Forschungsgruppe zu Klimakommunikation: Konzentration auf Kipppunkte nicht geeignet, um Menschen zu aktivieren

FacebookredditlinkedinmailFacebookredditlinkedinmail
Lesedauer < 1 Minute.   

Eine Konzentration auf klimatische „Kipppunkte“ – Momente abrupter und irreversibler Veränderungen im Erdsystem wie etwa der Verlust des Amazonas-Regenwalds – sei nicht hilfreich, argumentiert eine interdisziplinäre Gruppe von zehn Forschern, zu der Klimawissenschaftler, Wissenschaftskommunikatoren und Umweltsoziologen gehören in der Zeitschrift Nature Climate Change. Die damit verbundenen Probleme seien zwar wichtig zu untersuchen, aber die Darstellung sei zu abstrakt und beängstigend, um sinnvolle Maßnahmen auszulösen, und nicht streng genug, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, argumentieren sie. Sie empfehlen, dass Wissenschaftler die Idee nicht als wissenschaftliches Instrument verwenden und sie stattdessen als „ein schwammiges, grenzübergreifendes Konzept ähnlich der ‚Nachhaltigkeit‘“ betrachten.

Kipppunkte haben in den Debatten zum Klimawandel stark an Bedeutung gewonnen. Die Autor:innen kritisieren das „Kipppunkt“-Framing, weil esdie vielfältigen Dynamiken komplexer natürlicher und menschlicher Systeme zu stark vereinfacht und Dringlichkeit vermittelt, ohne eine sinnvolle Grundlage für Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen. Mehrere sozialwissenschaftliche Rahmenwerke legen nahe, dass die tiefe Unsicherheit und wahrgenommene Abstraktheit von Klima-Kipppunkten sie unwirksam macht, um Maßnahmen auszulösen und Regierungsziele festzulegen. Das Framing fördert auch die Verwirrung zwischen temperaturbasierten politischen Benchmarks (wie dem 1,5°C-Ziel) und Eigenschaften des Klimasystems. Sowohl in natürlichen als auch in menschlichen Systemen plädieren die Autor:innen für eine klarere, spezifischere Sprache zur Beschreibung der als Kipppunkte bezeichneten Phänomene und für eine kritische Bewertung, ob, wie und warum unterschiedliche Framings das wissenschaftliche Verständnis und das Klimarisikomanagement unterstützen können.

Quelle: Kopp, R.E., Gilmore, E.A., Shwom, R.L. et al. ‘Tipping points’ confuse and can distract from urgent climate action. Nat. Clim. Chang. (2024). https://doi.org/10.1038/s41558-024-02196-8

FacebookrssyoutubeinstagramFacebookrssyoutubeinstagram
Folge uns auch auf Bluesky

Fachleute fordern: Weg vom Angst-Modus in der Klimakommunikation

FacebookredditlinkedinmailFacebookredditlinkedinmail
Lesedauer 2 Minuten.   

„Die neue Klimakommunikation aktiviert Menschen und motiviert sie zum Handeln. Ziel ist es, Veränderungen sowohl auf gesellschaftlicher, als auch auf persönlicher Ebene zu erzielen,“ heißt es in der Grazer Charta der Klimakommunikation, die auf dem jüngsten K3-Kongress zur Klimakommunikation veröffentlicht wurde. Fachleute aus Wissenschaft, Journalismus, Kommunen und Nicht­regierungsorganisationen fordern diesen Kurswechsel in der Kommunikation über Klima­themen.

Interessierte Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sind eingeladen, die Charta zu unterzeichnen.

Die Charta richtet sich insbesondere an Institutionen und Menschen, die beruflich oder aus gesellschaftlichem Engagement über Klimakrise und Klimaschutz kommunizieren. Sie ist daher als Orientierung gedacht für die klimapolitische Debatte. Zugleich versteht sie sich als Wegwei­ser einer „guten fachlichen Praxis“ in der praktischen Kommunikation – also für die Arbeit von Klimaschutzbeauftragten in Kommunen ebenso wie für Fachleute aus der Klimaforschung, für Verkehrsexpert:innen oder Installateure, die mit ihren Kunden über neue Heizungen sprechen.

Dazu betont Marie-Luise Beck, Geschäftsführerin des Deutschen Klima-Konsortiums und Mit-Initiatorin der Charta: „Wir wollen die Chancen eines klimafreundlichen Lebens in den Blick nehmen, statt uns auf Debatten einzulassen, in denen es vor allem darum geht, das Weiter-so zu verteidigen.“

Zu den rund 80 Erstunterzeich­nenden zählen unter anderem die Klimaforscher Johan Rockström, John Schellnhuber, Reto Knutti, Sonia Seneviratne und Otmar Edenhofer, die Schauspielerin und Produzentin Maria Furtwängler, der Meteo­rologe Karsten Schwanke, der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen, der Autor George Marshall und die Psycholog:innen Cornelia Betsch, Elke Weber, Ellen Matthes, Thomas Bruder­mann und Katharina van Bronswijk.

Weg vom Angst-Modus, hin zu Handlungsoptionen

Die Initiator:innen der Charta beklagen, dass viele Menschen das Reden über Klimaschutz als polarisierend erleben. Bisherige Aufrufe zum Handeln verfehlten ihre Wirkung:

„In immer drastischerer Form vor den bedrohlichen Veränderungen des Klimasystems zu war­nen, greift zu kurz“, heißt es in der Charta. „Zu häufig lähmt, verunsichert und polarisiert solche Kommunikation, insbesondere wenn sie Probleme und Risiken nur benennt, ohne Lösungen und Handlungsoptionen aufzuzeigen.“

Bei den Lösungen herrsche „häufig die perfektionistische Vorstellung vor, dass Klimaschutz nur möglich ist, wenn man widerspruchsfreie Lösungen findet.“

„Mit der Charta wollen wir wegkommen vom Angstmodus der Kommunikation,“ sagt Carel Mohn, der als Chefredakteur des Portals Klimafakten zu den Initiator:innen der Charta gehört. Das gelte auch für die Klimapolitik. „Statt Menschen mit 5-vor-12-Rhetorik Angst zu machen, sollten wir den Fokus auf Lösungen richten.“

Veröffentlicht wurde die Charta am 26. September im Rahmen des K3-Kongresses zu Klimakom­munikation in Graz. Der bereits zum vierten Mal stattfindende K3-Kongress ist die größte deutschsprachige Zusammenkunft von Wissenschaft und Praxis zu Klimakommunikation.

k3-klimakongress.org/grazer-charta-der-klimakommunikation

Initiator:innen der Charta:

  • Carel Mohn, Klimafakten, 
  • Christopher Schrader, Journalist
  • Marie-Luise Beck, Deutsches Klima-Konsortium
  • Severin Marty, Proclim (Akademie der Naturwisseschaften Schweiz SCNAT)
  • Martha Stangl, Climate Change Centre Austria

Titelfoto: Treffen des österreichischen Klimarats, Copyright BMK

FacebookrssyoutubeinstagramFacebookrssyoutubeinstagram
Folge uns auch auf Bluesky