Das Apfelbäumchen pflanzen

Lesedauer 2 Minuten.   

Michael Rosenberger, Linz

Nach dem „Öko-Hype“ in den ersten beiden Jahren der Klimastreiks ist mittlerweile Katerstimmung eingekehrt. Die politischen Maßnahmen reichen noch immer bei weitem nicht aus, um das Klimaziel von Paris 2015 zu erreichen. Die Stimmung in Europa hat sich gegen das Greening gedreht, gute Maßnahmen drohen zurückgenommen zu werden. Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen zeigen einen Trend weg von Parteien, die den Klimaschutz vorantreiben, und hin zu solchen, die ihn ablehnen oder zumindest deutlich bremsen. Der Schwung in der Klimabewegung erlahmt…

Wie können wir angesichts dieser Entwicklungen Hoffnung schöpfen? Wie können wir uns wieder mit innerer Freude und mit Schwung für den Erhalt des Planeten Erde und seiner Biosphäre engagieren? Als einem Theologen liegen mir vor allem drei Schritte am Herzen, die aus der jahrtausendealten spirituellen Tradition stammen und die wir im Kontext der Scientists auf unserer „Alm.Zeit4Future“ vermitteln, die im November 2024 bereits zum zweiten Mal im Schlierbacher SPES-Haus stattfindet:

  1. Alle Aktionen aus einer tiefen inneren Ruhe heraus planen und durchführen. Nicht kopflos drauflos machen, sondern Geduld haben, bis ein Konzept wirklich reif ist; sich nicht unter Druck setzen lassen vom Termin der nächsten Wahl oder der nächsten Abstimmung im Parlament oder… Überhastete Aktionen erreichen gar nichts, womöglich sogar das Gegenteil von dem, was intendiert ist – vor allem aber brennen wir dabei aus. Gute Aktionen dürfen wachsen wie ein Lebewesen – nämlich langsam. Ja, es stimmt schon: Die Zeit läuft uns davon. Aber wenn wir uns unter Druck setzen lassen, werden wir ganz sicher nichts erreichen.
  2. Das uns Mögliche tun – und dann gelassen darauf vertrauen, dass es gut wird. Ich nenne das „engagierte Gelassenheit“. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Begriffe ein Widerspruch zu sein: Entweder wir sind gelassen oder wir sind engagiert. Aber nein, beides gehört unbedingt zusammen – so schwer das sein mag. Denn Gelassenheit ist keine Trägheit, keine Gleichgültigkeit, keine Passivität. Und umgekehrt ist Engagement etwas anderes als ein verbissener Kampf, der die Mitmenschen abschreckt. Engagement heißt, sich binden zu lassen, verbunden zu sein, mit Herz und Hand. Und Gelassenheit ist eine tiefe innere Freiheit, aus der heraus wir uns nicht zu Sklav*innen eines Ziels machen lassen – auch nicht des bestgemeinten Klimaziels. Engagierte Gelassenheit ist also ein Engagement aus tiefer innerer Freiheit, nicht weil wir meinen, etwas zu tun müssen, sondern weil wir spüren, etwas tun zu können.
  3. Uns von schlechten Prognosen und fehlenden Fortschritten unabhängig machen: Das ist vielleicht der schwerste der drei Schritte, denn uns wurde von klein auf eingetrichtert, dass es im Leben um Erfolg geht. Und so messen wir unser Klima-Engagement brav am Erfolg bzw. meistens eben am Misserfolg. Ich stelle die Frage: Was ist denn das für eine Moral, die nur dann richtig ist, wenn sie Erfolg hat? Der frühere tschechische Staatspräsident Vaclav Havel hat einmal gesagt: Hoffnung ist keine Prognostik, dass etwas gut ausgeht, und keine Spekulation, wie es morgen oder übermorgen sein wird. Hoffnung, so der Agnostiker Havel, muss einen Ankerpunkt in der Transzendenz haben. Und dafür gilt es ganz tief in uns hineinzuspüren und wahrzunehmen: Es ist richtig, was ich tue, und das gibt mir Mut und Kraft. Am Ende des II. Weltkriegs hat es ein evangelischer Pfarrer in Hessen so gesagt (und Martin Luther zugeschrieben, von dem es aber nicht stammt): Und wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen!

Also, liebe Mitengagierte in der For-Future-Bewegung: Lasst uns das Apfelbäumchen pflanzen!

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Gegen die Hoffnungslosigkeit

Lesedauer 2 Minuten.   

Simon Probst, AG Öffentlichkeitsarbeit

Am 06. August 2024 hat sich in einer offiziellen Presseaussendung die „Letzte Generation Österreich“ (nach der „letzten Generation“, die noch etwas gegen die Klimawandel tun kann) selbst aufgelöst. Dabei handelt es sich um eine Gruppierung, die vor allem als „Klimakleber“ der Öffentlichkeit bekannt ist.

Im Statement zeigen sie vor allem auf welche unterschiedlichsten Weisen sie protestiert haben, von Kabarett und Gesprächen mit Politikern, über Farbproteste an Fassaden und Bannerdrops bis hin zu Unterbrechungen von Skievents und Flughafenprotesten. Alleine die erwähnte Vielfalt zeigt die deutlichen Scheuklappen, die teilweise in den Medien bei dieser Gruppierung herrschen. Diese führten wohl auch mit zur Gewalt und dem Hass, den die Beteiligten erfahren mussten.

Laut eigener Aussage sieht die „Letzte Generation Österreich“ keine Perspektive mehr für Erfolg, komplette Inkompetenz in der Regierung und eine große fossile Ignoranz in Österreich.

Als Mitglied der Scientists for Future fühle ich mich bei diesem Statement hin- und hergerissen zwischen dem Mitgefühl für die Beteiligten und dem Bedürfnis zu widersprechen.

Mitgefühl vor allem, weil dieses Gefühl des Aufgebens so nachvollziehbar ist, wenn man sich in diesem Bereich engagiert. Weil jeder, der sich in diesem Bereich engagiert dieses Gefühl kennt und sicher bereits schon einmal gefühlt hat. Weil der Hass, die Gewalt und die Morddrohungen gerade bei größerer Aufmerksamkeit und radikaleren Maßnahmen noch so viel stärker sein muss. Mitgefühl, weil einen Schritt zurückmachen, bei diesem Thema und in so einer Welt, vielleicht sogar mehr Kraft kostet als weiterzumachen.

Das Bedürfnis zu widersprechen kommt vermutlich genau aus diesem Willen weiter zu machen. Die letzte Generation macht Platz für mehr, und ich hoffe, dass viele ihrer Mitglieder ihren Kampf weiterführen. Trotzdem kann ich weder die „komplette Inkompetenz der Regierung“ noch das Verallgemeinern der gesamten Bevölkerung Österreichs akzeptieren. Ja, ich kann das Bedürfnis zu verstehen, jedem einzelnen zeigen zu wollen, was falsch läuft, und hartnäckigere Exemplare auch einmal wachzurütteln. Aber ich kann den Glauben an ein Land und die wundervollen Menschen die darin wohnen nicht aufgeben. Ich kann einfach die Hoffnung in sie nicht verlieren.Die bekanntesten Protest-Weisen der „Letzten Generation Österreich“ konnte ich nie mit ganzem Herzen unterstützen. Straßenkleben im Besonderen war für mich schon immer eine falsche Art von Aufmerksamkeit auf das ganze Thema.

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Die Zukunft der Anderen

Lesedauer 7 Minuten.   

Sophie Elaine Wolf, AG Öffentlichkeitsarbeit

Das Jahr 2024, so scheint es, hat heftig auf die Bremse getreten, was das Engagement für den Klimaschutz betrifft: Trumps Wiederwahl, zahn- und zahlenlose internationale Verhandlungen zum Schutz der Biodiversität und des Klimas und nicht zuletzt Klimabewegungen, die sich zurückziehen oder gleich ganz auflösen. Resignation aufgrund fehlender sichtbarer Resultate und Frustration, weil nur Gegenwind kommt… sie ist verständlich. Anlass genug sich zu fragen, ob Aufgeben wirklich einen Option ist und welche Alternativen wir haben.

Aufgeben?

Individuell geben wir auf, wenn wir keine Hoffnung mehr haben, unsere Kräfte erschöpft sind oder der Weg nicht weiter führt. Doch wann geben wir als Kollektiv auf? Das hängt ganz davon ab, wie das „wir“ definiert ist, und damit sind wir bei der Frage, wie mensch sich im Klimaaktivismus engagiert. Folgt man einer jüngeren Publikation, so lassen sich drei Blöcke identifizieren, die mobilisieren und antreiben: Das Gefühl der Wirksamkeit, Moral & Wut und Identifikationsmöglichkeiten mit anderen Personen in engagierten Gruppen.1 Eine Metastudie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Sie identifiziert vier Kernmotivationen, dank derer Menschen sich besonders effektiv mobilisieren lassen: Eine gesellschaftliche Norm, in der Klimaaktivismus u. ä. positiv konnotiert ist (descriptive norms); die Sorge um die Klimakrise und deren Auswirkungen (negative effect); die Überzeugung, dass (politische) Maßnahmen Wirkung zeigen (outcome efficacy) und das Gefühl, dass mensch mit dem eigenen Tun Resultate erzielt (self-efficacy).2 

Wir brauchen also persönliche Auslöser, die uns dazu bringen, Teil einer oder mehrerer Gruppen zu werden, die sich engagieren. Dann brauchen wir Erfolgserlebnisse auf persönlicher und kollektiver Ebene und eine anhaltenden Besorgnis.

An Letzterer mangelt es leider nicht, da sind wir uns sicher einig.

Bei den anderen sieht es offensichtlich schon ganz anders aus. Wir können schlussfolgern: Aufgeben passiert kollektiv dann, wenn die Wirkung ausbleibt, die Gruppenbindung bröckelt und die Wut der Verzweiflung weicht.  

Weitermachen!

Nun hat das Kollektiv ein Gutes: Es ist in ständigem Wandel begriffen und setzt sich aus vielen Individuen zusammen. Das bedeutet, es gibt kein kollektives Aufgeben aller Klimabewegungen, kollektives Aufgeben ist schlicht keine Option. Solange wir leben besteht noch Hoffnung. Es besteht Hoffnung, weil es eine „letzte“ Generation in jeder Stadt, in jeder Nation, auf jedem Kontinent dieser Erde gibt. Es besteht noch Hoffnung, da 8 Milliarden Menschen nie einer Meinung sein werden und es immer neue Menschen geben wird, die die Herausforderung annehmen. Es besteht noch Hoffnung, weil Kinder diese Erde bevölkern: Sie sind die Zukunft. Sie sind unsere Hoffnung, unsere Verantwortung und sie können unser Antrieb sein.

Wut und Moral

Wem gehört die Welt? Die Letzte Generation mag aufgegeben haben unter dem Eindruck, dass die Welt den Reichen und Mächtigen gehört. Es erweckt den Anschein und das kann eine ganz schöne Wut erzeugen. Genauso wie es Wut erzeugen sollte, dass Jahrzehnte lang die Wissenschaft ignoriert worden ist und Einzelpersonen, Konzerne und Politik Desinformationskampagnen geführt haben, die der absurdeste Dystopie entsprungen scheinen. Doch tatsächlich gehört sie uns allen und damit vor allem jenen, die nach uns kommen: den Kindern. Und diese Kinder gehören einer Generation an, die anders ist, als die vorhergehenden: Sie wachsen auf in einer Zeit, in der die breite Bevölkerung rund um den Globus Bewusstsein um unsere Situation und den Zustand des Planeten erlangt hat – oder zumindest in der Lage wäre, dieses zu erlangen. Keine der Generationen, die zu diesem Zeitpunkt bestehen, kann noch behaupten, sie hätten nichts gewusst. Wir haben die Mittel und Wege uns zu informieren und damit das nötige Wissen.

Wissen ist Verantwortung

Verantwortung, nach unserem besten Wissen und Gewissen den Planeten für die zukünftigen Generationen in einen besseren Zustand zu versetzen, eine Welt zu hinterlassen, die noch Hoffnung darauf hat, dass auch die Menschen in ihr Platz haben. Die Zukunft gehört uns nicht, auch der Planet, den wir ausnutzen, gehört uns nicht, aber eines gehört uns: Unser Verstand und mit unserem Verstand kommt die Verantwortung. Wir wissen, dass wir so nicht weiter leben können. Wir wissen, dass wir für die Situation, in der sich der Planet befindet, verantwortlich sind, in jeder Hinsicht: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir tragen die Verantwortung, nicht allein jene, die Kinder „in die Welt gesetzt“ haben oder die Generationen vor uns, die sich willens oder durch mangelnde Information des Nicht-Handelns schuldig gemacht haben. Insbesondere das „wir“ jener Nationen, die im Verlauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte den Planeten über alle Maßen ausgenutzt und dabei jegliche Menschenrechte mit Füßen getreten haben, trägt die Verantwortung. Sie waren es, die sehenden Auges ihre Welt aus Ungerechtigkeiten errichtet haben, doch wir sind die Erben der historischen Verantwortung unserer „Wohlstandsgesellschaft“. Wir sind auch aktiv jene, die das System der Ausbeutung fortsetzen und darauf eine hanebüchene Zukunftsprojektion einer grünen Technologie-Zukunft aufbauen, in der immer weiter die Rohstoffe unseres gemeinsamen Planeten und Millionen von Menschenleben für den vermeintlichen Fortschritt einer kleinen privilegierten Minderheit ausgebeutet werden. Und so sehr wir persönlich auch verzichten, reduzieren oder anderweitig nach alternativen Modellen leben: Wir sind Teil einer Gesellschaft, in der wir es nicht vermeiden können, tagtäglich dem Planeten zu schaden. 

Verantwortung

Wir sind Teil des Systems und haben damit die Verantwortung selbiges zu kritisieren und zu verändern. Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass Zukunft ein Luxus ist. Global gesehen ist der Zugang zu Bildung oder zu einem stabilen Gesundheitssystem ein Luxus, wie auch die Möglichkeit, Pläne nicht nur für morgen sondern auch für das kommende Jahr zu machen. Eigentlich aber zählen wir all das zu den Menschenrechten, die für alle ohne Unterscheidung gelten sollten.

Art. 25 (1) Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.

Wir haben es als Menschenrecht definiert, als ein Ideal, nach dem es zu streben gilt. Globale soziale Gerechtigkeit wäre das Resultat, würden wir die Menschenrechte auch tatsächlich umsetzen, auf der ganzen Welt. Es ist eine Utopie, vielleicht auch eine Mission Impossible. Doch das Streben nach Höherem, nach einer besseren Zukunft, die Projektion des scheinbar Unmöglichen aber Vorstellbaren, kurz unsere Fantasie ist es, die uns zu Menschen macht. Denn wenn wir an die Menschenrechte, an Gleichberechtigung, an das Recht auf Zukunft und an den Wert jedes einzelnen Lebewesens glauben, dann können wir nicht anders, als uns unserer Verantwortung zu stellen.

Verantwortung klingt nach Zwang und bekanntlich kommt mit Zwang Widerstand und mit Widerstand Energieverlust. Für manche mag die Perspektive der Verantwortung daher kontraproduktiv wirken. Doch schauen wir genauer hin, ist Verantwortung eigentlich das Instrument schlechthin aus der Trickkiste des Mensch-Seins: Verantwortung ist das Ende der Belanglosigkeit und des Egoismus. Mit der Verantwortung kommen Inhalte und Werte, Verantwortung stellt uns das Ziel vor Augen. Sie lässt uns den inneren Schweinehund überwinden, die letzte Meile gehen, die letzten Reserven abrufen. Verantwortung macht uns alle zu Held:innen. 

Held:innen

Wir wollen also Gutes tun – nur, Was und Wie? Erster Schritt: Erkenne dich selbst. Wir kennen uns am besten (oder so hoffen wir) und selbst wenn wir etwas übersehen: Unser ganz persönliches Gewissen, dass mit offenen Augen in die Zukunft schaut, weiß, was wir können, wie viel Kraft wir haben und wie wir diese immer wieder neu schöpfen können. Jede:r kann sich auf ganz eigene Art und Weise, nach den eigenen Talenten und Möglichkeiten engagieren. Für eine Zukunft aktiv werden, die uns nicht gehört, aber eine, die wir ermöglichen müssen. Angefangen bei unserer Haltung und unseren Werten, die wir jeden Tag in die Welt hinaustragen, die wir unseren Kindern, unserer Familie, unserem Umfeld vermitteln.

Nach unserem Gewissen zu handeln bedeutet dabei nicht, die Dinge im kleinen Stil zu machen, sondern ehrlich zu sich selbst zu sein: Was kann ich wirklich tun und kann ich mehr tun? Wissen schafft Verantwortung und so sollten Wissenschaftler:innen, die faktenbasierte Kritik am Status quo und einer unsäglich trägen oder gleich unverantwortlich blinden Politik üben, nicht abgestraft werden. Sondern sie sollten diese Verantwortung tatsächlich – wie in einem hippokratischen Eid – wahrnehmen, ihr Wissen verantwortungsvoll im Sinne des Wohlergehens der globalen Bevölkerung verbreiten. Aber auch Talent schafft Verantwortung: Manche Menschen können mobilisieren, andere organisieren oder diplomatisch vermitteln, wieder andere bringen ihre Netzwerk in die Klimabewegung ein. Ganz entscheidend kommt die Verantwortung mit dem Bewusstsein unseres Privilegs: Die meisten von uns können sich engagieren, ohne um Leib und Leben zu fürchten. Mittlerweile gibt es auch in den westlichen Rechtsstaaten Fälle von absurden Strafen für friedlichen Aktivismus (bspw. Just Stop Oil)3, aber kein System kann in irgendeiner Form rechtfertigen, dass Menschen rund um den Globus für ihren Aktivismus sterben müssen, und dennoch passiert es. Allein 2023 wurden einem Bericht zufolge 169 Menschen aufgrund ihres Engagements gegen die Klimakrise getötet.4 Sein wir also aktiv und bleiben wir aktiv, denn das Recht auf Protest ist eines, das mit allen Mitteln verteidigt werden muss: Für uns und für alle Menschen auf dieser Erde.

Der Treibstoff für unseren Motor

Sich ein erstes Mal zu engagieren in der Klimabewegung ist der einfache Teil der Übung. Die Schwierigkeit jedes freiwilligen – unentgeltlichen – Engagements liegt darin begründet, dass dieses zum Rest unseres Lebens passen muss: Wir müssen Zeit dafür finden oder dafür schaffen und das tun wir nur so lange keine anderen Aspekte unseres Lebens größere Priorität erlangen. Aktivismus kann langfristig nicht aus einer Mode heraus betrieben werden oder gespeist werden aus Gefühlen wie Angst oder Wut. Negative Gefühle sind zwar mitunter mächtige Orkane, reiben aber genauso auf und haben einen enormen emotionalen Energieverbrauch. Wenn wir es ernst meinen mit unserem Engagement, müssen wir uns also auch dahingehend befragen, wie wir unsere Akkus aufladen.

Antrieb und Kraft schöpfen Menschen aus vielen verschiedenen Dingen und dort sollte jede:r ansetzen, ganz bewusst und individuell. Ein essentielles Element mögen Übungen fürs innere Auge sein: Von den großen, globalen Zielen immer wieder auf das Detail und die „kleinen“ Erfolge blicken und sich bewusst machen, dass auch das große Ganze nur aus einzelnen Elementen zusammengesetzt ist. So etwa mag die Gewissheit helfen, dass es für manche Entscheidungsträger:innen in politisch relevanten Positionen essentiell ist, die Rückendeckung durch die Bevölkerung, Bewegungen und NGOs auch tatsächlich zu spüren. Oder wir freuen uns einfach über eine gelungene Veranstaltung, ein positives Feedback zu einer Aktion oder darüber, dass diese in der Tageszeitung erwähnt wird. Und dann wieder sind da die großen Ideen, die Utopien einer anderen Zukunft, die uns anspornen können. Besonders, wenn nicht wir allein im stillen Kämmerlein davon träumen, sondern wenn diese von global Playern gezeichnet werden. Erst im September diesen Jahres hat die UN, ähnlich den Menschenrechten, die Declaration on Future Generations verabschiedet, die eine andere Welt entwirft.5 Eine Welt, die utopisch erscheinen mag, die uns jedoch an unsere Menschlichkeit erinnert und klare Worte findet. Auch ein so symbolisch deklariertes, gemeinsames, globales Ziel kann uns motivieren, jeden Tag aufs Neue die Kraft aufzubringen, weiter zu machen.

Wenn mensch persönlich ganz eigene Wege der Regeneration findet, gibt es auf kollektiver Ebene einen entscheidenden Faktor: die Wertschätzung. Gerade bottom-up Bewegungen charakterisieren sich durch eine nicht hierarchische Organisationsstruktur, die ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Für sie ist es von enormer Relevanz, dass die Mitglieder sich untereinander Wertschätzung entgegenbringen auf allen Ebenen: In den Meetings, in der Aufgabenverteilung, dem Mitspracherecht bis hin zu jenen Momenten, in denen Erfolge zelebriert werden. Wenn mensch sich in der Gruppe wertvoll fühlt, dann schöpfen wir daraus die Kraft, weiter zu machen und gemeinsam neue Herausforderungen anzugehen.

Die Zukunft der Anderen

Von dem ersten Kennenlernen und dem großen Enthusiasmus bis hin zur Ernüchterung und der Frage, wie sich die Leidenschaft erhalten kann: Das Engagement in der Klimabewegung ist eine Art Beziehung und als solche braucht es Zuwendung und Wertschätzung und eine Perspektive. Sind diese gegeben, haben wir keinen Grund, aufzugeben, im Gegenteil: Dann ist Liebe die sich selbst erneuernde Energiequelle, die uns kollektiv die Kraft verleiht, die Welt zu verändern. Gebt also nicht auf, sondern übernehmt Verantwortung: Für das was ihr liebt und für die Menschen, die ihr liebt. Übernehmen wir Verantwortung für die Zukunft, die nicht uns gehört, deren Fundamente aber von uns gelegt werden. Übernehmen wir endlich Verantwortung für die Zukunft der Anderen.

  1. Klimabewegt – Die Psychologie von Klimaprotest und Engagement, hrsg. v. Karen Hamann, Paula Blumenschein, Eva Junge, Sophia Dasch, Alex Wernke und Julian Bleh, hier zum Download: https://www.wandel-werk.org/materialien. Zusammefassung bspw. hier: https://www.mdr.de/wissen/psychologie-des-klimawandels-motivation-zum-handeln-100.html ↩︎
  2. Eine Zusammenfassung auf Deutsch: https://www.klimawandelanpassung.at/newsletter/nl40/kwa-motivationanpassung, die App: https://climate-interventions.shinyapps.io/climate-interventions/, und der wissenschaftliche Aufsatz: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adj5778  ↩︎
  3. https://www.theguardian.com/uk-news/article/2024/aug/01/just-stop-oil-protesters-jailed-climbing-gantries-block-m25https://juststopoil.org/2024/09/06/five-just-stop-oil-supporters-handed-up-to-3-year-sentences-as-prisons-overflow-and-un-chief-warns-of-red-alert-for-humanity/.  ↩︎
  4. https://www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/missing-voices/. ↩︎
  5. Dokument des Summit of the Future der UN inkl. der Declaration hier zum Download: https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/sotf-pact_for_the_future_adopted.pdf. Insbesondere ist relevant, dass die Erklärung beginnt mit den Worten: „In order to seize the opportunity that present generations possess to leave a better future for generations to come and to fulfil our commitment to meet the demands of the present in a way that safeguards the needs and interests of future generations, while leaving no one behind, we will observe the following guiding principles: … 5. A clean, healthy and sustainable environment, where humanity lives in harmony with nature, must be created and maintained by urgently addressing the causes and adverse impacts of climate change and scaling up collective action to promote environmental protection“. ↩︎
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Liebe Letzte Generation…

Lesedauer 5 Minuten.   

Martin Auer, AG Öffentlichkeitsarbeit

Liebe Letzte Generation, ihr habt euch also aufgelöst. Schade! Das sage ich als einer, der Verständnis für euren Zorn und eure Motive hat, aber nicht alle eurer Aktionsformen für besonders zielführend hält. Nur damit das geklärt ist. Warum finde ich es schade? Weil, wenn ihr euch einfach nur auflöst und das Handtuch werft, der Bewegung für eine klimagerechte Welt eure Energie fehlen wird. Vielleicht wäre ein Pause der Selbstbesinnung und Reflexion die bessere Wahl gewesen.

Dass ihr, wie ihr in eurem Brief schreibt, „keine Perspektive für Erfolg mehr“ seht, stimmt mich traurig. Und ich fürchte, eure Resignation könnte auf einen Teil der Bevölkerung, vor allem der Jugend, ansteckend wirken.

Die Gesellschaft hat versagt? Wirklich, die Gesellschaft?

„Die Gesellschaft hat versagt“, schreibt ihr. Das ist ziemlich pauschal. In eurer Grundsatzerklärung, die dem Brief (immer noch?) angeschlossen ist, heißt es, ihr fordert, dass die Empfehlungen des Klimarats umgesetzt werden, beginnend mit der Einführung des Grundrechts auf Klimaschutz. Wenn dieser Klimarat ein repräsentativer Querschnitt durch die österreichische Gesellschaft ist, wie kann man dann behaupten, die Gesellschaft habe versagt? Daraus, dass die Empfehlungen des Klimarats nicht umgesetzt werden, folgt eher, dass mit unserer Demokratie etwas nicht stimmt.

Fossile Ignoranz?

„Wir sehen ein, dass Österreich weiter in fossiler Ignoranz leben will“. Da stimme ich nicht zu. In allen Umfragen der letzten Zeit zeigt sich, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung den Klimawandel als eine Bedrohung empfindet und auch der Meinung ist, dass er menschengemacht ist: „77 Prozent der Befragten sind sehr oder eher davon überzeugt, dass es durch Menschen verursachten Klimawandel gibt und sie selbst seine negativen Auswirkungen noch miterleben werden.“ (Umfrage im Auftrag des Umweltministeriums 2020 und 2021). Das ist weit entfernt von fossiler Ignoranz. Es scheint eher so zu sein, dass ein Großteil der Bevölkerung sich zwar der Bedrohung bewusst ist, aber das Ausmaß der Bedrohung noch nicht erkannt hat und nur eine vage Vorstellung davon hat, welche Maßnahmen tatsächlich den Kollaps verhindern können. Für die meisten beschränkt es sich auf recyceln, regional einkaufen, Ökostromvertrag abschließen und die Gasheizung gegen Fernwärme austauschen. Ein Symptom für diese Verbindung von Wunsch nach Klimaschutz und wenig Wissen ist das ungeheure Ausmaß von Greenwashing, das sich durch alle Bereiche der Wirtschaft zieht. Jede Firma brüstet sich mit angeblich oder wirklich klimaneutralen Produkten. Warum? Weil die angeblich so ignorante Bevölkerung klimaneutrale Produkte haben will. Jetzt geht es darum dafür zu sorgen, dass die Produkte wirklich klimafreundlich werden.

Es geht nicht mehr nur ums Aufrütteln

Es geht nicht so sehr ums Aufrütteln, es geht viel eher um die Verbreitung von konkretem Wissen. Wissen darüber, wie radikal und wie umfassend die Maßnahmen sein müssen, um die Katastrophe abzuwenden und wie diese Maßnahmen in der Realität aussehen können. „Hört auf die Wissenschaft!“ muss noch immer das Motto sein. Laut einer Umfrage vom letzten Jahr, die im Standard veröffentlicht wurde, sind nämlich 31 % der Befragten der Meinung, dass in Österreich „genug“ Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen werden. Das ist bedenklich. Aber 42 % meinen, dass Österreich „zu wenig“ Maßnahmen gegen den Klimawandel setzt. Unter Menschen mit Präferenz für die ÖVP sind 52 % mit den Maßnahmen zufrieden, aber auch hier wollen 31 % „mehr“ Klimaschutz.

Es ist eine Unzulänglichkeit solcher Umfragen, dass mit „genug“ oder „zu wenig“ nichts über die Art der notwendigen Maßnahmen ausgesagt wird; ob die Menschen CO2-Bepreisung befürworten oder Obergrenzen für Luxuskonsum oder eine Entwicklung zur autofreien Stadt, kommt hier nicht zum Ausdruck.

20 % der Befragten meinten allerdings, dass in Österreich „zu viele“ Maßnahmen gegen den Klimawandel gesetzt werden. Diese Meinung herrscht eher bei Männern vor (24 %), bei Menschen über 50 (24 %), bei Menschen mit einfacher Bildung (25 %) und vor allem bei Menschen mit Affinität zur FPÖ (49 %). Hier konzentriert sich die „fossile Ignoranz“, und zwar die bewusst gesteuerte, durch Falschinformationen befeuerte Ignoranz, die das ganze Gemisch aus Halbwissenschaft, Scheinwissenschaft und purem Unsinn nachplappert, das von der fossilen Industrie finanzierte Klimaleugnerthinktanks wie EIKE oder das Heartland Institute verbreiten.

Der Unterschied zwischen nicht können und nicht wollen

Der Regierung Inkompetenz in Klimafragen vorzuwerfen, verkennt die Tatsachen. Erstens sitzt in der Regierung eine in Klimafragen sehr kompetente Umweltministerin, die unter anderem mit ihrer Stimme und gegen den Willen des Koalitionspartners der EU Verordnung zur Wiederherstellung der Natur zum Durchbruch verholfen hat. Das hätte sie wohl nicht wagen dürfen, wenn sie nicht gewusst hätte, dass sie dabei 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung hinter sich hatte. Und diese 80 Prozent sind nicht von selber gekommen. Ein offener Brief von 170 Wissenschaftler:innen, eine Petition mit 23.000 Unterstützer:innen, Demonstrationen mit Stellungnahmen von Wissenschaftler:innen haben ihr den Rücken gestärkt und Diskussionen an der Basis der SPÖ haben zu einem Umlenken des Wiener Bürgermeisters geführt. Ohne die gesellschaftliche Diskussion, die ihr – schon vergessen? – mit eurer Besetzungsaktion in Gang gesetzt habt, hätte sie auch den Bau des Lobautunnels nicht absagen können.

Auf der anderen Seite haben wir den Koalitionspartner. Und dem würde ich auch keine Inkompetenz diagnostizieren. Denn es liegt nicht daran, dass er nicht kann, sondern dass er nicht will. Genau so gut könnte man der Wirtschaftskammer Inkompetenz vorwerfen. Die Wirtschaftskammer macht ihre Sache sehr gut, nur ist es eben nicht unsere Sache sondern die Sache der „Wirtschaft“, oder gar nur eines Teils davon.

Statt jedem, der nicht unserer Meinung ist, Ignoranz, Dummheit oder Inkompetenz vorzuwerfen, sollten wir analysieren, welche Interessen hinter den einzelnen politischen Kräften stehen, wo die fossile Industrie ihre Finger drin hat, mit allen, die von ihr abhängig sind, von Autozulieferern bis zu Straßenbauunternehmen, wo ausländische Mächte auf Fake News setzen, wo die Marketingabteilungen die Konsument:innen in die Irre führen und so weiter.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die befürchten, dass Klimaschutzmaßnahmen ihre Arbeitsplätze gefährden und/oder die Lebenshaltungskosten erhöhen. Diese Menschen gilt es aufzuklären. Ein wichtige Rolle kommt dabei der größten zivilgesellschaftlichen Organisation überhaupt zu, den Gewerkschaften. Und die Klimabewegung hat in der letzten Zeit ihre Beziehungen zu den Gewerkschaften verstärkt. Das ist einer der vielen Hebel, die angesetzt werden können.

Die Emissionen sinken endlich, aber nicht von selber

Und dann bitte, überseht nicht: In den letzten beiden Jahren sind die Emissionen in Österreich um 11,1 Prozent gesunken und liegen erstmals unter dem  Niveau von 1990 und zwar um 14 Prozent. Das ist zum Teil auf Faktoren zurückzuführen wie einen milden Winter, ein Jahr wirtschaftlicher Flaute, und gestiegene Energiepreise in Folge des Ukrainekriegs. Aber nur zum Teil, wie die Berechnungen des Wegener Instituts zeigen. Zum anderen Teil sind diese Emissionseinsparungen auf Maßnahmen auf allen Ebenen, von einzelnen Bürger:innen, von Gemeinden, Industriebetrieben und dem Staat zurückzuführen. Und daran, dass sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit solcher Maßnahmen verbreitet hat, hat die Klimabewegung ihren nicht zu unterschätzenden Anteil. Es ist einfach nicht gerechtfertigt zu sagen: „Es nutzt eh alles nix, alle haben versagt.“ Im Gegenteil: Wir müssen auf diesen Abwärtstrend hinweisen, wir müssen sagen: „Schaut her, es geht. Aber es geht nicht von selber. Wir müssen diesen Trend aktiv verstärken!“

Die Klimabewegung findet nicht nur auf der Straße statt

Der Kampf um Klimagerechtigkeit findet eben nicht nur auf der Straße statt, er muss in die Schulen, die Betriebe, in die zivilgesellschaftlichen Organisationen von der freiwilligen Feuerwehr bis zur Kirchengemeinde hineingetragen werden, er muss in den Universitäten und in den Parteien geführt werden, beim Gespräch in der Familie und beim Anstellen an der Supermarktkasse, in den sozialen Medien, durch Druck auf die kommerziellen Medien, durch juristische Mittel (Klimaklagen) und auch durch Lobbying bei der Politik. Und Aufklärung darf sich nicht nur auf die wissenschaftlichen Fakten beschränken, auf Parts per Million CO2 und den Methanausstoß von Wiederkäuern, sie muss auch die wirtschaftlichen und Machtinteressen aufdecken,die hinter politischen Entscheidungen stehen und sie muss die gesellschaftlichen Veränderungen umfassen, die notwendig sind, um ein klimafreundliches Leben zu ermöglichen. Das heißt: „Hört nicht nur auf die Klimawissenschaft, hört auch auf die Sozialwissenschaften“. Der APCC Special Report „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ fasst zusammen, welche möglichen Wege zur Umgestaltung der Gesellschaft die Sozialwissenschaften in Österreich aufzeigen. Das sind vielfältige und schwierige Aufgaben, die einen langen Atem und viel Mut und Einsatzbereitschaft erfordern. Aber nur so kann es gelingen, dass einmal nicht Hunderte und Tausende, sondern Hunderttausende auf die Straße gehen und ein menschenwürdiges, gutes, gesundes und sicheres Leben für alle einfordern.

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