Kein Platz für „Klimaplantagen“?

Lesedauer 3 Minuten.   

Energie aus Biomasse gewinnen und das anfallende CO2 zu speichern, könnte helfen, dieses Treibhausgas aus der Atmosphäre zu holen. Doch wo diese Biomasse anbauen, ohne die Natur zu zerstören?

Wie kann man CO2 aus der Atmosphäre wieder entfernen? Das wird notwendig, wenn es uns nicht gelingt, unsere Emissionen rechtzeitig auf Null zu bringen. Eine Möglichkeit, die diskutiert wird, ist, schnell wachsende Pflanzen anzubauen, sie zur Energiegewinnung nutzen, und das CO2, das dabei anfällt, einzufangen und irgendwo sicher zu lagern. Beispielsweise könnten Pappel- oder Weidenplantagen Holz zum Verbrennen in thermischen Kraftwerken liefern. Pflanzen wie Mais, Hirse oder Elefantengras eignen sich zur Herstellung von Biogas. Rapsöl und andere Ölpflanzen liefern Biodiesel. Im Fachjargon werden diese Methoden „Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS)“ genannt, also „Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Lagerung“. Die Frage ist: Wo soll man diese Pflanzen anbauen? Wo könnte man „Klimaplantagen“ anlegen?

Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Nature Communications Earth & Environment hat das Potenzial solcher neuartiger „Klimaplantagen“ berechnet. Dabei muss nicht nur die CO2-Bilanz berücksichtigt werden, sondern auch andere planetare Belastungsgrenzen müssen bedacht werden.

Planetare Grenzen

Das Forschungsteam setzt am Konzept der planetaren Grenzen an, das 2009 unter Leitung des jetzigen PIK-Direktors Johan Rockström entwickelt wurde: Neun Prozesse, vom Klima über den Zustand der Wälder und Ozeane bis zur biologischen Vielfalt, bilden die Lebensgrundlage der Menschheit – und für alle Prozesse gibt es Belastungsgrenzen. Wie kürzlich der vom PIK vorgelegte erste planetare Gesundheitscheck belegte, sind sechs Grenzen bereits überschritten. Vier davon sind landbezogen und damit für die Flächenausweisung und Bewirtschaftung von Klima-Plantagen relevant; sie betreffen den Stickstoff-Eintrag durch Düngung, den Süßwasserverbrauch, die Entwaldung und den Verlust der durch Artenvielfalt bedingten Integrität der Biosphäre. Die neue Studie liefert nun erstmals eine systematische, prozessbasierte Modellierung dazu, wie das BECCS-Potenzial eingeschränkt wird, wenn diese Belastungsgrenzen nicht weiter überschritten werden sollen.

Rein theoretisch könnten Klimaplantagen bis 20250 jährlich mehr als 7,5 Mrd. Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Mit ähnlichen Größenordnungen rechnen viele Klimaszenarien zur Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5°C. Dazu müssten alle biophysikalisch geeigneten Flächen außerhalb der heutigen Landwirtschaft umgewandelt werden. Wenn man aber die planetaren Belastungsgrenzen mit einbezieht, zeigt sich: Die Milliarden Tonnen sind über diese Technologie bei weitem nicht erreichbar.

Für die Studie wurde das globale Biosphären-Modell LPJmL verwendet. Was tut dieses Modell? Das Modell „Lund-Potsdam-Jena Managed Land“ simuliert sowohl für natürliche als auch für landwirtschaftliche Ökosysteme die Zusammensetzung und Verteilung der Vegetation, die Kohlenstoff- und Wasserbestände und die entsprechenden Austausch-Ströme zwischen Land und Atmosphäre. Es kann Prozesse darstellen wie Photosynthese, Pflanzenwachstum, Erhaltungs- und Regenerationsverluste, Brandstörungen, Bodenfeuchtigkeit, Abfluss, Evapotranspiration, Bewässerung und Vegetationsstruktur. Als Input dienen Daten über Klima, menschliche Landnutzung, Bodeneigenschaft und Strömungsrichtungen von Flüssen.

Aus den Berechnungen ergibt sich, wie stark die einzelnen Belastungsgrenzen überschritten würden, wenn diese mehr als 7,5 Milliarden Tonnen CO2 durch Klimaplantagen entnommen werden sollen: Die Obergrenze für Stickstoffeintrag durch Dünger würde um 21 Prozent überschritten werden, der Schutz von Süßwassersystemen um 59 Prozent, die Begrenzung der Entwaldung um 61 Prozent und die Vermeidung von Biosphärenschäden um 93 Prozent. Wenn natürliche Flächen durch Klimaplantagen ersetzt werden, bleibt von der Artenvielfalt praktisch nichts mehr übrig. Begrenzt man aber die Flächen für Klimaplantagen so, dass die Belastungsgrenzen nicht überschritten werden, bleibt ein Potenzial von 200 Millionen Tonnen – anstatt 7,5 Milliarden.

Wolfgang Lucht, Leiter der Forschungsabteilung Erdsystemanalyse am PIK und ein Co-Autor der Studie, erklärt in einer Aussendung.„Unsere Computersimulation ist eine der bisher anspruchsvollsten Anwendungen des am PIK entwickelten Biosphären-Modells. Sie bringt in der aktuellen Klimadiskussion, angesichts der derzeit erfolgenden Überschreitens des 1,5-Grad-Limits, eine wichtige Erkenntnis: Wir dürfen bei unserer Reaktion auf die Klimakrise nicht nur auf die CO2-Bilanz von Maßnahmen schauen, sondern müssen auch andere planetare Grenzen im Blick behalten. Letztlich hängt die Widerstandsfähigkeit des Erdsystems von einer Vielzahl miteinander verknüpfter Prozesse ab.“

Weniger Fleischkonsum könnte Platz für Klimaplantagen schaffen

Könnte man Klimaplantagen auf Land anlegen, das derzeit für Landwirtschaft genutzt wird? Nicht, wenn auf diesem Land Getreide, Gemüse oder Obst angebaut wird. Eine Verringerung des Fleischkonsums könnte Flächen frei machen, die derzeit für Viehfuttererzeugung oder Weiden genutzt werden.

„Die wichtigste aller Klimaschutz-Strategien bleibt die schnelle Emissionssenkung in Richtung null“, sagt Johanna Braun, PIK-Forscherin und Leitautorin der Studie. „Um das CO2-Entnahme-Potenzial der Klima-Plantagen doch noch zu steigern, also die verfügbare Fläche, müsste die Welt bei der Landwirtschaft mit weniger Platz und Ressourcen auskommen. So könnte eine insgesamt mehr pflanzenbasierte Ernährung theoretisch erhebliche Weideflächen für andere Verwendung verfügbar machen.“ Die Studie weist damit auf einen wichtigen Zusammenhang hin, betont Braun: „Weniger tierische Produkte zu produzieren und zu konsumieren, hilft nicht nur dem Klima durch verringerte Emissionen der Landwirtschaft – es sorgt auch für Entspannung beim Kampf um knappe Ressourcen und schützt dadurch das Erdsystem insgesamt.“

Quelle: Braun, J., Werner, C., Gerten, D. et al. Multiple planetary boundaries preclude biomass crops for carbon capture and storage outside of agricultural areas. Commun Earth Environ 6, 102 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02033-6

Titelbild: Lignovis GmbH: Abernten einer vierjährigen Weidenplantage. CC BY-SA

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Call to Action: Mikroben für Klimalösungen

Lesedauer 2 Minuten.   

In einem am 11. November in 14 Fachzeitschriften gleichzeitig veröffentlichten Aufruf zum Handeln fordern die Mikrobiologin Raquel Peixoto und ihre Kolleg:innen, dass die Welt „die Macht der Mikrobiologie nutzt“, um den Planeten zu schützen. Von der Verbesserung der Kohlenstoffbindung bis zum Anbau von Biokraftstoffen gibt es eine Vielzahl mikrobenbasierter Lösungen für Klimaprobleme, sagen die Autor:innen – aber diese werden nicht in großem Maßstab effektiv umgesetzt. Es sei an der Zeit, den bürokratischen Aufwand abzubauen, argumentieren sie, und eine globale Task Force zusammenzustellen, die dabei hilft, die besten dieser Mikrobiom-Technologien zu testen, zu finanzieren und einzusetzen.

Beispiele für die Anwendung

Kohlenstoffbindung

  • Mikrobielle Verbesserung der Kohlenstoffbindung in Böden und Ozeanen
  • Reduziert den CO2-Gehalt in der Atmosphäre und steigert die Bodenproduktivität
  • Unterstützt die Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft und die Kohlenstoffspeicherung im Meer.

Methanoxidation

  • Einsatz von methanotrophen Bakterien um Methan in weniger schädliche Verbindungen zu oxidieren
  • Senkt die Methan-Emissionen und kann die Entfernung aus der Atmosphäre fördern; mildert ein starkes Treibhausgas.
  • Anwendung: Deponien, Viehhaltung, Süßwasserkörper im Binnenland; Feuchtgebiete

Bioenergieproduktion

  • Kultivierung von Algen und anderen Mikroben für die Biokraftstoffproduktion
  • Liefert erneuerbare Energie; reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen
  • Anwendung: Produktion von Biokraftstoffen; andere Industrieanwendungen

Biologische Sanierung

  • Mikrobieller Abbau von Schadstoffen
  • Verbessert die Umweltgesundheit und die Gesundheit von Organismen; reduziert die Belastung durch Giftstoffe
  • Anwendung: industrielle Abfallwirtschaft; Sanierung kontaminierter Flächen und Sedimente

Mikrobielle Therapien

  • Gezieltes Mikrobiom-Management durch mikrobielle Therapien (z. B. Probiotika, Postbiotika, Präbiotika);
  • Kann schädliche Mikrobiome und die daraus resultierende Umweltzerstörung eindämmen; Kann nützliche Mikrobiome in Wirten und Ökosystemen wiederherstellen. Verbessert die Gesundheit von Organismen und der Umwelt und kann auf nachhaltige Praktiken angewendet werden, was wiederum die Treibhausgasemissionen minimiert.
  • Anwendung: Wiederherstellung und Sanierung von Wildtierpopulationen und Ökosystemen; nachhaltige Landwirtschaft; menschliche Gesundheit

Stickstoffmanagement

  • Entwicklung von Nutzpflanzen mit symbiotischen Bakterien zur Fixierung von Stickstoff aus der Atmosphäre: Entwiclung von Pflanzen, die biologische Nitrifikationshemmer produziere
  • Verbessert die Bodenfruchtbarkeit; reduziert Düngemitteleinsatz; erhöht die Stickstoffnutzungseffizienz der Pflanzen; verringert Eutrophierung und Treibhausgasemissionen
  • Anwendung: Nachhaltige Landwirtschaft; Pflanzenproduktion

Quelle: Peixoto, R., Voolstra, C.R., Stein, L.Y. et al. Microbial solutions must be deployed against climate catastrophe. Nat Microbiol (2024). https://doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1038/s41564-024-01861-0

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Bäume verbrennen ist nicht nachhaltig
von Martin Auer

Lesedauer 5 Minuten.   

Am 17. Mai stimmte der Umweltausschuss des Europaparlaments über einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft und der Richtlinie über erneuerbare Energie ab1. Laut diesem Entwurf soll die Energiegewinnung aus „primärer holzartiger Biomasse“ nicht mehr als nachhaltig gelten. Gemeint sind damit Bäume, die zur Energiegewinnung gefällt werden. Diese Form der Energieerzeugung aus Biomasse könnte dann nicht mehr von Förderungen für erneuerbare Energien profitieren, sondern wäre der CO2-Bepreisung unterworfen.

Ausgenommen wäre „sekundäre holzartige Biomasse“, also Abfälle, die bei anderen Arten der Holznutzung entstehen, wie Sägespäne, Rinde, Schwarzlauge aus der Papierherstellung und Abfälle bei der Holzgewinnung wie Äste und Wipfel.

Freilich ist noch unklar, ab das Europäische Parlament sich diesem Entwurf anschließen wird. Martin Pigeon, Wald- und Klimabeauftragter der Umweltorganisation Fern: „Die Bioenergiebranche ist vor allem dank dieser Anreize gewachsen und wird sich gegen diese Begrenzung ihres Angebots heftig wehren. Dabei kann sie leider auf die Unterstützung einiger verbündeter EU-Regierungen zählen, wie beispielsweise die der derzeitigen Regierungen Schwedens, Finnlands oder Österreichs.“2

„Bäume verbrennen ist nicht nachhaltig
von Martin Auer
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