Lancet Countdown Report 2024: Die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels haben ein Rekordniveau erreicht.

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Eine gesunde Zukunft bleibt in Reichweite, wenn heute eiligst gehandelt wird.

The Lancet ist eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt und am University College London angesiedelt. Der Lancet Countdown on Health and Climate Change erscheint jährlich knapp vor der Weltklimakonferenz. Im Lancet Countdown arbeiten 300 führende Forscher:innen aus aller Welt zusammen, um über aktuelle Entwicklungen zu den Zusammenhängen von menschlicher Gesundheit und Klimawandel zu informieren und damit eine wissensbasierte Grundlage für klimapolitische Entscheidungen zu schaffen.

Während die Menschen in allen Ländern durch den Klimawandel beispiellosen Bedrohungen ausgesetzt sind, die ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit und ihr Überleben gefährden, wird weiterhin in fossile Brennstoffe investiert und die Finanzierung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz wird nur schleppend vorangetrieben. Eine dringend erforderliche Umleitung der Ressourcen weg von einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft hin in eine emissionsfreie, gesunde Zukunft wird rasche gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile bringen.

Der Bericht 2024 bietet die aktuellste Einschätzung der Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimawandel. Von den15 Indikatoren zur Überwachung der Gesundheitsgefahren, Expositionen und Auswirkungen des Klimawandels erreichten 10 im letzten Jahr der Datenerhebung einen besorgniserregenden neuen Rekord.

Hitze und Gesundheit

Im Jahr 2023 erreichten die hitzebedingten Todesfälle bei Menschen über 65 Jahren den höchsten Stand aller Zeiten und lagen um 167 % höher als im Zeitraum 1990–1999. Das ist mehr als das Doppelte des Anstiegs, der ohne Temperaturänderung zu erwarten gewesen wäre.

Hitzebelastung schränkt die Arbeitskapazität zunehmend ein und führte im Jahr 2023 zu einem weltweiten Verlust von 512 Milliarden potenziellen Arbeitsstunden. Dies ist eine Steigerung von 49 % gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1999. Der damit verbundene potenzielle Einkommensverlust erreichte einen Rekordwert von 835 Milliarden US-Dollar. Die Länder mit einem niedrigen Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, kurz HDI) waren am stärksten betroffen. Ihr Arbeitskräfteverlust entsprach 7,6 Prozent ihres BIP.

Zudem kommt es immer häufiger zu extremen Niederschlagsereignissen, die die Nahrungsmittel- und Wassersicherheit und die Abwasserentsorgung gefährden sowie die Übertragung von Infektionskrankheiten begünstigen und das Risiko von Erdrutschen und Überschwemmungen erhöhen. Im letzten Jahrzehnt ist die durchschnittliche Zahl der Tage mit extremen Niederschlägen pro Jahr auf 61,3 Prozent der globalen Landfläche im Vergleich zum Basiszeitraum von 1961 bis 1990 gestiegen. Das ist ein Rekordwert.

Die höhere Häufigkeit von Hitzewellen und Dürren führte dazu, dass in 124 Ländern insgesamt 151 Millionen Menschen zusätzlich unter mäßiger oder schwerer Nahrungsmittelunsicherheit litten, was das Risiko von Unterernährung und Hunger erhöhte. Aufgrund der wärmeren Küstengewässer erreichten die Vibriose-Fälle im Jahr 2023 weltweit einen geschätzten Rekordwert von 692.000.

Und auch das globale Übertragungsrisiko von Dengue-Fieber durch die Asiatische Tigermücke und die Ägyptische Tigermücke nimmt zu, was zu einem weltweiten Anstieg der Dengue-Fälle führt.

Anpassungsmaßnahmen im Gesundheitsbereich

Während die Klimabedrohungen zunehmen, verschärfen sich die Risiken für die Gesundheit der Menschen durch jahrelange Verzögerungen bei der Umsetzung lebensrettender Anpassungsmaßnahmen.

Nur 68 % der Länder meldeten im Jahr 2023 eine hohe bis sehr hohe Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kapazitäten zur Bewältigung gesundheitlicher Notlagen.

Angesichts der deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländergruppen des Human Development Index nehmen die gesundheitlichen Ungleichheiten zu und nur 35 % der Länder gaben an, über Frühwarnsysteme für hitzebedingte Erkrankungen zu verfügen, und nur 10 % hatten Frühwarnsysteme für psychische und psychosoziale Gesundheitsrisiken.

Energieerzeugung, Energienutzung und Gesundheit

Trotz dieser wachsenden Bedrohungen gießen Regierungen und Unternehmen weiterhin Öl ins Feuer und gefährden so die Gesundheit und das Überleben der Menschen:

Die globalen energiebezogenen Emissionen erreichten 2023 einen neuen Rekordwert und die Menschen auf der ganzen Welt sind weiterhin auf umweltschädliche, schmutzige Brennstoffe angewiesen. Zusätzlich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen gingen zwischen 2016 und 2022 fast 182 Millionen Hektar Wald verloren, was die natürliche Kapazität der Welt zur Bindung von atmosphärischem Kohlendioxid verringerte.

Aufgrund der langsamen Einführung sauberer Energien machen schmutzige Brennstoffe wie Biomasse (z.B. Brennholz, Holzkohle, Dung) immer noch über 90 % der Energie aus, die Menschen in Ländern mit niedrigem Human Development Index in ihren Häusern verbrauchen. Infolgedessen sind diese Menschen in Innenräumen einer hohen Luftverschmutzung durch Brennstoffe ausgesetzt, was zu 2,3 Millionen Todesfälle in 65 Ländern im Jahr 2020 führte. Am stärksten betroffen waren ländliche Haushalte.

Trotz der zunehmenden gesundheitlichen Schäden weiten Öl- und Gasunternehmen ihre Pläne zur Produktion fossiler Brennstoffe weiter aus. Im März 2024 waren die 114 größten Öl- und Gasunternehmen gemeinsam auf dem besten Weg, ihren Anteil an den Emissionen, der mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist, im Jahr 2040 um 189 % zu überschreiten. Dies ist über 15 Prozentpunkte mehr als die ein Jahr zuvor prognostizierte Überschreitung von 173%.

Durch die Verzögerung des Übergangs zu sauberen, erneuerbaren Energien blieben die Länder weiterhin von den volatilen Märkten für fossile Brennstoffe abhängig.

Angesichts der rasant steigenden Kosten für fossile Brennstoffe erhöhten die Regierungen ihre Subventionen für fossile Brennstoffe, um die Energiepreise erschwinglich zu halten. Infolgedessen subventionierten 84 % der untersuchten Länder im Jahr 2022 weiterhin fossile Brennstoffe und stellten dafür eine Rekordnettosumme von 1.400 Milliarden US-Dollar bereit. In 55 % der Länder entsprachen diese Subventionen 10 % der nationalen Gesundheitsausgaben oder mehr. In 27 % der Länder waren die Subventionen für fossile Brennstoffe höher als die gesamten Gesundheitsausgaben. Diese Mittel könnten umgeleitet werden, um den Übergang zu sauberen Energiequellen zu unterstützen, gefährdete Bevölkerungsgruppen vor den steigenden Risiken des Klimawandels zu schützen und eine gesunde Zukunft zu ermöglichen.

Nach einer Phase des Rückgangs nehmen die Investitionen in fossile Brennstoffe wieder zu und erreichten allein im Jahr 2023 1.100 Milliarden US-Dollar.

Aufgrund dieser anhaltenden Investitionen in fossile Brennstoffe steigt der Gesamtwert der Kohlekraftwerke, die ihren Betrieb einstellen müssen, um die schwerwiegendsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, immer weiter an. Bislang wird erwartet, dass der Wert der aktuellen Kohlekraftwerke, die auf dem Weg zu einer lebenswerten Zukunft nicht mehr nutzbar sind, zwischen 2025 und 2034 einen Gesamtwert von 164,5 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Diese Verluste werden noch größer werden, wenn die Investitionen in fossile Brennstoffe anhalten.

Ökonomische Auswirkungen des Klimawandels

Im Jahr 2023 verursachten wetterbedingte Extremereignisse weltweit wirtschaftliche Verluste in Höhe von 212 Milliarden US-Dollar. Das sind 23 % mehr als im Durchschnitt von 2020 bis 2014.

Der durchschnittliche jährliche monetarisierte Wert der globalen hitzebedingten Sterblichkeit für den Zeitraum 2019–2023 betrug 199 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von 179 % gegenüber 2000–2004.

Im Jahr 2023 erreichten die weltweiten potenziellen Einkommensverluste durch Abbau von Arbeitskapazität aufgrund extremer Hitze einen Rekordwert von 835 Milliarden US-Dollar. Der monetarisierte Wert der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund von Luftverschmutzung erreichte 2021 einen Rekordwert und belief sich auf 4,95 Billionen US-Dollar, 14 % mehr als 2016.

Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass die Weltwirtschaft bis 2050 auf einen Einkommensrückgang von 11–29 % zusteuert, was die sozialen und wirtschaftlichen Systeme bedroht, von denen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen abhängen.

Die Schäden, die innerhalb der nächsten 26 Jahre zu erwarten sind, übersteigen die Kosten für die Minderung der Erderwärmung auf 2 °C laut einer aktuellen Studie um das Sechsfache.

Fortschritte

Doch trotz dieser besorgniserregenden Ergebnisse zeigen einige Indikatoren Anzeichen für erste Fortschritte und weisen auf wichtige Handlungsoptionen hin, die verstärkt genutzt werden müssen, um die Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und einen Übergang in eine gesunde und gerechtere Zukunft zu ermöglichen.

Gesundheitssektoren reagieren zunehmend auf die Bedrohungen des Klimawandels und tragen dazu bei, die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen zu verringern. Die Zahl der Länder, die Bewertungen ihrer Verletzlichkeit (Vulnerabilität) gegenüber den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und Anpassung an diese entwickelt haben, stieg von 11 im Jahr 2022 auf 50 im Jahr 2023. Die Zahl der Länder, die ihre nationalen Gesundheitsanpassungspläne (National Health Adaptation Plans) abgeschlossen haben, stieg von 4 auf 43. 70 % der 279 befragten Bildungseinrichtungen im Bereich öffentliche Gesundheit gaben an, im Jahr 2023 Bildung zum Thema Klima und Gesundheit anzubieten, ein entscheidender Schritt zur Entwicklung einer Belegschaft, die die Bevölkerung vor den wachsenden Gesundheitsrisiken des Klimawandels schützen kann.

Und obwohl die Mittel für gesundheitsbezogene Anpassung im Jahr 2023 nur 27 % der gesamten Anpassungsmittel aus Projekten des Grünen Klimafonds ausmachten, stellt dies immer noch einen Anstieg von 137 % seit 2021 dar.

Auch wenn fossile Brennstoffe nicht ausreichend ersetzt wurden, sind im Energiesektor dennoch wichtige Fortschritte zu verzeichnen. Die Beschäftigung im Bereich erneuerbarer Energien ist seit 2016 um 35,6 % gestiegen und bietet gesündere und nachhaltigere Beschäftigungsmöglichkeiten als die fossile Brennstoffindustrie. Der weltweite Anteil an Strom aus sauberen, modernen erneuerbaren Energien erreichte im Jahr 2021 einen Rekordwert von 10,5 %.

Erfreulicherweise ist die Zahl der Todesfälle aufgrund von Feinstaub-Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe im Freien zwischen 2016 und 2021 um 6,9 % zurückgegangen . Dies verdeutlicht, dass durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe unmittelbare und wichtige Verbesserungen für die Gesundheit erzielt werden könnten.

Es gibt bedeutende Möglichkeiten, auf diesen Fortschritten aufzubauen und eine gesunde Zukunft zu ermöglichen. Dies erfordert eine dringende Umverteilung der Mittel weg von Aktivitäten, die der menschlichen Gesundheit schaden, hin zur Förderung eines Übergangs zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft und damit zu einer gesunden Zukunft Nach jahrzehntelanger Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen sind nun abgestimmte, strukturelle und nachhaltige Veränderungen in den Energie-, Transport-, Landwirtschaft-, Ernährungs- und Gesundheitssystemen erforderlich, um die schwerwiegendsten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Eine gesunde Zukunft für alle bleibt in Reichweite, wenn heute eiligst gehandelt wird.

Quelle: Romanello, M. et al. (2024): The 2024 report of the Lancet Countdown on health and climate change: facing record-breaking threats from delayed action. The Lancet 404, 1847–1896, https://lancetcountdown.org

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Interaktiver Atlas zeigt, wo in Österreich und in Europa die Menschen am stärksten durch den Klimawandel verwundbar sind

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Alter, Gesundheit, wirtschaftlicher Status, Wohnbedingungen − all das beeinflusst, wie gut Menschen Klimaextremen standhalten können. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen in Europa sind groß.

In einer neuen Ergänzung zum Atlas der Demografie – einem interaktiven Tool der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Europäischen Kommission – können die einzelnen Regionen der Länder nach den erwähnten Verletzlichkeitskriterien abgefragt werden. Forscher des IIASA haben im Rahmen des SPARCCLE-Projekts eine detaillierte Analyse der regionalen Unterschiede in der sozioökonomischen Verwundbarkeit in der EU veröffentlicht.

Die Analyse zeigt, dass sich die Verletzlichkeitsgrade je nach Urbanisierungsgrad erheblich unterscheiden. Städtische und ländliche Gebiete bieten je nach Land und Art der betrachteten Verletzlichkeit unterschiedliche Schutzniveaus.

„Ländliche Gebiete, insbesondere in Ost- und Südeuropa, werden voraussichtlich am stärksten vom Klimawandel betroffen sein. Mit einer älteren Bevölkerung, einer höheren Rate chronischer Erkrankungen und einem niedrigeren Einkommensniveau sind diese Regionen stärker von unmittelbaren Klimaereignissen wie Überschwemmungen und Hitzewellen bedroht, die auch ihre langfristige Widerstandsfähigkeit schwächen“, sagt Anne Goujon, Leiterin der Sozioökonomie im von Horizon Europe finanzierten SPARCCLE-Projekt und Programmdirektorin des IIASA-Programms „Population and Just Societies“.

In Regionen mit einer stark alternden Bevölkerung verstärkt die Kombination aus physischer Gebrechlichkeit und sozioökonomischen Herausforderungen die Verletzlichkeit und erschwert Anpassungsbemühungen. Darüber hinaus sind Gebiete mit schlechten Gesundheitsindikatoren, insbesondere solche mit einer hohen Rate chronischer Krankheiten, schlechter darauf vorbereitet, wirksam auf Klimagefahren zu reagieren, während Haushalte mit niedrigem Einkommen erhebliche Hindernisse bei der Erholung von extremen Klimaereignissen haben.

Gezielte Maßnahmen für verschiedene Regionen sind notwendig

Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit gezielter politischer Maßnahmen, die die spezifischen Schwachstellen verschiedener Bevölkerungsgruppen und Regionen berücksichtigen und sicherstellen, dass die Schutzmaßnahmen angemessen auf die individuellen Bedürfnisse jeder Gemeinschaft zugeschnitten sind. Die Beseitigung dieser Schwachstellen erfordert gezielte Interventionen, die die einzigartigen demografischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten jeder Region berücksichtigen und so sicherstellen, dass die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen beim Aufbau ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmenden Bedrohungen durch den Klimawandel unterstützt werden.

Große Unterschiede in Österreich

Für Österreich sieht man zum Beispiel, dass in der östlichen Obersteiermark besonders viele alte Menschen leben, die Menschen im Weinviertel die geringste Lebenserwartung haben, der generelle Gesundheitszustand in Kärnten und der Steiermark sowie in Wien am schlechtesten ist, und Wien mit 56% der Bevölkerung die meisten chronisch kranken Menschen aufweist, gefolgt von großen Teilen Niederösterreichs und des Burgenlands. Besonders krass sind die wirtschaftlichen Unterschiede in Österreich: Während Salzburg beim GDP pro Kopf um 42 Prozent über dem Median liegt, bleibt das Weinviertel um fast 40 Prozent unter dem Median. Nicht viel besser sieht es im Süd- und Mittelburgenland, im Mühlviertel, Oberkärnten und im nördlichen Umland von Wien aus. Der krasse Unterschied zwischen dem nördlichen Wiener Umland (-26 %) und dem südlichen (+34%) ist besonders auffällig. Die schlechtesten Wohnverhältnisse weist mit Abstand Wien auf. Und auch das Risiko von Armut oder sozialem Ausschluss im Alter ist in Wien bei weitem am höchsten.

Über den Atlas der Demographie

Der Atlas der Demografie ist ein interaktives Tool, das von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Europäischen Kommission entwickelt wurde und es politischen Entscheidungsträgern und Bürgern ermöglicht, demografische Herausforderungen zu beobachten, zu überwachen und vorherzusehen. Neben dem ökologischen und digitalen Wandel ist der demografische Wandel die dritte Transformation, die die Zukunft Europas prägt. Ein gutes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen dem demografischen Wandel und den lokalen, regionalen und nationalen Realitäten ist der Schlüssel, um die EU-Politik an die sich ändernden Bedingungen vor Ort anzupassen.

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Amazonas-Kipppunkt: Weniger Monsun-Regen durch Entwaldung
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

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Die Auswirkungen der globalen Erwärmung, der Entwaldung und der intensivierten Landnutzung können zu einer kritischen Destabilisierung des südamerikanischen Monsuns führen. Das ist das Ergebnis einer jetzt im Fachjournal Science Advances veröffentlichten Studie. Ist der Punkt der kritischen Destabilisierung einmal überschritten, ist in weiten Teilen des südamerikanischen Kontinents mit deutlich weniger Niederschlag zu rechnen. Dies hätte wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität des Amazonas-Regenwaldes. Auch Gebiete, die noch nicht direkt von Landnutzungsänderungen betroffen sind, wären dann von existentiellen Schäden bedroht.

In ihrer Studie haben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Tromsø (UiT) untersucht, wie Veränderungen von Waldschäden und der Monsunzirkulation miteinander zusammenhängen. „Waldverluste durch direkte Abholzung, Dürren und Brände können das Klima in Südamerika demnach erheblich verändern und dazu führen, dass die komplexen Kopplungsmechanismen zwischen Amazonas-Regenwald und südamerikanischer Monsunzirkulation einen kritischen Punkt der Destabilisierung überschreiten. Die hier vorgestellten Ergebnisse deuten auf eine bevorstehendn Verschiebung im Amazonas-Ökosystem hin, wenn die Abholzung und die globale Erwärmung nicht gestoppt werden“, sagt der Erstautor der Studie, Nils Bochow, von der Universität Tromsø, Norwegen und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Signifikante Anzeichen für abnehmende Stabilität des Monsunsystems

Der Feuchtigkeitsaustausch, der zwischen Regenwald und Atmosphäre über Niederschlag und die Verdunstung erfolgt, ist ein Schlüsselmechanismus für das südamerikanische Hydroklima und die Stabilisierung des Amazonasgebiets insgesamt: Ein großer Teil des Regens in den westlichen Teilen des Amazonasgebiets und im südlichen Südamerika stammt aus der Verdunstung durch Amazonasbäume selbst. Für das Funktionieren des südamerikanischen Monsuns und damit auch für die Verfügbarkeit der Feuchtigkeit, die der Amazonas-Regenwald zum Überleben braucht, ist dieser Feuchtigkeitsaustausch entscheidend. Vor allem im östlichen Amazonasgebiet, wo in den letzten Jahren am stärksten abgeholzt wurde, erhöht die Schädigung des Waldes jedoch das Risiko, dass dieser Feuchtigkeitsaustausch unterbrochen wird. Anhand eines dynamischen Simulationsmodells der komplexen Wechselwirkungen zwischen Regenwald und Atmosphäre konnten die Forschenden des PIK und der UiT zunächst die Auswirkungen der Entwaldung auf den Feuchtigkeitstransport in Südamerika vorhersagen. In Beobachtungsdaten konnten sie auf der Grundlage der Ergebnisse der Simulationen dann entsprechende, signifikante Anzeichen dafür erkennen, dass die Stabilität des südamerikanischen Monsunsystems in den letzten Jahrzehnten tatsächlich abgenommen hat. Vermutet wird, dass diese Entwicklung eine Reaktion auf den anhaltenden Klima- und Landnutzungswandel und die daraus resultierende Degradierung des Amazonas ist.

„Ein Zusammenbruch des gekoppelten Regenwald-Monsum-Systems würde in weiten Teilen Südamerikas zu einem erheblichen Rückgang der Niederschläge führen“, so PIK-Forscher und Koautor Niklas Boers. Aufgrund der Komplexität dieses Systems ist eine Abschätzung der Auswirkungen eines Zusammenbruchs des Monsuns jedoch noch mit großen Unsicherheiten verbunden. Die Niederschläge würden vor allem im westlichen Amazonasgebiet und weiter stromabwärts der atmosphärischen Strömung in Richtung der Subtropen stark abnehmen. Dadurch wäre der tiefe westliche Amazonas-Regenwald von einem großflächigen Absterben bedroht. Dies würde wiederum zu einer erheblichen zusätzlichen globalen Erwärmung führen, aufgrund der zusätzlichen Freisetzung von Treibhausgasen durch die absterbenden Bäume. Ein Rückgang des südamerikanischen Monsuns hätte auch potenziell dramatische Folgen für die Ernährungssicherheit; im La-Plata-Becken mit seiner extensiven Landwirtschaft beispielsweise hängen die Niederschläge entscheidend von der Feuchtigkeitszufuhr aus dem Amazonas ab.

Die Studie liefert zwar wichtige Hinweise darauf, dass es einen kritischen Punkt der Destabilisierung für das gekoppelte Regenwald-Monsun-System gibt und dieser näher rückt, doch lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt keine Rückschlüsse auf die genaue Position dieses Kipppunkts oder auf seinen Zeitpunkt ziehen, betonen die Autoren. „Unsere Studie setzt den südamerikanischen Monsun auf die Landkarte der potenziellen Kipppunkte des Erdsystems. Sie bestätigt auch die bestehenden Befürchtungen hinsichtlich des Amazonas-Regenwaldes. Der Übergang würde zu wesentlich trockeneren Bedingungen führen, unter denen der Regenwald wahrscheinlich nicht mehr erhalten werden könnte“, erklärt Niklas Boers.
Artikel: Nils Bochow, Niklas Boers (2023): The South American monsoon approaches a critical transition in response to deforestation. Science Advances 9 (40). [DOI:10.1126/sciadv.add9973]

Weblink zum Artikelhttp://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.add9973

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