100% Renewables

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Lesedauer 4 Minuten

von Marco Sulzgruber

Kommen wir nur mit Energie aus erneuerbaren Quellen aus?

Um die globale Erwärmung einzuschränken wird es notwendig sein, die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen drastisch zu reduzieren oder ganz zu beenden. Aber kann der globale Energiebedarf überhaupt nur mit erneuerbaren Quellen gedeckt werden? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zuerst die Frage stellen, wie viel Energie die Menschheit eigentlich braucht und in Zukunft brauchen wird. Dazu gibt es unterschiedliche Modelle und Szenarien, in manchen bleibt der Energiebedarf in etwa gleich, in manchen wird er ansteigen und in anderen sinken. Laut einer Prognose von Statista wird bis 2050 global jährlich fast anderthalbmal so viel Energie verbraucht werden, wie noch 2020.

„Die Forschung meines Teams folgt dem Prinzip eines stetigen Anstiegs der Energiedienstleistungen“ gibt auch Christian Breyer Scientists4Future gegenüber Auskunft. Der Professor für Solarwirtschaft an der finnischen LUT Universität ist einer der Autor:innen eines kürzlich erschienenen Papers[1], das die bisherige Forschung über Energiesysteme zusammenfasst, die zu 100% aus erneuerbarer Energie bestehen. Die zentrale These: Bis 2050 wäre es durchaus möglich, den globalen Energiebedarf kostengünstig mit erneuerbaren Quellen zu decken. Wichtige Elemente dabei sind neben der Gewinnung von nutzbarer Energie auch die Fähigkeit, sie zu speichern und die Art und Weise, wie sie verbraucht wird. Professor Breyer geht etwa von einer verstärkten Elektrifizierung aus: „teilweise reduziert das den finalen Energiebedarf (man denke an Fahrzeuge mit Elektrobatterien gegen Verbrennungsfahrzeuge) und es reduziert auch massiv den Bedarf an primärer Energie, durch das Auslaufenlassen von ineffizienten Verbrennungsprozessen“. Auch beim Heizen und Kühlen wären moderne Wärmepumpen effizienter, als heute übliche Prozesse und diese gesteigerte Effizienz sei wichtig, denn dass ein Großteil der Menschen ihren Lebenswandel ändern und zum Beispiel weniger oft ins Flugzeug steigen wird, glaubt Breyer nicht.

Die Energiequellen der Zukunft: Wind, Sonne & Wasser

Bei der Energiegewinnung selbst werden laut Paper vorwiegend Photovoltaik und Windräder zum Einsatz kommen. Auf regionaler oder nationaler Ebene soll aber auch Wasserkraft eine Rolle spielen. Bereits jetzt gewinnen einige (vor allem kleinere) Länder wie Albanien, Costa Rica, Norwegen oder Island ihren Strom fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken. Die Länder Paraguay und Bhutan produzieren sogar so viel Strom aus Wasserkraft, dass ein großer Teil davon exportiert werden kann. In einigen größeren Ländern fußt außerdem regional fast die gesamte Stromerzeugung auf Wasserkraft, etwa auf Tasmanien, in Teilen des amerikanischen Bundesstaates Washington und in mehreren Provinzen Kanadas. Wieder andere Länder, etwa Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo haben zwar Wasserkraftwerke, die einen Großteil des verfügbaren Stroms produzieren, allerdings hat hier bei weitem nicht die gesamte Bevölkerung Zugang zu Stromverbrauch. Dies könnte sich in Zukunft noch verschärfen, denn der Klimawandel stellt für diese Art von Energiegewinnung ein Problem dar.

„Trockenperioden sind eine große Herausforderung für Länder, die auf Wasserkraft setzen, gar keine Zweifel“ so Breyer. Allerdings: „In unseren Studien haben wir bemerkt, dass die Kombination mit solarer PV und Windkraft eine große Hilfe sind, das Risiko auszubalancieren. Vielleicht wird in solchen Ländern eine strategische Reserve für Dürre-Jahre gebraucht“. Auch andere Probleme mit Wasserkraft werden im Paper beschrieben, denn durch den Bau von Staudämmen müssen teilweise indigene Bevölkerungsgruppen umgesiedelt werden. Überhaupt sind Stauseen ein großer Eingriff in die Natur und können eine große Belastung für die Biodiversität sein (Hinweis: Scientists4Future veranstaltete zum Thema Naturschutz/Landschaftsschutz vs. Klimaschutz am 29.09.2022 einen Talk for Future, der bald auch hier nachgesehen werden kann). Aus diesem Grund hat sich Professor Breyer etwa gegen den Bau der Grand-Inga-Dämme in der Demokratischen Republik Kongo ausgesprochen, die eine Gefährdung für hunderte endemische Spezies bedeuten würde.

Auch Bioenergie aus Energiepflanzen oder Biokraftstoffen erteilt Breyer eine Absage. Diese stünden „in einem massiven Konflikt mit Biodiversität und Nahrungssicherheit“ und hätten eine extrem niedrige Energieeffizienz. In seinen Modellen verwendet Breyer nur Bioenergie aus Abfällen und Nebenprodukten, weist aber darauf hin, dass andere Wissenschaftler hier unterschiedliche Ansätze verwenden würden.

Verfügbarkeit und Effizienz der Energiegewinnung sind heutzutage keine Argumente mehr gegen erneuerbare Energien

Neben potentiellen Schäden an der Biodiversität werden auch andere Kritikpunkte an der Idee, Energie nur aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, in dem neuen Paper diskutiert. Kein unlösbares Problem ist laut den Autor:innen beispielsweise die von Kritiker:innen oft angeführte Tatsache, dass Solar- und Windkraftwerke nicht durchgehend ihre Höchstleistungen liefern können. Hier gäbe es nämlich eine Reihe von Maßnahmen, die zur Stabilisierung der Energieverfügbarkeit beitragen können. Ein Beispiel ist die Erzeugung von Wasserstoff zu Zeiten, wo mehr Strom erzeugt wird, als verbraucht werden kann. Dieser Wasserstoff kann dann wieder in Energie umgewandelt werden, wenn der Stromverbrauch die -erzeugung übersteigt. Auch die Kritiken, dass Strom aus Photovoltaik und Wasserkraft zu teuer, oder der energetische Return on Investment zu gering wäre, sind laut den Autor:innen veraltet und würden durch neue Technologien immer mehr an Bedeutung verlieren.

Die größten Problempunkte: Rohstoffgewinnung und -Entsorgung

Gewichtiger sei die Frage nach der Rohstoffgewinnung für den Bau von Anlagen. Doch auch hier könnte durch neue Strategien und Technologien Abhilfe geschafft werden. Ein Beispiel ist Lithium, das etwa in Batterien verwendet wird. Hier wird ein mögliches Recyclingsystem für Lithium angeführt, außerdem wäre es möglich, dass die Kosten für die Extraktion von Lithium aus Meerwasser in Zukunft deutlich sinken werden, oder dass der Bedarf sinkt, weil etwa Batterien, die stattdessen auf Natrium-Ionen basieren, praktikabler werden. Auch andere Materialien, wie Kobalt, Silber oder Magnete aus Neodym und Dysprosium, die beim Bau von Windturbinen und Elektrofahrzeugen verwendet werden, könnten bei Knappheit durch leichter verfügbare Ressourcen ersetzt werden.

Ein zusätzliches Problem ist die Entsorgung von Bauteilen, da diese oft giftige Schwermetalle enthalten. Dies verstärkt sich dadurch, dass etwa Photovoltaikanlagen oft schon vorzeitig entsorgt werden, weil neue Generationen der Anlagen mit besserer Leistung auf den Markt kommen. Auch bei der Erzeugung von Solarpanelen ist die Belastung durch toxische Komponenten ein Problem. Hier muss auch der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit genannt werden, denn während vor allem wohlhabende Bevölkerungsschichten die Möglichkeit haben, auf eigenen Dächern Photovoltaikanlagen zu installieren und so vom erzeugten Strom zu profitieren, trifft die gesundheitliche Belastung vor allem die Arbeiter:innen, die an der Herstellung, Installation und später der Entsorgung der Anlagen beteiligt sind.

Dennoch: Erneuerbare Energien sind insgesamt deutlich weniger schädlich als fossile Brennstoffe

Allen Kritikpunkten kann laut Breyer und seinen Koautor:innen jedenfalls eines entgegengestellt werden: „Erneuerbare Energie ist immer noch in fast jeder Hinsicht weniger schädlich, als fossile Brennstoffe“ und während Probleme bei Letzteren möglicherweise inhärent und unlösbar sind, könnten sie bei erneuerbarer Energie verhindert, oder zumindest minimiert werden. Dass beispielsweise Ressourcen auf der Welt ungleich verteilt sind, trifft etwa auch auf Erdöl-Vorkommen zu und auch hier sind Länder mit besonders hohen Fördermengen nicht immer Musterschüler, wenn es um soziale Gerechtigkeit oder Einhalten der Menschenrechte geht. Und während einige seltene Elemente sich grundsätzlich aus alten Solarpanelen oder Batterien zurückgewinnen lassen, ist das bei fossilen Brennstoffen, wenn sie einmal verbrannt sind, nicht mehr möglich.


[1] Breyer, Christian et al (2022).: On the History and Future of 100% Renewable Energy Systems Research- In: IEEE Access 10. Online: https://ieeexplore.ieee.org/document/9837910



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Raus aus Öl und Gas! Aber woher dann den Schwefel nehmen?

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Lesedauer 3 Minuten

von Martin Auer

Jede Lösung schafft neue Probleme. Um die Klimakrise einzudämmen, müssen wir so schnell wie möglich aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Doch Erdöl und Erdgas enthalten normalerweise 1 bis 3 Prozent Schwefel. Und dieser Schwefel wird gebraucht. Und zwar bei der Herstellung von Phosphatdünger und bei der Extraktion von Metallen, die für die neuen grünen Technologien benötigt werden, von Photovoltaik-Anlagen bis zu Batterien für Elektrofahrzeuge. 

Die Welt verbraucht derzeit jährlich 246 Millionen Tonnen Schwefelsäure.  Mehr als 80 Prozent des weltweit genutzten Schwefels stammen aus fossilen Energieträgern. Schwefel fällt derzeit als Abfallprodukt bei der Reinigung der fossilen Produkte an, um die Schwefeldioxid-Emissionen einzuschränken, die sauren Regen verursachen. Der Ausstieg aus diesen Energieträgern wird das Angebot an Schwefel drastisch reduzieren, während die Nachfrage aber steigen wird. 

Mark Maslin ist Professor für Erdsystemwissenschaften am University College London. Eine unter seiner Leitung durchgeführte Studie[1] hat ergeben, dass beim Ausstieg aus Fossilen, der notwendig ist, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, im Jahr 2040 bis zu 320 Millionen Tonnen Schwefel fehlen werden, also mehr, als wir heute jährlich verbrauchen. Das würde zu einem Anstieg der Preise für Schwefelsäure führen. Diese Preise könnten eher von den hochprofitablen „grünen“ Industrien verkraftet werden, als von den Düngemittelproduzenten. Das wiederum würde zu einer Verteuerung des Düngers und damit zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen. Vor allem kleine Produzenten in ärmeren Ländern könnten sich weniger Dünger leisten und ihre Erträge würden zurückgehen.

Schwefel kommt in vielen Produkten vor, von Autoreifen bis zu Papier und Waschmitteln. Doch seine wichtigste Anwendung findet er in der chemischen Industrie, wo die Schwefelsäure gebraucht wird, um eine breite Palette von Materialien aufzuspalten. 

Das rapide Wachstum von CO2-armen Technologien wie Hochleistungsbatterien, leichten Fahrzeugmotoren oder Solarpaneelen wird zu einer Steigerung des Abbaus von Mineralien führen, vor allem kobalt- und nickelhaltigen Erzen. Die Nachfrage nach Kobalt könnte bis 2050 um 460 Prozent zunehmen, die nach Nickel um 99 Prozent und nach Neodymium um 37 Prozent. Alle diese Metalle werden heutzutage mithilfe von großen Mengen Schwefelsäure extrahiert.
Die Zunahme der Weltbevölkerung und geänderte Essgewohnheiten werden auch die Nachfrage der Düngerindustrie nach Schwefelsäure steigern.

Es gibt zwar einen gewaltigen Vorrat an Sulfatmineralen, Eisensulfiden und elementarem Schwefel, unter anderem in vulkanischem Gestein, doch müsste zu ihrer Gewinnung der Abbau drastisch erweitert werden. Sulfate in Schwefel umzuwandeln braucht viel Energie und verursacht bei den derzeitigen Methoden große Mengen an CO2-Emissionen. Die Gewinnung und Verarbeitung von Schwefel bzw. Sulfidmineralien kann eine Quelle von Luft-, Boden und Wasserverschmutzung sein,  zur Versauerung von Oberflächen- und Grundwasser führen und Gifte wie Arsen, Thallium und Quecksilber freisetzen. Und intensiver Bergbau ist immer wieder mit Menschenrechtsproblemen verbunden.

Recycling und Innovation

Es müssen also neue Quellen für Schwefel gefunden werden, der nicht aus fossilen Brennstoffen stammt. Zusätzlich muss die Nachfrage nach Schwefel durch Recycling und durch innovative Industrieprozesse gesenkt werden, die mit weniger Schwefelsäure auskommen.

Phosphate aus Abwässern zurückzugewinnen und zu Dünger zu verarbeiten, würde die Notwendigkeit reduzieren, Schwefelsäure zur Verarbeitung von Phosphatgesteinen zu verwenden. Das würde helfen, einerseits den begrenzten Vorrat an Phosphatgesteinen zu schonen und andererseits die Überdüngung von Gewässern zu verringern. Durch Überdüngung hervorgerufene Algenblüten führen zu Sauerstoffmangel und ersticken so Fische und Pflanzen. 

Mehr Lithium-Batterien zu recyceln wäre ebenfalls ein Beitrag zur Lösung des Problem. Auch die Entwicklung von Batterien und Motoren, die weniger der seltenen Metalle brauchen, würde zu einer Verringerung des Bedarfs an Schwefelsäure führen.

Die Speicherung von erneuerbarer Energie ohne den Einsatz von Batterien, durch Technologien, die  zum Beispiel komprimierte Luft nutzen oder die Schwerkraft oder die kinetische Energie von Schwungrädern und andere Innovationen, würde sowohl den Bedarf an Schwefelsäure wie an fossilen Brennstoffen reduzieren und die Dekarbonisierung vorantreiben. In Zukunft könnten auch Bakterien eingesetzt werden, um Schwefel aus Sulfaten zu gewinnen.

Nationale und internationale Politiken müssen also bei der Planung der Dekarbonisierung auch die zukünftige Knappheit an Schwefel in Betracht ziehen, indem sie Recycling fördern und alternative Quellen finden, die möglichst geringe soziale und Umweltkosten mit sich bringen.

Titelbild: Prasanta Kr Dutta auf Unsplash

Gesichtet: Fabian Schipfer


[1]    Maslin, M., Van Heerde, L. & Day, S. (2022) Sulfur: A potential resource crisis that could stifle green technology and threaten food security as the world decarbonises. The Geographical Journal, 00, 1– 8. Online: https://rgs-ibg.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/geoj.12475

Bzw: https://theconversation.com/sulfuric-acid-the-next-resource-crisis-that-could-stifle-green-tech-and-threaten-food-security-186765



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Gold, Kupfer, Lithium: Schmutzige Rohstoffe aus Osteuropa für den Green Deal?
von Theresa Neunteufl und Martin Auer

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Der Bedarf an erneuerbaren Energien nimmt Jahr für Jahr zu. 2020 beispielsweise hat der Anteil an erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung in der EU erstmals Kohle und Gas abgehängt.1 Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist das sehr erfreulich. Doch die Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung des Stroms benötigen Rohstoffe, ebenso wie die elektronischen Geräte, die die Digitalisierung der Wirtschaft ermöglichen sollen. Um den wachsenden Bedarf an diesen Rohstoffen zu decken, bedarf es einer enormen Steigerung des Abbaus. Genau diesen Bedarf versucht die Europäische Kommission nun zu decken. Laut dem Bericht des Central and Eastern European Bankwatch Network2: „Raw Deal“ vom Jänner 2021 passiert dies jedoch häufig unter Missachtung von fairen Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen und Artenschutz.

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„Nachhaltige“ Atomkraft? Nein, danke!
von Klaus Jäger

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Die EU-Klimataxonomie soll – so der Plan – Greenwashing im Finanzbereich verhindern. Wer also z.B. sein Geld in einen Öko-Fonds investiert, soll sicher sein können, dass das Geld zur Finanzierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten verwendet wird und nicht Firmen zugute kommt, die sich selbst als grüner darstellen, als sie wirklich sind. So soll Geld von großen und kleinen Anleger*innen in nachhaltige Bereiche gelenkt werden. Was als nachhaltig und ökologisch gilt, soll detailliert in dieser Taxonomieverordnung beschrieben werden. Nach dem letzten EU-Gipfel hat Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärt, dass neben Erneuerbaren auch „eine verlässliche Energiequelle – Atomkraft – und während der Übergangszeit auch Gas“ benötigt würde, und deshalb als nachhaltig in die Taxonomie aufgenommen werden würden1. Österreich lehnt beides ab. Umweltministerin Gewessler hat während des Glasgower Klimagipfels zusammen mit den deutschen, dänischen, luxemburgischen und portugiesischen Umweltminister*innen eine gemeinsame Erklärung für eine atomkraftfreie EU-Taxonomie veröffentlicht2. In der EU führt Frankreich eine Gruppe von Ländern an, die darauf drängen, Atomkraft aufzunehmen. Frankreich bezieht 70 Prozent seiner Energie aus Atomkraftwerken. Die Entscheidung soll noch vor Jahresende fallen. Ministerin Gewessler hat angekündigt, dass sie gegen eine Entscheidung zugunsten von Atomkraft und Gas notfalls auch gerichtlich vorgehen will3. Das Umweltministerium hat schon im Vorjahr eine Studie zu dem Thema in Auftrag gegeben. Sigrid Stagl, Professorin für Umweltökonomie und Umweltpolitik an der WU Wien, hat diese Studie durchgeführt. Die Studie4 hat ergeben, dass die Kernenergie nicht nachhaltig ist und kein Beitrag zum Klimaschutz liefert. Stagl und Gewessler haben sie gemeinsam in einer Pressekonferenz5 im Februar vorgestellt. Sigrid Stagl ist seit kurzem auch Mitglied des Fachkollegiums von Scientists for Future Österreich. Was die Studie im Detail besagt, ist in diesem Beitrag zu lesen.

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Was kann Atomkraft zum Kampf gegen die Erderhitzung beitragen?
von Klaus Jäger

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Mit Hilfe des En-ROADS Klimasimulators können Sie sich selbst die Frage beantworten, ob ein weiterer Ausbau der Atomkraft einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz liefern kann. Das Ergebnis ist bescheiden. Es müssten weltweit in den nächsten 80 Jahren mindestens 2100 Atomkraftwerke neu gebaut werden, um eine Reduktion der Klimaerwärmung um ein Zehntel Grad zu erreichen.

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Talks for Future: (Irr-)Wege aus der Klimakrise

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mit

Philipp Steininger – Fridays for Future
Mag. Lukas Hammer – Abgeordneter zum Nationalrat, die Grünen
Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl – Institute of Ecological Economics, Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. René Sedmik – Atominstitut, Technische Universität Wien
Dr. Fabian Schipfer – Energy Economics Group, Technische Universität Wien

Moderation: Philip Pramer – Ressortleiter „Edition Zukunft“, Der Standard
Begrüßung: Markus Palzer-Khomenko MSc.
Technische Abwicklung: Dr. Martin Hoffmann

"(Irr-)Wege aus der Klimakrise" | Talks for Future vom 1.7.2021

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Der Hintergrund

Der ursprüngliche Anlass für diese Diskussion war, dass die Wirtschaftskammer Oberösterreich propagiert, Ölheizungen und Verbrennungsmotoren könnten angesichts der Klimakrise doch beibehalten werden, da über kurz oder lang synthetische Brennstoffe die fossilen ersetzen würden. Scientists for Future haben sich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und dazu auch eine Stellungnahme veröffentlicht. In dieser Diskussionsrunde sollte die Frage nach den Versprechungen, die uns neue Technologien machen, etwas breiter gefasst werde. Leider hat, wie Markus Palzer von S4F einleitend sagt, die Wirtschaftskammer die Einladung zur Diskussion nicht angenommen.

Wir fassen hier die wichtigsten Aussagen und Diskussionbeiträge zusammen.

Die Eingangsstatements

Lukas Hammer von den Grünen: Die Technologien für die Energiewende sind bereits vorhanden. Wir dürfen nicht auf etwas hoffen, dass es noch nicht gibt. Er spricht sich für echte Technologieoffenheit aus und nennt als Beispiel, dass Wasserstoff als Antrieb für Autos nicht sinnvoll sei, aber sehr wohl beim Einsatz in der Stahlproduktion.

Stefan Gara von den Neos ist Physiker und hat sich schon immer mit Photovoltaik auseinandergesetzt: Die vorhandenen Technologien sind jetzt schon wirtschaftlich und es braucht eine intelligente Vernetzung der Energiesystem. Die Diskussion darüber, wann wir Klimaneutralität erreichen wollen, ist schon obsolet. Wir brauchen einen klaren Ausstiegspfad, und das muss sich im Budget widerspiegeln. Allein in Wien müssen in den nächsten 20 Jahren 24.000 Gasheizungen getauscht werden.

Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien: Die Veränderung der Wirtschaft erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise. Die ökologische Ökonomie fragt: Was sind eigentlich die Ziele des Wirtschaftens? Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts? Die Erhaltung der Arbeitsplätze? Oder das Wohlbefinden der Bevölkerung und die Beseitigung von sozialer Ungleichheit? Die Ziele der Wirtschaft müssen nicht nur eine, sondern mehrere Dimensionen haben.

René Sedmik ist Physiker und befasst sich beruflich am Atominstitut mit Theorien zu dunkler Materie und dunkler Energie. Für S4F beschäftigt er sich auch mit den aktuellen Energiesystemen: Zur Bewältigung der Klimakrise brauchen wir einen klaren Plan. Zwar werden wir in Zukunft auch CO2 aus der Atmosphäre zurückholen müssen, doch müssen wir jetzt vor allem mit der CO2-Vermeidung beginnen, denn dies ist der schnellere und einfachere Weg. Allerdings ist das Hintergrundwissen dazu in der Bevölkerung immer noch nicht weit verbreitet. Viele denken, ihr eigener Einfluss wäre unwirksam. Doch jede und jeder Einzelne kann wirksam beitragen, zum Beispiel beim Thema Heizen. Allein eine gute thermische Isolation könnte 70% Heizkosten und damit auch CO2 einsparen.

Fabian Schipfer von S4F forscht beruflich an Energiesystemmodellen. Bei S4F leitet er die Arbeitsgruppe Faktencheck: Wir haben noch einigen Raum für Innovationen, und zwar nicht nur technische, sondern auch organisatorische und soziale Innovationen. Die Gesellschaft muss an den Entscheidungen Anteil haben, und besonders dezentrale Lösungen haben da große Möglichkeiten.

Philipp Steininger von Fridays for Future: Wir müssen vom Wissen zum Handeln kommen. Der Bau des Lobautunnels steht im Widerspruch zum Anspruch der Stadt Wien, Klimamusterstadt zu sein.

Die Problemstellungen

Lukas Hammer knüpft an: Die Verkehrsministerin hat angekündigt, dass sie das Bauprogramm der ASFINAG evaluieren wird. Sofort kommt der Aufschrei: Die Zukunft einer ganzen Region sei in Gefahr. Wenn es konkret wird, fallen viele in die alten Denkmuster zurück.

René Sedmik erklärt, was synthetische Treibstoffe sind und wie sie hergestellt werden. Das Verfahren ist eigentlich schon alt. Doch um CO2-neutrale synthetische Treibstoffe herzustellen, braucht man Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Dabei verliert man aber 60 Prozent der Energie durch Umwandlungsverluste. Um Verkehr und Heizung auf synthetische Treibstoffe umzustellen, bräuchten wir zwanzig Mal so viel erneuerbare Stromproduktion, wie aktuell geplant ist.

Philip Pramer vom Standard: Warum wird das so vorangetrieben?

Stefan Gara: Durch diese Lobbyarbeit will man möglichst die bestehenden Strukturen erhalten. Man kennt das Geschäftsmodell, und fürchtet neue Geschäftsmodelle.

Fabian Schipfer: Auch wenn wir jetzt schon eine Pilotanlage haben, müssen wir uns Fragen: Wie lange dauert es, bis wir genügend Anlagen haben? Dieser Treibstoff wird sehr teuer sein.

Einige Lösungsideen

Lukas Hammer: Das Ziel sollte sein, unsere Energie selbst zu produzieren. Wir müssen dafür sorgen, dass klimafreundliches Verhalten belohnt wird. Alternativen bieten, Förderungen bieten. Und wir brauchen die ökosoziale Steuerreform, um Umweltfolgekosten einzupreisen.

Sigrid Stagl: Die klassische Ökonomie erwartet, dass die Individuen sich nachhaltig verhalten. Aber wenn die Strukturen so sind, dass nachhaltiges Verhalten teurer und mühsamer ist, kann man sich nur wundern, dass so viele sich bemühen, nachhaltig zu handeln. Märkte sind Regelwerke. Und Regeln sind menschengemacht und können geändert werden. Aktuell stammen viele unserer Regelwerke von alten Problemstellungen, entsprechen aber nicht mehr den aktuellen Problemen.

Fabian Schipfer: Wir brauchen die Steuerung durch den Markt, aber auch durch Regulierung. Die Bevölkerung braucht Möglichkeiten, sich ein besseres Leben zu schaffen.

Sigrid Stagl: Wir müssen zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Interessen unterscheiden: Welche Teile der Wirtschaft werden hier von wem geschützt? Auf die Frage, wie hoch der CO2-Preis sein soll, meint sie: Ab 100 € pro Tonne beginnen wir zu diskutieren. Aber Untersuchungen sagen, dass die wahren Kosten bis zu 600 € pro Tonne betragen. Es geht darum, den Preis so hochzutreiben, dass die Reduktion stattfindet. Aber je mehr Reduktion durch Regulierung erreicht wird, umso weniger muss der CO2-Preis erhöht werden.

Philipp Steininger: Fridays for Future fordert, dass bis 2030 500 Mio t CO2 eingespart werden. Fossile Subventionen müssen schnellstmöglich abgeschafft werden. Die Einnahmen durch eine CO2-Steuer sollen auch für klimagünstige Förderungen verwendet werden.

René Sedmik: Wir können diese Ausgaben als Investitionen ansehen – Investitionen gegen wachsende Klimafolgekosten: Für 2050 rechnet man mit 8 Mrd. € Klimafolgenkosten für Österreich. Dabei werden Kosten durch einen höheren Bedarf im Gesundheitssektor, aber auch durch stärkere und häufigere Naturkatastrophen und Ernteausfälle verursacht. Auch hierbei leidet die Wirtschaft. Wenn wir jetzt investieren, können wir viel davon vermeiden.

Ein Vorbild sein

Stefan Gara: Wir müssen in kleinen Strukturen denken, die auch viel versorgungssicherer sind. Mit innovativen Konzepten und Beispielen kann Österreich ein Vorbild für andere Regionen sein und zeigen, dass es geht.

Fabian Schipfer: Wir dürfen die Verantwortung nicht auf andere abwälzen.

Philpp Steininger: Österreich kann Vorreiterin sein. Wenn wir es nicht schaffen, wer soll es dann schaffen?

Lukas Hammer und Stefan Gara: Es braucht auch den Druck von der Straße, von der Zivilgesellschaft.

Sigrid Stagl: Konflikte müssen angesprochen werden. Es ist wichtig, den Blick für Scheinlösungen zu schärfen. Was ist wirklich transformativ?

Schlußworte

René Sedmik spricht den anwesenden Politikern Lob aus. Wir sollen erwachsener reagieren, das heißt mehr auf die Fakten reagieren als auf unsere persönlichen Befindlichkeiten.

Stellen wir uns die Frage: Was bedeutet Wohlstand? Konsummaximierung kann nicht das Lebensziel sein. Wohlstand bedeutet, dass wir rausgehen können und eine gesunde Umwelt vorfinden. Eine Welt, die jedem eine Lebensgrundlage bietet, vorallem auch für kommende Generationen.



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