Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag haben die Anhörungen zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf den Klimawandel begonnen. Im März letzten Jahres hat die UNO-Vollversammlung beschlossen, den Internationalen Gerichtshof um ein Gutachten zu den Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf die Klimakrise zu ersuchen. Den Antragsentwurf legte der kleine Inselstaat Vanuatu vor. Der Gerichtshof soll Klarheit über das internationale Recht in Bezug auf den Klimawandel schaffen. Das Gutachten, das für 2025 erwartet wird, ist nicht rechtlich bindend, trotzdem kann diese Rechtsberatung alle multilateralen Prozesse zum Thema Klimaschutz beeinflussen.
Die beiden zentralen Fragen an das Gericht lauten:
1. Welche Verpflichtungen bestehen nach dem Völkerrecht für die Staaten, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt vor anthropogenen [vom Menschen verursachten] Emissionen von Treibhausgasen für Staaten sowie für gegenwärtige und zukünftige Generationen zu gewährleisten?
2. Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus diesen Verpflichtungen für Staaten, wenn sie durch ihre Handlungen und Unterlassungen dem Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt erheblichen Schaden zugefügt haben? Und zwar insbesondere den Staaten gegenüber, die aufgrund ihrer geographischen Lage und ihres Entwicklungsniveaus besonders verwundbar sind, wie unter anderen die kleinen pazifischen Inselstaaten, und generell den Völkern und Einzelpersonen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen.
Die Initiative ging von der Jugendgruppe Pacific Island Students Fighting Climate Change aus. 2021 kündigte Vanuatu seinen Plan an, ein solches Gutachten einzufordern und begann eine intensive Lobbyarbeit. Diese Diskussionen führten zur Ausarbeitung der Resolution, die mit den Stimmen von 132 Ländern angenommen wurde. Diese Entschließung beruft sich auf die UN-Charta, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen, das Pariser Abkommen, das UN-Seerechtsübereinkommen und die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannten Rechte.
Initiative begann mit einer Jugendgruppe
Die pazifischen Inselstaaten sind den Gefahren durch die Klimakatastrophe besonders ausgeliefert. Deshalb hatten pazifische Staaten wie Tuvalu und Palau bereits früher öffentlich über die Möglichkeit diskutiert, eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs anzustreben. Diese Bemühungen stießen jedoch auf heftigen Widerstand der wichtigsten Emissionsländer, was dazu führte, dass die Vorschläge schließlich auf Eis gelegt wurden.
Erneute Bemühungen begannen im Jahr 2019, als 27 Jurastudent:innen der University of the South Pacific die Organisation Pacific Islands Students Fighting Climate Change gründeten .
Die Studierenden arbeiteten mit der Regierung von Vanuatu zusammen, um eine neue Kampagne für eine Resolution der Generalversammlung zum Klimawandel und den Menschenrechten zu starten. Die Anfrage an den IGH ist für die Inselstaaten und die Initiative der Studierenden ein großer Erfolg.
Mit diesem Gutachten besteht die Möglichkeit, die neu entstehenden Verbindungen zwischen Klimaschäden und Menschenrechten zu untermauern , was neue Möglichkeiten für Gerichtsverfahren im In- und Ausland eröffnen könnte. Es sind bereits mehrere neue Fälle zu Klimarechten anhängig, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verhandelte seine ersten beiden Klimafälle (gegen die Schweiz und Frankreich) am selben Tag, an dem die Entschließung zu dem das Gutachten verabschiedet wurde.
Von Gerichten erwartet man normalerweise, dass sie einen Tatbestand beurteilen, nachdem er begangen wurde. Gerichte können aber auch eine entscheidende Rolle dabei spielen, massive Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeiten von vornherein zu verhindern. Der IGH steht vor einer entscheidenden Entscheidung. Er kann sich dem Klimawandel entweder eng und reaktiv widmen oder die staatlichen Verpflichtungen aus einer breiteren Perspektive prüfen. Diese umfassendere Perspektive könnte bedeuten, dass die Staaten verpflichtet sind, die volle Verantwortung für die Umwelt sowohl für heutige als auch für künftige Generationen zu übernehmen. Dies würde über globale Klimaschutzabkommen hinausgehen. Wenn der IGH juristisch klarstellen würde, dass Staaten Klimaverpflichtungen haben, die über das Pariser Abkommen hinausgehen, wäre dies ein bedeutender Fortschritt im Völkerrecht. Es könnte deutlich machen, dass die Menschen in allen Ländern ein Recht auf eine gesunde Umwelt haben, und dass die Staaten verpflichtet sind, dieses Recht sicherzustellen.
Wenn der IGH tatsächlich einen präventiven und systemischen Ansatz verfolgt, wäre dies ein Wendepunkt für Gerechtigkeit und Frieden auf globaler Ebene zwischen Generationen und Arten.
Quellen:
https://news.un.org/en/story/2024/12/1157671
https://theconversation.com/on-climate-change-the-international-court-of-justice-faces-a-pivotal-choice-245189
Titelbild: UN Photo/ICJ-CIJ via flickr, CC NC-SA
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