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24. August 2023
Teilnahmelink: https://tuwien.zoom.us/j/62245208931
Meeting ID: 622 4520 8931
Etwa 80% der Kohlereserven, 50% der Erdgasreserven und 30% der Erdölreserven dürfen nicht verbrannt werden, wenn wir die Aufheizung des Klimas auf 2°C begrenzen wollen. Sehr viel mehr Reserven müssen im Boden verbleiben, wenn das 1,5°C-Limit nicht überschritten werden soll.
Diese wichtige Kernaussage des Weltklimarates findet sich im Synthese-Report 2023[1] des Weltklimarates (IPCC). In Klammer hinzugefügt wurden noch die Worte (hohes Vertrauen), welche zeigen, wie sicher sich die Wissenschaftler:innen in dieser Aussage sind. Erstaunlich ist, dass sich diese Erkenntnis nicht im wohl einflussreichsten Dokument des Weltklimarates wiederfindet: Der Zusammenfassung für Entscheidungsträger:innen. Das Besondere an diesem Dokument ist, dass hier auch die Regierungen ein Mitspracherecht besitzen.
Die Bombe für das Klima
Dabei berichtete vor über einem Jahr bereits der Guardian[2] über die „carbon bomb“, wie das Medium damals die Pläne der fossilen Industrie nannte. Die Daten, die der Guardian analysierte, zeigten, dass zum damaligen Zeitpunkt 195 „CO2-Bomben“ - also Projekte zur Erschließung von weiteren Öl, Gas und Kohlevorkommen - geplant wurden. Diese Projekte entsprechen etwa 18 Jahren des aktuellen CO2-Ausstoßes. Dabei haben wir bereits im vergangenen Monat erstmals die 1,5°C Grenze überschritten. Auch das IPCC schätzte, dass wir bei derzeitigen Emissionen in 6 Jahren das CO2-Budget für 1,5°C mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgebraucht haben. Klar ist: Die Pläne und Wünsche der fossilen Unternehmen und das 1,5°C Limit schließen einander aus.
Berling, Neptun, Wittau, Molln - wo ist Schluss?
Auch in Österreich gibt es Pläne zur weiteren Erschließung. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine hat die Frage der Versorgungssicherheit noch mehr Brisanz erhalten. So hat sich die OMV unlängst Genehmigungen für Bohrungen im Gasfeld „Berling“ (Norwegen) gesichert. Ab 2028 könnte produziert werden. Etwa 7 Mrd m³ gelten als förderbar[3]. In Rumänien sollen OMV-Investitionen von 4 Mrd Euro das Land zum größten Erdgasproduzenten der EU aufsteigen lassen. Neptun heißt das gewaltige Gasfeld, das dort nun erschlossen werden soll. Das erste Erdgas soll 2027 fließen wobei geschätzte ~100 Mrd m³ vorhanden sind[4]. Und erst vor wenigen Wochen meldete die OMV auch in Niederösterreich den größten Gasfund seit 40 Jahren. Erste Schätzungen vermuten 48 TWh Gas. Damit könnte die OMV ihre Gasproduktion in Österreich um 50% anheben[5]. Laut IG Windkraft würde sich dieselbe Energiemenge jedoch auch mit 100 Windrädern erzeugen lassen[6]. Besonders umstritten ist das Projekt des australischen Energiekomzerns ADX bei Molln in Oberösterreich in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Kalkalpen. Ob dort tatsächlich Erdgas zu erbohren ist, ist derzeit noch offen[7].
Es ist kompliziert
Vor dem Hintergrund der immer weiter eskalierenden Klimakrise und den Erkenntnissen des Weltklimarates werfen die geplanten Projekten drängende Fragen auf: Ist es vertretbar, weitere heimische Lagerstätten zu erschließen? Ist es überhaupt sinnvoll, neue Bohrungen und Infrastruktur aufzubauen, die erst in einigen Jahren Erdgas liefern wird, wo doch der Verbrauch Jahr für Jahr eigentlich drastisch gesenkt werden muss? Schaden wir den Bemühungen zur Stabilisierung des Klimas, indem wir die global zur Verfügung stehenden Reserven weiter anwachsen lassen? Oder sind diese Vorkommen klimaschonende Alternativen zu besonders schädlichem Fracking-Gas aus den USA und den unsicheren Importen aus Russland, mit deren Hilfe der Kieg gegen die Ukraine finanziert wird?
Zu diesen spannenden und wichtigen Fragen haben Scientists for Future Österreich Wissenschaftler:innen zu einem weiteren Talk4Future geladen. Es diskutieren:
Auf dem Podium
- Renate Christ (Scientist for Future, ehemalige Generalsekretärin des IPCC)
- Helga Kromp-Kolb (Scientist for Future, Präsidentin des Forums Wissenschaft und Umwelt, Mitglied des Gründungsvorstandes des Climate Change Centers Austria (CCCA))
- Bernhard Salcher (Professor für Quartärgeologie an der Universität Salzburg)
- Reinhard Steurer (Scientist for Future, Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien)
- Moderation: Sofia Palzer-Khomenko
Quellen:
- https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/downloads/report/IPCC_AR6_SYR_FullVolume.pdf
- https://www.theguardian.com/environment/ng-interactive/2022/may/11/fossil-fuel-carbon-bombs-climate-breakdown-oil-gas
- https://www.omv.com/de/news/230628-omv-plan-fuer-berling-gas-und-kondensatfund-von-den-norwegischen-behoerden-genehmigt
- https://www.omv.com/de/news/230621-omv-gibt-finale-investitionsentscheidung-von-omv-petrom-fuer-tiefsee-erdgasprojekt-neptun-deep-bekannt
- https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230728_OTS0008/omv-gibt-neuen-gasfund-in-oesterreich-bekannt-bild
- https://www.derstandard.at/story/3000000180815/groesster-fund-seit-jahrzehnten-omv-fand-in-niederoesterreich-neues-gasfeld
- https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230519_OTS0018/greenpeace-fff-pro-natur-steyrtal-fordern-regierung-muss-gasbohrungen-in-molln-stoppen