Die Zahl der Privatflugzeuge, die Anzahl der Flüge und die Gesamtentfernung, die diese Flugzeuge zurücklegen, sind in den letzten vier Jahren sprunghaft angestiegen, was die Kohlendioxidemissionen des Sektors auf neue Höhen getrieben hat. Ein Team um Stafan Gössling von der Universität Kalmar ermittelte, dass Privatflüge im vergangenen Jahr 15,6 Millionen Tonnen CO2 produzierten.
Die Forscher:innen berechneten die CO2-Emissionen des Sektors anhand von Flugtrackerdaten für den Zeitraum 2019 bis 2023. Die Flugzeiten von 25.993 Privatflugzeugen und 18.655.789 Einzelflügen in den Jahren 2019-2023 sind mit 72 Flugzeugmodellen und ihrem durchschnittlichen Treibstoffverbrauch verknüpft. Sie stellten fest, dass die private Luftfahrt im Jahr 2023 mindestens 15,6 Mt CO2 an direkten Emissionen verursacht hat , oder etwa 3,6 t CO2 pro Flug. Fast die Hälfte aller Flüge (47,4 %) sind kürzer als 500 km. Die private Luftfahrt konzentriert sich auf die USA, wo 68,7 % der Flugzeuge registriert sind. Die Flugmusteranalyse bestätigt umfangreiche Reisen zu Freizeitzwecken sowie zu kulturellen und politischen Veranstaltungen wie der COP2 in Dubai. Die Emissionen stiegen zwischen 2019 und 2023 um 46 %, und die Branche erwartet anhaltend starkes Wachstum. Die Wissenschaftler:innen fordern Regulierungen, um den zunehmenden Klimaauswirkungen des Sektors Rechnung zu tragen. https://www.nature.com/articles/s43247-024-01775-z
Mehr als 80 % der Umfrageteilnehmer einer Spitzenforschungsuniversität stimmten zu, dass Flugreisen umweltschädlich sind, dennoch flogen 2022 mehr als 35 % von ihnen – insbesondere Professoren und Doktoranden – zu mindestens einem Meeting. Die Präsenzkultur von Konferenzen bringt Akademiker in eine schwierige Lage: Sie fliegen, um teilzunehmen, oder riskieren, Chancen zu verpassen.
„Es ist das erste Mal, dass diese Kluft zwischen Einstellung und Verhalten tatsächlich sehr direkt angesprochen wird“, sagt Sebastian Jäckle, Politikwissenschaftler an der Universität Freiburg, der einmal mit dem Fahrrad zu einer Konferenz nach Polen gefahren ist. „„Solange es notwendig ist, internationale Konferenzen im Lebenslauf zu haben, um eine Professur zu bekommen, kann der Einzelne eigentlich nicht viel tun“.
Laut Jonas De Vos, Professor für Transportgeographie am University College London haben for allem Forschende Angst, Gelegenheiten zu verpassen, ihre Forschung vorzustellen und sich mit potenziellen Partnern zu vernetzen. „Internationale Mobilität ist oft noch immer wichtig für die Beförderung und die Beschaffung von Forschungsgeldern“, sagt er. Lehrendes Personal fliegt weniger oft. Auch weibliche Forschende fliegen weniger oft als männliche.
Susann Görlinger, Mitbegründerin von iilo, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Zürich, die Organisationen dabei hilft, Flugemissionen zu reduzieren, schlägt vor, dass Institutionen Kohlenstoffbudgets festlegen und diese bedarfsgerecht unter den Forschern aufteilen. Ebenso wichtig, sagt Görlinger, sei es, dass Konferenzorganisatoren Alternativen wie hochwertige virtuelle und hybride Meetings sowie Multi-Hub-Meetings anbieten, die mit dem Zug in die nächste Großstadt erreichbar sind. Die Umstellung auf solche Alternativen könnte auch die Vernetzungsmöglichkeiten für Forscher:innen mit begrenzten Mitteln und solchen, die Angehörige pflegen, inklusiver machen, sagt sie. https://www.nature.com/articles/d41586-024-02965-7 De Vos, J., Hopkins, D., Hickman, R. & Schwanen, T. (2024): Tackling the academic air travel dependency. An analysis of the (in)consistency between academics’ travel behaviour and their attitudes. Glob. Environ. Change. 88, 102908. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959378024001122
Eine neue Studie der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) legt nahe, dass Tausende Fälle von Bluthochdruck, Diabetes und Demenz in ganz Europa mit den winzigen Partikeln in Verbindung stehen, die von Flugzeugen ausgestoßen werden.
52 Millionen Menschen – mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung Europas – leben in einem Umkreis von 20 km um die 32 verkehrsreichsten Flughäfen Europas und sind besonders den ultrafeinen Partikeln (UFP) aus der Luftfahrt ausgesetzt, wie neue Forschungsergebnisse von CE Delft im Auftrag von T&E zeigen1. In Paris, einer der untersuchten Städte, sind 8 Millionen Menschen von den beiden wichtigsten Flughäfen Charles de Gaulle und Orly betroffen. Die Belastung durch ultrafeine Partikel kann mit dem Entstehen schwerer und langfristiger Gesundheitsprobleme in Verbindung gebracht werden, darunter Atemwegsprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schwangerschaftsprobleme.
Die Belastung durch ultrafeine Partikel kann der neuen Forschungsarbeit zufolge mit 280.000 Fällen von Bluthochdruck, 330.000 Fällen von Diabetes und 18.000 Fällen von Demenz in Europa in Verbindung gebracht werden. Die Studie hat die gemeldeten Fälle dieser Erkrankungen rund um den Flughafen Amsterdam Schiphol extrapoliert und liefert die erste Schätzung der gesundheitlichen Auswirkungen, die mit luftfahrtbedingten UFPs in Europa in Zusammenhang stehen.
Ultrafeine Partikel sind besonders besorgniserregend, da sie tief in den menschlichen Körper eindringen und im Blut, im Gehirn und in der Plazenta nachgewiesen wurden. UFPs haben einen Durchmesser von weniger als 100 Nanometern – ungefähr 1.000 Mal kleiner als ein menschliches Haar. Bis heute gibt es keine Vorschriften für sichere UFP-Werte in der Luft, obwohl die WHO vor über 15 Jahren davor gewarnt hat, dass es sich um einen Schadstoff handelt, der zunehmend Anlass zur Sorge gibt.
UFPs von Flugzeugen werden in großer Höhe, aber auch beim Starten und Landen ausgestoßen, was bedeutet, dass Anwohner, die in der Nähe von Flughäfen leben, besonders betroffen sind. Menschen, die in einem Umkreis von 5 km um einen Flughafen leben, atmen Luft ein, die im Durchschnitt zwischen 3.000 und 10.000 ultrafeine Partikel pro cm3 enthält. In vielen Städten leben in der Nähe von Flughäfen Menschen mit niedrigeren Einkommen. Dies zeigt einmal mehr, dass die Schwächsten der Gesellschaft am stärksten von der Luftverschmutzung betroffen sind.
Jemima Hartshorn, Gründerin von Mums for Lungs, einer in Großbritannien ansässigen Kampagnengruppe zur Luftverschmutzung: „Zuerst hatten wir das Problem der Luftverschmutzung durch Straßen, dann hatten wir Holzöfen und jetzt werden wir uns einer weiteren unsichtbaren Gefahr bewusst, die die Gesundheit aller Menschen beeinträchtigt. Wir wissen, dass die Luftverschmutzung die größte Krise der öffentlichen Gesundheit darstellt und insbesondere Kinder, Babys und ältere Menschen betrifft. Diese winzigen Partikel dringen bekanntermaßen in jedes Organ des Körpers ein, einschließlich der Plazenta. Die meisten Menschen haben keine Wahl, wo Flughäfen liegen oder wie groß sie sind, und oft wird diese Verschmutzung durch Flugzeuge verursacht, die Passagiere aus aller Welt befördern.“
Die Verwendung von „qualitativ hochwertigerem“ Flugzeugtreibstoff kann die UFPs jedoch um bis zu 70 % reduzieren, so die Studie. Die Menge der von Flugzeugen ausgestoßenen UFPs hängt weitgehend von der Zusammensetzung des Treibstoffs ab. Je sauberer der Flugkraftstoff ist, desto weniger Schadstoffe entstehen bei der Verbrennung. Die Reinigung dieses Treibstoffs erfolgt durch einen Prozess namens Hydrotreatment2. Es wird seit Jahrzehnten verwendet, um Schwefel aus Kraftstoffen für Autos und Schiffe zu entfernen, und könnte weniger als fünf Cent pro Liter Kraftstoff kosten. Aber die Kerosinstandards für Flugzeuge wurden nie verbessert, obwohl dies die Luftverschmutzung rund um Flughäfen erheblich reduzieren könnte.
Weitere Maßnahmen zur Reduzierung von UFPs und zur Verbesserung der Luftqualität sind die Reduzierung des Flugverkehrs und ein Stopp des exponentiellen Wachstums der Luftfahrt sowie der Einsatz sauberer Technologien wie nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAFs) und emissionsfreier Flugzeuge, die viel weniger Schadstoffe ausstoßen.
UFP sind Teil der sogenannten „Nicht-CO2-Emissionen“ von Flugzeugen, zu denen viele andere giftige Schadstoffe gehören, sowohl Gase als auch Partikel, wie Stickoxide und Schwefeldioxid. Obwohl diese Schadstoffe nicht in den Rahmen der Studie fallen, haben sie ebenfalls bekannte Auswirkungen auf die Gesundheit, die die zuvor beschriebenen ergänzen. Diese Emissionen haben auch eine schädliche Wirkung auf das Klima, wodurch der Beitrag der Luftfahrt zur globalen Erwärmung mindestens doppelt so schlimm ist wie allgemein angenommen. So hängt beispielsweise auch die Bildung von Kondensstreifen – den weißen Linien, die den Himmel hinter Flugzeugen durchkreuzen und einen erheblichen Erwärmungseffekt haben – mit UFP-Emissionen zusammen. Eine Reduzierung der UFP-Emissionen durch qualitativ hochwertigeres Kerosin wäre nicht nur für die Bevölkerung in der Nähe von Flughäfen von Vorteil, sondern auch für den Planeten.
1Der Umfang der Studie erstreckt sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum und das Vereinigte Königreich. Die Auswirkungen des Windes und die mögliche weitere Verbreitung von UFPs wurden bei der Modellierung nicht berücksichtigt. Die endgültigen Auswirkungen könnten dadurch leicht beeinflusst werden.
2Hydrotreatment-Prozesse fügen dem Kraftstoff Wasserstoff hinzu, entfernen Verunreinigungen und verbessern seine Zusammensetzung und damit die Verbrennungseigenschaften.
Gössling, Stefan, & Humpe, Andreas. (2020). The global scale, distribution and growth of aviation: Implications for climate change. Global Environmental Change, 65, 102194. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2020.102194
Fliegen ist eine der Energie-intensivsten Konsum-Formen, stellen die Studienautoren fest. Laut IATA 1 fliegt der „Durchschnittsbürger“ einmal alle 22 Monate. Dieser Durchschnitt sagt nicht viel aus, wenn man bedenkt, dass mehr als 80 Prozent der Bevölkerung noch nie ein Flugzeug bestiegen haben und in einem Jahr nur 11 Prozent fliegen. Von diesen nehmen höchstens 4 Prozent der Weltbevölkerung internationale Flüge in Anspruch. Und 1 Prozent der Weltbevölkerung ist für 50 Prozent der CO2-Emissionen durch Flugverkehr verantwortlich.
Generell sind die Pro-Kopf-Emissionen auf der Welt höchst ungleich verteilt: 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen 45 Prozent der gesamten Emissionen, die untersten 50 Prozent tragen nur 13 Prozent bei. In der EU sind 1 Prozent der Bevölkerung für 27 Prozent der Emissionen verantwortlich, mit einem Pro-Kopf-Ausstoß von 55 Tonnen CO2e 2.
Im Kreis derer, die besonders viel CO2 verursachen, ist Flugverkehr die Konsumkategorie mit den höchsten Emissionen. Flugreisende sind überproportional wohlhabend. So ist zum Beispiel der Besitz von mehreren Wohnungen oder Häusern – womöglich in verschiedenen Ländern oder auf verschiedenen Kontinenten – ein Grund für häufiges Fliegen. Wer Business-Class fliegt, also einen größeren Teil des Flugzeugs für sich beansprucht, verursacht auch mehr Emissionen. Rund 70 Prozent aller Geschäftsreisen sind laut World Bank Business-Class (dreifache Emissionen) oder First Class (neunfache Emissionen). First Class Suite wird auf das Fünfzehnfache an Emissionen im Vergleich zu Economy geschätzt.
Doch die höchste Energie-Intensität haben Privatflugzeuge, da sie noch weniger Personen pro Energieeinheit transportieren. Schätzungen sagen, dass Privatflugzeuge bis zu 1.500 Tonnen CO2 pro Besitzer*in und Jahr verursachen.
Auch in Ländern mit hohem Durchschnitteinkommen fliegt nur eine Minderheit, z. B. 47 Prozent in den USA und 35 Prozent in Deutschland.
Die Autoren der Studie kritisieren, dass der internationale Flugverkehr sowohl im Kyoto-Protokoll als auch im Pariser Abkommen aus der Berichtspflicht der Länder ausgenommen wurde. Ebenso halten sie fest, dass die beiden Abkommen sich nur auf langlebige Treibhausgase beziehen, aber den Strahlungsantrieb 3 durch Stickoxide und Wasserdampf (Kondensstreifen), der beim Flugbetrieb entsteht, außer acht lassen. Dieser Beitrag ist aber vergleichbar oder noch größer als der durch CO2 alleine, je nach Schätzung bis zu doppelt so hoch.
Die Autoren schließen, dass die gegenwärtige Klimapolitik in Bezug auf den Flugverkehr unzureichend ist. Sie fordern starke regulierende Eingriffe. Da eine geringe Zahl von sehr wohlhabenden Konsument*innen für den Großteil der Flugreisen verantwortlich ist, würden sich mäßige Preiserhöhungen kaum auswirken. Würde man dagegen die Flugaktivität des einen Prozent mit den meisten Flügen halbieren, so würde das die Emissionen aus dem kommerziellen Passagiertransport um über 25 Prozent senken.
Die Studie ist unter einer Creative Commons Lizenz allgemein zugänglich.