Scientists for Future Österreich begrüßen das Ja der Umweltministerin zur Renaturierungsverordnung

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Die Scientists for Future Österreich begrüßen die Entscheidung von Umweltministerin Leonore Gewessler bei einer möglichen Abstimmung für die EU-Renaturierungsverordnung zu stimmen.

Die EU-Renaturierungsverordnung ist ein Kernstück des europäischen Green Deals: Wiederherstellungsmaßnahmen der Natur stellen dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen an die Auswirkungen der Klimakrise dar1. Sie sind eine wichtige Grundlage für die Ernährungssicherheit in Österreich und ein zentrales Elemente der Wirtschaftskraft des Landes2. Während das Nichthandeln bereits jetzt das österreichische Staatsbudget mit mehreren Milliarden Euro pro Jahr belastet3, ist einer Wirkungsanalyse der EU-Kommission zufolge der Nutzen der Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in Österreich 12-mal höher als deren Kosten4.

Ökosysteme halten sich nicht an Ländergrenzen! Dieses Bewusstsein muss die Politik auf nationaler Ebene wie auf europäischer Ebene anleiten. Nur so kann Europa seine angestrebte Rolle als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung erfüllen. Nach deutlichen Rückschritten in der Umsetzung des Europäischen Green Deals5 kann nun allein eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Europäischen Umweltminister:innen am 17. Juni zur Renaturierungsverordnung dieser Verantwortung gerecht werden.

Die Scientists for Future Österreich unterstützen gemeinsam mit 82% der Österreicher:innen das Ja zur Renaturierungsverordnung6. Wir rufen die EU-Umweltminister:innen auf, am Montag dem Beispiel Österreichs zu folgen und die EU-Renaturierungsverordnung gemeinsam zu verabschieden!

Ein Ja zur EU-Renaturierungsverordnung ist ein Ja zu einem lebenswerten, gemeinsam gestalteten Europa, in dem evidenzbasierte und sozial gerechte Politik für das Wohl der Bürger:innen Sorge trägt!

  1. IPCC, 2023: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of  Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the  Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and  J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 184 pp., doi:  10.59327/IPCC/AR6-9789291691647 ↩︎
  2. Corporate Leaders Group 2024: „Business Networks‘ Letter on the Nature  Restoration Law“,  https://www.corporateleadersgroup.com/files/clg_europe_led_letter_on_nature_restoration_-_may_2023.pdf ↩︎
  3. WIFO 2024: „Policy Brief: Budgetäre Kosten und Risiken durch  klimapolitisches Nichthandeln und Klimarisiken“,  https://www.wifo.ac.at/publication/49048/ ↩︎
  4. EU 2023: „Impact assessment study to support the development of legally  binding EU nature restoration targets. Final Report“,  https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/db3e5d55-310c-11ee-946a-01aa75ed71a1 ↩︎
  5. Society for Conservation Biology et al. 2024: „Expression of Concern by  Scientific associations: Rollback of EU environmental legislation and  policies jeopardises the future of EU  citizens“, https://zenodo.org/records/11493585. ↩︎
  6. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240616_OTS0004/neue-umfrage-ueber-80-prozent-fordern-zustimmung-oesterreichs-zum-eu-renaturierungsgesetz ↩︎

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Dringender Appell für ein „Ja“ zur Renaturierungsverordnung

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Die Scientists for Future Österreich und Wissenschaftler:innen ihres Fachkollegiums begrüßen den Vorstoß der Landeshauptleute Peter Kaiser und Michael Ludwig sowie die Bemühungen von Bundesministerin Leonore Gewessler um die EU-Renaturierungsverordnung ausdrücklich.

Wir appellieren dringend, diesen vielversprechenden Weg weiterzugehen und diese Woche gemeinsam ein österreichisches „Ja“ zur Renaturierungsverordnung zu ermöglichen!  

Sie haben damit die Chance, ein Kernanliegen der Bürger:innen in Österreich und der Europäischen Union aufzugreifen, die sich mehrheitlich um den Naturverlust sorgen: Drei Viertel der Bürger:innen fordern verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur von der Politik1.

Warum brauchen wir die Verordnung?

  • Wiederherstellungsmaßnahmen schaffen CO2-Senken und stellen (z.B. Im Bereich von Flussrenaturierungen) Anpassungen an die Klimakrise dar2. Wie dringend solche Maßnahmen sind, zeigen die Extremwetterereignisse unter anderem im Burgenland und der Steiermark in den letzten Tagen. 
  • Ernährungssicherheit ist nur möglich, wenn Ökosystemleistungen z.B. durch Bestäuber sichergestellt sind; deshalb ist die Verordnung keine Bedrohung, sondern ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherheit. Zudem räumt die aktuelle Fassung der Verordnung für den als äußert unwahrscheinlich eingestuften Fall, dass die Ernährungssicherheit gefährdet würde, die Möglichkeit der vorübergehenden Aussetzung der Anwendung der Verordnung ein3.
  • Die Wirtschaft hängt von einer funktionsfähigen Natur ab4. Eine breite Allianz aus Unternehmer:innen hat die EU-Ratspräsidentschaft daher in einem Brief aufgefordert, eine Zustimmung zur Verordnung sicherzustellen5
  • Die Finanzierung von Wiederherstellungsprojekten profitiert in Österreich schon jetzt teilweise von EU-Fonds. Für die jährlichen Kosten der in der Verordnung angestrebten zusätzlichen Wiederherstellung sind neben den – bereits bestehenden – Möglichkeiten durch den Finanzrahmen der EU sowie Förderprogramme, neue Finanzierungen vorgesehen6. Zudem ist einer Wirkungsanalyse der EU-Kommission zufolge der Nutzen der Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in Österreich 12-mal höher als deren Kosten7. Das Nichthandeln belastet das österreichische Staatsbudget hingegen bereits jetzt mit mehreren Milliarden Euro pro Jahr8
  • Ökosysteme halten sich nicht an Ländergrenzen. Maßnahmen und Gesetze innerhalb Österreichs werden nicht ausreichen, um die Lebensqualität der Menschen in Österreich und der EU zukünftig zu sichern. Die Verordnung soll garantieren, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihren Beitrag zu einer gemeinsamen Herausforderung leisten.
  • Europa hat sich immer wieder als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung präsentiert. Die deutlichen Rückschritte in der Umsetzung des Europäischen Green Deals stellen diese Rolle in Frage9. Die Renaturierungsverordnung würde wesentlich dazu beitragen, unterzeichneten globalen Verträgen gerecht zu werden (UN-Kinderrechtskonvention, Globaler Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal, Pariser Klimaschutzabkommen). Sie ist eine große Chance für Österreich und die EU, sich international sichtbar für das Wohl von Menschen, Wirtschaft und Natur einzusetzen.

Die Stimmen der Wissenschaftler:innen des Fachkollegiums für die Renaturierungsverordnung

Obwohl wir der Erde schon zahlreiche Schäden zugefügt haben, versorgt sie uns (im globalen Norden) noch immer mit allem, was wir brauchen. Genau dies riskieren wir aber in zunehmendem Maße. Die Renaturierungsverordnung bietet die Chance, einen Teil der Schäden rückgängig zu machen, mindestens aber die Situation nicht noch weiter zu verschlimmern. Diese Chance nicht zu ergreifen, wäre fahrlässig und verantwortungslos. Assoc. Prof. Dr. Kirsten von Elverfeldt

Für Menschen, Tiere, Pflanzen und auch für Pilze ist das NRL zukunftsweisend und unbedingt nötig. Der globale Marktwert von Pilzen wird auf 54,57 Billionen USD geschätzt10. Pilze haben also enormen ökonomischen Wert und Einfluss auf die globale Wirtschaft. Die monetäre Bewertung von Pilzprodukten, Pilzen und deren Rolle im Ökosystem sollte daher auch entscheidend für politische Maßnahmen zur Erhaltung und Verwertung dieser am globalen Markt zunehmend präsenten Ressource sind. Der enorme finanzielle Wert von Pilzen untermauert das Argument, dass Landschaften erhalten werden müssen, um die darin enthaltenen natürlichen Ressourcen zu schützen. Bisher wurde nur ein kleiner Teil der Pilze in der Natur entdeckt. Somit sind Milliarden von Dollar an Pilzressourcen noch unentdeckt oder verloren, wenn ihre Lebensräume zerstört werden. Daher ist die Zustimmung zum Nature Restoration Law eine simple Notwendigkeit um eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern. Prof. Mag. Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber

Das EU-Renaturierungsgesetz ist eine zentrale Weichenstellung für die Umsetzung naturbasierter Lösungen, welche nicht nur dem Schutz vor klimabedingten Risiken wie Hochwasser dienen, sondern gleichzeitig auch Biodiversität fördern und durch zusätzliche Kohlenstoffspeicherung zur Minderung des Klimawandels beitragen. Nicht die Unterstützung dieses Gesetzes gefährdet Österreichs Lebensgrundlagen, sondern ein weiter wie bisher im sorglosen Umgang mit der Natur. Dr. Thomas Schinko

Die SPÖ hat die einmalige Chance zu zeigen, dass ihr Umwelt- und Klimaschutz auch in der Umsetzung wichtiger ist als der ÖVP. Umweltpolitischer Taktierer bei der EU-Wahl gewesen zu sein wird bei der Nationalratswahl nicht reichen. Assoc. Prof. Mag. Dr. Reinhard Steurer

Für unsere Kinder haben wir keine andere Wahl! Prof. Dr. Michael Wagreich 

So tragisch die aktuellen Hochwasser im Burgenland und der Steiermark für die Betroffenen auch sind, überraschend sind diese Extremwetterereignisse nicht. Die Klimafolgenforschung warnt seit Jahrzehnten vor häufigeren und intensiveren Niederschlägen und deren mitunter lebensbedrohlichen Folgen, benennt die Ursachen und zeigt der Politik konkrete Handlungsoptionen auf1112. Ein Ja zur EU-Renaturierungsverordnung wird der Bevölkerung demonstrieren, wer in Österreich politisch verantwortlich handelt. Das heißt, wer die Klimakrise und die Sorgen der Menschen um eine intakte Natur und ihre Gesundheit ernst nimmt und komplexen Fragen mit Sachverstand begegnet. Mag.rer.nat. Dr. phil. Ulli Weisz

Im Jahr 1777 erschien in der Zeitschrift „Neue Mannigfaltigkeiten“ ein Streitgespräch zwischeneinem Bach und einem Kanal. Der Kanal lobte seine wirtschaftliche Bedeutung, während derBach seine Ökosystemleistungen hervorhebt, wenn er dem Kanal widerspricht: „Die Krümmungen meines Laufs, die du so sehr verachtest, dienen dazu, die Erfrischung meines Wassers über einen größren Theil des Bodens zu verbreiten. […] Denn dein in tiefenSeitenwänden eingeschlossenes oder über Thäler gehobenes Wasser, läuft über, wird unnütze Last der Felder und ist bloß der Sklavenarbeit, vergängliche Güter zu tragen, behülflich; abermein Fluß beschenkt die Wiesen mit unveränderlicher Fruchtbarkeit.“13 Als Umwelthistorikerin finde ich es erstaunlich, wie lange diese Leistungen schon bekannt sind, noch mehr aber verwundert es mich, dass immer noch diskutiert wird, ob wir ein Renaturierungsgesetz brauchen – 247 Jahre Nachdenken über Ökosystemleistungen sollteneigentlich genug sein. Univ.-Prof. (i.R.) Ing. Dr. phil. Dr. h.c. Verena Winiwarter 

Ein Ja zur Renaturierungsverordnung ist ein Ja zu einem lebenswerten Österreich, einemÖsterreich, in demevidenzbasierte und sozial gerechte Politik für das Wohl der Bürger:innen des Landes Sorge trägt ganz im Auftrag der Wähler:innenschaft! 

Die Scientists for Future Österreich gemeinsam mit Wissenschaftler:innen ihres Fachkollegiums:

Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Benedikt Becsi University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Assoc. Prof. Dr. Kirsten von Elverfeldt; Assoc. Prof. Dr. Karlheinz Erb Director Institute of Social Ecology (SEC) University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber; Dr. Thomas Schinko, Senior Research Scholar and Research Group Leader (Equity & Justice Research Group), International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Laxenburg, Austria; Dipl.-Ing. Dr. Gunter Sperka ehem. Klimakoordinator des Landes Salzburg; Assoc. Prof. Mag. Dr. Reinhard Steurer University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Prof. Dr. Michael Wagreich Department of Geology Faculty of Earth Sciences, Geography and Astronomy, University of Vienna; Mag.rer.nat. Dr. phil. Ulli Weisz Univ.-Prof. (i.R.) Ing. Dr. phil. Dr. h.c. Verena Winiwarter.

  1. Savanta 2024: „Citizens’ perceptions on nature and biodiversity in the EU. Survey Results“, https://www.restorenature.eu/File/Citizens-survey-nature-biodiversity-NRL-EU.pdf und WWF 2024: „WWF-Umfrage: Große Mehrheit besorgt über Naturverlust“, https://www.wwf.at/wwf-umfrage-grosse-mehrheit-besorgt-ueber-naturverlust/ ↩︎
  2. IPCC, 2023: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 184 pp., doi: 10.59327/IPCC/AR6-9789291691647 ↩︎
  3. Siehe sowohl Punkt (88) der Verordnung als auch Art. 27 zur „Vorübergehenden Aussetzung“. ↩︎
  4. Corporate Leaders Group 2024: „Business Networks‘ Letter on the Nature Restoration Law“, https://www.corporateleadersgroup.com/files/clg_europe_led_letter_on_nature_restoration_-_may_2023.pdf ↩︎
  5. euobserver 2024: „Businesses join forces to call on EU to save nature restoration law“, https://euobserver.com/green-economy/arafdc52df ↩︎
  6. Umweltbundesamt: „Ökonomischer Nutzen“, https://www.umweltbundesamt.at/naturschutz/nature-restoration-regulation/oekonomischer-nutzen ↩︎
  7. EU 2023: „Impact assessment study to support the development of legally binding EU nature restoration targets. Final Report“, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/db3e5d55-310c-11ee-946a-01aa75ed71a1 ↩︎
  8. WIFO 2024: „Policy Brief: Budgetäre Kosten und Risiken durch klimapolitisches Nichthandeln und Klimarisiken“, https://www.wifo.ac.at/publication/49048/ ↩︎
  9. Society for Conservation Biology et al. 2024: „Expression of Concern by Scientific associations: Rollback of EU environmental legislation and policies jeopardises the future of EU citizens“, https://zenodo.org/records/11493585. ↩︎
  10. Allen Grace T. Niego A.G.T. et al. (2023) The contribution of fungi to the global economy.  Fungal Diversity 121: 95–137. https://doi.org/10.1007/s13225-023-00520-9 ↩︎
  11. IPCC 2023 (wie hier Fussnote 2). ↩︎
  12. Romanello, M. et al. The 2023 report of the Lancet Countdown on health and climate change: the imperative for a health-centred response in a world facing irreversible harms. The Lancet 402, 2346–2394 (2023). DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01859-7. ↩︎
  13. Der Kanal und der Bach. Ein Traum, aus dem Englischen, in: Neue Mannigfaltigkeiten 4 (1777), S. 33–37. ↩︎

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Offener Brief: Wissenschaftler:innen sind besorgt über Rückschritte in der EU-Umweltgesetzgebung

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Als Reaktion auf den Rückschritt in der Umweltgesetzgebung in der EU haben 11 wissenschaftliche Vereinigungen und Netzwerke am 29.05.2024 einen Offenen Brief veröffentlicht, in dem sie ihre ernste Besorgnis über diese Entscheidungen ausdrücken und zu verantwortungsvollem Handeln aufrufen.

Aktualisierung: Am 5. 6. haben insgesamt 20 Vereinigungen den Offenen Brief unterzeichnet. Der untenstehende Link führt zur aktuellsten Version.

Der Brief kann hier eingesehen werden

Übersetzung der Zusammenfassung (aus dem Englischen)

(Zur Übersetzung des Briefes geht es hier)

In diesem Offenen Brief bringen Wissenschaftsverbände und -netzwerke aus ganz Europa ihre tiefe Besorgnis über eine Reihe von Entscheidungen europäischer Entscheidungsträger zum Ausdruck, die die Umweltagenda der EU und ihre internationalen Verpflichtungen untergraben. Wir stellen fest, dass diese Angriffe auf den Green Deal die Natur gefährden und die Zukunft der EU-Bürger:innen aufs Spiel setzen.

Während die politischen Entscheidungsträger der EU behaupten, dass die Maßnahmen als Reaktion auf die Proteste der Landwirte getroffen wurden, betonen Wissenschaftler:innen, dass die Entscheidungen schlecht begründet sind, die Probleme, die sie lösen sollen, nicht angehen und gleichzeitig stichhaltige wissenschaftliche Beweise gegen sie ignorieren. Wir weisen insbesondere hin auf die Ablehnung der Verordnung zur nachhaltigen Nutzung (SUR), die Schwächung grundlegender Umweltstandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den Aufschub der Genehmigung des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur (NRL), den Vorschlag der Kommission für Ausnahmen in der Nitratrichtlinie und die Entscheidung der Kommission, den Rahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme (FSFS) auf Eis zu legen.

Die Wissenschaftsgemeinschaft hält diese Entscheidungen für schlecht begründet und gefährlich. Sie führen zu einem Rückbau von Umweltstandards und -vorschriften, von denen einige das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen sind und von Wissenschaft und Gesellschaft stark unterstützt werden.

In einer Zeit zahlreicher Krisen, die meist auf die Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen zurückzuführen sind, halten wir es für inakzeptabel, dass sich europäische Gouverneure dafür entscheiden, die Bedingungen, die diese Krisen verursachen, zu verschlimmern. Als Wissenschaftler:innen lehnen wir politische Entscheidungen, die diese vermeidbaren Krisen beschleunigen, entschieden ab.

Wir fordern die politischen Entscheidungsträger:innen auf, eine klare und ehrgeizige Agenda für den Umweltschutz und den Green Deal für die Zeit nach den Wahlen festzulegen, sich mit Wissenschaftler:innen zu beraten, um nicht auf der Grundlage von Fehlinformationen zu handeln, Änderungen innerhalb der GAP zurückzunehmen, die NRL dringend zu genehmigen und eine weitere Verwässerung der Umweltvorschriften und -politiken zu vermeiden.

Wir fordern außerdem Bürger:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien auf, eine verantwortungsvolle Politikgestaltung zu unterstützen, die eine sichere(re) Zukunft sichert.

Übersetzung des gesamten Briefs (aus dem Englischen)

Ausdruck der Besorgnis von Wissenschaftler:innen: Rückschritt in der EU-Umweltgesetzgebung und -politik gefährdet die Zukunft der EU-Bürger

Liebe Entscheidungsträger:innen,

Als Wissenschaftler:innen beobachten wir mit großer Sorge die überstürzte Deregulierung der Umweltstandards und -vorschriften in der EU und den ungerechtfertigten Widerstand gegen den Green Deal. Innerhalb von nur wenigen Monaten wurden Entscheidungen getroffen, die einem systematischen, rückschrittlichen Angriff auf den Green Deal gleichkommen. Diese Maßnahmen untergraben nicht nur die eigene Agenda der EU und ihre internationalen Verpflichtungen und ihre Rolle als globale Vorreiterin, sondern machen sogar vergangene Erfolge zunichte. Wir listen einige der wichtigsten Entscheidungen und Maßnahmen auf, für die wir eine schwache Begründung feststellen, gegen die wir aber substanzielle wissenschaftliche Beweise sehen.

1) Verordnung zur nachhaltigen Nutzung (Sustainable Use Regulation, SUR)

Der ursprüngliche SUR-Vorschlag der Kommission entsprach den eindeutigen Erkenntnissen über die breite und wachsende Verbreitung von Agrochemikalien in unseren Lebensmitteln und unserem Wasser und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Trotz wiederholter Abschwächung wurde die SUR vom Europäischen Parlament abgelehnt und dann von der Kommission zurückgezogen. Dabei ignorierten sie einen auf Fakten basierenden offenen Brief, der von 6.000 Wissenschaftler:innen unterzeichnet wurde, sowie einen Appell von über einer Million Bürger:innen zugunsten der SUR.

2) Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

Sowohl das Parlament als auch der Rat stimmten hastig für einen Vorschlag der Kommission, die Umweltwirksamkeit von fünf von neun grundlegenden Umweltstandards zu schwächen – darunter die Beseitigung von Brachen auf Ackerland und die Verbesserung der Möglichkeiten, Grünland in Ackerland umzuwandeln. Obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass diese Entscheidungen die Kernprobleme der Landwirte lösen würden, könnten sie die Risiken für die Landwirtschaft – und die Ernährungssicherheit – erhöhen, indem sie Bodenerosion, Bodendegradation und den Verlust der Artenvielfalt beschleunigen, die potenziellen Auswirkungen extremer Wetterereignisse verschlimmern und wichtige Ökosystemleistungen, die für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, wie Schädlingsbekämpfung, Bestäubung und Wasserrückhaltung, weiter beeinträchtigen.

3) Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (NRL)

Die Kosteneffizienz der Naturwiederherstellung ist bekannt. Die Tatsache, dass 80 % der Lebensraumtypen in der EU in schlechtem Zustand sind und die rasche Verschlechterung des Zustandes der Umwelt insgesamt zeigen die Dringlichkeit des NRL zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Dessen positive Beiträge für die Gesellschaft, darunter die menschliche Gesundheit, die Ernährungssicherheit, die Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Wetterereignissen und die Kohlenstoffbindung, wurden wiederholt von Wissenschaftler:innen, der Zivilgesellschaft und Unternehmen hervorgehoben und gefordert. Nach intensiven Trilogverhandlungen zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission wurde das NRL schließlich vom Parlament angenommen. Es wird nun von einigen Ländern verhindert, die verfahrensmäßige Minderheitenschutzbestimmungen anwenden, im Widerspruch zu einem etablierten wissenschaftlichen Konsens und einem Appell von über 1 Million Bürger:innen zugunsten des NRL.

4) Kommissionsentwurf für Ausnahmen in der Nitratrichtlinie

Die aktuellen Pläne der EU-Kommission zur Lockerung der Verpflichtungen im Rahmen der Nitratrichtlinie könnten zu einer erhöhten Nitratanwendung in der Landwirtschaft führen. Zu den Folgen gehören die Verschlechterung der Wasserqualität in Oberflächen- und Grundwasser sowie Auswirkungen auf nachgelagerte Gebiete, z. B. auf Nord- und Ostsee, deren Zustand bereits mehr als kritisch ist. Da die Stickstoffüberschüsse in mehreren Regionen Europas außergewöhnlich hoch sind, könnte diese Lockerung die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft (erneut) erhöhen, die Umweltverschmutzung verstärken und im Widerspruch zur Verpflichtung der EU stehen, Klimaneutralität anzustreben.

5) Rahmenwerk für nachhaltige Lebensmittelsysteme (FSFS):

Der Vorschlag der Kommission für ein FSFS, dessen Veröffentlichung für Herbst 2023 geplant war, könnte viele Bedenken sowohl der Landwirt:innen als auch der Verbraucher:innen ausräumen. Die Tatsache, dass er trotz Veröffentlichungsreife vom Schreibtisch der Kommission verschwand, rechtfertigt eine gesellschaftliche Debatte.

Dies sind nur wichtige Beispiele unter anderen – darunter die erneute Zulassung der Verwendung von Glyphosat für weitere 10 Jahre, die Herabstufung des „Bodengesundheitsgesetzes“ zu einer bloßen „Bodenüberwachung“, anhaltende Diskussionen über die Herabstufung des Schutzstatus großer Fleischfresser, Forderungen nach einer Abschwächung oder sogar Aufhebung der Entwaldungsverordnung und die Einstellung der Diskussionen über den strengen Schutz von Urwäldern. Diese Entscheidungen und Prozesse spiegeln einen allgemeinen Geist der Rücknahme von Umweltstandards und -vorschriften wider, von denen einige das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen sind, die von Wissenschaft und Gesellschaft stark unterstützt wurden.

Bei zu vielen Entscheidungsträger:innen der EU scheint eine umweltfeindliche Stimmung vorzuherrschen. Dies ist aus mehreren Gründen besorgniserregend: Erstens, weil viele Begründungen für diese Entscheidungen auf Fehlinformationen beruhen. Zweitens, weil diese Entscheidungen stark von den besonderen Interessen bestimmter Untergruppen und Wirtschaftsunternehmen innerhalb eines engen Spektrums der Gesellschaft beeinflusst zu sein scheinen – die sich teilweise in gewalttätigen und/oder undemokratischen Ansätzen äußern. Drittens, weil diese Entscheidungen im Widerspruch zu ihren eigenen erklärten Zielen stehen, indem sie gegen die Prinzipien der Nachhaltigkeit vertoßen. Nach bestem Wissen der Wissenschaft sind diese Entscheidungen nämlich schlecht begründet und gefährden unsere gemeinsame Zukunft – einschließlich der Zukunft der Landwirt:innen, denen sie angeblich helfen. Und schließlich sendet die EU als globale Vorreiterin in Sachen Klima-, Biodiversitäts- und Umweltgesetzgebung nun höchst bedauerliche Signale an den Rest der Welt.

In einer Zeit zahlreicher Krisen, die meist aus der Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen resultieren, ist es inakzeptabel, dass sich europäische Regierungen dafür entscheiden, die Bedingungen zu verschlimmern, die diese Krisen verursachen: nämlich die Übernutzung der Ressourcen der Erde, den Ausstoß von Treibhausgasen und Schadstoffen sowie die Entsorgung von Müll, Mikroplastik und giftigem Material um uns herum. Als Wissenschaftler:innen lehnen wir politische Entscheidungen, die diese vermeidbaren Krisen beschleunigen, entschieden ab. Wenn die Ernährungssicherheit auf dem Spiel steht, müssen die wahren Ursachen identifiziert und bekämpft werden. Diese sind umweltbedingt und werden durch sozioökonomische Faktoren verschärft. Dementsprechend sind wir der Ansicht, dass diese Entscheidungen angesichts der Gefahren, die sie mit sich bringen, gegen Kernprinzipien des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, wie etwa das Präventionsprinzip, das Vorsorgeprinzip (AEUV-Artikel 191) und die Sorgfaltspflicht.

Wir fordern die politischen Entscheidungsträger:innen auf,

• eine klare und ehrgeizige Agenda für den Umweltschutz und den Green Deal für die Zeit nach den Wahlen festzulegen und Umweltprobleme ernst zu nehmen, da sie eine ernsthafte Bedrohung für die Gesellschaft darstellen;

• im Zweifelsfall Wissenschaftler:innen zu konsultieren, um nicht auf der Grundlage von Fehlinformationen zu handeln;

• Änderungen innerhalb der GAP zurückzunehmen, da sie die Gefahr einer Verschärfung von Umweltproblemen und Gesundheitsgefahren bergen;

• das NRL als dringende Maßnahme zu genehmigen, um die Umsetzung bestehender Maßnahmen zur Bewältigung der Biodiversitätskrise und zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegenüber dem Klimawandel zu ergänzen und besser zu koordinieren;

• eine weitere Verwässerung der Umweltvorschriften und -politiken (Nitratrichtlinien, Entwaldungsverordnung) unbedingt zu vermeiden.

Abschließend rufen wir Bürger:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien dazu auf, eine verantwortungsvolle Politikgestaltung zu unterstützen, die eine sichere(re) Zukunft innerhalb der Grenzen unseres Planeten sichert.

Mit freundlichen Grüßen

Society for Conservation Biology – Region Europa

Scientists for Future (Interdisziplinäres Wissenschaftliches Gremium)

Society for Ecological Restoration Europe ALTER-Net

Ökologische Gesellschaft für Deutschland, Österreich und die Schweiz – European Ecological Federation

Niederländisches Netzwerk für ökologische Forschung EuropeForNature

Partnerschaft für Ökosystemdienstleistungen – Region Europa

International Mire Conservation Group

Society of Wetland Scientists

*

Die Society for Conservation Biology – Region Europa widmet sich der Erleichterung, Förderung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erforschung und Erhaltung der biologischen Vielfalt.
https://conbio.org/groups/sections/europe

Scientists for Future (Interdisziplinäres Wissenschaftliches Gremium) unterstützt die globale Klimabewegung, indem es Aktivisten, Politikern, Entscheidungsträgern, Pädagogen und der breiten Öffentlichkeit Fakten und Materialien auf der Grundlage zuverlässiger und anerkannter wissenschaftlicher Daten zur Verfügung stellt. Es ist ein unabhängiges und freiwilliges Kollektiv von Wissenschaftler:innen, Forscher:innen und Akademiker:innen aus allen Disziplinen, die durch die tiefe Sorge für eine gemeinsame Zukunft vereint sind:
https://scientists4future.org

Die Society for Ecological Restoration Europe ist ein Netzwerk, das die Wissenschaft, Praxis und Politik der ökologischen Wiederherstellung vorantreibt, um die Artenvielfalt zu erhalten, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu verbessern und ein ökologisch gesundes Verhältnis zwischen Natur und Kultur wiederherzustellen.
https://chapter.ser.org/europe/

Alter-Net ist das Netzwerk der führenden Institute aus 21 europäischen Ländern, die das Ziel der Integration ihrer Forschungsfähigkeit zur Beurteilung von Veränderungen in der biologischen Vielfalt analysieren, die Auswirkungen dieser Veränderungen auf Ökosystem-Leistungen und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger:inneneuropaweit zu informieren. https://alterneteurope.eu/

Die Gesellschaft für Ökologie E.V. ist der Ökologie in Wissenschaft und Praxis gewidmet. Die Gesellschaft unterstützt ökologische Forschung und Ausbildung und fördert den Austausch von Ökolog:innen in akademischen Einrichtungen, der öffentlichen Verwaltung und dem Privatsektor, indem sie jährliche Treffen und Arbeitsgruppen organisiert.

Das Niederländische ökologische Forschungsnetzwerk (NERN) ist das Netzwerk professioneller Ökolog:innen in den Niederlanden, an dem alle Universitäten und Forschungsinstitute mit einem Ökologieprogramm teilnehmen.

Die Initiative EurpeForNature setzt sich zum Ziel, Bürger:innen in Europa darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, Natur und Nachhaltigkeit zu priorisieren, und sie zu befähigen, ihre Stimme zu nutzen, indem sie: 1) das kollektive Fachwissen, die Erkenntnisse und Visionen von Wissenschaftler:innen in ganz Europa für eine nachhaltige Zukunft nutzen; und 2) durch proaktives Engagement und Lobbyarbeit eine breite öffentliche Unterstützung für nachhaltige europäische Politik demonstrieren.
https://europefornature.eu/

Ecosystem Services Partnership (ESP) – Europäische Region. ESP ist ein globales Netzwerk, das über 3.500 Menschen verbindet und Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen, Interessenvertreter:innen und politische Entscheidungsträger:innen im Bereich Ökosystemleistungen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene vernetzt. ESP zielt darauf ab, Kommunikation, Koordination und Zusammenarbeit zu verbessern und ein starkes Netzwerk von Einzelpersonen und Organisationen aufzubauen, die an Ökosystemdienstleistungen arbeiten.
http://www.es-partnership.org/

Die International Mire Conservation Group (IMCG) ist ein internationales Netzwerk von Spezialist:innen, die den Schutz von Mooren und verwandten Ökosystemen international fördern, unterstützen und, wo angemessen, koordinieren und den Austausch von Informationen und Erfahrungen in Bezug auf Moore und sie beeinflussende Faktoren international verbessern. IMCG umfasst über 550 Kontakte in fast 60 Ländern.
https://www.imcg.net/

Die Society of Wetland Scientists (SWS) setzt sich für die Förderung bewährter Verfahren in den Bereichen Feuchtgebietsforschung, -bildung, -erhaltung, -wiederherstellung und -management ein. Die SWS hat über 3.000 Mitglieder in mehr als 60 Ländern.
https://www.sws.org

Ausgewählte Links zu relevanten Veröffentlichungen und offenen Briefen von Wissenschaftler:innen:

Zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP):

  • Leopoldina (2020): Biodiversity and Management of Agricultural Landscapes,
    Published by the German National Academy of Sciences Leopoldina, Halle/Saale.
    https://bit.ly/3RVnXtW
  • WBAE (2019): Designing an effective agri-environment-climate policy as part of the post-2020 EU Common Agricultural Policy, Statement of the Scientific Board for Food and Environmental Policy (WBAE) at the Federal Ministry for Food and Agriculture, Berlin.
    https://bit.ly/4aDojvb
  • WBAE (2018): For an EU Common Agricultural Policy serving the public good after 2020: Fundamental questions and recommendations, Statement of the Scientific Board for Food and Environmental Policy (WBAE) at the Federal Ministry for Food and Agriculture, Berlin.
    https://bit.ly/4bKtLOk
  • Pe’er et al. (2020): Action needed for the EU Common Agricultural Policy to address sustainability challenges, People and Nature 2 (2): 305-316.
    https://doi.org/10.1002/pan3.10080
  • Pe’er et al. (2022): How can the European Common Agricultural Policy help halt biodiversity loss? Recommendations by over 300 experts, Conservation Letters 15 (6): e12901.
    https://doi.org/10.1111/conl.12901
  • Jongeneel, R.A. (2018): Research for AGRI Committee – The CAP support beyond 2020: assessing the future structure of direct payments and the rural developments interventions in the light of the EU agricultural and environmental challenges, European Parliament, Policy Department for Structural and Cohesion Policies,Brussels.
    http://bit.ly/2zStfOk

Zu NRL und SUR:

  • Pe’er et al. (2023) Scientists support the EU’s Green Deal and reject the unjustified argumentation against the Sustainable Use Regulation and the Nature Restoration Law. https://doi.org/10.5281/zenodo.8128624 – signed by 6000 scientists

Zum Renaturierungsgesetz (NRL):

Zu Fleischfressern in Europa:

  • Revilla et al. 2023. Institutional Science for Policy Report on the damages produced by and the conservation status of wolves in Europe. Estación Biológica de Doñana CSIC.
    https://digital.csic.es/handle/10261/337169

Zum Green Deal als Ganzes:

Titelbild: Martin Auer mithilfe von KI


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Offener Brief an Landeshauptmann Peter Kaiser

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EU-Renaturierungsgesetz: Dringender Appell an Landeshauptmann Kaiser für Umlaufbeschluss zum Renaturierungsgesetz

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kaiser!

Noch vor wenigen Tagen haben Sie in einem Standard-Interview erklärt „Der Schutz von Natur und Umwelt, der Schutz unserer Fauna und Flora, der Schutz gesunder Lebensbedingungen für unsere Kinder“ sind Ihnen ein Herzensanliegen.

Wir, die Scientists for Future Kärnten, nehmen Sie beim Wort. Deshalb appellieren wir an Sie, die Chancen, die das im Rat der Europäischen Union am 17. Juni 2024 zur Abstimmung stehende EU-Renaturierungsgesetzes bietet, zu ergreifen und einen Umlaufbeschluss unter den Landeshauptleuten zu initieren, der letztgültig klärt, welches Bundesland hinter dem überarbeiteten EU-Renaturierungsgesetz steht.

Die von Ihnen geäußerten Bedenken, das Gesetz ginge an der Lebensrealität der Menschen vorbei, sind unbegründet, denn nach dem Beschluss des Gesetzes liegt es in Ihrer Hand, die Maßnahmen zur Verbesserung von gestörten Ökosystemen für Kärnten und Österreich festzulegen. Im Renaturierungsgesetz, das im Europäischen Parlament mit den Stimmen Ihrer Fraktion beschlossen wurde und das der Spitzenkandidat Ihrer Partei, Andreas Schieder, sehr begrüßt hat, sind, wie vielfach falsch dargestellt, keine Enteignungen vorgesehen. Vorgesehen ist hingegen die Erhaltung der Versorgungssicherheit der 450 Millionen EU- Bürger, darunter 100 Millionen Kinder und Jugendliche.

Die Sicherung funktionaler Ökosysteme stellt die Lebensgrundlage dieser jungen Menschen dar. Die österreichische Zustimmung zu diesem wichtigen europäischen Vorhaben sollte nicht an Missverständnissen oder an bürokratischen Details scheitern. Fassen Sie sich also ein Herz und senden Sie einen neuerlichen Umlaufbeschluss zum aktuellen Renaturierungsgesetz an Ihre Kolleginnen und Kollegen. Es würde genügen, wenn lediglich Kärnten das Gesetz befürwortet. Dann wäre der Weg für die europaweite Umsetzung frei.

Wir hoffen auf Ihr Engagement für unser gemeinsames Herzensanliegen!

Scientists for Future Regionalgruppe Kärnten


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COP28: Was bringt der „Global Stocktake“?
von Martin Auer

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Lesedauer 4 Minuten.   

Bei der COP28 findet der erste „Global Stocktake“ auf Grund des Pariser Abkommens statt, eine Bilanz darüber, wie weit die Welt bei der Eindämmung der Klimakatastrophe (Mitigation), bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptation) und bei der Finanzierung dieser Bereiche gekommen ist. Laut dem Pariser Abkommen soll diese Bestandsaufnahme nun alle fünf Jahre erfolgen.

Der Global Stocktake beurteilt nicht die Fortschritte in einzelnen Ländern, sondern die Summe aller bisherigen Maßnahmen. Dadurch sollen individuelle Staaten ermutigt werden, ihre eigenen nationalen Ziele „hochzukurbeln“. Sobald der Global Stocktake abgeschlossen ist, haben die Länder zwei Jahre Zeit, ihre neuen „national festgelegten Beiträge“ (NDCs) vorlegen müssen. Die EU legt einen gemeinsamen Plan vor, in den der österreichische nationale Energie- und Klimaplan eingeht.

Der Global Stocktake gliedert sich in drei Phasen:

1. Sammlung von Informationen

Diese Phase begann bei der COP26 im November 2021 und endete mit den Bonner Klimagesprächen 2023. In dieser Phase wurden Berichte der einzelnen Länder, des IPCC, der Vereinten Nationen und dem Sekretariat des UN-Rahmenabkommens zum Klimawandel (UNFCCC) eingeholt. Aus diesen Informationen wurden 13 Syntheseberichte generiert: Stand der Treibhausgas-Emissionen, Stand der Anpassung, Stand der umfassenden Effekte der NDCs und der Finanzflüsse. Vier Reports kommen vom UNFCCC-Sekretariat, neun von den Vereinten Nationen, internationalen und regionalen Organisationen und Stakeholdern, die nicht dem Pariser Abkommen angehören. Das Global Stocktake-Portal des UNFCCC enthält über tausend Dokumente.

2. Technische Auswertung

Diese Phase (Mitte 2022 bis Mitte 2023) diente dazu, die Informationen der ersten Phase auszuwerten und jeweils in einem Synthesebericht zu Mitigation, Adaption und Finanzierung zusammenzufassen sowie einem übergreifenden Synthesebericht. Diese Phase wurde von zwei Moderatoren geleitet, einem aus einem entwickelten und einem aus einem sich entwickelnden Land, nämlich Farhan Akhtar aus den USA (Chief scientist for climate change US State Department) und Harald Winkler für Südafrika (Universität Kapstadt, Lead Autor IPCC Working Group III).

3. Politische Phase

Diese Phase findet bei der COP28 in Dubai vom 30. November bis 12. Dezember statt. Hierbei wird eine „Globalen Bestandsaufnahme“ durchgeführt, bei der die Erkenntnisse aus den Fachdialogen von den Regierungen der Mitgliedsstaaten bewertet werden. Von der COP28 werden Entscheidungen aufgrund des vorher erstellten Syntheseberichts erwartet, die ein größeres Engagement für die Ziele des Pariser Abkommens bewirken und dazu führen, dass die Vertragsstaaten ihre Klimaschutzanstrengungen verstärken.

Der Synthesebericht

Der Synthesebericht listet 17 Schlüsselerkenntnisse auf, die hier kurz zusammengefasst sind:

  1. Das Pariser Abkommen hat beinahe universell Klimamaßnahmen befördert, indem es Ziele gesetzt hat und Signale an die Welt gesendet hat, wie dringend es ist, die Klimakrise zu bewältigen. Es gibt Fortschritte, doch viel mehr muss an allen Fronten getan werden.
  2. Um die globale Antwort auf Bedrohung durch den Klimawandel im Kontext nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung, müssen Regierungen Systemtransformationen unterstützen, die Klima-Resilienz und niedrige Treibhausgas-Emissionen in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehören auch rigorose Berichterstattung und Glaubwürdigkeit.
  3. Systemtransformationen eröffnen viele Chancen, doch schneller Wandel kann zu Erschütterungen führen. Ein Fokus auf Inklusion und Gerechtigkeit kann die Unterstützung von Klimamaßnahmen fördern. Die am meisten vom Klimawandel Betroffenen müssen in die Erarbeitung von Lösungen einbezogen werden.
  4. Die globalen Emissionen entwickeln sich nicht entlang der Pfade, die für die Erreichung der Pariser Ziele notwendig sind. Das Fenster für die Erreichung des 1,5°C-Ziel schließt sich rapide.
  5. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Verwirklichung heimischer Klimaschutzmaßnahmen und beim Setzen ambitionierterer Ziele in den NDCs um die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken und netto null bei CO2 bis 2050 zu erreichen. Es existieren genügend kostengünstige Möglichkeiten, die Emissionslücke bis 2030 zu schließen, doch bestehen große Herausforderungen, diese Chancen mit dem nötigen Tempo und im nötigen Maßstab zu realisieren. Klimaschutzmaßnahmen, die auch erfolgreich zu anderen Nachhaltigkeitszielen beitragen, können hochskaliert und in verschiedenen Zusammenhängen vervielfältigt werden.
  6. Um netto null Emissionen zu erzielen, sind Systemveränderungen quer über alle Sektoren notwendig. Das schließt den Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso ein wie ein Auslaufenlassen aller fossilen Brennstoffe, deren Klimawirkung nicht durch technische Maßnahmen verhindert werden kann, ein Ende der Entwaldung, die Reduzierung von nicht-CO2-Treibhausgasen und Maßnahmen sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite. Maßnahmen zur Systemtransformation in Industrie, Transport und Bautätigkeit müssen rasch Prozess- und Energieemissionen senken. Ein Beenden und Rückgängigmachen von Entwaldung und die Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken sind entscheidend für die Minderung von Emissionen und die Erhaltung von Kohlenstoffsenken. Nachhaltige Landwirtschaft muss intensiviert werden, ohne die landwirtschaftlichen Flächen auszudehnen. Transformationen müssen die gesamte Ökonomie, die gesamte Gesellschaft erfassen.
  7. Maßnahmen zu einem gerechten Übergang („just transition“) können zu robusteren Ergebnissen beim Klimaschutz führen. Kollektive und partizipatorische Entscheidungsprozesse sind notwendig, um gesellschaftliche Erschütterungen zu vermeiden.
  8. Ökonomische Diversifikation ist eine Schlüsselstrategie um negative Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen aufzufangen. Dazu gehören eine grüne Industrialisierung und nachhaltige Lieferketten.
  9. Da der Klimawandel alle Länder, Gemeinschaften und Menschen rund um die Welt gleichermaßen bedroht, sind verstärkte Anpassungsmaßnahmen und Anstrengung zur Minimierung von Schäden und Verlusten („loss and damage“) und Maßnahmen zur Bewältigung dieser Schäden und Verluste notwendig, insbesondere für diejenigen, die am wenigsten auf Veränderungen vorbereitet sind und am wenigsten fähig, sich von Katastrophen zu erholen.
  10. Insgesamt gibt es gestiegene Ambitionen für Anpassung und Unterstützung für Anpassung, doch sind die meisten beobachteten Maßnahmen fragmentiert, auf bestimmte Sektoren beschränkt und über die Regionen ungleich verteilt.
  11. Wenn Anpassung sachkundig und in lokalen Kontexten angegangen und von der Bevölkerung getragen wird, kann das die Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhen. Gelegenheiten dafür gibt es in allen Sektoren und vorbildliche Praktiken sind gut dokumentiert.
  12. Vermeidung, Minimierung und Entschädigung von Verlusten und Schäden erfordern dringend Handlungen quer durch alle Klima- und Entwicklungsstrategien. Die bisher vorhersehbaren Auswirkungen des Klimawandels werden die Grenzen für Anpassungsmöglichkeiten überschreiten. Die Auswirkungen werden irreversibel sein, wenn die Temperaturerhöhung mehr als 1,5°C erreicht.
  13. Vermeidung, Minimierung und Entschädigung für Verluste und Schäden müssen rapide verstärkt werden und Finanzflüsse müssen der Notwendigkeiten einer klimaresilienten Entwicklung entsprechen.
  14. Verstärkte Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in sich entwickelnden Ländern bedeutet internationale Finanzierung strategisch einzusetzen. Zugang zu Finanzierungen für sich entwickelnde Länder muss besser ermöglicht werden.
  15. Um Finanzflüsse den Erfordernissen der Treibhausgasminimierung anzupassen, müssen Billionen von Dollars eingesetzt werden und Investitionen auf allen Gebieten in Klimaschutzmaßnahmen umgeleitet werden.
  16. Bestehende sauberere Technologien müssen rasch eingesetzt werden und Innovationen und Transfer neuer Technologien für die Bedürfnisse sich entwickelnder Länder beschleunigt werden.
  17. Der Ausbau menschlicher, gesellschaftlicher und institutioneller Kapazitäten ist grundlegend für breiten und nachhaltigen Klimaschutz. Die Unterstützung für sich entwickelnde Länder muss verstärkt werden, um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden und indigene und traditionelle Wissenssysteme müssen genützt werden.

Der Synthesebericht zeigt klar: Klare, zielgerichtete Entscheidungen sind nötig. Dubai und die COP 28 sind der Ort für diese Entscheidungen.


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Gold, Kupfer, Lithium: Schmutzige Rohstoffe aus Osteuropa für den Green Deal?
von Theresa Neunteufl und Martin Auer

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Lesedauer 7 Minuten.   

Der Bedarf an erneuerbaren Energien nimmt Jahr für Jahr zu. 2020 beispielsweise hat der Anteil an erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung in der EU erstmals Kohle und Gas abgehängt.1 Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist das sehr erfreulich. Doch die Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung des Stroms benötigen Rohstoffe, ebenso wie die elektronischen Geräte, die die Digitalisierung der Wirtschaft ermöglichen sollen. Um den wachsenden Bedarf an diesen Rohstoffen zu decken, bedarf es einer enormen Steigerung des Abbaus. Genau diesen Bedarf versucht die Europäische Kommission nun zu decken. Laut dem Bericht des Central and Eastern European Bankwatch Network2: „Raw Deal“ vom Jänner 2021 passiert dies jedoch häufig unter Missachtung von fairen Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen und Artenschutz.

„Gold, Kupfer, Lithium: Schmutzige Rohstoffe aus Osteuropa für den Green Deal?
von Theresa Neunteufl und Martin Auer
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