Raus aus Öl und Gas! Aber woher dann den Schwefel nehmen?

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Lesedauer 3 Minuten.   

von Martin Auer

Jede Lösung schafft neue Probleme. Um die Klimakrise einzudämmen, müssen wir so schnell wie möglich aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Doch Erdöl und Erdgas enthalten normalerweise 1 bis 3 Prozent Schwefel. Und dieser Schwefel wird gebraucht. Und zwar bei der Herstellung von Phosphatdünger und bei der Extraktion von Metallen, die für die neuen grünen Technologien benötigt werden, von Photovoltaik-Anlagen bis zu Batterien für Elektrofahrzeuge. 

Die Welt verbraucht derzeit jährlich 246 Millionen Tonnen Schwefelsäure.  Mehr als 80 Prozent des weltweit genutzten Schwefels stammen aus fossilen Energieträgern. Schwefel fällt derzeit als Abfallprodukt bei der Reinigung der fossilen Produkte an, um die Schwefeldioxid-Emissionen einzuschränken, die sauren Regen verursachen. Der Ausstieg aus diesen Energieträgern wird das Angebot an Schwefel drastisch reduzieren, während die Nachfrage aber steigen wird. 

Mark Maslin ist Professor für Erdsystemwissenschaften am University College London. Eine unter seiner Leitung durchgeführte Studie[1] hat ergeben, dass beim Ausstieg aus Fossilen, der notwendig ist, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, im Jahr 2040 bis zu 320 Millionen Tonnen Schwefel fehlen werden, also mehr, als wir heute jährlich verbrauchen. Das würde zu einem Anstieg der Preise für Schwefelsäure führen. Diese Preise könnten eher von den hochprofitablen „grünen“ Industrien verkraftet werden, als von den Düngemittelproduzenten. Das wiederum würde zu einer Verteuerung des Düngers und damit zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen. Vor allem kleine Produzenten in ärmeren Ländern könnten sich weniger Dünger leisten und ihre Erträge würden zurückgehen.

Schwefel kommt in vielen Produkten vor, von Autoreifen bis zu Papier und Waschmitteln. Doch seine wichtigste Anwendung findet er in der chemischen Industrie, wo die Schwefelsäure gebraucht wird, um eine breite Palette von Materialien aufzuspalten. 

Das rapide Wachstum von CO2-armen Technologien wie Hochleistungsbatterien, leichten Fahrzeugmotoren oder Solarpaneelen wird zu einer Steigerung des Abbaus von Mineralien führen, vor allem kobalt- und nickelhaltigen Erzen. Die Nachfrage nach Kobalt könnte bis 2050 um 460 Prozent zunehmen, die nach Nickel um 99 Prozent und nach Neodymium um 37 Prozent. Alle diese Metalle werden heutzutage mithilfe von großen Mengen Schwefelsäure extrahiert.
Die Zunahme der Weltbevölkerung und geänderte Essgewohnheiten werden auch die Nachfrage der Düngerindustrie nach Schwefelsäure steigern.

Es gibt zwar einen gewaltigen Vorrat an Sulfatmineralen, Eisensulfiden und elementarem Schwefel, unter anderem in vulkanischem Gestein, doch müsste zu ihrer Gewinnung der Abbau drastisch erweitert werden. Sulfate in Schwefel umzuwandeln braucht viel Energie und verursacht bei den derzeitigen Methoden große Mengen an CO2-Emissionen. Die Gewinnung und Verarbeitung von Schwefel bzw. Sulfidmineralien kann eine Quelle von Luft-, Boden und Wasserverschmutzung sein,  zur Versauerung von Oberflächen- und Grundwasser führen und Gifte wie Arsen, Thallium und Quecksilber freisetzen. Und intensiver Bergbau ist immer wieder mit Menschenrechtsproblemen verbunden.

Recycling und Innovation

Es müssen also neue Quellen für Schwefel gefunden werden, der nicht aus fossilen Brennstoffen stammt. Zusätzlich muss die Nachfrage nach Schwefel durch Recycling und durch innovative Industrieprozesse gesenkt werden, die mit weniger Schwefelsäure auskommen.

Phosphate aus Abwässern zurückzugewinnen und zu Dünger zu verarbeiten, würde die Notwendigkeit reduzieren, Schwefelsäure zur Verarbeitung von Phosphatgesteinen zu verwenden. Das würde helfen, einerseits den begrenzten Vorrat an Phosphatgesteinen zu schonen und andererseits die Überdüngung von Gewässern zu verringern. Durch Überdüngung hervorgerufene Algenblüten führen zu Sauerstoffmangel und ersticken so Fische und Pflanzen. 

Mehr Lithium-Batterien zu recyceln wäre ebenfalls ein Beitrag zur Lösung des Problem. Auch die Entwicklung von Batterien und Motoren, die weniger der seltenen Metalle brauchen, würde zu einer Verringerung des Bedarfs an Schwefelsäure führen.

Die Speicherung von erneuerbarer Energie ohne den Einsatz von Batterien, durch Technologien, die  zum Beispiel komprimierte Luft nutzen oder die Schwerkraft oder die kinetische Energie von Schwungrädern und andere Innovationen, würde sowohl den Bedarf an Schwefelsäure wie an fossilen Brennstoffen reduzieren und die Dekarbonisierung vorantreiben. In Zukunft könnten auch Bakterien eingesetzt werden, um Schwefel aus Sulfaten zu gewinnen.

Nationale und internationale Politiken müssen also bei der Planung der Dekarbonisierung auch die zukünftige Knappheit an Schwefel in Betracht ziehen, indem sie Recycling fördern und alternative Quellen finden, die möglichst geringe soziale und Umweltkosten mit sich bringen.

Titelbild: Prasanta Kr Dutta auf Unsplash

Gesichtet: Fabian Schipfer


[1]    Maslin, M., Van Heerde, L. & Day, S. (2022) Sulfur: A potential resource crisis that could stifle green technology and threaten food security as the world decarbonises. The Geographical Journal, 00, 1– 8. Online: https://rgs-ibg.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/geoj.12475

Bzw: https://theconversation.com/sulfuric-acid-the-next-resource-crisis-that-could-stifle-green-tech-and-threaten-food-security-186765

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