026.pdf
  2. Molecular Cobalt Corrole Complex for the Heterogeneous Electrocatalytic Reduction of Carbon Dioxide, S. Gonglach, W. Schöfberger* et al., Nat. Commun. 2019, 3864. https://doi.org/10.1038/s41467-019-11868-5
  3. Electrocatalytic Reduction of CO2 to Acetic Acid by a Molecular Manganese Corrole Complex, S. Gonglach, W. Schöfberger* et al., Angew. Chem. 2020, 59, 26, 10527. https://doi.org/10.1002/anie.202000601
  4. Tuning the Electronic Properties of Homoleptic Silver(I) bis-BIAN Complexes towards Efficient Electrocatalytic CO2, Reduction, D. Krisch, W. Schöfberger* et al. 2022, Catalysts 12, 5: 545. https://doi.org/10.3390/catal12050545


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Spatenstich für fossile Mobilität: Autobahnanschluss Linz Auhof macht Nachhaltigkeitspläne der JKU zunichte

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Mit dem Spatenstich zum Autobahnanschluss Linz Auhof/Universität am 16. Februar 2023 zeigt die Politik, dass sie die Dringlichkeit der drohenden Klimakatastrophe und die Notwendigkeit für eine sofortige Verkehrswende nicht verstanden hat.

Die Johannes Kepler Universität, die sich das Ziel gesetzt hat, bis 2030 klimaneutral zu werden, braucht statt einem Autobahnanschluss vielmehr endlich einen hochwertigen Anschluss an das Radwegenetz, den Ausbau der Hauptradrouten im Großraum Linz wie zum Beispiel jene nach Gallneukirchen und eine vorgezogene und beschleunigte Umsetzung der Regionalbahn nach Gallneukirchen, die nach derzeitigen Plänen erst im nächsten Jahrzehnt fertiggestellt werden soll. Mirko Javurek von Scientists for Future OÖ: „Stadt Linz und Land OÖ beteiligen sich zu je einem Drittel an den voraussichtlich rund 30 Millionen Euro Kosten des Anschlusses – versenktes Geld in fossile Infrastruktur, das dringend für den Ausbau der klimafreundlichen Verkehrsmittel benötigt würde. Alleine der 10 Millionen Euro Anteil der Stadt Linz sollte jährlich als Radverkehrsbudget verfügbar sein – etwa das 20-fache des derzeitigen Radverkehrsbudgets.

Für den Radverkehr soll es durch den Autobahnanschluss entgegen der Darstellung durch die Asfinag sogar zu Verschlechterungen kommen:  Umwege und zusätzliche Steigungen (40 Höhenmeter!) werden für Radfahrer:innen notwendig sein, um zukünftig die Autobahn zu überqueren, statt weiterhin die Unterführung nützen zu können, wie die Radlobby OÖ festgestellt hat. Am schwersten trifft es Fußgänger*innen und mobilitätseingeschränkte Menschen.

Referenzen

Beitragsbild: APA



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Wissenschaftler unterstützen Klimablockade in Linz

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Am 10.1.2023 führten Mitglieder der „Letzten Generation“ eine Blockade der Waldeggstraße durch, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise hinzuweisen. 30 oberösterreichische Wissenschaflter*innen haben in einer Stellungnahme ihre grundsätzliche Solidarität für derartige Proteste bekundet, zwei von ihnen waren bei der Blockade dabei.

Im Standard und im Kurier wird zum aktuellen Protest berichtet:

Oberösterreichische Wissenschafter und Wissenschafterinnen unterstützen die „Letzte Generation“. Die Dringlichkeit der Klimakrise erfordere viel wichtigere Debatten als jene, ob die Protestformen gerechtfertigt sind. „Die öffentliche Sicherheit wird nicht durch Proteste bedroht, sondern durch das Versagen der Politik im Klimaschutz“, sagte Mirko Javurek von Scientists for Future OÖ.

Ein teilnehmender Schüler kritisierte die Pläne für neue Gasbohrungen in Molln scharf: „Wie kann eine Regierung den Ausstieg aus fossiler Energie ernst meinen, wenn sie gleichzeitig zulässt, dass hier in Oberösterreich nach neuem fossilem Gas gebohrt wird?“

Die Oberösterreichischen Nachrichten schreiben:

Die Wissenschaftler unterstützen die Forderungen der „Letzten Generation“: „Es braucht ein Alarmzeichen, weil die Gesellschaft auf eine Klimakatastrophe zurast, ohne etwas dagegen zu tun. Ziviler Ungehorsam hat in der Geschichte immer wieder in ähnlichen Situationen eine Veränderung bewirkt“, sagt Mirko Javurek.

Videobeitrag der Oberösterreichischen Nachrichten

Es wird geschildert, wie ein Wissenschaftler von Scientists for Future versucht, einen aufgebrachten Passanten „in ein Gespräch zu verwickeln und Verständnis für die Klimaschützer zu erzeugen – vergeblich. Schimpfend setzt er [der Passant] schließlich seinen Weg fort.“

Auf die Frage, ob sie denn in der Blockade keine Angst hätte, antwortet eine Teilnehmerin der Letzten Generation: „Ich habe Angst, unglaubliche Angst.“ Aber ihre Angst vor der Klimakatastrophe sei noch viel größer. Während die Polizisten ihre Hand von der Straße lösen, schreit sie vor Schmerzen. Später sagt sie: „Meine Hand ist äußerlich nicht verletzt. Sie tut schon ordentlich weh, aber das nehmen wir in Kauf. Das ist eine der Sachen, die wir ertragen müssen. Im Vergleich zu dem, was auf uns zukommt, ist das nichts – Krieg, Hunger, Dürren. Da bin ich bereit, Opfer zu bringen.“

Die Kronen Zeitung berichtet über die ablehnende Reaktion des Linzer Bürgermeisters, der seine Forderung nach einer Verschärfung des Strafrechts „für derartige Chaos-Aktionen“ wiederholte. „Parents For Future Oberösterreich“ halten eine anlassbezogene Verschärfung von Gesetzen für menschenrechtlich und demokratiepolitisch mehr als bedenklich und mahnen: „Insofern erscheint es uns völlig überzogen und unwürdig, dass die Aktivist:innen, die sich gewaltfrei gegen unser aller Gefährdung engagieren, jetzt für ihr ziviles Engagement bestraft werden. Ziviler Ungehorsam darf von der Politik nicht kriminalisiert werden! Einige engagierte Aktivistin:innen erfahren aktuell gravierende berufliche und materielle Nachteile wegen ihres Einsatzes für uns alle. Das ist absolut inakzepabel. Der Wandel muss von unten kommen, denn die Politik flüchtet sich beim Klimaschutz in Ausreden. Diejenigen, die sich festkleben, stellen keine Gefahr für die Gesellschaft dar, sondern nützen ihr sogar.“ Die um die Zukunft fürchtenden Eltern begründen „die bewusst provozierenden Aktionen“ der Klima-Aktivisten so: „Diese Menschen sind aufgrund übereinstimmender, weltweiter Warnungen von Klimaforscher:innen unterschiedlicher Fachrichtungen getrieben von Sorge um unsere und die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Sie haben auch die Erfahrung gemacht, dass bisherige Forderungen und übliche Protestformen von den Regierenden und der Gesellschaft zu wenig beachtet wurden.“ Daher hätten sich einige dazu entschlossen, mit Blockaden und anderen bewusst provozierenden Aktionen stärker den Blick auf die Klimakrise zu lenken. „Alle ihre Aktionen sind aber darauf bedacht, keinen materiellen Schaden und schon gar keine Gefährdung von Menschen zu verursachen“.



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Klimakatastrophe in Oberösterreich – Artikel und Video-Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten

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Wie wirkt sich der Klimawandel in Oberösterreich aus, wie wird sich die Natur und das Leben der Menschen verändern? Wird genug zum Klimaschutz getan? Mit diesen Fragen kam Redakteurin Sarah Kowatschek von den Oberösterreichsichen Nachrichten auf Science For Future OÖ zu. Herausgekommen ist ein Artikel und Video-Interview mit Martin Hoffmann und Mirko Javurek.

Online-Artikel (nur für Abo-Kund:innen, daher Text des Artikels unten folgend): https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/klimawandel-in-oberoesterreich-es-geht-fast-zu-100-prozent-in-die-falsche-richtung;art4,3779411

Video-Interview: https://www.nachrichten.at/nachrichten/videos/scientists-for-future-klimawandel-ist-ein-soziales-problem;sts224176,15744


Klimawandel in Oberösterreich: „Es geht fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“

LINZ. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Oberösterreich? Experten gehen davon aus, dass Temperaturen ansteigen, Schädlinge sich ausbreiten und extreme Wetterereignisse häufiger werden.

Vergangene Woche wurde die Klimastrategie für das Land Oberösterreich im Landtag beschlossen. Die Klimaallianz Oberösterreich stellt ein schlechtes Zeugnis aus: „Leider ist das Dokument eine riesige Enttäuschung“, fasst die Allianz nach einer Schnellprüfung der 160 Seiten langen Strategie zusammen. „An keiner Stelle wird das Papier auch nur annähernd dem Anspruch gerecht, eine Anleitung zu sein, wie die Klimaziele 2030 bzw. 2040 erreicht werden können.“ In der Klima-Allianz Oberösterreich haben sich verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen, die sich für einen Klimaschutzplan des Landes einsetzen – Fridays For Future Linz etwa, aber auch Radlobby Oberösterreich und Scientists for Future sind Teil davon.

 „Damit machen wir in Oberösterreich, was machbar ist und setzen unseren Weg der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes fort“, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer zur Klimastrategie. Und, dass diese „umfassend und realistisch“ sei. Dem können sich Mirko Javurek und Martin Hoffmann, beide Mitglieder von Scientists for Future, nicht ganz anschließen: „Realistisch wird sie schon sein. Aber die Frage ist, zu welchen Zielen. Die Pariser Klimaziele werden damit nicht erreicht werden.“ Für Hoffmann ist Klimawandel ein soziales Problem: Der Überkonsum sei ein Hauptgrund für den Klimawandel. 

Um jährlich 7 % bezogen auf das Ausgangsniveau müssen die Treibhausgase jährlich gesenkt werden

Im vergangenen Jahr sind die Emissionen in Oberösterreich um etwa sechs Prozent gestiegen. Das zeigt eine Prognose, die im November von Umweltlandesrat Stefan Kaineder veröffentlicht wurde. „Im Laufe des Jahres wird das noch genauer ermittelt“, sagt Javurek. Der Anstieg sei „eine Katastrophe“. Das Ziel ist, bis 2030 die Emissionen gegenüber dem Jahr 2005 um die Hälfte zu reduzieren. Dadurch, dass sich in den vergangenen Jahren wegen Corona fast nichts getan hätte, müsse die Reduktion der Emissionen in den verbleibenden Jahren nun schneller voran gehen. Um sieben Prozent müssten die Emissionen jährlich sinken, um bis 2040 klimaneutral zu werden. „Es geht also fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“, sagt der Mechatroniker, der sich für die Umwelt engagiert.

Trauriger Rekord in Oberösterreich

Im bisher wärmsten Jahr der Messgeschichte, im Jahr 2018, war die Durchschnittstemperatur in Oberösterreich um 2,1 Grad Celsius höher als im langjährigen Mittel. In keinem anderen Bundesland war dieser Wert höher. Auch von Trockenheit und Dürre war Oberösterreich am meisten betroffen. Im Flächenmittel fiel um 20 Prozent weniger Niederschlag. Das zeigen Berechnungen der damaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG, heute GeoSphere Austria).

Extreme Wetterereignisse werden sich in Zukunft häufen – eine Zunahme an Trockenheit und Hitzeperioden wird sowohl der Tier- als auch der Pflanzenwelt und den Menschen zusetzen. Das geht aus dem Klimaschutzbericht 2022 des Umweltbundesamtes hervor. Auch Unwetter mit hohem Niederschlag werden sich häufen – diese führen zu Rutschungen, Muren und Steinschlag. Ökonomische Folgen des Klimawandels betreffen alle Sektoren, wie den Tourismus, die Land-, Forst- und Energiewirtschaft und das Gesundheitswesen, heißt es in dem Bericht.

Schädlinge breiten sich aus

„Kontinentale Regionen werden wärmer als der globale Durchschnitt“, sagt Hoffmann. Durch den Temperaturanstieg fühlen sich Schädlinge wie der Borkenkäfer zunehmend wohler in den heimischen Wäldern. „Dementsprechend muss viel Schadholz geschlagen werden. Dadurch erhöht sich einerseits die Gefahr für Waldbrände, andererseits steigt auch der CO2-Ausstoß aus den Bodenflächen“, sagt Javurek. Der Kobernaußerwald etwa, einer der größten zusammenhängenden Wälder in Mitteleuropa, leidet bereits stark unter dem Klimawandel.

Auch der Wintertourismus steht vor einem Problem: „Der Schneemangel, den wir jetzt gerade erleben, wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen“, sagt Javurek. Es gebe viele Skigebiete, in denen Talabfahrten in den kommenden Jahren immer seltener möglich sein werden. Andere würden so niedrig liegen, dass der Skibetrieb über kurz oder lang eingestellt werden müsse.

Zwischen Dürren und Überschwemmungen

In der Landwirtschaft muss aufgrund der Extremwetterereignisse wie Dürre, Überschwemmungen, Hagel und Frost mit massiven Ernteausfällen gerechnet werden, sagt Javurek. Auch für die Fischbestände bedeutet der Klimawandel nichts Gutes: Im Granit- und Gneisgebiet der Böhmischen Masse etwa konnten Wassertemperaturanstiege von durchschnittlich 1,4 Grad Celsius gemessen werden. „Das hört sich nach nicht viel an, aber biologisch gesehen ist das eine ziemliche Katastrophe. Wenn man es beispielsweise mit der Körpertemperatur vergleicht: Mit plus 1,4 Grad Celsius hat man Fieber.“ Fische werden also aufgrund der steigenden Temperaturen gezwungen sein, in kühlere Gewässer zu ziehen. Das geht aus einer Studie des Bundesamts für Wasserwirtschaft hervor.

Auch Gletscher sind von den steigenden Temperaturen betroffen. Im vergangenen Jahr schmolzen die Gletscher zwei bis vier Mal schneller als im langjährigen Durchschnitt. Das zeigten Messungen der ZAMG. Der Alpenraum wird sich laut Berechnungen von Klimamodellen auch in Zukunft stärker als im globalen Mittel erwärmen. „Flüsse sind wesentlich von Gletschern versorgt“, sagt Hoffmann. Haben die Flüsse nicht mehr den Wasserstand, hat das Auswirkungen auf die Wasserkraftwerke.  „Oberösterreich bezieht einen Großteil seiner erneuerbaren Energien aus den Donaukraftwerken“, ergänzt Javurek. Diese könnten vor allem im Sommer, wenn der Wasserstand zu stark schwanke, keine konstanten Leistungen erbringen. Das würde zu längeren Einbrüchen in der Stromerzeugung führen. Gleichzeitig würde Flexibilität verloren gehen, die bei normalem Wasserstand gegeben ist. „Man braucht dann mehr Strom aus anderen Energiequellen. Und das ist derzeit oft fossiler oder Atomstrom.“ So würde auch das Risiko steigen, dass das Stromnetz zusammenbreche und es zu einem Black-Out komme, sagt der Mechatroniker.

Drei Windräder pro Monat wären nötig

„Insofern ist es völlig unverständlich, warum das Land Oberösterreich die Windkraftplanung auslässt. Oberösterreich zählt zu den drei Bundesländern, die sich noch keine Ziele gesetzt haben, wie die Windkraft ausgebaut werden soll“, sagt Javurek. In der neuen Klimastrategie sei zwar vorgesehen, dass bestehende Windkraftanlagen erneuert und ausgebaut werden. „Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Um bis 2030 das Ziel zu erreichen, dass 100 Prozent des benötigten Stroms aus Erneuerbaren Energien kommt, müssten monatlich mindestens drei Windräder gebaut werden.

Javurek vergleicht den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen das Gewicht. „Wenn ich weiß, dass ich innerhalb einer gewissen Zeit ein gewisses Gewicht abnehmen möchte, muss ich einen Plan haben und Monitoring betreiben, damit ich das Ziel erreiche. Genau so etwas passiert im Hinblick auf den Klimawandel gerade weder in Oberösterreich noch auf Bundesebene“, sagt der Wissenschaftler.

Sarah Kowatschek, 24. Januar 2023



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Oberösterreichische Wissenschaftler:innen unterstützen Klimaproteste

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Lesedauer 5 Minuten

Oberösterreichische Wissenschaftler:innen unterstützen die Anliegen der Klimaproteste in einer namentlich von 30 Wissenschaftler:innen unterzeichneten Stellungnahme. Die Dringlichkeit der Klimakrise erfordert viel wichtigere Debatten als jene, ob die Protestformen gerechtfertigt sind, insbesondere: Wie können wir die tiefgehenden Transformationen in so kurzer Zeit noch umsetzen, um die Klimakrise nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen, und um einen bewohnbaren Planeten Erde zu erhalten?

Angesichts dieser Versäumnisse im Klimaschutz und der sich immer drastischer zuspitzenden Klimakatastrophe haben Protestierende in den letzten Monaten vermehrt Methoden des Zivilen Ungehorsams eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erlangen. DI Dr. Mirko Javurek von Scientist für Future OÖ: „Es geht dabei nicht um die Aktion, sondern um die Aufmerksamkeit. Ob die Proteste einen positiven oder negativen Effekt haben, entscheiden wir mit unseren Reaktionen darauf. Als Scientists for Future wollen wir dazu aufrufen: Nutzen wir doch die Aufmerksamkeit und reden über die Folgen und die Bekämpfung der Klimakatastrophe, denn das ist das Positive. Die öffentliche Sicherheit wird nicht durch Proteste bedroht, sondern durch das Versagen der Politik im Klimaschutz.”

Klimaprotest am 21.11.2022 in Linz Urfahr

Oberösterreich hinkt mit Klimaschutz-Maßnahmen hinterher: Statt der notwendigen Reduktion der CO2 Emissionen um jährlich 5 % des Stands von 2020, um die national beschlossene Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, nahmen in Oberösterreich die Emissionen zuletzt um 6 % zu [5]. Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer bezeichnet Wissenschaftler:innen offenbar als “Klimaträumer” und berücksichtigt in seinem “Klimaschutz mit Hausverstand” gleichwertig die Positionen der “Klimaleugner” [4].

Für den Ausbau der Stromerzeugung aus Windkraft gibt es beispielsweise keinerlei Pläne, obwohl in Oberösterreich bis 2030 jedes Monat mindestens drei zusätzliche Windräder in Betrieb genommen werden müssten, damit die nationalen Ziele einer Stromversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Energien erreicht werden können [1]. Gerade in Oberösterreich wird der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energien durch die Umstellung der voestalpine auf eine CO2-neutrale Produktion drastisch ansteigen. 

Im Mobilitätsbereich werden durch die Steigerung der CO2 Emissionen Einsparungen anderer Sektoren wieder zunichte gemacht [2,3]. Anstelle eines massiv beschleunigten flächendeckenden Ausbaus des öffentlichen Verkehrs und dem Aufbau eines landesweiten, alltagstauglichen Radverkehrsnetzes, kombiniert mit einer bewussten Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, werden weiter hauptsächlich Straßenbauprojekte geplant, finanziert und umgesetzt, die in völligem Widerspruch zu den Klimaschutzmaßnahmen stehen. 

Argumentation von führenden internationalen Wissenschaftler:innen

Unterstützung für ihre Anliegen und Proteste bekommen die Klima-Protestierenden nicht nur von regionalen, sondern auch von internationalen Wissenschaftler:innen.

Der deutsche Sozialwissenschaftler Robin Celikates zeigt Verständnis für Empörung über die Proteste: „Natürlich ist Protest störend und auch ärgerlich. Das muss er auch sein, um bestimmte Aufmerksamkeit zu erregen.“ In der Vergangenheit mussten demokratische Fortschritte wie zum Beispiel das Frauenwahlrecht in England meist von den Betroffenen gegen harten Widerstand der Politik erkämpft werden. Celikates sieht es als Gefahr, dass politische Institutionen autoritär werden, indem sie die Legitimität von Protest generell absprechen, und versuchen, Protest zu kriminalisieren. [6]

Der deutsche Soziologe Matthias Quent sieht es als Ausrede, wenn man den Aktivist:innen vorwirft, sie würden dem Klimaschutz schaden. Die Verantwortung für die Klimakrise liege bei Politik und Industrie, die Klimaschutzmaßnahmen – insbesondere im Verkehrssektor – über Jahrzehnte ausgebremst und verhindert haben. Die Formen des Protestes seien mild im Vergleich zu anderen Protesten: „Autoritäre Gegenreaktionen und Bestrafungsphantasien sind für die demokratische Kultur gefährlicher als die kurzen Störaktionen an sich.“ [7]

Auch der schwedische Humanökologe Andreas Malm sieht die Proteste als legitim: „Aus ethischer Sicht ist das alles nicht sonderlich kompliziert: Wenn du in einem brennenden Haus bist, hast du moralisch das Recht, die Fenster zu zerbrechen, um rauszukommen.” Die Situation sei so verheerend, dass wir fast alle Maßnahmen bräuchten, solange sie gewaltfrei seien, wie es Bewegungen wie „Extinction Rebellion” und “Letzte Generation” in ihren Grundsätzen festgeschrieben haben. Die eigentliche Gefahr entstehe durch die unkontrollierte Verbrennung fossiler Brennstoffe: “Das ist es, was Menschenleben kostet.“ [6] 


[1] Für das bundesweite Ziel, bis 2030 jährlich 17,22 TWh Strom aus Windkraft zu erzeugen, trägt Oberösterreich derzeit lediglich 0,09 TWh bei. Die nationalen Ziele sind mit den aktuellen Zielen der Bundesländer nicht erreichbar, insbesondere auch deshalb, weil Oberösterreich gar keine Ziele festgelegt hat. https://klimadashboard.at/energie/erneuerbare-energien 

[2] Die kontinuierliche Steigerung der CO2 Emissionen ist 2021 nur vorübergehend durch einen Pandemie-bedingten Rückgang unterbrochen worden. https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:5589d089-dcc6-476b-bf21-d0231ceccc28/KSG-Fortschrittsbericht_2022_Layout_4.pdf

[3] https://vcoe.at/presse/presseaussendungen/detail/vcoe-in-allen-bundeslaendern-ist-co2-ausstoss-des-verkehrs-seit-1990-sehr-stark-gestiegen 

[4] Laut Stelzer “steht Klimaschutz mit Hausverstand für eine Position der Mitte zwischen Klimaträumern und Klimaleugnern”. https://www.krone.at/2615194 

[5] Landeskorrespondenz Presseaussendung vom 11.11.2022  https://www.land-oberoesterreich.gv.at/288609.htm 

[6] https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/radikalisierung-der-klimabewegung-letzte-generation-100.html 

[7] https://www.sueddeutsche.de/wissen/klima-soziologe-quent-mittel-der-letzten-generation-sind-mild-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-221126-99-669289


Ziviler Ungehorsam im Klimaschutz:
Stellungnahme der Scientists for Future OÖ

Aus Anlass der derzeitigen medialen Berichterstattung zu Klimaprotesten möchten wir als Scientists for Future OÖ mit dieser Stellungnahme einen Beitrag leisten, den medialen Diskurs zur Dringlichkeit der Klimakrise in eine konstruktive Richtung zu rücken.

Als Scientists for Future OÖ stehen wir der fortschreitenden globalen Klimakatastrophe ebenso wie Aktivist:innen fassungslos und verzweifelt gegenüber. Die Scientists for Future haben sich 2019 gegründet, um die Anliegen von „Fridays for Future“ als wissenschaftlich begründet zu bestärken und Klimaaktivist:innen mit wissenschaftlichen Fakten zu unterstützen.

Die wissenschaftlichen Fakten zur Klimakrise liegen seit über 50 Jahren auf dem Tisch [1] und werden laufend präzisiert – es ist wissenschaftlich unumstritten, dass sich die Welt in einer Notlage befindet. Aktuelle Berichte wie der IPCC-Sachstandsbericht [2], das Klima-Buch von Greta Thunberg [3] und der Bericht „Earth for All“ an den Club of Rome [4] unterstreichen die Dringlichkeit, mutige und zukunftsweisende Maßnahmen zu ergreifen, um den Planeten vor gravierenden Auswirkungen, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen, zu schützen.

Trotz der wissenschaftlichen Fakten, trotz der unzähligen Klimastreiks und -demonstrationen ändert sich viel zu wenig. Politik und Wirtschaft reagieren unzureichend auf Appelle aus der Wissenschaft und der besorgten Bevölkerung. Durch das Hinauszögern der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen kommen wir kritischen Kipppunkten immer näher [12]. Es bleibt uns immer weniger Zeit, die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Die Chancen zur Erreichung der Klimaziele sinken mit jedem Tag des Nicht-Handelns.

Dies macht Menschen traurig, wütend und verzweifelt. Wir verstehen, dass es verängstigten und frustrierten jungen Menschen nach unzähligen Versuchen des Dialogs und Bittens hin zu einer ökosozialen Transformation nicht mehr zuzumuten ist, geduldig zu bleiben. Als letzten Ausweg, sich endlich Gehör zu verschaffen, sehen Bewegungen wie „Extinction Rebellion“ oder „Letzte Generation“ den Zivilen Ungehorsam. Ziviler Ungehorsam bedeutet, bewusst gegen rechtliche Normen zu verstoßen, um auf eine Unrechtssituation hinzuweisen. Die grundsätzliche Bereitschaft der Aktivist:innen, etwaige aus dem Verstoß resultierende Konsequenzen wie Arrest und Strafen zu tragen, ist ein wichtiges Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit. Historische Beispiele für Zivilen Ungehorsam gehen bis in die Antike zurück. Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass Ziviler Ungehorsam einen substantiellen Einfluss auf die Erfolgschancen von Bewegungen hat [5]. Viele der Aktionen sind zudem als Demonstration strafrechtlich nicht relevant, auch wenn es Bestrebungen gibt, dies in der Öffentlichkeit so wirken zu lassen [11,13]. 

Bewegungen wie Extinction Rebellion oder Letzte Generation bekräftigen, dass Aktionen des Zivilen Ungehorsams friedlich und gewaltfrei ablaufen [6,7]. Mut und Entschlossenheit verbindet diese engagierten Menschen, die sich der Mittel des Zivilen Ungehorsams bedienen, um die Klimakrise verstärkt in den öffentlichen Diskurs zu rücken, breite mediale Aufmerksamkeit zu erreichen und dadurch Druck auf Entscheidungsträger:innen auszuüben. Mit keiner anderen Aktionsform haben es Aktivist:innen bisher geschafft, so viel mediale Aufmerksamkeit in Bezug auf die Klimakatastrophe zu erzeugen [14]. Auch Wissenschaftler:innen diskutieren mittlerweile in Fachzeitschriften über den Einsatz des Zivilen Ungehorsams als probates Mittel, um den Ernst der Lage zum Ausdruck zu bringen [8].

Als Scientists for Future OÖ möchten wir den Menschen, die gegen die Zerstörung ihrer Zukunft rebellieren, unsere volle Solidarität aussprechen. Wir erachten die derzeitige Berichterstattung zur Dringlichkeit der Klimakrise als unzureichend. Der Fokus liegt viel zu sehr auf einer Diskussion der unterschiedlichen Ausdrucksformen von Klimaprotesten [9,10,11]. Vielmehr sollten wir uns als Gesellschaft den essentiellen Fragestellungen widmen: wie wir die großen Transformationen schaffen können, um ein Überleben für alle zu gewährleisten. Gerade Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft sollten sich hinter die Anliegen der Aktivist:innen stellen, um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte in Angriff zu nehmen. Die Transformation zur nachhaltigen Gesellschaft erfordert Entscheidungen mit Weitblick und Rücksicht auf unsere Lebensgrundlage sowie entsprechende Ressourcen. Kurzfristige finanzielle Interessen und die Ideologie des Nichts-ändern-Wollens stehen dem entgegen. 

Daher rufen wir dazu auf, die Botschaften der Aktivist:innen ernst zu nehmen, und die Klimakrise in den Vordergrund von medialen Berichten, Diskussionen und politischen, wirtschaftlichen sowie persönlichen Entscheidungsprozessen zu stellen, anstatt die Aktionsformen der Protestierenden zu kritisieren. Es ist vielmehr die Aufgabe von Politik und Wirtschaft, die Forderungen der Bevölkerung und ihre Verpflichtungen im Rahmen nationaler und internationaler Gesetze und Abkommen in sinnvolle Maßnahmen umzusetzen.

Kritik sehen wir stattdessen dort angebracht, wo wider besseres Wissen nicht oder nicht ausreichend gegen die Erderwärmung vorgegangen wird.

Unterzeichnet von Wissenschaftler:innen aus Oberösterreich, Wien und NÖ

Stand: 20.12.2022

Presseberichte



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