Weniger Fleisch und tierische Produkte: Es ist nicht nur eine Frage der Nachfrage

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Dass Konsument:innen weniger Fleisch verbrauchen sollen, ist richtig. Doch muss die Fleischabsatzmenge auf allen Stufen der Lieferkette gerecht und demokratisch reduziert werden.

An den Umweltauswirkungen von Fleisch und Tierprodukten sind nicht nur die Konsument*innen Schuld. Das stellt ein Forschungsteam unter Leitung der Universität für Bodenkultur Wien in einer soeben erschienen Studie fest. Dass die Produktion und der Konsum in westlichen Ländern wie Österreich derart hoch sind, ist die Folge von politischen und ökonomischen Entscheidungen, die alle Stufen der Lieferkette von Futtermitteln, Fleisch und Tierprodukten beeinflussen.

Nutztiere leisten wichtige Dienste für die Menschen. Aber in vielen Ländern gibt es eine zahlenmäßig zu hohe und zu intensive Nutztierhaltung, was dramatische Folgen für Ökosysteme hat und zum Verlust der Biodiversität, zu Entwaldung und zu Boden- oder Wasserverschmutzung führt.

Es ist nicht nur die Lust auf Fleisch

„Ich höre oft, dass das übermäßige Wachstum der Viehzucht in den vergangenen Jahrzehnten daran liege, dass Konsument*innen wohlhabender geworden seien, was deren Lust auf Fleisch und tierische Produkte wie Milch und Eier ankurbelte. Dies ist aber eine zu starke Vereinfachung der Prozesse, die das Wachstum und die Intensivierung der Nutztierhaltung antreiben“, so Nicolas Roux vom Institut für Soziale Ökologie (SEC) der BOKU, der die Studie geleitet hat.

Seit dem 2. Weltkrieg zielte die Politik in den Industrieländern darauf ab, die Industrialisierung der Viehzucht voranzutreiben und die Produktion zu steigern. Das erste Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist beispielsweise die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, einschließlich der Tierproduktion. Außerdem zahlen OECD-Staaten jährlich insgesamt 52 Milliarden Dollar an Subventionen, um die Produktion von Futtermitteln und tierischen Produkten zu unterstützen. In Süpdamerika kurbelten seit den 1980er-Jahren  Deregulierung und die groß angelegte Übernahme der Gentechnik durch große Agrarunternehmen die Produktion und den Export von Sojabohnen als Futtermittel an.

Liberalisierung des Handels erhöhte die Verfügbarkeit von Futtermitteln und tiereischen Produkten und machte sie billiger. Dadurch wurde sie zu einem wichtigen Motor der Ernährungsumstellungen. Schließlich trugen Marketingkampagnen der Viehwirtschaft und der Regierungen dazu bei, diese erhöhte Produktion für die Konsument:innen attraktiv zu machen. Eine von Greenpeace geleitete Studie ergab beispielsweise, dass die EU zwischen 2016 und 2020 252,4 Millionen Euro ausgegeben hat, um den Absatz europäischer Fleisch- und Milchprodukte zu fördern. Die Zunahme der Viehwirtschaft und die damit verbundenen Umweltbelastungen lassen sich daher nicht nur auf die Entscheidungen der Endkonsument:innen zurückführen. Jahrzehntelang wurden auf allen Stufen der Versorgungskette, wie Futterproduktion, Viehzucht, Handel und Einzelhandel Anstrengungen unternommen, den Absatz von Tierprodukten zu steigern.

Druck auf Ökosysteme

Roux und seinen Kolleg*innen analysieren den Druck auf Ökosysteme, der auf verschiedenen Stufen der globalen Lieferkette von Futtermitteln und Nutztieren entsteht. Ein Ergebnis der Studie ist, dass der Druck der globalen Landwirtschaft auf Ökosysteme und Biodiversität zu rund zwei Dritteln auf Viehhaltung zurückzuführen ist. Besonders in vielen westlichen Ländern wie Österreich übersteigt die Produktion und der Konsum von Fleisch und tierischen Produkten die Nachhaltigkeits- und Gesundheitsempfehlungen. In Österreich ist der Druck auf Ökosysteme durch Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern zu 60 % hausgemacht. Der Rest ist den Importen von Futter und Tierprodukten zuzuschreiben – besonders Sojabohnen aus Südamerika, die österreichischen Schweinen verfüttert werden – sowie Importen von Rindfleisch, Milchprodukten und Schweinefleisch aus Nachbarländern wie Deutschland und Ungarn. Umgekehrt dient die Hälfte des viehbezogenen Drucks auf Ökosysteme, der in Österreich ausgeübt wird, den Exporten von Futter und Tierprodukten.

Tierische Produkte, selbst mit den bestmöglichen Verfahren hergestellt, erzeugen bei gleichen Nährwerten immer noch höhere ökologische Auswirkungen als pflanzliche Lebensmittel. Die Einhaltung ehrgeiziger Klima- und Biodiversitätsziele erfordert daher die Reduzierung der Viehbestände und der Absatzmenge in überproduzierenden und überkonsumierenden Ländern.

Alle Ebenen der Lieferkette notwendig

„Lokale und effizientere Lieferketten allein reichen nicht. Wir brauchen Genügsamkeit, also weniger tierische Produkte. Oft wird argumentiert, dass Produzenten effizienter sein müssen und Konsument*innen weniger konsumieren sollen. Diese Argumentation macht keinen Sinn! Konsument*innen beeinflussen auch die Effizienz, etwa indem sie Bio-Produkte kaufen und Produzent*innen haben auch einen großen Einfluss auf die Menge an Tierprodukten, besonders wenn sie durch politische und wirtschaftliche Antreiber forciert werden. Letztendlich müsste allen klar sein, dass der Absatz durch beides, also Nachfrage und Angebot, bestimmt wird; oder besser gesagt: durch Entscheidungen, die alle Ebenen der Lieferkette betreffen“, erklärt Roux.

Ernährungsgewohnheiten der Konsument:innen wären zwar auch wichtig, dennoch sei es fraglich, ob freiwillige oder angestoßene verbrauchergesteuerte Veränderungen schnell genug wirken können, um den Klima- und Biodiversitätskrisen entgegenzuwirken. Die Erzählung, die auf die Verbraucher:innen abzielt, wird aber oft bevorzugt, weil sie nicht auf bestimmte Wirtschaftsakteur:innen abzielt. Diese Erzählung geht davon aus, dass eine verringerte Nachfrage der Konsument:innen zu einem härteren Wettbewerb unter den Produzent:innen führt, wodurch weniger wettbewerbsfähige Produzent:innen aus dem Markt verdrängt werden und daher die gesamte produzierte Menge geringer wird. Diese Verdrängung würde allerdings  kleinere oder weniger industrialisierter Landwirt:innen betreffen, was die Frage der Gerechtigkeit stellt. Das Thema der gerechten Reduzierung ist für Österreich besonders wichtig, um Landwirt:innen mit beschränkten Alternativen nicht zu schädigen, beispielsweise in Bergregionen in denen Viehhaltung manchmal kaum durch anderes Einkommen ersetzbar ist.

Die Entscheidung zu weniger Fleischkonsum ist dennoch wichtig

„Dies soll auf keinen Fall Konsument:innen davon abhalten, ihren Konsum an Fleisch und Tierprodukten zu reduzieren. Es sollte nur nicht die volle Verantwortung auf die Schultern der Konsument*innen abgeladen werden. Landwirt:innen, Schlachthäuser, Ernährungskonzerne und Supermärkte brauchen auch Regulierung, Anreize und Unterstützung, um auf pflanzliche Produkte umzustellen“, betont Roux.

Diese Idee hat sich auch schüchtern in politischen Vorschlägen gezeigt. Nachdem niederländische Aktivist:innen ihre Regierung verklagt hatten, weil sie ihre Klimaziele nicht erreicht hatte, waren die Niederlande unseres Wissens das erste Land, das einen politischen Vorschlag zur Reduzierung der ökologischen Auswirkungen des Viehsektors durch eine Kürzung der Viehproduktion um 30 % vorlegte. Aus diesen Vorläuferbeispiel könne man lernen, sagt Roux. Wichtig wäre zum Beispiel, dass die Regierung jene Landwirt:innen unterstützt die zu pflanzlicher Landwirtschaft zwar wechseln wollen, aber in intensive Systeme mit vielen Tieren und Schulden eingesperrt sind.

„Wir können den Wandel zu pflanzlicher Ernährung fair gestalten: lasst uns aufhören, das Ziel der Reduzierung der Produktion hinter einer Verbrauchererzählung zu verschleiern; erkennen wir an, dass die Umstellung für Landwirt:innen schwierig sein wird! Dadurch werden Diskussionen darüber eingeleitet, in denen demokratisch entschieden wird wie die Landwirt:innen beim Übergang unterstützt werden können, bevor der Markt allein bestimmt, wer überlebt und wer nicht,“ so Roux.

Titelbild: Ramona auf Pixabay

Link zur Studie:

Roux, Nicolas, Lisa Kaufmann, Manan Bhan, Julia Le Noe, Sarah Matej, Perrine Laroche, Thomas Kastner, Alberte Bondeau, Helmut Haberl, and Karlheinz Erb.

Embodied HANPP of Feed and Animal Products: Tracing Pressure on Ecosystems along Trilateral Livestock Supply Chains 1986-2013′. Science of The Total Environment, 24 August 2022, 158198.
https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.158198.



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Dürre: Alarmstufe für 15 Prozent des EU-Gebiets

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Die Europäische Dürrebeobbachtungsstelle meldet für das letzte Julidrittel für 45 Prozent des EU-Gebiets Warnstufe, das heißt ein Defizit an Bodenfeuchtigkeit, und für 15 Prozent des EU-Gebiets Alarmstufe, das bedeutet Vegetationsstress auf Grund von Mangel an Bodenfeuchtigkeit und dadurch verursachtes Vegetationsdefizit. Ursache sind geringe Niedrschläge und frühe Hitzewellen im Mai und Juni. Da Flüsse zu wenig Wasser führen, sindsowohl Wasserkraftwerke als auch die Kühlsysteme andere Kraftwerke beeinträchtigt. Ebenso beeinträchtigt sind die bisherigen und die zu erwaartenden Ernteerträge.
Die Europäische Dürrebeobachtungsstelle (European Drought Observatory – EDO) ist ein Dienst der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission.
https://edo.jrc.ec.europa.eu/edov2/php/index.php?id=1000



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Nahrungsmitteltransporte sind CO2-intensiver als bisher angenommen

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Ein Fünftel des CO2-Ausstoßes des Ernährungssystems wird durch Transport verursacht, ergab eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie. 2017 verursachten nationale und internationale Nahrungsmitteltransporte 3 Gigatonnen CO2e, 7,5 Mal so viel wie bisher angenommen. Reiche Länder waren für beinahe die Hälfte davon verantwortlich, obwohl sie nur 12 Prozent der Weltbevölkerung stellen, da sie Nahrung aus aller Welt importieren. Kühltransporte sind besonders CO2-intensiv: Die Beförderung von Obst und Gemüse verursachte doppelt so viele Emissionen wie der eigentliche Anbau.
https://www.nature.com/articles/d41586-022-01766-0



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Hitze und Dürre vermindern Ernteerträge in der EU

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Die Erträge von Mais, Sonnenblumen und Soja werden laut JRC MARS Bulletin heuer um 8 bis 9 Prozent geringer sein als im Fünfjahresdurchschnitt. Ursache sind die Hitze und Trockenheit in der Zeit von Anfang Juni bis Mitte Juli in Teilen Europas. In Österreich waren auf Grund günstig verteilter Niederschläge die Bedingungen für Sommerfeldfrüchte gut. Das Bulletin wird von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission herausgegeben.
https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC127963



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World Resource Institute: Reduktion von Biosprit könnte helfen, die Hungerkrise zu bewältigen

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Würden die USA und Europa ihren Getreideverbrauch für die Produktion von Ethanol als Kraftstoffzusatz um die Hälfte reduzieren, würde das den Ausfall der Getreidelieferungen infolge des Ukrainekriegs vollständig kompensieren. Zu diesem Schluss kommen Berechnungen des World Resource Institute, die im April veröffentlicht wurden. Die Elektrifizierung des Verkehrs würde helfen, nicht nur fossile, sondern auch Bio-Treibstoffe zu sparen.
https://www.wri.org/insights/ukraine-food-security-climate-change



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Zukunftsfähig Leben im Alltag – Videoaufzeichnug des Vortrags an der Linzer Volkshochschule

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Die Bewältigung der Klimakrise stellt eine noch nie dagewesene Herausforderung an die Menschheit dar, die nur mit wissenschaftlicher Unterstützung erfolgen kann. Gleichzeitig erfordert die Bewältigung einen globalen und grundlegenden Wandel des Lebensstils, der von allen ErdbewohnerInnen mitgetragen werden muss. Nach einem Überblick über die Grundlagen des Klimawandels (Ursachen und Wirkungen, bisherige Entwicklung, Zukunftsszenarien, verbleibendes CO2 Budget) geht es daher im Vortrag von Mirko Javurek von Scientists For Future Oberösterreich um den individuellen Beitrag der Menschen in Österreich zum Klimawandel, und welche Möglichkeiten es gibt, diesen Beitrag zu reduzieren. Die Systematik der Kombination der drei Strategien Suffizienz, Effizienz und Nachhaltigkeit wird auf die Bereiche Wohnen, Mobilität, Ernährung, Stromverbrauch und Konsum angewandt und anhand von Beispielen erklärt.

Videoaufzeichnung von Dorf-TV: https://dorftv.at/video/40149



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Fleischalternativen aus Pilzkulturen könnten helfen, die Wälder der Erde zu retten
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

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Wenn bis 2050 nur ein Fünftel des pro-Kopf Rindfleischkonsums durch Fleischalternativen aus mikrobiellem Protein ersetzt wird, könnte das die weltweite Entwaldung halbieren: Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde und zum ersten Mal mögliche Auswirkungen dieser bereits marktreifen Lebensmittel auf die Umwelt umfassend untersucht. Der aus Pilzkulturen durch Fermentierung produzierte Fleischersatz ähnelt echtem Fleisch in Geschmack und Konsistenz, ist aber ein biotechnologisches Produkt. Gegenüber Rindfleisch erfordern diese Fleischalternativen deutlich weniger Landressourcen und können somit die Treibhausgasemissionen durch Viehhaltung und die Ausweitung von Acker- und Weideland stark senken. Die Analyse geht von der Annahme aus, dass die wachsende Weltbevölkerung immer mehr Appetit auf Rindfleisch hat.

„Fleischalternativen aus Pilzkulturen könnten helfen, die Wälder der Erde zu retten
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
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