„Die Energiewende braucht nicht nur motivierte und gut ausgebildete Menschen, denen eine nachhaltige Gesellschaft am Herzen liegt, sondern auch entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen sowie den Rückhalt politischer Akteure.“ (Dr.techn. Erwin Reichel, promovierter Mechatroniker, koordiniert und initiiert Projekte der Wasserstoff Vorzeigeregion WIVA P&G (wiva.at) und ist ehrenamtlich bei der Klima-Allianz OÖ tätig.))
Für eine gesicherte Energieversorgung wird es zukünftig einen klugen Mix aus emissionsfreien Energieträgern und Speicherlösungen geben müssen. Versuche, wie dezentrale Energieversorgungssysteme in OÖ gestaltet werden können, befinden sich zum Teil in Umsetzung und müssen massiv ausgebaut werden.
Wie versorgen wir uns in Zukunft mit Energie? Den nötigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern stellt mittlerweile niemand ernsthaft mehr in Frage. Laut Klima-Allianz OÖ benötigt es in den nächsten sieben Jahren jährliche Einsparungen von mindestens sieben Prozent der Treibhausgasemissionen in Oberösterreich (im Vergleich zum Jahr 2005) um die erforderlichen Klimaziele zu erreichen. Die einzig saubere Lösung ist der Übergang zu 100% erneuerbaren Energien wie Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft und Biomasse, die in regional zur Verfügung stehen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: die Energie wird dort erzeugt, wo sie verbraucht wird, und es entstehen keine Treibhausgasemissionen.
Transformationsszenario zum Ausstieg aus fossiler Energie in Oberösterreich bis 2040
Eine Herausforderung besteht dabei in der unterbrechungsfreien Versorgung. Die Sonne scheint und der Wind weht nicht immer. Intelligente elektrische Verbraucher könnten einen Teil der Energie in Akkus selbst speichern, um kürzere Unterbrechungen zu überbrücken. Für hauseigene PV-Anlagen werden Heimspeicher immer beliebter und erlauben einen hohen Grad an Selbstversorgung. Auch E-Autos können ihre Batterie als Puffer zur Verfügung stellen. Im Stromnetz kommen auch immer mehr Großspeicher zum Einsatz. Allerdings sind diese in der Kapazität immer begrenzt.
Wasserstoff als saisonale Speicherlösung
Um die saisonalen Schwankungen auszugleichen, sind andere Speicherlösungen gefragt. Eine Versuchsanlage ist vor kurzem in Gampern im Bezirk Vöcklabruck in Betrieb genommen worden. Dort wird Strom aus Sonnenenergie verwendet, um Wasser mit einer Elektrolyseanlage zu spalten. Der Wasserstoff wird, wie in großen Gasspeichern, in tiefliegendes poröses Gestein gepumpt. Dieser kann in den Wintermonaten wieder zurückgeholt werden und in Strom umgewandelt werden, am besten unter Nutzung der dabei entstehenden Abwärme.
Reallabor soll dezentrale Energiesysteme testen
Zusätzlich zu saisonalen Speicherlösungen sind neuartige, kleinere Energiesysteme in Verbrauchernähe nötig, wie sie im Rahmen eines Reallabors für 100% Erneuerbare Energien im Raum südlich der Traun von 19 Gemeinden gemeinschaftlich erprobt werden sollen (Projekt eingereicht). „Viele dort ansässige landwirtschaftliche Betriebe setzen jetzt schon auf große PV-Anlagen, und würden gerne noch größere in Betrieb nehmen. Allerdings hinkt der Ausbau Stromnetzes hinterher“ berichtet Dr. Erwin Reichel von WIVA P&G. Eine Lösung besteht in sogenannten Microgrids, also kleinen, eigenständigen Netzen, die dank moderner Leistungselektronik die Integration von Batteriespeichern, Elektrolyseanlagen oder Verbrauchern wie E-Ladestationen ermöglichen. Besonders naheliegend wäre der Betrieb eines solchen lokal abgegrenzten Stromnetzes entlang von Autobahnen, da hier in Zukunft großer Bedarf an elektrischer Energie für das Laden von E-Fahrzeugen entstehen wird und gleichzeitig die Flächen für Photovoltaik vorhanden sind. Wasserstoff nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, da dieser einerseits als effizienter Energiespeicher mit hoher Kapazität, andererseits direkt für LKWs, Busse und schwere Nutzfahrzeuge als Energieträger eingesetzt werden kann.
In Zukunft wird es also nicht eine Konkurrenz der emissionsfreien Energieträger geben, sondern sinnvolle Synergien – den jeweiligen lokalen Anforderungen entsprechend.
Landschaft im Gebiet des geplanten Reallabors 100% Erneuerbare Energien nahe der Westautobahn
Erwin K. Reichel, Scientists4Future Regionalgruppe OÖ
Wenn die in der oberösterreichischen Klima- und Energiestrategie [1] festgehaltenen Ziele einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 48% bis 2030 ernstgenommen werden, dann sind, neben Energiesparmaßnahmen von mindestens 10% auch entsprechende Ausbaupläne für erneuerbare Energien vorzulegen. Hier wird ein quantitatives Szenario präsentiert, das die Energiewende bis 2040 abbildet. Ausgegangen wird von den Daten aus dem letzten veröffentlichten Energiebericht OÖ [2].
Wird vorwiegend auf Photovoltaik (PV) gesetzt, sind für diese Ziele etwa 13000 Hektar an Fläche und 1200 neue Windkraftanlagen bis 2030 notwendig. Das entspricht einem Investitionspaket von ca. 30 Milliarden Euro. Dagegen können die von Landeshaupthauptmann Stelzer [3] angekündigten 135 Millionen Euro nur als Anschubfinanzierung verstanden werden. Viel wichtiger wäre es von Landesseite aber, die strikten Richtlinien für Windkraft und PV-Freiflächen umgehend anzupassen, um es privaten Geldgebern wie ambitionierten Landwirtschaftsbetrieben zu ermöglichen, nachhaltig zu investieren.
Eine gesicherte und saubere Energieversorgung ist nicht nur für den Erhalt der Lebensqualität notwendig, sondern besonders für die Sicherung des Industriestandortes. Wünschenswert wäre eine klare Aufforderung der Unternehmen an die Landesregierung, hier für eine entsprechende Planungssicherheit zu sorgen. Der zukünftige Bedarf ist der energieintensiven Industrie bestens bekannt. Obwohl ein Teil davon durch den Import nachhaltiger Energieträger wie grünem Wasserstoff abgedeckt werden kann, ist die daraus entstehende Abhängigkeit nachteilig für die inländische Wertschöpfung und die Resilienz gegenüber globalen Krisen. Ein zunehmender Import von Strom aus nicht nachhaltiger Erzeugung wie Atomkraft ist aus denselben Gründen strikt abzulehnen. Dass eine Versorgung der Industrie mit 100% Erneuerbaren möglich ist, wurde bereits 2019 vom Austrian Institute of Technolog (AIT) publiziert [4].
Betrachtet wird der Verbrauch aller Energieträger (Bruttoinlandsverbrauch) – die Umwandlung zu Strom hat einen Anteil von etwa 21% [2]. Im hier gezeigten Transitionsszenario wird von einer praktisch vollständigen Ausphasung (<5%) fossiler Energieträger bis 2040 ausgegangen. Zusätzlich wird die Annahme getroffen, dass durch Effizienzgewinne synergetisch integrierter Energiesysteme eine Einsparung von mindestens 15% erreicht wird.
Die Aufteilung unter den erneuerbaren Energieformen ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Es wäre etwa nachhaltiger, die Raumwärme noch stärker mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen als mit Biomasseheizungen zu decken. Allerdings stellt sich die Frage, wie im Winter der ohnehin schon steigende Bedarf an Strom zur Verfügung gestellt werden kann.
Hier wird ein Szenario skizziert, bei dem sich der Zubau zwischen PV und Wind im Verhältnis 70:30 aufteilt, siehe Abbildung 1. Dies ist dadurch motiviert, dass der Ausbau der Windkraft in Oberösterreich teils mit sehr irrationalen politischen Argumenten blockiert wird, wohingegen PV grundsätzlich positiv gesehen wird. Allerdings ist anzumerken, dass dadurch das saisonale Erzeugungsprofil stärker vom Verbrauchsprofil abweicht, was sich ungünstig auf den Speicherbedarf auswirkt. Derzeit steht als Speichertechnologie primär die unterirdische Einlagerung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff zur Verfügung, die allerding auch erst erprobt wird, [5]. Saisonale Wärmespeicher können ebenfalls einen nennenswerten Beitrag leisten.
Abbildung 1: Transitionsszenario für die Energieversorgung Oberösterreichs (70:30 Aufteilung von Windkraft und Photovoltaik), mit dem Ziel der Klimaneutralität 2040
Ein auf erneuerbarer Energie basierendes Energiesystem muss aufgrund der volatilen Erzeugung bei PV und Windkraft entsprechende Speicherkapazitäten aufweisen. Die Detailplanung von Speichern im Stromsystem ist komplex, da hier die zeitlichen und örtlichen Schwankungen und die Verbrauchsmuster aufeinander abgestimmt werden müssen, um eine Stabilität zu garantieren. Zum Speichern muss Strom in andere Energieformen umgewandelt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Netz eingespeist werden. Spontane Lastschwankungen werden derzeit mit rotierenden Massen ausgeglichen. Elektrochemische Speicher wie Batterien oder Redox-Flow-Speicher können Engpässe in der Erzeugung über Stunden ausgleichen. Spitzen im täglichen Verbrauch werden derzeit durch Pumpspeicherkraftwerke kompensiert. Saisonal wird Energie derzeit in unterirdischen Gasspeichern eingelagert. In Zukunft können diese mit Wasserstoff, Biomethan oder aus CO2 mithilfe von Methanisierung hergestelltem grünen Gas befüllt werden. Die Umwandlungsverluste nehmen in dieser Aufzählung der Reihe nach zu, jedoch auch die Speicherkapazität. Diese Verluste sollten möglichst in die Wärmeversorgung integriert werden. Eine Optimierung des gekoppelten Gesamtsystems garantiert eine höchstmögliche Effizienz.
In Abbildung 2 ist einerseits ein generischer Verlauf der saisonalen Schwankungen in der Erzeugung gemeinsam mit dem Verbrauchsprofil und dem Speicherstand für zwei Fälle dargestellt. Im obigen Szenario mit einem hohen PV-Anteil ist ein Speicherbedarf von etwa 10 TWh notwendig. Dieser würde sich in einem Szenario mit mehr Windkraft etwa halbieren.
Abbildung 2: Saisonaler Speicherbedarf in erneuerbaren Szenarien: Links in einem vorwiegend auf PV basierenden Energiesystem, rechts mit mehr Windkraft – wo sich der saisonale Speicherbedarf etwa halbiert.
Der hier dargestellt Vorschlag beruht auf dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2040 und einer möglichst hohen Autarkie im oberösterreichischen Energiesystem. Der Import von erneuerbaren Energieträgern wie Wasserstoff ist nicht dargestellt. Dieser kann berücksichtigt werden, indem dieser andernorts aus PV und Windkraft hergestellt wird und über die derzeit für Erdgas genutzten PipelineInfrastruktur nach Österreich gelangt. Nennenswerte Kapazitäten dafür gibt es allerdings noch nicht, so dass diese Möglichkeit mit erheblichen Risiken verbunden ist. Eine langfristig realistische Größenordnung ist der Import von ca. 150000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr für den Verbrauch in der oberösterreichischen Industrie. Das würde etwa ein Drittel des Bedarfs bei gleichbleibender Produktion von Stahl und Düngemittel decken.
Literaturverzeichnis
[1] Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Umweltschutz, „DIE Oberösterreichische Klima- und Energiestrategie,“ 2022. [Online]. Available: https://www.landoberoesterreich.gv.at/287726.htm.
[2] O. Energiebericht, „Energiesparverband,“ 2021. [Online]. Available: https://www.energiesparverband.at/fileadmin/esv/Broschueren/weitere-downloads/2021- Energiebericht.pdf.
[3] Landeskorrespondenz, „Presseaussendung vom 28.4.2023,“ 2023. [Online]. Available: https://www.land-oberoesterreich.gv.at/295722.htm.
[4] AIT Center for Energy, „IndustRiES – Energieinfrastruktur für 100% Erneuerbare Energie in der Industrie,“ 2019. [Online]. Available: https://www.klimafonds.gv.at/wpcontent/uploads/sites/16/Studie_IndustRiES-2019_RZ.pdf.
[6] Umweltbundesamt, „GHG Projections and Assessment of Policies and Measures in Austria,“ 2019. [Online]. Available: https://www.umweltbundesamt.at/studienreports/publikationsdetail?pub_id=2318
Anhang: Jährliche Ausbauziele
Im dargestellten Szenario müssen bis 2030 mindestens 11 GW PV zusätzliche Leistung in Oberösterreich installiert werden, bis 2040 etwa 23 GW. An Windkraft ist in diesem Szenario ein Ausbau bis 2030 von 3 GW notwendig, das entspricht 600 Windturbinen mit jeweils 5 MW Leistung. Bis 2040 sollen insgesamt etwa 5 GW Leistung, also insgesamt 1000 Windturbinen errichtet werden. Ein vorgeschlagener Pfad für diese Ausbauziele ist in Tabelle 1 angeführt.
Jahr
PV-Zubau / MW
Windkraft-Zubau / MW
2023
703
151
2024
888
191
2025
1100
237
2026
1330
286
2027
1561
336
2028
1770
381
2029
1931
416
2030
2019
434
2031
2019
434
2032
1931
416
2033
1770
381
2034
1561
336
2035
1330
286
2036
1100
237
2037
888
191
2038
703
151
2039
548
118
Tabelle 1: Jährliche Ausbauziele für PV und Windkraft in Oberösterreich
Dr. Isolde Reichel, Sportwissenschafterin mit Schwerpunkt Prävention, Bewegungspraxis Wels
Der Körper ist anpassungsfähig, aber Temperaturschwankungen von bis zu 20 Grad Unterschied und das innerhalb weniger Tage bedeuten enormen Stress. Chronischer Stress führt zu erhöhter Cortisolausschüttung und damit zur Verschlechterung der Immunreaktionen. Er gilt als Auslöser für Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Schlaflosigkeit und hat außerdem negative Auswirkungen auf die Gehirntätigkeit. Wie aber kann man sich gegen Wetterextreme wappnen und die eigene Gesundheit schützen?
Ein wichtiger Schritt ist es, die eigene körperliche Fitness zu stärken und damit das Immunsystem zu verbessern. Dazu braucht es regelmäßige moderate Bewegung, mindestens 10 min mit erhöhter Atemfrequenz, aber nicht zu hohem Puls, wie z.B. den Weg in die Arbeit, auf die Universität oder ins Kaffeehaus mit dem Rad oder zu Fuß zurückzulegen – wichtig ist täglich! Das nützt nicht nur die Feinstaubbelastung gering zu halten – in Linz sollten es unter 10 µg/m³ im Vergleich zu durchschnittlich 14 (10. März 2023) sein – sondern es macht auch deutlich fitter.
Aber auch die Schadstoffbelastung durch kontaminierte Lebensmittel mit z.B. Antibiotika, die in der konventionellen Massentierhaltung eingesetzt werden, schaden unserer Resilienz gegenüber Stress. Herbizide wie Glyphosat, das weltweit dafür verwendet wird, Getreide ausreifen zu lassen und in Österreich trotz gesetzlichem Verbot immer noch eingesetzt wird, schaden dem Immunsystem. Früchte verlieren durch lange Lieferwege deutlich an Vitamin C. Im Fall von Bisphenol A – ursprünglich entwickelt um als Östrogenersatz zu fungieren – wird nach wie vor zur Beschichtung von Getränke- und Konservendosen, in manchem recycelten Plastik, aber auch im Polykarbonat (z.B. Trinkflaschenverschluss) eingesetzt. Die Aufnahme führt zu Unfruchtbarkeit, wie Studien 2021 zeigten. 2020 wurde zumindest der Einsatz in Thermopapieren wie Kassenzettel verboten. Unverpackte, frische, regionale Lebensmittel aus biologischer und nicht-industrieller Landwirtschaft schützen also nicht nur unser Klima, sondern dienen vor allem der Gesundheit. Natürlich, Veränderungen im Lebensstil – hin zu mehr Bewegung und besseren Lebensmitteln – brauchen Zeit. 39 % der Österreicher und -innen sind laut Umfragedaten von 2022 nicht bereit, ihren Lebensstil aufgrund des Klimawandels zu ändern. Doch dieses selbstschädigende Verhalten schadet am Schluss allen. Studien zu Verhaltensänderungen zeigen, dass sich nach 6 Wochen das neue Verhalten etabliert hat und man mit einem verbesserten Lebensgefühl rechnen kann, gelassener, gesünder und vielleicht ein bisschen glücklicher.
Nikolaus Doppelhammer, JKU-Absolvent, forscht an Materialchemie, derzeit Postdoc an der KU Leuven
Die Nibelungenbrücke in Linz ist insgesamt 30 Meter breit. Auf großzügigen sechs Fahrspuren werden 16 Meter, also mehr als die Hälfte dieser Breite, dem Autoverkehr eingeräumt. Die Straßenbahnschienen beanspruchen 6 Meter, die Fußgängerwege in etwa 5 Meter. Nur etwa 2 Meter, also gerade einmal 6,6 Prozent der Gesamtbreite, entfallen auf die beiden schmalen Radwege. Diese sind jedoch nur spärlich durch einen weißen Streifen von den Fußgängern und einer Gehsteigkante von dem Auto- und LKW-Verkehr “getrennt”, was vor allem bei Glatteis im Winter – und hier spreche ich aus eigener Erfahrung – ein hohes Unfallrisiko birgt.
Beispiele dieser Art findet man nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern in ganz Oberösterreich. Sie stellen plakativ zur Schau, wie gering der Stellenwert von klimafreundlicher Mobilität selbst im Jahr 2023 noch immer ist. Radikale, nachhaltige Veränderungen wären angesagt, denn der Verkehrssektor ist für rund ein Drittel des österreichweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich und um 53 Prozent höher als der EU-Schnitt. Somit weist dieser Sektor eines der größten Potenziale zur Einsparung von klimaschädlichen Emissionen auf.
Dass drastische Veränderungen im städtischen Verkehrswesen durch mutige und visionäre politische Maßnahmen auch umgesetzt werden können, haben Städte wie Paris oder Barcelona eindrucksvoll gezeigt. In wenigen Jahren wurden dort beispielsweise der öffentliche Verkehr massiv ausgebaut, viele neue Radwege errichtet und ganze Stadtteile verkehrsberuhigt und/oder auto-(parkplatz)frei gemacht. Durch die zahlreichen positiven Nebeneffekte dieser Maßnahmen wie ruhigere und kindergerechte Stadtviertel, verbesserte Luftqualität und mehr nutzbarer öffentlicher Raum, wurden diese Maßnahmen auch von einer breiten Öffentlichkeit wohlwollend akzeptiert. Paris will in Zukunft sogar noch ambitioniertere Ziele verfolgen: Ab 2024 sollen Dieselfahrzeuge nicht mehr in der Stadt verkehren dürfen. Ein Aus von allen privaten Verbrenner-Fahrzeugen ist für 2030 geplant. Im selben Jahr will die Stadt gänzlich CO2 neutral werden, zehn Jahre früher als Österreich. Diese Art von Politik wäre auch hierzulande angebracht, wenn man ernsthaft vorhat, beim größten Problem unserer Zeit tatsächlich anzupacken.
Bei den jüngsten Klimaprotesten der „Letzten Generation“ in Linz stellten sich auch die Scientists for Future hinter die Aktivistinnen und Aktivisten. Bezirksrundschau–Redakteurin Silvia Gschwandtner hat mit einem Mitglied – dem Linzer Forscher Mirko Javurek – über seine Beweggründe, Sorgen und Vorschläge gesprochen.
LINZ. Seit 2019 haben sich unter der internationalen Bewegung Scientists for Future rund 30.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem deutschen Sprachraum angeschlossen. Einer von ihnen ist Mirko Javurek (50). An der JKU forscht der Mechatroniker im Bereich Strömungs- und Wärmeprozesse. Seit ihrer Gründung ist er in der oberösterreichischen Regionalgruppe aktiv. Wir haben ihn zum Interview gebeten.
Warum engagieren sie sich bei „Scientists for Future“? Mirko Javurek: Ziel von „Scientists for Future“ ist es, die Klimaproteste und deren Forderungen als wissenschaftlich begründet zu unterstützen, und auch die Klimakatastrophe und die Klimaschutzmaßnahmen der Politik und Öffentlichkeit gegenüber verständlich zu machen. Ich bin in der oberösterreichischen Regionalgruppe von Anfang an aktiv, weil ich mir große Sorgen über drastischen Folgen der Klimakrise mache. Ich sehe es als wesentliche Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen, dass wir jetzt rasch handeln und alles tun, um den nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.
Wie wirkt sich der Klimawandel jetzt schon auf Linz aus? Der Hitzesommer 2018 hat gezeigt, dass Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders stark von Hitze und Trockenheit betroffen war. Die Donaukraftwerke hatten durch den niedrigen Wasserstand eine deutlich reduzierten Stromerzeugung. Noch konnten diese Engpässe durch den Einsatz nicht nachhaltiger Stromerzeugung aufgefangen werden, aber wenn sich die Klimakatastrophe weiter verstärkt, wird das bald nicht mehr möglich sein. Die Flüsse erwärmen sich auch stärker, wodurch die Industrie mit der Kühlung Probleme bekommt.
Generell sind Städte wie Linz besonders stark betroffen: Die aktuell erreichte durchschnittliche globale Erderwärmung von 1,2 °C bedeutet in Städten bis zu 5 °C höhere Temperaturen, Tendenz leider stark steigend. Immer mehr Haushalte installieren Klimageräte, um die Hitze im Sommer besser ertragen zu können. Dass es im Winter kaum noch Schnee in Linz gibt, wird viele nicht stören, aber es bedeutet auch, dass viele Schigebiete in OÖ, wie zum Beispiel Kirchschlag bei Linz aufgegeben werden müssen, und der Dachsteingletscher schon stark geschrumpft ist, und bald verschwunden sein wird. Momentan sind die Auswirkungen in Linz also schon spürbar, aber wenn wir so lange warten, bis wir deutlich darunter leiden, ist es zu spät, um noch etwas dagegen tun zu können. Infos zu den Auswirkungen des Klimawandels in Linz gibt es im Klimaerlebnisraum.
Was fordern Sie von der Politik – im Speziellen der Stadtpolitik? Ich sehe es positiv, dass an einer umfassenden Klimaschutz-Strategie gearbeitet wird. Allerdings verlieren wir gerade wertvolle Zeit, wenn wir noch ein Jahr auf die Ergebnisse warten, obwohl jetzt schon viel getan werden könnte. Und dann ist für mich noch nicht klar, ob für die Umsetzung der Strategie auch die entsprechend nötigen Budgets und politischen Entscheidungen getroffen werden. Ich sehe den dringendsten Handlungsbedarf beim Verkehr: Da nehmen die Emissionen weiterhin zu statt ab und machen Einsparungen in anderen Bereichen zunichte. Daher wäre es in Linz dringend nötig, den Autoverkehr zu reduzieren. Laut einer JKU-Studie [1] könnten mehr als die Hälfte der Autofahrten jetzt schon eingespart werden, wenn der rote Teppich für den öffentlichen Verkehr, das Rad fahren und zu Fuß gehen ausgelegt würde, statt so wie bisher hauptsächlich für den Autoverkehr.
Ein Bau- beziehungsweise Planungsstopp von sämtlichen Straßenbauprojekten wie der Westring-Bahnhofsautobahn und der Ostumfahrung wären ein Anfang. In Paris dürfen ab 2024 keine Diesel-Fahrzeuge und ab 2030 keine Verbrenner-Fahrzeuge mehr fahren. Für den Ausbau des Radverkehrs braucht es ein ähnliches Budget wie in Graz, wo jeweils 10 Millionen Euro in 10 Jahren ausgegeben werden, statt wie in Linz derzeit 0,5 Millionen Euro – damit erreichen wir nie einen attraktiven, flächendeckenden Ausbau des Radverkehrs. Auch Projekte für den öffentlichen Verkehr wie die S-Bahnen ins Mühlviertel müssen entschlossen und rasch angegangen werden. Alle Stadtteile brauchen eine dicht getaktete Anbindung, auch am Abend und am Wochenende. Durchgehende Busspuren müssen eingerichtet werden, sodass Busse nie mehr im Stau stehen. Auch für Fußgängerinnen und Fußgänger muss mehr Platz geschaffen werden. Ein autofreier Hauptplatz sollte beispielsweise schon längst umgesetzt sein.
Was kann jeder selbst tun, um seine persönliche CO₂-Bilanz zu verbessern? Die größten Hebel liegen auch hier im Bereich der Mobilität: Fliegen und Autofahren haben den größten schädlichen Einfluss auf die persönliche CO₂-Bilanz. Bei der Ernährung bringen pflanzliche Biolebensmittel anstelle von Fleisch, Fisch und Milchprodukten am meisten. Beim Wohnen ist es die Energie fürs Heizen, die idealerweise durch gute Wärmedämmung möglichst reduziert und mit erneuerbarer Energie bereitgestellt wird, zum Beispiel durch eine Wärmepumpe mit Ökostrom oder eine Holzpelletsheizung anstelle von Gas oder Öl. Mehr dazu in der Aufzeichnung meines VHS-Vortrags: HIER
Viele kritisieren die Klimaproteste als „zu radikal“ – Stichwort Klima-Kleber. Wie ist Ihre Meinung dazu? Es ist traurig, dass es diese Art des Protests braucht, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Zehntausende Menschen sind im Rahmen der Klimastreiks auf die Straße gegangen und haben nicht ansatzweise die gleiche Aufmerksamkeit bekommen wie die aktuellen „radikaleren“ Proteste. In der Geschichte gab es schon öfter ähnliche Situationen, wie zum Beispiel im Kampf gegen die Rassendiskriminierung, wo mit angemeldeten Demonstrationen, Petitionen und Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern nichts erreicht wurde. Martin Luther King wurde damals auch stark kritisiert, heute ist er bekannt für seinen Einsatz, der zum Erfolg geführt hat. Teilweise wird sogar von „Klimaterroristen“ gesprochen. Rechtswissenschaftler Professor Alois Birklbauer von der JKU meint dazu: „Wir brauchen eine Abrüstung der Worte. Die Bezeichnung „Klimaterroristen“ für Aktivistinnen und Aktivisten ist völlig unangebracht. Wenn man beachtet, wie stark durch unterlassene Maßnahmen das Klima geschädigt wird, wäre es passender zu sagen, dass die größeren Terroristen in der Regierung sitzen.“
Wo können sich Interessierte seriös und leicht verständlich über den Klimawandel informieren? Der Klimawandel ist für mich das komplizierteste globale Problem, mit dem sich die Menschheit je auseinandersetzen musste. Dementsprechend schwierig ist es, den Klimawandel einfach verständlich zu erklären. Nachdem die für den österreichischen Klimarat zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Menschen eine mehrtägige Intensivausbildung mit Klimaexpertinnen und -experten absolviert hatten, stellten viele von ihnen fest, dass sie für ihre erarbeiteten Vorschläge keine Volksabstimmungen empfehlen können. Ohne die Ausbildung hätten sie selbst die falschen Entscheidungen getroffen. Das zeigt, wie hoch der Informationsbedarf in der Bevölkerung noch ist. Ich möchte das aktuelle Buch „Earth for all“ des Club of Rome empfehlen, von dem es eine kostenlose Zusammenfassung gibt es HIER. Es schildert anschaulich anhand des Schicksals von vier verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Erdregionen, wie wir durch eine bewusste Veränderung ein besseres Leben für alle erreichen können, oder aber auch, was auf uns zukommt, wenn wir zu spät handeln und zu wenig tun. Fakten in Form von Diagrammen und Texte sind beispielsweise HIER zusammengestellt. Dann ist da noch der 6. IPCC Bericht als seriöse, aber leider nicht unbedingt leicht verständliche Informationsquelle, von dem es HIER auch deutsche Übersetzungen gibt. Kernaussage: Es ist nach wie vor möglich, die globale Erwärmung zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.
AM 19. April 2023 um 18 Uhr lädt die „Letzte Generation“ zum Krisengespräch im Seminarraum 2 des KHG-Studentenheims in der Mengerstraße 23 statt. Dort wird Mirko Javurek versuchen, die Klimakrise anschaulich zu erklären.
Referenzen
[1] Höfler, Malinsky, Priewasser: Verkehrsverlagerung durch Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl – Systemische, verkehrsplanerische und verhaltenswissenschaftliche Ansätze am Beispiel des oö. Zentralraums, Universitätsverlag Trauner, 2000
Linz, 21. März 2023, 7.45 Uhr. Den zweiten Tag in Folge sind die Menschen der Letzten Generation auf der Straße, um in der eskalierenden Klimakrise erste Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung einzufordern: Tempo 100 auf der Autobahn, und ein Verbot neuer Öl- und Gasbohrungen. Sie brachten den Verkehr auf der Waldeggstraße und der Wiener Straße friedlich zum Stillstand, unterstützt von solidarischen Wissenschaftler:innen, Parents For Future und der Radlobby.
Lisa Aigelsperger, Ernährungswissenschaftlerin, steht als Teil der Scientists for Future hinter den Protesten: “Meine zwei Kinder sind 6 und 10 Jahre alt. Ich wünsche mir, dass sie auf dieser Welt noch eine Zukunft haben. Die Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt; in Afrika habe ich mit eigenen Augen gesehen, was die Klimakrise heute schon anrichtet.“ Die Ernährungswissenschaftlerin arbeitet bei Südwind OÖ und kennt die Zusammenhänge zwischen Klima und Hungerkatastrophen.
Professor Andreas Janko vom Institut für Staatsrecht an der JKU im ORF-Interview zur Frage, ob die Proteste rechtens sind: „Rechtswidrig ist es, allerdings: die Aktivist*innen sehen aufgrund ihrer großen Besorgnis keine andere Möglichkeit mehr, und das ist genau das Wesen von zivilem Ungehorsam.“ Ob härtere Sanktionen eine abschreckende Wirkung haben würden? „Das kommt darauf an, in welcher Höhe man sie verhängen würde, aber ich gehe mal davon aus, dass hier die Besorgnis so groß ist, dass man eben ganz bewusst auch diese Rechtsbrüche in Kauf nimmt, und dass ein Drehen an der Sanktionenschraube wahrscheinlich nichts bewirken würde.“ Ob es nicht gangbarere legale Alternativen für Aktivist*innen gäbe, ihren Unmut kundzutun, die nicht so viel Wirbel auslösen? „Wir haben ein Demonstrationsrecht, und das kann man auch völlig rechtsmäßig und rechtskonform ausüben, mit Anmeldung, da sind auch Straßenblockaden unter Umständen möglich, oder man kann auch wo anders demonstrieren gehen. Allerdings will man natürlich das Aufsehen und die Aufmerksamkeit. Andere Aktionen werden als zu wenig effektiv eingestuft, genauso wie auch die bloße Teilnahme an ganz klassischen, vor allem direktdemokratischen Elementen: wir wissen, natürlich kann man bei uns Volksbegehren stellen, nur, wir wissen auch, die Volksbegehren sind ein Wunsch ans Parlament, und entscheiden werden am Ende die Abgeordneten, und da geht es den Aktivist*innen einfach zu wenig schnell.“
Professor Alois Birklbauer vom Institut für Strafrechtswissenschaften an der JKU spricht Respekt für die Proteste aus: „Die Proteste sind ungeheuer wichtig, weil sonst der Diskurs über die Klimakrise nicht in dem Ausmaß existieren würde in dem es notwendig ist. Wir brauchen eine Abrüstung der Worte. Die Bezeichnung „Klimaterroristen“ für Aktivist:innen ist völlig unangebracht. Wenn man beachtet, wie stark durch unterlassene Maßnahmen das Klima geschädigt wird, wäre es passender zu sagen, dass die größeren Terroristen in der Regierung sitzen.“
Jelena Saf von der Letzten Generation: “Gestern erst hat der Weltklimarat seinen Bericht veröffentlicht, und die Warnung könnte nicht deutlicher sein. Der Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen schreitet mit rasendem Tempo voran; in den verwundbarsten Gebieten sind mehr als 3 Milliarden Menschen umittelbar bedroht. Unsere Regierung baut weiter an der Autobahn in die Klimahölle, statt wenigstens die billigsten, einfachsten Schritte in eine überlebbare Zukunft zu setzen. Allein mit Tempo 100 könnten wir jedes Jahr 460.000 Tonnen CO2 einsparen, und gleichzeitig dank weniger Lärm und Schadstoffen die Lebensqualität in Österreich verbessern.” In den OÖ Nachrichten: Heute hätte sie bemerkt, dass die Leute im Stau anfingen, miteinander über die Notwendigkeit der Proteste zu diskutieren. „Das hat mich gefreut„, denn auch hier wurde Solidarität sichtbar.
Die Letzte Generation ist fest entschlossen, ihren zivilen Widerstand deutlich auszuweiten, falls die Fakten von Politiker:innen wie Bundeskanzler Nehammer noch länger ignoriert werden: Nehammer höre lieber auf einen diskreditierten Klimaleugner. Kein Wunder also, dass Österreich seine Klimaziele Jahr für Jahr krachend verfehle und auf Strafzahlungen in Milliardenhöhe zusteuere.
Wie bedrohlich die Lage ist, stellte UN-Generalsekretär Antonio Guterres anlässlich der gestrigen Veröffentlichung der Zusammenfassung des Weltklimarats-Berichts klar: “Die Menschheit steht auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt schnell. Jedes Land muss Teil der Lösung sein. Wer von anderen verlangt, sich zuerst zu bewegen, stellt die Menschheit an letzte Stelle.”
Die Scientists for Future OÖ stellen sich entschlossen hinter die Forderungen der Klimaaktivist:innen und zeigen sich solidarisch mit den Menschen, die für eine lebenswerte Zukunft für alle eintreten.
Mirko Javurek, Forscher im Bereich Strömungs- und Wärmeprozesse an der Johannes Kepler Universität Linz
Die Treibhausgasemissionen stammen großteils aus Kohlenstoffdioxid (CO2), das bei der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle entsteht. Für die Einhaltung der Klimaziele ist es erforderlich, diese fossilen Energiequellen bis 2040 zur Gänze durch erneuerbare Energiequellen wie Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse zu ersetzen. Dazu braucht es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energiequellen. Das ist nur zu schaffen, wenn gleichzeitig der Energiebedarf gesenkt wird.
Am Beispiel einer Beleuchtung: Lampen nur dann einschalten, wenn sie wirklich benötigt werden (Reduktion durch Suffizienz), für die Beleuchtung effiziente Leuchtmittel wie LED-Lampen verwenden (Reduktion durch Effizienz), versorgt mit Ökostrom (erneuerbare Energie). Bei Autofahrten bedeutet Suffizienz, sie auf das Nötigste zu reduzieren durch Ausbau und Nutzung von Alternativen (öffentlicher Verkehr, Radfahren, zu Fuß gehen). Eine möglichst effiziente Nutzung wird durch gemeinsame Fahrten und eine energiesparende Fahrweise erzielt. Die erneuerbare Energie in Form von Ökostrom lädt die E-Fahrzeuge. Ähnlich auch beim Heizen: so wenig warm, so wenig Räume und so wenig Zeit wie möglich (Suffizienz), mit guter Wärmedämmung von Wänden, Fenstern und Türen, Stoß- statt Dauerlüftung (Effizienz), und eine Heizung mit Wärmepumpe aus Ökostrom oder mit Biomasse aus nachhaltiger Produktion (Pellets, Holz).
Nur wenn jeweils alle drei Säulen (Suffizienz, Effizienz und erneuerbar) berücksichtigt werden, ist ein vollständiger Umstieg auf erneuerbare Energien auch machbar. Um mehr Effizienz zu erreichen und erneuerbare Energien zu nutzen, ist es oft mit einmaligen Entscheidungen getan (z.B. Wechsel des Stromanbieters, Wärmedämmung verbessern, Gas- durch Pelletsheizung ersetzen, Anschaffung eines E-Autos). Mehr Suffizienz bedeutet jedoch in vielen Fällen, dass wir unser Verhalten anpassen müssen. Oft reicht es, Gewohnheiten zu hinterfragen und achtsamer, vorausschauender zu handeln.
Mit einer positiven persönlichen Grundeinstellung gelingt es, in einem “weniger” auch mehr Lebensqualität zu sehen. Von der Politik braucht es jedenfalls die Entschlossenheit, alle drei Säulen zu berücksichtigen, und die generellen Rahmenbedingungen dafür zu setzen: mit bloßen Aufrufen zu freiwilligen Verhaltensänderungen (Beispiel: Tempo 100 auf Autobahnen) und Belohnungen (Beispiel: Förderungen für bessere Wärmedämmung) ist es nicht getan. Die Aufgabe für die Politik ist es vielmehr, Klimaschutz gesetzlich zu verankern, und der Bevölkerung zu erklären, warum es das braucht.
Wolfgang Schöfberger, Professor am Institut für Organische Chemie der Johannes Kepler Universität Linz
Die Welt-Meteorologie Organisation (WMO) hat einen neuen Klimabericht veröffentlicht und warnt erneut vor dem Überschreiten der 1,5 °C-Schwelle [1]. Demnach könnten die Durchschnittstemperaturen schon in den nächsten fünf Jahren zeitweise die Marke von 1,5 Grad überschreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies in den nächsten fünf Jahre mindestens einmal passiert, läge bei 50 %. Der Wert von 1,5°C ist ein Indikator für den Punkt, an dem die Klimaauswirkungen für die Menschen und den gesamten Planeten zunehmend schädlich werden. Da die Reduktion der CO2-Emissionen alleine leider nicht ausreichen wird, müssen auch andere Wege wie z.B. die Speicherung und Verwertung von CO2 verstärkt angegangen werden. Ein möglicher Ansatz dazu ist die Verwertung durch eine elektrochemische Reduktion von Kohlendioxid zu Brennstoffen wie Methan, Methanol, Ethanol, einer sogenannten „Dream Reaction“, an der bereits seit mehr als einem Jahrhundert geforscht wird. Wenn die elektrische Energie, die für diese Umwandlung notwendig ist, aus erneuerbaren Energien aufgebracht werden kann, wird ein völlig nachhaltiger und klimafreundlicher Zyklus ermöglicht. Das Team des „SchoefbergerLabs“ an der Johannes Kepler Universität Linz hat neue molekulare Katalysatoren erfunden, die CO2 effizient auf günstigen Kohlenstoff-Papier-Elektroden in Kohlenmonoxid (CO), Ethylen, Methanol, Ethanol oder Essigsäure umwandeln können. Die so entstandenen Produkte können unter Verwendung bestehender Technologien in eine Reihe nützlicher Chemikalien umgewandelt werden, wodurch ein effizienter Weg zur Nutzung von CO2 offensteht. Langzeitversuche an einer typischen Rauchgasmischung (CO2, NOx, O2, O2, CO) bestätigten, dass die Katalysatoren aktiv bleiben und ein Hochskalieren des Prozesses möglich ist. Im Rahmen eines FFG Projekts wird nun eine Versuchsanlage an der JKU gebaut und bis Ende 2023 fertiggestellt. Diese Laboranlage wird danach für Unternehmen zu Demonstrationszwecken zugänglich sein.
Die wissenschaftlichen Arbeiten werden vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Land Oberösterreich unterstützt. Die Forschungsergebnisse wurden unter anderem in den Fachjournalen Nature Communications und Angewandte Chemie publiziert. [2-4]
Molecular Cobalt Corrole Complex for the Heterogeneous Electrocatalytic Reduction of Carbon Dioxide, S. Gonglach, W. Schöfberger* et al., Nat. Commun. 2019, 3864. https://doi.org/10.1038/s41467-019-11868-5
Electrocatalytic Reduction of CO2 to Acetic Acid by a Molecular Manganese Corrole Complex, S. Gonglach, W. Schöfberger* et al., Angew. Chem. 2020, 59, 26, 10527. https://doi.org/10.1002/anie.202000601
Tuning the Electronic Properties of Homoleptic Silver(I) bis-BIAN Complexes towards Efficient Electrocatalytic CO2, Reduction, D. Krisch, W. Schöfberger* et al. 2022, Catalysts 12, 5: 545. https://doi.org/10.3390/catal12050545
Mit dem Spatenstich zum Autobahnanschluss Linz Auhof/Universität am 16. Februar 2023 zeigt die Politik, dass sie die Dringlichkeit der drohenden Klimakatastrophe und die Notwendigkeit für eine sofortige Verkehrswende nicht verstanden hat.
Die Johannes Kepler Universität, die sich das Ziel gesetzt hat, bis 2030 klimaneutral zu werden, braucht statt einem Autobahnanschluss vielmehr endlich einen hochwertigen Anschluss an das Radwegenetz, den Ausbau der Hauptradrouten im Großraum Linz wie zum Beispiel jene nach Gallneukirchen und eine vorgezogene und beschleunigte Umsetzung der Regionalbahn nach Gallneukirchen, die nach derzeitigen Plänen erst im nächsten Jahrzehnt fertiggestellt werden soll. Mirko Javurek von Scientists for Future OÖ: „Stadt Linz und Land OÖ beteiligen sich zu je einem Drittel an den voraussichtlich rund 30 Millionen Euro Kosten des Anschlusses – versenktes Geld in fossile Infrastruktur, das dringend für den Ausbau der klimafreundlichen Verkehrsmittel benötigt würde. Alleine der 10 Millionen Euro Anteil der Stadt Linz sollte jährlich als Radverkehrsbudget verfügbar sein – etwa das 20-fache des derzeitigen Radverkehrsbudgets.“
Für den Radverkehr soll es durch den Autobahnanschluss entgegen der Darstellung durch die Asfinag sogar zu Verschlechterungen kommen: Umwege und zusätzliche Steigungen (40 Höhenmeter!) werden für Radfahrer:innen notwendig sein, um zukünftig die Autobahn zu überqueren, statt weiterhin die Unterführung nützen zu können, wie die Radlobby OÖ festgestellt hat. Am schwersten trifft es Fußgänger*innen und mobilitätseingeschränkte Menschen.
Am 10.1.2023 führten Mitglieder der „Letzten Generation“ eine Blockade der Waldeggstraße durch, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise hinzuweisen. 30 oberösterreichische Wissenschaflter*innen haben in einer Stellungnahme ihre grundsätzliche Solidarität für derartige Proteste bekundet, zwei von ihnen waren bei der Blockade dabei.
Im Standard und im Kurier wird zum aktuellen Protest berichtet:
Oberösterreichische Wissenschafter und Wissenschafterinnen unterstützen die „Letzte Generation“. Die Dringlichkeit der Klimakrise erfordere viel wichtigere Debatten als jene, ob die Protestformen gerechtfertigt sind. „Die öffentliche Sicherheit wird nicht durch Proteste bedroht, sondern durch das Versagen der Politik im Klimaschutz“, sagte Mirko Javurek von Scientists for Future OÖ.
Ein teilnehmender Schüler kritisierte die Pläne für neue Gasbohrungen in Molln scharf: „Wie kann eine Regierung den Ausstieg aus fossiler Energie ernst meinen, wenn sie gleichzeitig zulässt, dass hier in Oberösterreich nach neuem fossilem Gas gebohrt wird?“
Die Wissenschaftler unterstützen die Forderungen der „Letzten Generation“: „Es braucht ein Alarmzeichen, weil die Gesellschaft auf eine Klimakatastrophe zurast, ohne etwas dagegen zu tun. Ziviler Ungehorsam hat in der Geschichte immer wieder in ähnlichen Situationen eine Veränderung bewirkt“, sagt Mirko Javurek.
Es wird geschildert, wie ein Wissenschaftler von Scientists for Future versucht, einen aufgebrachten Passanten „in ein Gespräch zu verwickeln und Verständnis für die Klimaschützer zu erzeugen – vergeblich. Schimpfend setzt er [der Passant] schließlich seinen Weg fort.“
Auf die Frage, ob sie denn in der Blockade keine Angst hätte, antwortet eine Teilnehmerin der Letzten Generation: „Ich habe Angst, unglaubliche Angst.“ Aber ihre Angst vor der Klimakatastrophe sei noch viel größer. Während die Polizisten ihre Hand von der Straße lösen, schreit sie vor Schmerzen. Später sagt sie: „Meine Hand ist äußerlich nicht verletzt. Sie tut schon ordentlich weh, aber das nehmen wir in Kauf. Das ist eine der Sachen, die wir ertragen müssen. Im Vergleich zu dem, was auf uns zukommt, ist das nichts – Krieg, Hunger, Dürren. Da bin ich bereit, Opfer zu bringen.“
Die Kronen Zeitung berichtet über die ablehnende Reaktion des Linzer Bürgermeisters, der seine Forderung nach einer Verschärfung des Strafrechts „für derartige Chaos-Aktionen“ wiederholte. „Parents For Future Oberösterreich“ halten eine anlassbezogene Verschärfung von Gesetzen für menschenrechtlich und demokratiepolitisch mehr als bedenklich und mahnen: „Insofern erscheint es uns völlig überzogen und unwürdig, dass die Aktivist:innen, die sich gewaltfrei gegen unser aller Gefährdung engagieren, jetzt für ihr ziviles Engagement bestraft werden. Ziviler Ungehorsam darf von der Politik nicht kriminalisiert werden! Einige engagierte Aktivistin:innen erfahren aktuell gravierende berufliche und materielle Nachteile wegen ihres Einsatzes für uns alle. Das ist absolut inakzepabel. Der Wandel muss von unten kommen, denn die Politik flüchtet sich beim Klimaschutz in Ausreden. Diejenigen, die sich festkleben, stellen keine Gefahr für die Gesellschaft dar, sondern nützen ihr sogar.“ Die um die Zukunft fürchtenden Eltern begründen „die bewusst provozierenden Aktionen“ der Klima-Aktivisten so: „Diese Menschen sind aufgrund übereinstimmender, weltweiter Warnungen von Klimaforscher:innen unterschiedlicher Fachrichtungen getrieben von Sorge um unsere und die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Sie haben auch die Erfahrung gemacht, dass bisherige Forderungen und übliche Protestformen von den Regierenden und der Gesellschaft zu wenig beachtet wurden.“ Daher hätten sich einige dazu entschlossen, mit Blockaden und anderen bewusst provozierenden Aktionen stärker den Blick auf die Klimakrise zu lenken. „Alle ihre Aktionen sind aber darauf bedacht, keinen materiellen Schaden und schon gar keine Gefährdung von Menschen zu verursachen“.