Mikroorganismen sind überall, und die meisten von ihnen sind noch unerforscht! Bei dem Citizen Science Projekt „Extremophile Campaign: In Your Home“, initiiert vom Two Frontiers Project (2FP) , geht es darum, die Welt der Mikroben in den extremen Umgebungen Deines Zuhauses zu erforschen. Von der sengenden Hitze deiner Spülmaschine bis zur kalten Zone der Abtropfschale deiner Klimaanlage könntest du neue, unerforschte Mikroorganismen entdecken. Diese kleinen Wunder verfügen möglicherweise über einzigartige Fähigkeiten, wie z. B. das Überleben in nährstoffarmen Umgebungen oder das Gedeihen unter extrem trockenen Bedingungen. Als Freiwilliger bei diesem Projekt wirst du gebeten, in deinem Haus nach Anzeichen von seltsamem mikrobiellem Wachstum (Schleim, verkrustete Matten, faseriges Wachstum) zu suchen, ein Foto davon zu machen und ein paar Fragen zu dem zu beantworten, was du siehst. Das Wissenschaftsteam wird den Katalog der gemeldeten Beobachtungen analysieren, um zu bestimmen, welche mikrobiellen Lebewesen beprobt werden sollen. Einige Proben werden mithilfe der DNA-Sequenzierung der mikrobiellen Gemeinschaft untersucht und in der Two Frontiers Project Living Database zur weiteren Untersuchung durch die Wissenschaftsgemeinschaft freigegeben. Link: https://citsci.org/projects/the-extremophile-campaign-in-your-home
Das erweiterte Konzept der „planetaren Grenzen“: Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen
von Martin Auer
Wir müssen unsere Wirtschaftssysteme und Technologien drastisch ändern, um zumindest einen grundlegenden Lebensstandard für alle Menschen auf der Erde aufrechtzuerhalten. Das belegt ein bahnbrechendes Dokument, das letzten Monat in der Zeitschrift „Lancet Planetary Health“ veröffentlicht worden ist: der Bericht der Earth Commission „Eine gerechte Welt auf einem sicheren Planeten“1. Der Bericht ist das Ergebnis der dreijährigen Arbeit von über 60 führenden Wissenschaftler:innen aus den Natur- und Sozialwissenschaften, geleitet von Johan Rockström vom Stockholm Institut für Klimafolgenforschung, Joyeeta Gupta von der Universität Amsterdam und Qin Dahe von der chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Die Forschung beruht auf drei Säulen: Erstens dem Konzept der „Planetaren Grenzen“, das bereits 2009 von einer Gruppe um Johan Rockström entwickelt (und seither von verschiedenen Wissenschaftler:innen ergänzt und erweitert) wurde, und das die ökologischen Grenzen der Belastbarkeit für verschiedene Erdsysteme untersuchte. Zweitens dem Konzept der „Doughnut-Economics“, das 2012 von Kate Raworth erstmals präsentiert wurde und auf den Planetaren Grenzen aufbauend den „sicheren und gerechten Bereich“ für die Menschheit zwischen den Minimalanforderungen für ein menschenwürdiges Leben und den maximalen Möglichkeiten des Planeten definierte. Als dritte Säule bezieht sich der Bericht der Earth Commission auf die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 (SDGs).
Die Arbeit baut auf früheren Forschungsarbeiten auf , die zeigten, dass viele der wesentlichen Belastbarkeitsgrenzen der Erde, die für die Stabilität des Planeten und ein sicheres Leben der Menschen notwendig sind – die sogenannten Erdsystemgrenzen – bereits überschritten sind. In diesem Bericht konzentrieren sich die Forscher:innen auf fünf dieser Systeme: Klima, Wasserhaushalt, Nährstoffkreislauf, intakte Natur und Aerosole.
Für jedes dieser Systeme haben die Forscher:innen einen „sicheren und gerechten Bereich“ errechnet. Sie haben nicht nur die oberen Belastbarkeitsgrenzen für die Stabilität des Planeten untersucht – „safe boundaries“ – sondern auch die Belastungsgrenzen, die nicht überschritten werden können, ohne Menschen erheblichen Schaden zuzufügen – „just boundaries“.
Dazu haben sie auch noch für jedes Erdsystem das Mindestmaß an Belastung festgestellt, das notwendig ist, um allen Menschen das Notwendigste für ihr Wohlergehen zur Verfügung zu stellen. Der sichere und gerechte Bereich für das Gedeihen der Menschen und des Planeten wird nach unten durch dieses Minimum begrenzt, nach oben durch die gerechte“ oder die „sichere“ Grenze, je nachdem, welche die strengere ist.
1.5°C ist sicher, aber nicht gerecht
Ein Beispiel mach das deutlich: Die sichere Grenze für die Klimaerwärmung sind die bekannten 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau. Die Einhaltung dieser Grenze verhindert, dass wesentliche Subsysteme des Planeten kippen, beispielsweise, dass das Grönlandeis abschmilzt oder der Amazonas-Regenwald zur Savanne wird. Doch bei dieser Temperatur würden bereits 200 bis 500 Millionen Menschen erheblichen Schaden erleiden: durch den Anstieg des Meeresspiegels, eine jährliche Durchschnittstemperatur von mehr als 29°C oder eine Feuchtkugeltemperatur über 35°C an mindestens einem Tag im Jahr – das ist eine Kombination von Hitze und Luftfeuchtigkeit, bei der der Körper sich nicht mehr durch Schwitzen abkühlen kann, und bei der ein längerer Aufenthalt im Freien daher tödlich ist. Deshalb liegt die gerechte Grenze weit unterhalb der sicheren Grenze, nämlich bei 1°C über dem vorindustriellen Niveau. Es ist offensichtlich, dass die gerechte Grenze bereits überschritten ist.
Konkrete Zahlen als Leitlinien
Die Earth Commission stellte sich zur Aufgabe, die sicheren ökologischen und die gerechten sozialen Grenzen nicht nur begrifflich darzustellen, sondern zu beziffern. Das gibt der Politik die Möglichkeit, konkrete Schritte zu planen und des gibt auch der Zivilgesellschaft handfeste Grundlagen, um Forderungen an die Politik zu stellen. Der Bericht zielt aber auch darauf ab, Städten und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, die Grenzen auf ihren eigenen Maßstab herunterzubrechen, konkrete Schritte danach auszurichten. Städte und Unternehmen sind oft flexibler als Staaten, einige von ihnen sind nicht nur in ihren Nachhaltigkeitszielen, sondern auch in der praktischen Umsetzung viel weiter als die Staaten.
Klima
Eine globale Erwärmung um 1°C über das vorindustrielle Niveau − die bereits überschritten ist − würde eine mäßige Wahrscheinlichkeit für Kipppunkte wie den Zusammenbruch des Grönlandeises oder das plötzliche Auftauen des borealen Permafrosts bedeuten und würde erheblichen Schaden für Millionen Menschen vermeiden. Derzeit beträgt die Erwärmung schon 1,2°C. Da eine Rückkehr zu 1°C und zu einem CO2-Gehalt von 350ppm in absehbarer Zeit nicht möglich ist, sind Anpassungsmaßnahmen und Entschädigungen um so dringender.
Biosphäre
Für dieses Erdsystem werden zwei komplementäre Bereiche untersucht: Die Fläche von großteils intakten natürlichen Ökosystemen und die funktionelle Integrität aller Ökosysteme, städtische und landwirtschaftliche mit eingeschlossen. Auf Grundlage von Klima- Wasser- und Artenerhaltungsmodellen werden großteils intakte natürliche Gebiete im Ausmaß von 50 bis 60 Prozent der globalen Landflächen für erforderlich gehalten, dazu auch Meeresgebiete in einer ähnlichen Größenordnung. Das ist sowohl für die Kohlenstoffbindung an Land und im Wasser notwendig als auch um weiteres Artensterben an Land und im Wasser großteils zu vermeiden. Derzeit sind 45 bis 50 Prozent der Landfläche noch großteils intakte Ökosysteme.
Da die Biosphäre eng vernetzt ist, müssen auch naturnahe Flächen relativ gleichmäßig verteilt sein. Die Forscher schlagen vor, dass auf jedem Quadratkilometer 20 bis 25 Prozent naturnahe Fläche vorhanden sein sollen. Es ist leicht einsehbar, dass Bestäuber oder Nützlinge, die Pflanzenschädlinge erbeuten, nur jeweils in einem relativ kleinen Umkreis wirksam sind, dass manche Pflanzen ihre Samen nur wenige Meter weit verbreiten können, dass kleine Säugetiere zu einander finden müssen, um sich fortpflanzen zu können und so weiter. Kleinräumigkeit von naturnahen Flächen ist auch notwendig für den den Wasserhaushalt, die Wasserqualität, Bodenschutz, Schutz vor Naturgefahren und die Erholungsmöglichkeiten für Menschen. Derzeit liegt nur ein Drittel der von Menschen bewohnten Landfläche innerhalb dieser Grenze.
Süßwasser
Strömungsveränderungen von Flüssen gehören zu den Hauptursachen für den Artenverlust im Süßwasser, der noch schlimmer ist als in terrestrischen oder marinen Systemen. Das beeinträchtigt die Ökosystemleistungen für Menschen wie Küsten- und Flussfischerei, von der Millionen Menschen abhängig sind. Als sichere Grenze wird angenommen, dass die Wasserführung von Flüssen zu 80 Prozent auf dem natürliche Niveau verbleiben muss und nur 20 Prozent für Bewässerung, Stromerzeugung etc. abgezweigt werden dürfen. Zwei Drittel der globalen Landfläche erfüllen diese Vorgaben.
Für Grundwasser liegt auf der Hand, dass nicht mehr Wasser entnommen werden darf, als in einem Jahr wieder aufgefüllt wird. Es wird geschätzt, dass in 47 Prozent der Wasserscheiden der Grundwasserspiegel immer mehr absinkt, weil zu viel Wasser entnommen wird.
Nährstoffkreisläufe
Stickstoff und Phosphor sind unentbehrliche Bausteine für alles Leben. Die Ernährung von Milliarden Menschen ist von Stickstoff-. und Phosphordüngung abhängig. Doch wenn mehr Stickstoff und Phosphor ausgebracht wird, als die zu düngenden Pflanzen aufnehmen, wird der Überschuss ausgespült und gelangt in die Gewässer. Hohe Konzentrationen vor allem in ursprünglich nährstoffarmen Gewässern beeinträchtigen Ökosysteme und ihre Leistungen durch Eutrophierung, also übermäßiges Wachstum von Algen und Wasserpflanzen, die anderen Spezies die Lebensgrundlage entziehen. So können Fischbestände zusammenbrechen, Algenblüten Giftstoffe abgeben. Nitratverseuchtes Trinkwasser gefährdet die Gesundheit ebenso wie Luftverschmutzung durch aus Ammoniak entstehende Aerosole. Daher wird eine sichere und gerechte Grenze von 61 Gigatonnen Stickstoffüberschuss und 4,5 bis 9 Gigatonnen Phosphorüberschuss pro Jahr festgelegt. Derzeit werden pro Jahr 232 Gigatonnen Stickstoff eingesetzt, wovon mehr als die Hälfte, nämlich 119 Gigatonnen überschüssig sind. Gleichzeitig sind manche Menschen vom Zugang zu Düngemitteln ausgeschlossen. Der Phosphor-Überschuss beträgt ca. 10 Gigatonnen pro Jahr, die jährliche Förderung ca. 17 Gigatonnen. Dazu ist zu bedenken, dass mineralisches Phosphat eine begrenzte Ressource ist, und der Abbau arme und marginalisierte Gemeinschaften durch Bergbauabfälle, Zerstörung von Land und Verletzung von Menschenrechten schädigt.
Luftverschmutzung durch Aerosole
Einerseits ist Luftverschmutzung durch Aerosole, insbesondere Feinstaub, gesundheitsgefährdend. Andererseits wirken sich Aerosole auf die Sonneneinstrahlung aus. Ein zu großer Unterschied zwischen dem Aerosolgehalt auf der Nord- und auf der Südhalbkugel könnte eine Verschiebung des Monsunregens nach Norden oder Süden bewirken. Der Unterschied sollte daher nicht mehr als 15 Prozent betragen.
Um die Wahrscheinlichkeit von erheblichem Schaden durch Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems zu minimieren, sollte der Schadstoffgehalt der Luft nicht mehr als 15 μg pro m³ betragen. 85 Prozent der Weltbevölkerung sind derzeit höheren Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt, was bewirkt, dass jedes Jahr 4,2 Millionen Menschen vorzeitig sterben.
Gefahr von negativen Kipppunkten
Die Autor:innen warnen, dass dieser sichere und gerechte Bereich immer kleiner wird und dass es ohne drastische Veränderungen im Jahr 2050 nicht mehr möglich sein könnte, im Rahmen der Erdsystem-Grenzen allen Menschen auch nur grundlegende Ressourcen wie Nahrung, Wasser und Energie zur Verfügung zu stellen.
„Es besteht die Gefahr, dass die Systeme der Erde Kipppunkte überschreiten und weiteren Schaden anrichten, wenn wir nicht unsere Energie-, Nahrungsmittel- und Stadtsysteme grundlegend verändern“, erklärt IIASA-Forscherin Caroline Zimm, eine der Studienautor:innen.
Ungleichheit ist das Hauptproblem
Die Studie hebt hervor, dass Ungleichheit und der übermäßige Verbrauch von Ressourcen durch einen kleinen Teil der Weltbevölkerung die Hauptursachen für diesen schrumpfenden Lebensraum sind, und dass ärmere Gemeinschaften, die bereits jetzt am stärksten unter Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung leiden, am stärksten gefährdet sind.
In einer früheren Arbeit stellte sich die Earth Commission die Frage: Was würde es für die Erdsystem bedeuten, wenn man allen Menschen, die heute in Armut leben, die Mindestmenge an Ressourcen zur Verfügung stellen würde, die einen grundlegenden Lebensstandard ermöglichen? Das Ergebnis war, dass die Gewährleistung eines Mindestzugangs in der heutigen ungleichen Welt den Druck auf die natürlichen Erdsysteme nur gering vergrößern würde. Mit einer Ausnahme: dem Klima. Auswirkungen auf das Klimasystem könnten erheblich sein. Die Annahme, dass Wirtschaftswachstum zur Verringerung der Armut führt, weil es den Wohlstand für alle, also auch die Ärmsten, erhöht, stimmt nicht mehr. Die Ressourcen der Erde geben das nicht mehr her. Aber der Druck, der entstehen würde, wenn etwa das ärmste Drittel der Menschheit in der Größenordnung des „Mindestzugangs“ konsumieren würde, wäre genauso hoch wie der Druck, der durch den Konsum der reichsten 1 bis 4 Prozent entsteht. Dies bedeutet, dass zur Erreichung gesellschaftlicher und ökologischer Ziele ein transformativer Wandel Ressourcenverbrauch von den „Überkonsument:innen“ zu den „Unterkonsument:innen“ umverteilen muss.
Auch die Wohlhabenden sind gefährdet
Niemand ist jedoch vor den Folgen einer anhaltenden Schädigung der Erdsysteme sicher. Selbst die Wohlhabenden, die die Auswirkungen zunächst vielleicht weniger spüren, sind auf lange Sicht gefährdet, wenn die Umweltsysteme, die Leben und Wirtschaft ermöglichen, zusammenbrechen.
„Wir beginnen zu erkennen, welchen Schaden die Ungleichheit der Erde zufügt. Zunehmende Umweltverschmutzung und schlechte Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen fügen Menschen und Natur erheblichen Schaden zu. Je länger wir die Kluft zwischen denen, die zu viel haben, und denen, die nicht genug haben, vergrößern, desto extremer sind die Folgen für alle, da die Unterstützungssysteme, die unsere Lebensweise, unsere Märkte und unsere Volkswirtschaften stützen, zusammenbrechen“, erklärt Studienleiterin Joyeeta Gupta, ehemalige Co-Vorsitzende der Earth Commission und Professorin für Umwelt und Entwicklung im globalen Süden an der Universität Amsterdam.
Drei Schlüsselbereiche
Um weiteren Schaden zu verhindern und eine stabile Zukunft zu gewährleisten, fordern die Autor:innen dringendes Handeln in drei Schlüsselbereichen:
Wirtschaft und Gesellschaft: Regierungen, Unternehmen und Gemeinschaften müssen zusammenarbeiten, um Strategien zu entwickeln, die die Ungleichheit verringern und gleichzeitig den Druck auf den Planeten senken.
Ressourcenmanagement: Ressourcen müssen gerechter und effizienter geteilt werden.
Nachhaltige Technologien: Wir brauchen mehr Investitionen in nachhaltige Technologien, die weniger Ressourcen verbrauchen und den schrumpfenden sicheren und gerechten Raum wieder öffnen .
Große Veränderungen sind nötig
Diese Veränderungen erfordern große Veränderungen in der Funktionsweise von Gesellschaften, Unternehmen und Volkswirtschaften. Die Autor:innen betonen jedoch, dass das Wissen und die Instrumente für diese Transformationen bereits vorhanden sind.
„Städte und Unternehmen sind besonders gut positioniert, um diese Bemühungen anzuführen, da sie über die Flexibilität verfügen, die Transformation hin zu einem positiven Kippen menschlicher Systeme zu leiten, um ein negatives Kippen des Erdsystems zu vermeiden. Indem sie wissenschaftlich fundierte Ziele setzen und sich auf die Verbesserung der Effizienz und Angemessenheit bei der Nutzung planetarischer Ressourcen und Erdsystemdienste konzentrieren, können sie eine Schlüsselrolle bei der Schaffung einer sicheren und gerechten Zukunft für alle spielen“, sagt der Co-Autor der Studie und IIASA Distinguished Emeritus Research Scholar, Nebojsa Nakicenovic.
Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass der einzige Weg in eine nachhaltige und gerechte Zukunft darin besteht, die Ungleichheit zu verringern und die Art und Weise zu verändern, wie wir die Ressourcen der Erde nutzen. Wenn wir jetzt handeln, können wir immer noch sicherstellen, dass jede und jeder auf dem Planeten der Armut entkommt und vor Schäden durch Umweltveränderungen geschützt ist. Das Zeitfenster für Maßnahmen schließt sich jedoch schnell.
Referenz Gupta, J., Bai, X., Liverman, DM, Rockström, J., Qin, D., Stewart-Koster, B., Rocha, JC, Jacobson, L., et al. (2024): A just world on a safe planet: a Lancet Planetary Health–Earth Commission report on Earth-system boundaries, translations, and transformations The Lancet Planetary Health DOI: 10.1016/S2542-5196(24)00042-1
Wie der Kurier berichtet, hat der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht die „Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel“ in Wels und Wiener Neustadt geprüft. Weite Gebiete dieser Städte sollen demnach ein ausgeprägtes Risiko von Hitzeinseln aufweisen und ein „erheblicher“ Handlungsbedarf gegeben sein. Wiener Neustadt sei durch Rekord-Hitzetage besonders betroffen. Der Rechnungshof mahnt „angepasste Raumordnung und Bebauung“ und die Entsiegelung von Flächen an. Besonders das Bauvorhaben „Maximilium am Stadtpark“ mit bis zu 500 Wohnungen und dem Bildungscampus würde das Risiko von Hitzeinseln in der Innenstadt weiter erhöhen. Auch zum Projekt „Ostumfahrung“ ist die Meinung des Rechnungshofs, dass es in einem „Spannungsfeld zu klima- und umweltpolitischen Zielen sowie zur Ernährungssicherheit steht, weil Boden versiegelt wird und landwirtschaftliche Flächen verloren gehen“.
Das Jahr 2023 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und das zweitwärmste in Europa. Wie sie in Nature medicine berichten, haben Forscher:innen vom Barcelona Institute for Global Health epidemiologische Modelle auf Temperatur- und Sterblichkeitsaufzeichnungen in 35 Ländern angewendet, um die geschlechts- und altersspezifische hitzebedingte Sterblichkeit in Europa im Jahr 2023 zu schätzen und zu quantifizieren, wie viele Tode vermieden wurden durch die gesellschaftliche Anpassung an steigende Temperaturen seit dem Jahr 2000. Sie schätzten 47.690 hitzebedingte Todesfälle im Jahr 2023, die zweithöchste Sterblichkeitslast während des Untersuchungszeitraums 2015–2023, die nur von 2022 übertroffen wurde. Sie schätzten auch, dass die hitzebedingte Sterblichkeitslast ohne die Anpassung im gegenwärtigen Jahrhundert um 80,0 % höher gewesen wäre, insbesondere bei älteren Menschen Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung historischer und aktueller Anpassungen bei der Rettung von Menschenleben in den letzten Sommern und die Dringlichkeit wirksamerer Strategien zur weiteren Reduzierung der Sterblichkeitslast in den kommenden heißeren Sommern.
Eine neue Studie des IIASA schlägt einen neuartigen Weg vor, um die künftige Anfälligkeit für Hitzestress in verschiedenen Bereichen einer Stadt zu quantifizieren und hochzurechnen. Sie liefert den Entscheidungsträgern vor Ort das nötige Wissen für die Entwicklung wirksamerer Anpassungsstrategien zur Minimierung der gesundheitlichen Auswirkungen von Hitzestress.
So sind beispielsweise Menschen über 65, Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status und Frauen bekanntermaßen anfälliger für hitzebedingte Krankheiten und Todesfälle. Darüber hinaus variiert die Hitzebelastungsintensität stark von einem Stadtteil zum anderen und sogar innerhalb von Stadtteilen einer Stadt.
„Wir haben ein neuartiges Rahmenwerk zur Bewertung der Gefährdung in Städten entwickelt, das räumliche und demografische Daten wie Alter, Geschlecht und Bildung in feiner geografischer Auflösung verwendet, um die zukünftige Gefährdung durch Hitzebelastung in verschiedenen Teilen einer Stadt abzuschätzen“, sagt Jesus Crespo Cuaresma, Forscher im IIASA-Programm „Population and Just Societies“.
Wie der Guardian berichtet, rechnet die IEA in ihrem neuesten Report damit, dass die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen ab 2030 zurückgehen wird. Doch die die Ölkonzerne investieren immer noch in neue Projekte in den USA, Kanada und Südamerika. Das sollte zu einem Überangebot an Öl und Gas führen, das die Preise sinken lassen wird. Die Nachfrage Chinas nach Öl war in den letzten Jahrzehnten der Motor der Ölmärkte, doch der rapide Ausbau von Erneuerbaren in China wird diesen Motor ins Stocken bringen. E-Autos haben derzeit einen Anteil von 20 Prozent an allen neu verkauften Autos, bis 2030 sollen es 50 Prozent werden. In China sind es bereits 50 Prozent. Niedrigere Preise für Fossile werden aber auch die Erneuerbaren unter Druck setzen, noch billiger zu werden. Die Nachfrage nach sauberer Elektrizität wird sich in den nächsten Jahren beschleunigen, rechnet die IEA. Pro Jahr werden Kapazitäten in der Größenordnung von Japans jährlichem Energieverbrauch hinzukommen. Diese Nachfrage würde noch stärkMetto-Null-Emissionen gerecht werden.
Obwohl es mehr bewaffnete Konflikte gibt als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg – und es immer mehr Hinweise darauf gibt, dass Krieg schwere und langfristige Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat – zögern Regierungen und Naturschutzorganisationen, das Thema in ihrer Naturschutzpolitik explizit anzusprechen. Das stellt eine Gruppe von Forscher:innen des ukrainischen Umweltministeriums, der gemeinnützigen Organisation Conflict and Environment Observatory und der Naturschutzorganisationen ZSL und WWF Colombia in einem ausführlichen Beitrag in der Zeitschrift Nature fest. Vom 21. Oktober bis 1. November treffen sich Entscheidungsträger:innen in Kolumbien zur 16. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (IPBES), und eines der Themen ist „paz con la naturaleza“ – „Frieden mit der Natur“. Die Teilnehmer:innen sollten sich diesen Slogan zu Herzen nehmen und die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf die Artenvielfalt sowie die Rolle des Naturschutzes bei der Förderung des Friedensaufbaus stärker betonen, sagen die Autor:innen.
Alter, Gesundheit, wirtschaftlicher Status, Wohnbedingungen − all das beeinflusst, wie gut Menschen Klimaextremen standhalten können. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen in Europa sind groß.
In einer neuen Ergänzung zum Atlas der Demografie – einem interaktiven Tool der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Europäischen Kommission – können die einzelnen Regionen der Länder nach den erwähnten Verletzlichkeitskriterien abgefragt werden. Forscher des IIASA haben im Rahmen des SPARCCLE-Projekts eine detaillierte Analyse der regionalen Unterschiede in der sozioökonomischen Verwundbarkeit in der EU veröffentlicht.
Die Analyse zeigt, dass sich die Verletzlichkeitsgrade je nach Urbanisierungsgrad erheblich unterscheiden. Städtische und ländliche Gebiete bieten je nach Land und Art der betrachteten Verletzlichkeit unterschiedliche Schutzniveaus.
„Ländliche Gebiete, insbesondere in Ost- und Südeuropa, werden voraussichtlich am stärksten vom Klimawandel betroffen sein. Mit einer älteren Bevölkerung, einer höheren Rate chronischer Erkrankungen und einem niedrigeren Einkommensniveau sind diese Regionen stärker von unmittelbaren Klimaereignissen wie Überschwemmungen und Hitzewellen bedroht, die auch ihre langfristige Widerstandsfähigkeit schwächen“, sagt Anne Goujon, Leiterin der Sozioökonomie im von Horizon Europe finanzierten SPARCCLE-Projekt und Programmdirektorin des IIASA-Programms „Population and Just Societies“.
In Regionen mit einer stark alternden Bevölkerung verstärkt die Kombination aus physischer Gebrechlichkeit und sozioökonomischen Herausforderungen die Verletzlichkeit und erschwert Anpassungsbemühungen. Darüber hinaus sind Gebiete mit schlechten Gesundheitsindikatoren, insbesondere solche mit einer hohen Rate chronischer Krankheiten, schlechter darauf vorbereitet, wirksam auf Klimagefahren zu reagieren, während Haushalte mit niedrigem Einkommen erhebliche Hindernisse bei der Erholung von extremen Klimaereignissen haben.
Gezielte Maßnahmen für verschiedene Regionen sind notwendig
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit gezielter politischer Maßnahmen, die die spezifischen Schwachstellen verschiedener Bevölkerungsgruppen und Regionen berücksichtigen und sicherstellen, dass die Schutzmaßnahmen angemessen auf die individuellen Bedürfnisse jeder Gemeinschaft zugeschnitten sind. Die Beseitigung dieser Schwachstellen erfordert gezielte Interventionen, die die einzigartigen demografischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten jeder Region berücksichtigen und so sicherstellen, dass die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen beim Aufbau ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmenden Bedrohungen durch den Klimawandel unterstützt werden.
Große Unterschiede in Österreich
Für Österreich sieht man zum Beispiel, dass in der östlichen Obersteiermark besonders viele alte Menschen leben, die Menschen im Weinviertel die geringste Lebenserwartung haben, der generelle Gesundheitszustand in Kärnten und der Steiermark sowie in Wien am schlechtesten ist, und Wien mit 56% der Bevölkerung die meisten chronisch kranken Menschen aufweist, gefolgt von großen Teilen Niederösterreichs und des Burgenlands. Besonders krass sind die wirtschaftlichen Unterschiede in Österreich: Während Salzburg beim GDP pro Kopf um 42 Prozent über dem Median liegt, bleibt das Weinviertel um fast 40 Prozent unter dem Median. Nicht viel besser sieht es im Süd- und Mittelburgenland, im Mühlviertel, Oberkärnten und im nördlichen Umland von Wien aus. Der krasse Unterschied zwischen dem nördlichen Wiener Umland (-26 %) und dem südlichen (+34%) ist besonders auffällig. Die schlechtesten Wohnverhältnisse weist mit Abstand Wien auf. Und auch das Risiko von Armut oder sozialem Ausschluss im Alter ist in Wien bei weitem am höchsten.
Über den Atlas der Demographie
Der Atlas der Demografie ist ein interaktives Tool, das von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Europäischen Kommission entwickelt wurde und es politischen Entscheidungsträgern und Bürgern ermöglicht, demografische Herausforderungen zu beobachten, zu überwachen und vorherzusehen. Neben dem ökologischen und digitalen Wandel ist der demografische Wandel die dritte Transformation, die die Zukunft Europas prägt. Ein gutes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen dem demografischen Wandel und den lokalen, regionalen und nationalen Realitäten ist der Schlüssel, um die EU-Politik an die sich ändernden Bedingungen vor Ort anzupassen.
Viele optimistische Vorhersagen für unsere Klimazukunft räumen ein, dass es uns nicht gelingen wird, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten – gehen aber davon aus, dass wir der Katastrophe entkommen können, wenn wir nachträglich CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen. Das könnte allerdings nur eine Illusion sein, argumentiert ein Leitartikel in der Zeitschrift Nature: Neue Forschungsergebnisse kommen zu dem Ergebnis, dass einige Erdsysteme wahrscheinlich nicht in ihr vorheriges Gleichgewicht zurückgeführt werden können, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Entfernung des überschüssigen CO2 machbar ist.
Ein Team unter der Leitung von Carl-Friedrich Schleussner von Climate Analytics, einem gemeinnützigen Forschungsinstitut in Berlin, berichtet jüngst in der Zeitschrift Nature, dass selbst eine vorübergehende Temperaturüberschreitung dazu führen wird, dass sich die Klimaauswirkungen über die nächsten Jahrzehnte hinweg akkumulieren ( C.F Schleussner et al ., Nature 634 , 366-373; 2024).
Zu diesen Auswirkungen würden heftigere Stürme, Hitzewellen und die Zerstörung von Ökosystemen gehören, und es würde alles andere als einfach sein, genügend CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, um den Kurs umzukehren. Es ist nicht so, dass Methoden zur Kohlenstoffentfernung nicht funktionieren. Manche funktionieren. Die einfachste ist natürlich das Pflanzen von Bäumen, oder besser gesagt, die Schaffung und Wiederherstellung von natürlichen Kohlenstoffsenken wie Wäldern, Mooren und Feuchtgebieten, Mangrovenwäldern, Seegraswiesen und so weiter. Komplexere Maßnahmen umfassen die direkte Extraktion von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Wenn die derzeitigen Emissionen ungebremst weitergehen, müssten, wie Schleussner und seine Kollegen schätzen, bis zum Jahr 2100 bis zu 400 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, um die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
400 Gigatonnen CO2 enthalten 109 Gigatonnen Kohlenstoff, das ist fast ein Sechstel des derzeit in den Wäldern der Erde gespeicherten Kohlenstoffs. Die Wälder, die diesen Kohlenstoff ab 2050 aufnehmen sollen, müssten jetzt gepflanzt werden, weil nur reife Wälder die erforderliche Aufnahmekapazität haben. Tatsächlich verlieren wir aber derzeit jährlich 0,33 Prozent unserer Wälder.
Derzeit wird viel über CO2-Abscheidung gesprochen und geschrieben. Dabei geht es um unterschiedliche Verfahren mit unterschiedlichen Zwecken. CO2-Abscheidung und Nutzung (CCU: Carbon Capture and Utilization) soll CO2 aus Verbrennungsgasen (vor allem von Kraftwerken, Stahl- und Zementproduktionen) das Kohlenstoffdioxid herausfiltern und einer industriellen Nutzung zuführen. CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS: Carbon Capture and Storage) soll das CO2 aus Verbrennungsgasen dauerhaft unterirdisch speichern. Beide Methoden verringern nicht den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Es gelangt bloß weniger CO2 in die Atmosphäre als bei ungefilterter Verbrennung. Bei CCU gelangt das CO2 in den meisten Anwendungsbereichen überhaupt nur später in die Atmosphäre.
Um die Durchschnittstemperatur der Erdatmosphäre zu senken, muss jedoch der CO2-Gehalt der Atmosphäre verringert werden. Denn diese Temperatur ist abhängig von der absoluten Menge an CO2, die in der Atmosphäre enthalten ist. Zur technischen Verringerung des CO2-Gehalts kommt nur direkte Entnahme von CO2 aus der Luft und die anschließende Speicherung in Frage (DACS: Direct Air Capture and Storage). Hier werden große Mengen Luft mit riesigen Gebläsen durch einen Abscheideapparat geleitet. Das CO2 wird dort entweder in einer Flüssigkeit herausgewaschen oder an einen Feststoff gebunden. Anschließend wird das reine Gas je nachdem durch Verdampfen oder Erhitzen des Feststoffs entzogen.
Die größte derzeit geplante Anlage zur direkten Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre soll eine Kapazität von 500.000 Tonnen CO2 jährlich haben. Um die 400 Milliarden Tonnen zu bewältigen, müssten 16.000 solcher Anlagen 50 Jahre lang arbeiten. Die Kostenschätzungen für direkte Kohlenstoffentnahme bewegen sich zwischen 200 und 700 USD pro Tonne. Die Kosten würden sich also zwischen 80 und 280 Billionen Dollar bewegen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass es möglich ist, diese Menge an CO2 beziehungsweise Kohlenstoff zu entfernen, werden einige Erdsysteme wahrscheinlich nicht zu ihrem vorherigen Gleichgewicht zurückkehren. Einige Veränderungen, wie der steigende Meeresspiegel, sich verändernde Ökosysteme und regionale Klimaveränderungen, werden wahrscheinlich von Dauer sein und nachhaltige Auswirkungen auf die Landwirtschaft und andere Industriezweige haben. Für viele Menschen wird das Klima, das sie nach einem Überschreiten der Zielvorgaben erleben werden, nicht das gleiche sein wie zuvor, selbst wenn die globalen Durchschnittstemperaturen auf das Niveau vor dem Überschreiten zurückkehren.
Gefahr von Kipppunkten
Darüber hinaus erhöhen höhere Temperaturen – selbst für kurze Zeit – das Risiko von Kipppunkten, die das Erdsystem oder Teile davon in einen völlig neuen Zustand versetzen könnten. Zu dieser Schlussfolgerung gelangen Annika Högner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Tessa Möller vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg, Österreich (T. Möller et al. Nature Commun. 15 , 6192; 2024) in einer im August veröffentlichten Studie.
Mit jedem weiteren Temperaturanstieg über 1,5 Grad Celsius nimmt das Risiko zu, klimatische Kipppunkte zu überschreiten. Und das wären Ereignisse, die nicht rückgängig gemacht werden können: Wenn der grönländische Eisschild zusammenbricht, kann er nicht wieder regeneriert werden, wenn der Amazonas-Regenwald sich in eine Savanne verwandelt, kann er nicht wieder zum Regenwald werden.
Regierungen und Industrie müssen sich mit aller Kraft auf die bevorstehenden Risiken und deren Eindämmung konzentrieren. Das bedeutet nichts weniger als die Emissionen drastisch zu senken und die Menschen durch Anpassungsmaßnahmen vor den Folgen der Klimaerhitzung möglichst zu schützen. Abzuwarten und die Atmosphäre später zu reinigen, wäre eine Katastrophe – für die Menschen und den Planeten.
Die natürlichen Kohlenstoffsenken des Planeten – wie Ozeane, Wälder und Böden – absorbieren etwa die Hälfte der von Menschen verursachten Emissionen. Doch im Jahr 2023 haben diese natürlichen Systeme kaum CO2 absorbiert, wie eine vorläufige Analyse durch ein internationales Forschungsteam zeigt. Das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, verschärft durch die Abholzung von Wäldern, führte zu Situationen wie einem anormalen Kohlenstoffverlust im von Dürre geplagten Amazonasgebiet und Emissionen durch Waldbrände in riesigen Teilen Kanadas. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Effekts lassen einige Wissenschaftler:innen befürchten, dass Voraussagen von Klimamodellen zu optimistisch sind.
Die Wissenschaftler:innen stellen fest, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre im Jahr 2023 stärker gestiegen ist als die weltweiten Emissionen von CO2 aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Daraus schließen sie, dass die Aufnahmekapazität der Landsenken und der ozeanischen Senken dramatisch geschwächt war. Der größte anormale Kohlenstoffverlust fand im Amazonasgebiet während der Dürre in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 statt. Dazu kamen extreme Feueremissionen in Kanada und ein Kohlenstoffverlust in Südostasien. Seit 2015 ist die CO2-Aufnahme an Land nördlich des 20. Breitengrads um die Hälfte zurückgegangen. In der Zwischenzeit haben sich die Tropen von dem Kohlenstoffverlust durch El Niño 2015-16 erholt, in den La Niña-Jahren (2020-2023) Kohlenstoff aufgenommen und dann während des El Niño 2023 wieder einen Kohlenstoffverlust verzeichnet. Die Ozeansenke war im äquatorialen Ostpazifik stärker als normal, da der Auftrieb durch den Rückgang von La Niña Anfang 2023 abnahm und sich später El Niño entwickelte. Landregionen, die im Jahr 2023 extremer Hitze ausgesetzt waren, trugen ebenfalls zu einem beträchtlichen Kohlenstoffverlust bei.
„Dies deutet darauf hin, dass die Rekorderwärmung im Jahr 2023 einen starken negativen Einfluss auf die Fähigkeit der terrestrischen Ökosysteme hatte, den Klimawandel abzumildern“, schreiben die Forscher:innen.
Quelle: Piyu Ke et al. (2024):Low latency carbon budget analysis reveals a large decline of the land carbon sink in 2023, https://arxiv.org/pdf/2407.12447
Das Nahrungsmittelsystem ist eine der bedeutendsten Quellen von Treibhausgasemissionen auf der Erde. Die Reduzierung der Emissionen in diesem Sektor ist daher für politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt eine Priorität. Forscher:innen des IIASA untersuchten das Potenzial der Kohlenstoffbindung auf landwirtschaftlichen Flächen zur Bekämpfung des Klimawandels und lieferten Einblicke in die wirtschaftlichen Auswirkungen sowie das Potenzial zur Eindämmung des Klimawandels.
Unter Kohlenstoffbindung auf landwirtschaftlichen Flächen versteht man den Prozess der Bindung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre im Boden und in Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen. Laut den Autor:innen einer neuen IIASA-Studie, die gerade in Nature Food veröffentlicht wurde, haben diese Praktiken ein großes Potenzial zur Reduzierung der globalen Erwärmung und zur Senkung der gesamtwirtschaftlichen Kosten für die Eindämmung des Klimawandels.
Um Kohlendioxid aus der Luft zu absorbieren und im Boden oder in Pflanzen auf ihren Farmen zu speichern, können Landwirt:innen beispielsweise Techniken wie den Anbau von Zwischenfrüchten, die Verwendung von Biokohle (eine Art Holzkohle aus organischen Abfällen) oder Agroforstwirtschaft (Anpflanzen von Bäumen neben Feldfrüchten oder Weiden) anwenden und so ihre landwirtschaftlichen Flächen in eine Kohlenstoffsenke verwandeln.
Die Studienergebnisse zeigen, dass diese landwirtschaftlichen Praktiken bis 2050 ebenso viele Treibhausgasemissionen reduzieren könnten wie das Pflanzen neuer Wälder, insbesondere in Regionen wie Afrika südlich der Sahara und Südamerika. Die Kohlenstoffbindung auf landwirtschaftlichen Flächen ist nicht nur für die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels wichtig, sondern kann auch die landwirtschaftliche Produktivität und Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel verbessern und den Sektoren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Landnutzung helfen, bis 2050 weltweit Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und zwar zu Kosten zwischen 80 und 120 US-Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent.
„Diese Bemühungen würden nicht nur die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Emissionsreduzierung senken, sondern auch die Verluste der globalen Wirtschaftsleistung bis Mitte des Jahrhunderts um 0,6 % reduzierent“, bemerkt Studienkoautor Andrey Lessa Derci Augustynczik. „Darüber hinaus könnten Landwirt:innen durch diese Aktivitäten beträchtliche Einnahmen erzielen – bis zu 235 Milliarden Dollar bis 2050 –, wenn sie bei einem prognostizierten Treibhausgaspreis von 160 Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent im Jahr 2050 für jede zusätzliche Tonne CO2, die sie in Böden und Biomasse speichern, finanzielle Anreize erhalten.“
Die Autor:innen betonen, dass die Umsetzung dieser Änderungen starke Institutionen und eine weltweite Überwachung der Systeme erfordert, um sicherzustellen, dass die Landwirte diese Praktiken richtig anwenden und für ihre Bemühungen fair bezahlt werden.
Referenz
Frank, S., Lessa Derci Augustynczik, A., Havlík, P., Boere, E., Ermolieva, T., Fricko, O., Di Fulvio, F., Gusti, M., Krisztin, T., Lauri, P., Palazzo, A., Wögerer, M. (2024). Die Verbesserung landwirtschaftlicher Kohlenstoffsenken bringt Vorteile für Landwirte und Klima. Nature Food DOI: 10.1038/s43016-024-01039-1