Am vergangenen Samstag endete die letzte COP (conference of the parties) in Cali, Kolumbien. Dabei handelte es sich nicht um die jährlich stattfindende UN-Klimakonferenz, sondern um die ebenfalls als COP bezeichnete UN-Biodiversitätskonferenz (zur weiteren Verwirrung wahlweise auch Weltbiodiversitätskonferenz, Weltnaturschutzgipfel oder Weltnaturkonferenz genannt). Bei der diesjährigen COP16 ging es den Vertreter:innen von 196 Staaten besonders um die Umsetzung und Finanzierung der Ziele der letzten Konferenz im Dezember 2022. Der damals geschlossene Vertrag wurde als großer Erfolg gefeiert – er sieht unter anderem vor, bis 2030 30% der Landesfläche weltweit unter Schutz zu stellen. Was ist dieses Jahr zustande gekommen – oder auch nicht?
- Beteiligung indigener Völker. Ein Erfolg war der Beschluss, eine offizielle Interessenvertretung indigener Gruppen einzurichten, die in künftigen Verhandlungen zur Biodiversität Mitspracherecht haben wird. Ein großer Teil der natürlichen Vielfalt befindet sich auf Land, das von Indigenen bewohnt und gepflegt wird. Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist ihre Einbindung deutlich zu begrüßen: Studien haben gezeigt, dass die Natur oft besser dort erhalten bleibt, wo indigenes Wissen und lokale Bewirtschaftungsstrategien Schutz und nachhaltige Nutzung ermöglichen1.
- Fonds, in den für die Nutzung genetischer Ressourcen eingezahlt wird. Eine weitere positive Entwicklung: Unternehmen sollen für die Nutzung genetischer Daten wild lebender Arten zahlen. Bislang profitieren Unternehmen häufig von in Datenbanken frei verfügbaren genetischen Datensätzen, beispielsweise bei der Entwicklung von Kosmetika oder Medikamenten. Die Menschen, auf deren Land diese Arten leben (und die sich häufig aktiv um deren Erhalt kümmern) gehen dabei leer aus – und das betrifft besonders Menschen in ärmeren Staaten mit hoher Artenvielfalt. Nun sollen die Unternehmen in einen Fonds einzahlen, der dann von der indigenen Bevölkerung für Naturschutzprojekte genutzt werden kann.
- Kein Erfolg bei der Finanzierung von Naturschutz. Trotz des oben genannten Fonds ist der Gipfel bei der Frage der Finanzierung weitgehend gescheitert. 2022 wurde in Montréal festgelegt, dass Industriestaaten mit 20 Milliarden US-Dollar jährlich zum Naturschutz in ärmeren Ländern beitragen sollen. Denn der Erhalt intakter Natur ist eben nicht kostenlos. Eine kürzlich vorgelegte Analyse zeigt: Es reicht nicht, Gebiete einfach nur unter Schutz zu stellen2 – es braucht häufig weitere Schritte wie Renaturierungsmaßnahmen oder die Beschäftigung von Personal, das die Einhaltung der Schutzvorschriften sicherstellt. Obwohl einige Industriestaaten hier finanzielle Zusagen machten (so z.B. auch Österreich), wird die benötigte Summe bei Weitem nicht erreicht. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieser Geiz nicht nachvollziehbar, denn letztendlich wird es uns teurer zu stehen kommen, wenn wir die Natur nicht schützen1.
- Kein Plan zur Überwachung der Erreichung der Montréal-Ziele. Ebenfalls eine Enttäuschung: Der Gipfel sollte eigentlich festlegen, wie die Umsetzung der Montréal-Ziele auf nationaler Ebene überwacht werden soll – das ist aber nicht geschehen. Bislang präsentierte nur eine Minderheit der Vertragsstaaten (darunter auch Österreich3) ihre nationale Biodiversitätsstrategie, die bis zum Gipfel hätte vorliegen sollen. Bei vielen Staaten fehlt es also an Engagement – eine Kontrolle der Umsetzung wäre dringend notwendig.
Viele Naturschutzorganisationen und Wissenschafter:innen zeigten sich nach dem Treffen enttäuscht: Wieder einmal wurden hohe (aber letztlich rechtlich unverbindliche) Ziele gesteckt, die dann kaum umgesetzt werden und durch Probleme mit der Finanzierung ins Stocken geraten. Innerhalb der EU wurde mit dem Renaturierungsgesetz kürzlich ein wichtiger Schritt gemacht – denn dort geht es um rechtlich bindende Regeln für alle, deren Nichteinhaltung Konsequenzen hat. Für eine entschlossene Umsetzung von Naturschutz im globalen Süden braucht es finanzielle Beiträge reicher Nationen, die am meisten von der Ausbeutung der Natur profitieren. Die Zurückhaltung im globalen Naturschutz bei gleichzeitiger Fortsetzung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen in Milliardenhöhe zeigt deutlich: Es fehlt noch immer das Bewusstsein, dass es beim Naturschutz nicht um verzichtbaren Luxus, sondern um die Erhaltung unserer aller Lebensgrundlagen geht.
Weitere Informationen:
https://news.un.org/en/story/2024/11/1156456
https://www.nature.com/articles/d41586-024-03609-6
1. IPBES. Summary for Policymakers of the Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services. Zenodo; 2019. doi:10.5281/zenodo.3553579
2. Towards 30 by 30: balancing nature and people. Accessed November 5, 2024. https://www.nhm.ac.uk/our-science/services/data/biodiversity-intactness-index/policy/30by30.html
3. Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+. Accessed November 5, 2024. https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/naturschutz/biol_vielfalt/biodiversitaetsstrategie/biodiversitaetsstrategie_2030.html
Titelfoto: Joshua Torres unter CC0-Lizenz, via Wikimedia Commons
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