Update zum Offenen Brief der Fachgruppe Bodenverbrauch
Am 4. Mai veröffentliche die Fachgruppe Bodenverbrauch der S4F einen offenen Brief, in dem sie eine Stellungnahme zum Verbleib der Bodenstrategie für Österreich forderte. ÖROK-Migliedern und Expert:innen arbeiteten bereits im November 2022 eine Strategie aus, sie wurde aber immer noch nicht politisch beschlossen. Etliche Wissenschaftler:innen unterzeichneten den Brief, um ihre Unterstützung zu signalisieren. Die Antwort des Ministeriums und Rückantwort der FG Bodenverbrauch gibt es in diesem Beitrag.
Zur Veröffentlichung des offenen Briefs wurde zu einem Pressegespräch mit Diskurs. Das Wissenschaftsnetz geladen. Hier sprachen die Expert:innen Renate Christ (Biologin, ehemalige Leiterin des IPCC Sekretariats, CCCA), Martin Gerzabek (BOKU, Bodenforschung, ÖAW), Franz Fehr MSc. (BOKU, Agrarwissenschaft, UniNEtZ), Ulrich Leth (TU Wien, Mobilität) und Gaby Krasemann (AAU, Stadtplanerin) zum Thema.
Der offene Brief kann hier eingesehen werden (Unterschriftenliste Stand 08.5.23):
Die Antwort des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) folgte am 6. Juni mit Ende Juni als geplantem Termin, sich dem Thema zu widmen. Das Antwortschreiben des Ministeriums kann hier eingesehen werden:
Nachdem kein Beschluss folgte, reagierte die FG Bodenverbrauch am 11. Juni mit einem erneuten Antwortschreiben, indem die Gruppe ihre wissenschaftliche Unterstützung anbietet und eine langfristige Netto-Null-Flächeninanspruchnahme fordert und begründet. Das Antwortschreiben der FG Bodenverbrauch kann hier nachgelesen werden:
In Sachen Bodenschutz hat Österreich akuten Nachholbedarf. Am 4.5. veröffentlicht die Fachgruppe Bodenverbrauch der Scientists for Future Österreich deshalb ihren offenen Brief, in dem sie die Verantwortlichen zur Stellungnahme auffordert, warum die Bodenstrategie für Österreich, die bereits im November 2022 von ÖROK-Migliedern und Expert:innen ausgearbeitet wurde, noch immer nicht politisch beschlossen wurde. Den offenen Brief haben bereits zahlreiche Wissenschaftler:innen unterschrieben, um ihre Unterstützung auszudrücken.
Renate Christ (Biologin, ehemalige Leiterin des IPCC Sekretariats, CCCA)
Martin Gerzabek (BOKU, Bodenforschung, ÖAW)
Franz Fehr MSc. (BOKU, Agrarwissenschaft, UniNEtZ,)
Ulrich Leth (TU Wien, Mobilität)
Gaby Krasemann (AAU, Stadtplanerin)
Im Rahmen des Pressegesprächs wird der offene Brief veröffentlicht und das Podium wird erläutern, warum ein sorgsamerer Umgang und eine strategische Nutzung von Boden und Flächen notwendig sind.
Zum Brief gibt es außerdem ein Antwortschreiben (s. Datei unter dem offenen Brief).
Fachgruppe Mobilitätswende und Stadtplanung der Scientists for Future Österreich
Stellungnahme zur geplanten Tiefgarage Center of Physics Karl-Franzens-Universität Graz
Überblick:
Im Rahmen des Baus des Center of Physics für KFU Graz und TU Graz anstelle des bisherigen Vorklinikgebäudes soll eine Tiefgarage mit 100 PKW-Stellplätzen für Bedienstete gebaut werden. Diese soll nicht unter dem Neubau, sondern unter der Grünfläche vor dem Hauptgebäude errichtet werden.
Mit dem Bau der neuen Tiefgarage werden große Mengen Treibhausgase emittiert, weitere Anreize zur alltäglichen Nutzung von Privat-PKW geschaffen, der Fußgänger*innen-, Rad- und Busverkehr wird beeinträchtigt und die Grünfläche wird dauerhaft versiegelt.
Erste Arbeiten sollen bereits ab Februar 2023 aufgenommen werden, inkl. Aushub der Baugrube und Baumfällungen.
Die Fachgruppe Mobilitätswende und Stadtplanung spricht sich klar gegen den Bau der Tiefgarage aus.
Universitätsplatz mit künftigem Standort Center of Physics (anstelle Hochhaus Vorklinik, links) Bild: Google Earth, bearbeitet S4F, Bereich der geplanten Tiefgarage hervorgehoben
Details zum Projekt:
Die geplante Tiefgarage erstreckt sich über die gesamte Länge der Grünfläche zwischen dem Chemie- und dem Physikgebäude. Die Ein- und Ausfahrt soll an der Halbärthgasse parallel zum historischen Chemiegebäude angeordnet werden. Neben der Abfahrt soll ein Zugangsbauwerk mit Lift errichtet werden. Es wird auch überlegt, die Abfahrtsrampe mit einer Überdachung zu versehen.
Mit dem Aushub der Baugrube, einschließlich Baumfällungen, Abbruch der historischen Universitätsrampe mit Kandelabern und der historischen Einfriedungen soll im Februar 2023 begonnen werden.
Eine Baugenehmigung liegt nicht vor, das Vorhaben wird lediglich als anzeigepflichtige Maßnahme behandelt. Baueinreichung und Bauverhandlung zum Neubau sollen im Herbst 2023 erfolgen. Ausmaß und Lage der Tiefgarage wurden im Vorfeld des Architekturwettbewerbes im Jahr 2021 zwischen Bildungsministerium und Stadt Graz abgestimmt.
Nutzerinnen: Karl-Franzens-Universität Graz und TU Graz Bauherrin: Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) Architektur: fasch&fuchs, Wien
Induzierter Kfz-Verkehr: Das Angebot von PKW-Stellplätzen für Bedienstete induziert nachweislich Kfz-Verkehr, fördert klimaschädliches Mobilitätsverhalten und widerspricht damit dem Stand der Wissenschaft und der Technik, dem insbesondere die beteiligten Universitäten verpflichtet sein sollten. Zum Erreichen der Klimaziele dürfen keine Anreize zur alltäglichen Nutzung von Privat-PKW geschaffen werden.
Störung öffentlichen Verkehrs: Mit einer Erhöhung der Anzahl der Stellplätze entsteht eine zusätzliche Belastung der umgebenden Straßenzüge. Mit der Ein- und Ausfahrt in der Halbärthgasse wird der Fluss des Fußgänger*innenverkehrs am östlichen, hochfrequentierten Gehsteig an der Halbärthgasse, des Radverkehrs, und des Busverkehrs in dieser Straße beeinträchtigt.
Ungerechtfertigte Emissionen und Mitteleinsatz: Allein durch den Neubau der Tiefgarage werden nach Schätzung des Institut Bauen und Umwelt e.V. etwa 1.100 Tonnen CO2-Äquivalent emittiert. Die für den Bau der Tiefgarage vorgesehenen Mittel von mehreren Millionen Euro könnten wesentlich sinnvoller für eine klimagerechte Ertüchtigung des Campus eingesetzt werden – etwa überdachte und voll ausgestattete Fahrradabstellplätze oder die energietechnische Optimierung von Bestandsgebäuden.
Schädigung Mikroklima und Flächenversieglung: Es werden zahlreiche Bäume entfernt bzw. geschädigt – mit negativen Auswirkungen auf die Aufenthaltsqualität und auf das Stadtklima. Laut Naturschutzbund gehören 2 dieser Bäume zu den „1000 besonderen Bäumen der Steiermark“. Mit der Unterbauung der Grünfläche wird ein großer Bereich dauerhaft versiegelt. Die Begrünung auf der Decke der Tiefgarage ist ökologisch und in Bezug auf das Mikroklima minderwertig. Auch die Richtlinien der Stadt Graz setzen die Unterbauung von Grünflächen der Versiegelung gleich.
Schädigung Standort: Auf der betroffenen Fläche befindet sich eine meteorologische Messstelle mit einer historisch einzigartigen Messreihe, die durch den Bau unterbrochen würde. Die Errichtung der Einfahrt und des Aufgangs/Liftgebäudes an der Halbärthgasse stellt einen massiven Eingriff in das historische Raumgefüge dar.
Stellungnahme:
Die Fachgruppe Mobilitätswende und Stadtplanung spricht sich klar gegen den Bau der Tiefgarage aus. Im Sinne einer klimagerechten Entwicklung – sowohl gesamtgesellschaftlich wie auch für die Universitäten – ist es notwendig, Erweiterung und Innovation auf allen Ebenen von CO2-Emissionen zu entkoppeln. Die Mobilität spielt dabei eine große Rolle. Die Standortsicherung muss daher über das effektive Management der bestehenden Stellplätze und vor allem über klima- und umweltfreundliche Formen der Erschließung erfolgen (z.B. Optimierung Radverkehr, Effektivierung Bus, Beschleunigung der Umsetzung Straßenbahn). Jedenfalls kann die Errichtung von 100 zusätzlichen PKW-Stellplätzen nicht als standortsichernd betrachtet werden.
Bundesimmobiliengesellschaft, Wettbewerbsportal AIK, IBU – Institut Bauen und Umwelt e.V., Naturschutzbund, Google Earth, Fasch&Fuchs, eigene Erfassung
Scientists For Future Österreich, Fachgruppe Mobilitätswende und Stadtplanung
„Der Klimawandel mit starken Niederschlagsdefiziten, die Versiegelung der Böden und die Regulierung der Flüsse mit daraus folgenden Erosionen des Flussbettes wirken sich nachhaltig negativ auf den Grundwasserspiegel aus“, erklärte Univ.Prof. DDr Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur bei einem Pressegespräch der Österreichischen Hagelversicherung. Dürreschäden bei Herbstkulturen wie Mais, Sojabohnen, Kürbis, Kartoffeln und Sonnenblumen werden heuer rund 100 Mio Euro betragen. Während in den 80iger Jahren alle zehn Jahre eine Dürre aufgetreten ist, treten große Dürreereignisse in Österreich nun durchschnittlich jedes zweite Jahr auf. See- und Flusswasserstände in Österreich sind auf einem langjährigen Tiefpunkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist ein Rückbau von Flüssen und Feuchtgebieten sowie die Reduktion des Bodenverbrauchs notwendig. Allein in den letzten 25 Jahren wurden in Österreich 150.000 ha Agrarflächen verbaut, das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220812_OTS0051/duerre-und-verbauungen-gefaehrden-grundwasserspiegel-seen-fluesse-und-agrarflaechen-anhaenge
Der Bodenverbrauch ist eines der größten Umweltprobleme Österreichs, findet aber kaum Aufmerksamkeit in der politischen Diskussion. Gesunder Boden ist für uns unersetzbar – er sichert nicht nur unsere Ernährung, sondern bietet auch Schutz vor z.B. Hochwasser, Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, sorgt für sauberes Grundwasser, speichert CO2 und ist Erholungsfaktor.
Diese Funktionen des Bodens bilden wichtige Lebensgrundlagen – und doch wird die Funktion des Bodens als Bauland oft priorisiert. In ganz Österreich werden immer wieder neue Bauprojekte angestoßen, die gesunden Boden versiegeln. Dabei gehen seine anderen Funktionen verloren. Die Konsequenzen dessen zeigen sich allerdings schleichend. Was diese „Tyrannei der kleinen Entscheidungen“ zur Folge hat und was sich ändern muss, erörterten Andreas Baumgarten (AGES – Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), Kirsten von Elverfeldt (Universität Klagenfurt, S4F Kärnten, S4F Fachkollegium) und Arthur Kanonier (Technische Universität Wien, Österreichische Gesellschaft für Raumplanung) letzte Woche in einem Pressegespräch von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz und Scientists for Future. Sofia Palzer-Khomenko von Scientists for Future moderierte.
Die Statements von Andreas Baumgarten, Kirsten von Elverfeldt und Arthur Kanonier können hier nachgehört werden:
Bodenverbrauch in Österreich dramatisch hoch
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