Die starken Regenfälle von Mitte September in Mitteleuropa brachen in vier Tagen die lokalen und nationalen Niederschlagsrekorde. Fast zwei Millionen Menschen waren direkt von den Überschwemmungen betroffen, die durch die extremen Regenfälle verursacht wurden. Die schlimmsten Auswirkungen in städtischen Gebieten gab es in der polnisch-tschechischen Grenzregion und in Österreich.
Um zu beurteilen, in welchem Ausmaß der vom Menschen verursachte Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Intensität der starken Niederschläge veränderte, die zu den schweren Überschwemmungen führten, führten Forscher:innen aus Tschechien, Polen, Österreich, den Niederlanden, Schweden, Frankreich und dem Vereinigten Königreich eine Attributionsstudie zu diesem Ereignis durch.
Sie analysierten dazu Klimamodelle, die starke Regenfälle in der Region simulieren können, und kombinierten diese mit der auf Beobachtungen basierenden Bewertung. Alle Modelle zeigen eine Zunahme der Intensität und Wahrscheinlichkeit. Die kombinierte Änderung, die auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen ist, entspricht ungefähr einer Verdoppelung der Wahrscheinlichkeit und einer Zunahme der Intensität um 7 %. Doch schätzen die Forcher:innen diese Ergebnisse als eher konservativ ein.
Beim Mediengespräch von Diskurs, das Wissenschaftsnetz am 17.9.2024 analysierten Prof. Reinhard Steurer, Politologe an der Boku, und Prof. Sigrid Stagl, Umweltökonomin an der Wirtschaftsuniversität, die vergangene Gesetzgebungsperiode und die Parteiprogramme der Wahlwerbenden. Vor welchen Aufgaben steht die österreichische Gesellschaft und was können wir von den einzelnen Parteien und von verschiedenen Koalitionskombinationen erwarten?
Wir geben die Beiträge in einer maschinell erstellten, aber menschlich korrigierten wörtlichen Transkription wieder.
Reinhard Steurer
Schönen guten Morgen allerseits. Zum Glück ist es ja so, dass sich die Lage jetzt schön langsam entspannt. Es war im ostösterreichischen Raum wirklich sehr große Anspannung und katastrophal für sehr viele in den letzten Tagen. Das hat auch den Inhalt unseres Gesprächs, glaube ich, ein bisschen über den Haufen geworfen. Also ursprünglich hätten wir vor allem über Koalitionsoptionen, den Ausblick und so weiter geredet und jetzt drängt sich natürlich noch mal quasi eine Katastrophe als Thema auf und ich will auch kurz was dazu sagen, was das jetzt für einen Wahlkampf und den Wahlausgang bedeuten kann. Zuvor etwas in eigener Sache. Also ich bin mittlerweile dafür bekannt, dass ich mir kein Blatt mehr vom Mund nehme, auch parteipolitische Aussagen treffe. Aber ich möchte schon betonen, dass das alles faktenbasiert ist, was ich sage. Also dass ich das mit Forschung belegen kann. Das ist also weit weg von Parteipolitik, wenn man einfach klar feststellt, dass in Österreich zwei Parteien Teil des Problems sind und drei Parteien Teil der Lösung sind.
FPÖ und ÖVP sind Teil des Problems
Und die zwei Parteien, die Teil des Problems sind, möchte ich zu Beginn nennen. Das ist zum einen die FPÖ, die das Problem insgesamt verleugnet, wissenschaftsfeindlich argumentiert und zum Teil sogar glaubt, es sei gut für uns. Das mit dem, es sei gut für uns und für den Weinbau in Oberösterreich, würden sie jetzt in diesen Tagen vermutlich nicht mehr sagen. Aber trotzdem ist mit der FPÖ keine Klimapolitik zu machen. Die zweite Partei, die Teil des Problems ist und bleibt, ist die ÖVP. Da ist die etwas näher an der Wissenschaft, aber trotzdem weit weg. Warum? Die ÖVP betont einfach in ihrer Programmatik, in der Wahlkampfrhetorik, dass wir das mit Technik und Innovation allein lösen und so gut wie kein Ordnungsrecht, keine Verbote und dergleichen brauchen werden. Es ist sozialwissenschaftlicher Konsens seit 20 Jahren und mehr, dass das nicht geht. Und wir haben es auch die letzten 20 Jahre gesehen, dass es nicht reicht. Gerade unlängst ist wieder ein Paper in Science, einer der renommiertesten Zeitschriften erschienen, in dem klargestellt worden ist, es braucht einen breiten Mix an Maßnahmen, um Ziele zu erreichen und zur Klimaneutralität zu kommen. Und da gehören auch Ge- und Verbote dazu, ob es jetzt in die Ideologie passt oder nicht. Es ist ein Faktum. So wie die Klimaerhitzung menschengemacht ein naturwissenschaftliches Faktum ist, ist das andere ein sozialwissenschaftliches Faktum. Also man kann sich das nicht aussuchen je nach Ideologie, welche Maßnahmen und Instrumente einem besser passen. Wir brauchen alles. Was dann natürlich eine politische Diskussion ist, was brauchen wir, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Dosierung, in welcher Kalibrierung, also da ist dann natürlich viel politischer Spielraum für Diskussion und Entscheidungsfindung. Aber es ist wissenschaftlicher Konsens, dass es mit Innovation, Technik und Freiwilligkeit allein garantiert nicht gehen wird. Und da würde ich mir oft einmal wünschen, dass Journalistinnen dieses Narrativ dann entsprechend im Wahlkampf einordnen und die Argumente dann mit der Faktenlage konfrontieren.
SPÖ, GRÜNE und NEOS sind Teil der Lösung
Die drei Parteien, die Teil der Lösung sind, sind − unter den größeren wenig überraschend − die SPÖ, speziell unter dem neuen Vorsitzenden Babler und natürlich die Grünen und die Neos. Die Neos sind tatsächlich eine der wenigen, wenn nicht eine der einzigen Parteien im deutschsprachigen Raum, Mitte-Rechts, die das Problem erkannt haben, die die Dringlichkeit erkannt haben und tatsächlich auch weitreichende Vorschläge machen. Also insofern ist es eine gute Nachricht für das österreichische Parteiensystem, dass wir Mitte-rechts eine Partei haben, die das Problem tatsächlich ernst nimmt und auchernsthafte Vorschläge im Programm hat. Mit einer Einschränkung: Wenn man jetzt die Notwendigkeit einer breiten Instrumentenpalette der Programmatik der NEOS gegenüberstellt, dann sieht man, dass sie natürlich neoliberal eingefärbt sind, das heißt Marktmechanismen überbetonen und Ordnungsrecht und die Notwendigkeit dafür unterbetonen oder nur im äußersten Notfall als akzeptabel sehen. Das deckt sich nicht ganz mit der Evidenz, aber ansonsten können wir froh sein, dass wir eine Mitte-rechts-Partei haben, die das ernst nimmt und somit eine Alternative zur ÖVP darstellt.
Ein Wissenschaftler muss Stellung beziehen
Zum Beginn, ich glaube, das ist wirklich notwendig, so zu sagen. Ich hätte es vor fünf, sechs Jahren in der Deutlichkeit wahrscheinlich nicht gesagt, Bis ich dann erkannt habe, wie Schein-Klimaschutz funktioniert und die ÖVP ist dann tatsächlich die Partei des Schein-Klimaschutzes im Großen, bis ich einfach verstanden habe, dass die so tun, als ob Klimaschutz wichtig wäre und als ob man es mit Innovation und Technik allein lösen könnte, dass viele darauf reinfallen und diese Erzählung glauben. Als ich das dann durchschaut habe, habe ich mir gedacht, okay, jetzt muss ich einfach in der Hinsicht Klartext reden und diese Erzählung mit Fakten konfrontieren und sagen: So wird es nicht gehen.
Optionen für Koalitionen
Zu den Koalitionsoptionen kurz, also so, wie wir es uns vorbereitet haben, das Pressegespräch: Da ist es klar, also es gibt eine Koalitionsoption, die unwahrscheinlich ist, von der tatsächlich klimapolitische Fortschritte zu erwarten wären, das wäre SPÖ, GRÜNE, NEOS; Das zeichnet sich in den Umfragen nicht ab. Das wäre aus klimapolitischer Sicht zweifellos die Konstellation, unter der am meisten zu erwarten wäre.
Beispiele zeigen: Auch ÖVP+SPÖ+Kleinpartei hat Potential
Aber die gute Nachricht ist, auch unter einer ÖVP, SPÖ plus Kleinpartei-Koalition ist durchaus Potenzial drinnen. Da kann ich Forschungsergebnisse von uns zitieren, als wir Klimaschutzgesetze angeschaut haben und die Umstände, wie die entstanden sind. Da gibt es einen sehr interessanten Fall: Dänemark hat in den Jahren vor 2020, also in den 2010er Jahren, zwei Klimaschutzgesetze verabschiedet, unter sehr ähnlichen Koalitionsbedingungen. Eines davon war reine Symbolik, also nichts wert, und das zweite, 2019 verabschiedet, von mehr oder weniger derselben Koalition, war wirklich mit Substanz. Und das Beispiel zeigt, dass oft einmal gar nicht so sehr die Koalitionszusammensetzung ausschlaggebend ist, sondern der gesellschaftliche Diskurs, der mediale Druck, der entsteht und die zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Damals 2019, wir erinnern uns noch lebhaft, war das Fridays for Future und auf einmal ist ein ernsthaftes Klimaschutzgesetz in Dänemark möglich gewesen Und Dänemark ist seither so sehr auf einem Pfad in Richtung Klimaneutralität wie vermutlich kein anderes Land in Europa. Trotz den Krisen, die wir alle in ähnlicher Form jetzt in den letzten Jahren erlebt haben.
Also das gibt ein bisschen Hoffnung auch für die Möglichkeit einer ÖVP-SPÖ plus Drittparteikoalition, wobei die entscheidende Frage dann sein wird, wer ist quasi vorne. Wenn die ÖVP vorne sein wird, dann wird die Drittpartei wohl die NEOS sein, weil sie der ÖVP inhaltlich näher steht. Wäre aus einer Überraschung heraus die SPÖ vorne − zeichnet sich im Moment nicht ab, aber durchaus möglich, weil die Parteien doch recht nah beieinander liegen und sich in diesen Tagen vermutlich noch ein bisschen was verschieben wird − dann wären die Grünen wahrscheinlich der nähere Koalitionspartner. Ich gehe davon aus, dass die Partei, die am stärksten ist, mehr zu sagen hat bei der Zusammensetzung der Koalition. Also insofern entscheidet sich die dritte Partei in dem Bunde vermutlich sehr stark daran, wer die Wahl am deutlichsten gewinnt. Im Moment, glaube ich, ist es am wahrscheinlichsten ÖVP-SPÖ.
ÖVP+FPÖ würde klimapolitischen Stillstand oder Rückschritt bedeuten
Außer, und das ist jetzt eine wichtige Einschränkung, außer die ÖVP schafft es mit der FPÖ doch über 50 Prozent zu bleiben − durchaus noch im Bereich des Möglichen laut Umfragen. Auch wenn es jetzt dann, wie es ist, nach der Katastrophe unwahrscheinlicher wird, dann können wir uns auf klimapolitischen Stillstand oder Rückschritte vorbereiten. Also, dass Klimaziele mit so einer Regierung zu erreichen wären, ich glaube, der Illusion gibt sich eh niemand hin. Da werden wir halt dann Strafzahlungen kriegen und die werden wir alle aus dem Haushalt bezahlen. Wobei noch nicht ganz klar ist, wie hoch die werden und wie man die dann genau bestreiten würde. Aber das würde ganz sicher teurer.
Die Hochwasserkatastrophe verändert die Situation
Jetzt zum aktuelleren Teil. Ich glaube, dass die Hochwasserkatastrophe das Ganze nochmal doch aufmischen kann. Schauen wir uns an, wie der Wahlkampf bisher verlaufen ist und auch die öffentlichen Wahldiskussionen. Klima hat keine Rolle gespielt de facto. In den Sommergesprächen keine, in den Wahldiskussionen, auch sehr eingeschränkt. Das hat sich jetzt seit Sonntag schlagartig verändert. Ist ein gewisses Medienversagen leider, eine rationale Diskussion bei so einer Wahl wäre immer auch eine Klimadiskussion. Jede Wahl ist eine Klimawahl, ob es uns passt oder nicht, weil einfach das Zeitfenster, das wir haben, unter zwei Grad zu bleiben, verdammt kurz ist, kleiner wird mit jedem Jahr und insofern, ob sonst passt oder nicht, ist jede Wahl eine Klimawahl. Jetzt haben sie die Ereignisse sozusagen in den Vordergrund geschoben und die ganze Wahlkampf-Erzählung wird auf den Kopf gestellt. Was jetzt kommt, ist natürlich Spekulation: Was kann das verschieben, was tut das mit der Wahlkampfrhetorik und den letzten Berichterstattungen. Klima wird ein dominantes Thema sein, wenn man es auch so thematisiert. Also es reicht nicht nur zu sagen, Hochwasser hat es immer gegeben und jetzt sind wir gerade wieder betroffen. Also ich glaube, es ist mittlerweile weitgehend Konsens, dass die Klimakrise da eben mitspielt, nicht allein verantwortlich ist, aber eben mitspielt. Und immer, wenn quasi Rekordmengen an Regen, an Hitze, an was auch immer passiert, dann kann man dem Hausverstand sozusagen sagen, immer wenn etwas passiert, was es noch nie gegeben hat, dann wird wahrscheinlich die Klimaerhitzung einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leisten, weil sonst hätten wir es ja wahrscheinlich schon mal gesehen. Was wird vermutlich passieren?
Die FPÖ sollte ein paar Wähler:innen verlieren
Also ich gehe davon aus, dass natürlich die Parteien sich jetzt schwer tun, die Klima nicht hoch auf Agenda haben oder von Verleugnung des Problems leben. Der FPÖ müsste es den einen oder anderen Prozentpunkt kosten, was jetzt passiert ist, aber vermutlich nicht allzu viel. Warum? Weil ein Kernwähler der FPÖ sich dadurch nicht beeindrucken wird lassen. Also die haben ja ihre eigenen Erklärungen, wie man in den sozialen Medien nachlesen kann. Die reichen dann von Sonnenstürmen bis über Geoengineering, dass der Regen manipuliert wird mit Wolkenimpfen und so Also die Leute wird man nicht erreichen, die werden FPÖ wählen, auch wenn ihr eigenes Haus unter Wasser steht. Das ist kein österreichisches Phänomen, das war bei Trump in den USA genau dasselbe. Aber es gibt dann, wenn die FPÖ eben in den Umfragen bei 27 Prozent liegt, doch einen gewissen Teil von Wechselwählern, die vielleicht diesmal das erste Mal FPÖ gewählt haben, die zugänglich sind auch für die Faktenlage und die jetzt doch zum Nachdenken kommen. Und die dann überlegen, ist es vertretbar, quasi jemanden zu wählen, der das Problem komplett negiert und im Grunde weiter eskaliert? Also da erwarte ich schon eine kleine Verschiebung und nachdem das Rennen zwischen FPÖ, ÖVP und der SPÖ insgesamt recht knapp ist, kann sich da schon wirklich einiges tun in den nächsten zehn Tagen.
Die ÖVP sollte Wähler:innen von rechts dazu gewinnen und nach links welche verlieren
Bei der ÖVP ist es schwierig. Wäre zum einen anzunehmen, dass in Erinnerung sein sollte, dass die ÖVP gegen Renaturierung war, ein ganz wesentlicher Hochwasserschutz, gerade in der Nähe von Flussläufen, und dass sie der grünen Ministerin Verfassungsbruch und was weiß ich was alles vorgeworfen haben. Der rationale Zugang wäre eigentlich jetzt zu sagen: Vielleicht braucht man doch ein bisschen Renaturierung entlang der Flussläufe, so kriegt der Fluss mehr Platz, er kann kontrolliert sich ausbreiten und kommt weniger ins Siedlungsgebiet. Den rationalen Zugang erwarte ich nicht, denn wenn man sich irgendwie eigegraben hat politisch, dann wird man über das lieber nicht reden. Aber bei Wählerinnen kann das unter Umständen ein bisschen eine Rolle spielen und auch dort vielleicht zu Verschiebungen führen, wobei ich davon ausgehe, dass sie von der FPÖ Wähler kriegen werden und die dann eventuell an anderer Stelle wieder verlieren, an SPÖ oder NEOS/Grüne. In Summe sehe ich die ÖVP insofern eher stabil, aber die FPÖ auf der Verliererseite. Die ÖVP auch deswegen stabil, weil sie natürlich jetzt vom Krisenmanagement profitiert, das sehr gut funktioniert. Also da sieht man natürlich dann oft, dass man genau diejenigen wählt, die jetzt Macher sind, die die Krise managen sozusagen. Und insofern vermute ich bei der ÖVP jetzt keine gröberen Verschiebungen. Das ist aber wirklich Spekulation und das wäre dann interessant für die ersten Umfragen in ein paar Tagen zu sehen.
Tendenziell werden Parteien profitieren, die Klimaschutz hoch auf der Agenda haben
Tendenziell profitieren werden sicher die Parteien, die Klimaschutz hoch auf der Agenda haben, die das auch von sich aus übrigens in der einen oder anderen Wahldiskussion angesprochen haben. Also mir ist zum Beispiel beim Andreas Babler aufgefallen, dass er in den Diskussionen immer wieder die Klimakrise erwähnt hat, ohne danach gefragt worden zu sein. Vor zwei Wochen war das noch komisch, da haben wir gedacht, gut, der traut sich was, weil viele werden sich denken, der mit dem Klima wiede! Jetzt in der neuen Situation, denke ich, profitiert er davon, dass er das Thema ernst nimmt und insofern dürften die drei Parteien, die einfach näher an dem Thema dran sind, es ernst nehmen, am ehesten davon profitieren. Aber wie gesagt, wir reden da von niederstelligen Prozentbeträgen, die da vermutlich im Schwung sind.
Wie stehen die Parteien zu dem, was nach der Katastrophe zu tun ist?
In Summe zu dem, wie kann man so eine Katastrophe verhindern, da gibt es im Grunde drei Ansätze. Der eine ist Klimaschutz, Emissionen müssen runter, weil sonst geht das weiter und weiter. Dann technischer Hochwasserschutz, technische Anpassung und dann natürliche Anpassung im Sinne von Renaturierung.
Wenn man sich anschaut, wie die Parteien bei diesen drei Ansätzen aufgestellt sind, da fällt natürlich wieder auf: FPÖ katastrophal schlecht.. Vielleicht ist die ÖVP in einem dieser drei Ansätze gut, im technischen Anpassen, im Hochwasserschutz. Von der natürlichen Anpassung, sprich, der Renaturierung und so weiter, will die ÖVP schon mal nichts wissen und dann bleiben wir wieder bei den drei Parteien, die das Thema insgesamt ernst nehmen, die SPÖ, die das Renaturierungsgesetz mit den Grünen ermöglicht hat und mit den NEOS. Und insofern, wäre die Wählerschaft rational, müsste sie eigentlich sagen, die scheinen das richtige Rezept für diese Situation zu haben. Aber wie gesagt, so rational ist Politik nicht, so rational ist die Wählerschaft nicht. Und insofern wird es vermutlich nur zu kleinen Verschiebungen kommen.
Am Ende gewinnt immer die Physik
Also die Wahl ist eine Sache und dann, ob eine Koalition das Potenzial ausschöpfen kann, hängt maßgeblich davon ab, ob wir als Gesellschaft weiterhin ignorant sind, sagen, Klima interessiert mich nicht, wir haben eigentlich andere Probleme, oder ob wir mehr auf Wissenschaft hören und kapieren, okay, es ist einfach ernst, ob es uns jetzt passt oder nicht. Es ist wirklich so, dass man das Problem vermutlich nur mit viel Vernunft, Wissenschaft und langfristiger Denkweise lösen kann. Also von einer Katastrophe zur anderen funktioniert schon deswegen nicht, weil man es in drei Monaten vergessen hat. Und entweder man lernt daraus und hört mehr auf das, was Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten sagen, oder es wird halt nie reichen. Und von einem Ereignis zum anderen aufschrecken, das macht keinen großen Unterschied. Denn, und das ist mein Schlusssatz, am Ende gewinnt immer die Physik, auch gegen die FPÖ. Aber auchwenn sie im Moment versucht, das zu verleugnen, die Realität holt uns früher oder später ein und das haben wir jetzt das Wochenende schmerzhaft gesehen.
Welche Antworten haben die Parteien auf Fragen zum Klimawandel? Hier kannst du es erfahren: klimawahlen.at
Sigrid Stagl
Schönen guten Morgen auch von meiner Seite. Ich habe ein paar Folien mitgebracht, die ich kurz teilen werde.
Zur aktuellen Situation, Sie kennen diese Abbildung vielleicht, nur um noch einmal zu zeigen, wie klar es ist, dass hier in den letzten Jahren sich freilich etwas ganz gravierend verschoben hat und wir in einem anderen Regime sind als zuvor. Jede dieser Linien steht für ein Jahr im Laufe der Monate. Die grauen Jahre sind davor und die orange Linie ist 2023, die rote Linie 2024. Das heißt, das statistische Modell, das davor gegolten hat mit Mittelwert- und Standardabweichungen, passt einfach nicht mehr zu den Beobachtungen der letzten zwei Jahre. das ist die Lufttemperatur. Wir hatten den Sommer, der war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. 2023 war schon das wärmste Jahr. In Österreich war dieser Sommer so warm wie noch nie. Es gab lokale Schadensfälle wie die Mure am Arlberg schon früher im Jahr und jetzt Überflutungen und Stürme im Norden und Osten Österreichs.
Das ist die Meeresoberflächentemperatur, gleiche Logik, die grauen Linien sind die Jahre davor, mit einem Mittelwert und die Standardabweichungen rundherum. Oben sind die orange Linie für 2023 und die dicke schwarze Linie ist für 2024. Und vor allem die Linien für 2023 und 2024, diese Messungen haben Naturwissenschaftler:innen seit mindestens eineinhalb Jahren jetzt wirklich große Sorgen gemacht, weil sie auch mit ihren Modellen diese starken Ausreißer nach obennicht erklären konnten. Wir haben es beobachtet, aber sie konnten es nicht erklären.
Und wie eh schon ausgeführt, weil die Meerestemperatur jetzt höher war über den Mittelmeer, deswegen konnten die Wolken mehr Feuchtigkeit transportieren und hat sich bis zu uns ausgewirkt. Aber das ist sozusagen die Beobachtung des globalen Phänomens, das dahinter liegt.
Symptombekämpfung und grundlegende Veränderung von Strukturen
Zu den Extremereignissen. Wir müssen unterscheiden zwischen Symptombekämpfung, also das, was wir tun, um uns anzupassen an eine Veränderung, die wir nicht mehr stoppen können, und Veränderung der Strukturen. Und ich finde es ganz wichtig, dass wir in dieser Diskussion jetzt, wobei jetzt natürlich das persönliche Leid im Vordergrund gestanden ist und das Verständnis dafür und die Kompensationszahlungen verständlicherweise, aber wir müssen auch mitdiskutieren immer, welche Strukturen sind zu verändern, welche Mitigationsmaßnahmen, also Reduktionsmaßnahmen der Klimagase sind jetzt mit erneuter Kraft anzugehen, um genau solche Extremereignisse in Häufigkeit und Intensität in Zukunft zumindest nicht noch stärker werden zu lassen.
Adaption der Infrastruktur
Zu Symptombekämpfung: Selbstverständlich brauchen wir eine Adaption der Infrastruktur. Das ist ja schon in den letzten 20 Jahren passiert, auch basierend auf den Erfahrungen des Hochwassers von 2002. Das passiert in Österreich, das ist gut und wichtig und richtig. Das kostet zwar, aber das ist nötig. Kompensationszahlungen, auch das ist nötig, dass Menschen, die betroffen sind, selbstverständlich Kompensationszahlungen bekommen.
Katastrophenfonds nach dem Verursacherprinzip finanzieren
Da gibt es eine interessante Diskussion, ob es dem Katastrophenfonds weiterhin auch möglich ist, die Kompensationszahlungen im adäquaten Ausmaß leisten zu können. Ich glaube, der Katastrophenfonds muss weiterhin die Leistungen für Infrastrukturen wie Straßen, Wege, Radwege, Brücken und so weiter natürlich leisten. Nur die Frage ist, kann er auch in Zukunft − vor allem mit der steigenden Häufigkeit von Extremereignissen − privates Eigentum kompensieren? Und da ist vermutlich die Antwort nein, weil das wird für den Steuerzahler zu teurer und deswegen gibt es die Diskussion über Pflichtversicherung, weil die Abdeckung durch Versicherungen, sei es Hausratsversicherung oder Eigenheimversicherung in Österreich einfach sehr schlecht ist bezüglich Überschwemmungen. Und es gibt Beispiele wie in in Frankreich oder in der Schweiz, wo es eine sehr hohe Versicherung, na, hauptsächlich in Frankreich, in der Schweiz und in den UK sind es Freiwillige, aber mit starken Nudges und starken Informationskampagnen, also die haben auch eine hohe Abdeckungsrate geschafft, aber nicht mit Pflichtversicherung, aber das sind privatwirtschaftliche Modelle dahinter. Und die Frage ist halt, ob sich das alle leisten können, die Frage ist auch, ob die Versicherbarkeit aufrechterhalten bleibt, denn normalerweise, wenn etwas zu teuer wird, wenn es zu häufig wird, steigen normalerweise private Versicherer dann aus. Was tut man mit Eigenheimen, die nicht mehr versicherbar sind? Wenn man da sehenden Auges sich dort hingesetzt hat, okay, hat man vermutlich einen günstigeren Grund bekommen. Aber was ist, wenn man dort schon seit Generationen angesiedelt ist und eigentlich aufgrund des Fehlverhaltens der Entscheidungsträger wegen schwacher Klimapolitik jetzt man mit den Schäden zu kämpfen hat? Also das ist eine Diskussion, die ongoing ist und da braucht es auch den Blick auf die internationale Erfahrung, was wo gelingt. Ich glaube, dass das britische Modell oder Schweizer Modell nicht geeignet ist, das zu kopieren, weil es zu stark marktwirtschaftlich ist und weil eben dann manche damit konfrontiert sind, dass ihre Eigenheime nicht mehr versicherbar sind. Das französische Modell ist vermutlich besser, weil es eine staatliche Rückversicherung beinhaltet.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es ja auch eine Finanzierung nach dem Verursacherprinzip geben könnte, denn wenn es geklärt ist, dass die Intensität und die Häufigkeit der Extremereignisse durch die Klimagase verstärkt wird, wie es das seit dem Special Report von 2012 des Weltklimarates ist, dann könnte man es ja auch daran koppeln, dass, wenn wir mehr Schäden haben, dann müssen wir höhere CO2-Steuer beispielsweise einheben, denn das ist ja die Ursache. Also auch das fände ich eine interessante Finanzierungsform, eigentlich fairer, als über den Katastrophenfonds, denn der Katastrophenfonds wird aus Einkommenssteuer Köst und Kest gespeist und die Einkommenssteuer ist natürlich der größte Brocken. Das heißt, auch Menschen, die kein Vermögen haben, zahlen da rein. Das ist für Brücken, Straßen und Gehwege adäquat, weil die nutzen sie freilich auch. Aber wenn aus dem Katastrophen die Wiederherstellung von Privateigentum gefördert wird, dann wäre es eigentlich eine Umverteilung von denen, die kein Vermögen haben, zu denen, die Vermögen haben. Das finde ich problematisch, und dann wäre das Verursacherprinzip vermutlich eine fairere Lösung.
Veränderung von Strukturen
Aber, wie gesagt, Es geht nicht nur um die Symptombekämpfung, nicht nur um die Adaption, sondern es geht auch um die Veränderung der Strukturen. Und im ökonomischen Sinne bedeutet das, jenseits des Wachstumszwangs darüber nachzudenken, welche ökonomischen Modelle können wir haben, wenn wir nicht dem Bruttoinlandsprodukt und dem Wachstum hinterherhecheln, und wie kann man Finanzströme dekarbonisieren.
Verzögerungstaktiken
Bevor ich zu den zwei Punkten komme, möchte ich noch kurz über die Diskurse und Wahlprogramme etwas sagen. Ich weiß nicht, ob Sie die Abbildung schon kennen, das ist eine Comic-Abbildung, aber von einer ernsthaften Analyse über Klimaschutzverzögerungsdiskurse, die auch veröffentlicht wurde und im Anschluss daran ist natürlich die wissenschaftliche Referenz gegeben.
Was ich mir angeschaut habe, und vorsichtig, ich mache normalerweise keine Diskursanalysen, aber es war so naheliegend, sich anzuschauen, welche von diesen Verzögerungstaktiken denn in welchen Parteiprogrammen sich wiederfinden Und da sehen wir, dass recht viele von diesen Verzögerungstaktiken sich im Wahlprogramm der FPÖ finden. Dann andere teilweise, teilweise auch überlappend, Verzögerungstaktiken finden sich auch im Wahlprogramm der ÖVP und insofern stimme ich dem Befund von Reinhard Steurer zu, dass ÖVP und FPÖ wirklich problematische Ansätze haben bezüglich der Klimapolitik. Das einzige Problem, das ich bei den NEOS gefunden habe, ist eben, dass sie Verbote und Gebote explizit ausschließen und hauptsächlich Anreize und unterstützende Maßnahmen haben wollen. Da sind sie einfach sehr stark marktwirtschaftlich orientiert. Ich glaube nicht, dass es reichen wird, aber das ist das einzige Problem, das ich bei denen identifiziert habe.
Renaturierung und Stopp der Bodenversiegelung
Um jetzt überzugehen zu dem, was gemacht werden muss, was braucht es? Eine ambitionierte, eine adäquate Klimapolitik. Und natürlich im Zusammenhang mit diesen Extremwetterereignissen sind zwei Aspekte, die eh sehr stark diskutiert wurden, aber die von der ÖVP beispielsweise blockiert wurden oder versucht wurden zu blockieren Das ist die Renaturierungsverordnung und die Deckelung der Bodenversiegelung.
Wir haben im Februar diesen Jahres zusammen mit dem Gallup-Institut eine Umfrage gemacht unter 1.500 repräsentativen Österreichern und Österreicherinnen und haben nach der gesellschaftlichen Akzeptanz von einzelnen Klimaschutzmaßnahmen gefragt. Dazu gehören auch Renaturierungsmaßnahmen. Das ist die zweite hier, Stärkung der Ökosystemschutz. Und Sie sehen, dass die Zustimmung über 95 Prozent ist. Und auch die Obergrenze der Neuversiegelung von Böden ist das sechste hier. Auch hier sind wir über 90 Prozent in der Zustimmung. Das heißt also, die Bevölkerung hat sehr wohl erkannt, dass das wichtige Maßnahmen sind. Und natürlich, die würden jetzt auch helfen, in der Zukunft zumindest die Auswirkungen der Extremwetterereignisse zu mildern. Also das brauchen wir und es gibt breite Unterstützung in der österreichischen Bevölkerung dafür.
Entkoppelung der Klimagase vom Wirtschaftswachstum
Zu den zwei Punkten, über die ich sprechen möchte, aus wirtschaftlicher Sicht, wie kriegen wir die Klimagase runter, einerseits die Entkoppelung von Klimagasen von Wirtschaftswachstum. Da ist die Hoffnung, dass wir das schaffen und es wäre auch sehr schön, wenn wir das schaffen. Dann könnte das Bruttoinlandsprodukt weiter wachsen und wir könnten die Emissionen runterdrücken, idealerweise unter die planetaren Grenzen, weil es geht ja nicht nur darum, ob entkoppelt wurde, sondern auch in welcher Form. Es ist ja eine relative Entkoppelung. Das bedeutet, es gibt pro Einheit Bruttoinlandsprodukt weniger Emissionen Das reicht aber nicht, weil beispielsweise wenn die Emissionen pro Einheit Bruttoinlandsprodukt um 2% reduziert werden, aber das Bruttoinlandsprodukt um 3% steigt, steigen die Emissionen noch immer an. Das ist das, was wir hier unter relativer Entkoppelung sehen. Wenn es doch gelingt, die absolute Entkoppelung zu schaffen, das heißt, dass ein Pro-Einheit-Bruttoinlandsprodukt stärker ist als der Mengeneffekt des Bruttoinlandsprodukts, dann schaffen wir es runterzukommen in absoluten Einheiten. Das ist gut und richtig. Ich glaube, es reicht noch nicht einfach zu sinken, sondern es ist auch die Frage, in welchem Ausmaß sinken wir. Und bei den Emissionen ist es mittlerweile klar, wir müssen pro Jahr sieben bis zehn Prozent jedes Jahr die Emissionen runterdrücken, um innerhalb der planetaren Grenzen einigermaßen zu bleiben. Das ist eine steile Vorlage. Zuletzt wurden sechs Prozent geschafft. Das ist schon viel, viel besser als in den Jahrzehnten davor. Aber es braucht eine große Anstrengung. Das heißt, die Bedingungen, unter denen grünes Wachstum nachhaltig ist, sind sehr voraussetzungsvoll. Also die Entkoppelung von Produktion und Konsum muss absolut nicht relativ erfolgen, da sonst die gesamte Umweltschädigung weiter zunimmt. Die Entkoppelung muss sich auf alle Umweltauswirkungen beziehen, nicht nur auf CO2. Die Entkoppelung muss überall stattfinden, ob im Inland oder im Ausland. Die Entkoppelung muss schnell genug erfolgen, um einen ökologischen Kollaps zu vermeiden. Und die Entkoppelung muss über die Zeit aufrechterhalten werden.
Hier ist noch eine Abbildung, die dem Mythos widerspricht, dass in Europa, nur in Europa und in den USA Klimapolitik betrieben wird und in den anderen Weltregionen nicht. Es stimmt, dass viel zu viel investiert, das sind die Investitionen, die 2019 und 2024 getätigt werden oder wurden in Milliarden Dollar und es stimmt, dass noch viel zu viel in fossile Energie investiert wird. Aber wenn man sich anschaut, wie viel in erneuerbare Energie, in Grids, also in Infrastruktur und Speicher investiert wurde und in Energieeffizienz, dann sehen wir, dass die Umstellung, die Transformation in China schon viel weiter fortgeschritten ist als in den USA beispielsweise und in den anderen Weltregionen. Europa hat relativ wenig schon in fossile Energie investiert, sehr viel schon in Erneuerbare und in Infrastruktur und in Energieeffizienz. Aber vom Volumen her und auch vom Ausmaß der Veränderung sehen wir, dass China da wirklich sich stark verändert hat. Also das Narrativ, China soll erst einmal sich ändern, dann können wir wieder was tun, stimmt einfach nicht mehr. Denn China hat schon sehr viel getan und das Volumen ist wirklich beeindruckend. Es soll nicht kleinreden, dass wir noch viel zu viel in fossile Energie investieren, Nutzung von fossiler Energie investieren, aber auch sehr viel in Erneuerbare schon.
Finanzströme
Jetzt möchte ich ganz zum Abschluss noch über die Finanzströme sprechen, denn die sind natürlich essenziell, um die Transformation zu schaffen, die Reduktion der Klimagase, die Strukturen in der Wirtschaft zu verändern und natürlich gehören Versicherungsunternehmen beispielsweise hier dazu.
Die Finanzströme sollen so verändert werden, dass einerseits die physischen Risiken gering gehalten werden, das heißt, wir wollen hier in den Quadranten sein, wo wir beim niedrigen Risiko auf der physischen Seite sind und auf der anderen Seite, wo das Transitionsrisiko gering ist. Das heißt also, wir wollen in diesem linken, unteren Quadranten uns befinden, idealerweise bei 1,5 Grad, wenn nicht, dann zumindest bei 2 Grad bleiben. Und was ist dafür nötig? Diese Transformation kostet. Um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur gemäß dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zu begrenzen, muss die Klimafinanzierung bis 2030 weltweit auf etwa 9 Billionen US-Dollar pro Jahr steigen. 9 Billionen US-Dollar, das ist eine enorme Zahl. Derzeit ist Green Finance ungefähr im Ausmaß von 1,3 Billionen US-Dollar zu beobachten pro Jahr. Europa muss 800 Milliarden Euro in seine Energieinfrastruktur investieren, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Und Europa muss insgesamt 2,5 Billionen Euro investieren, um den grünen Wandel bis 2050 abzuschließen. Das klingt nach enorm viel, aber die gute Nachricht ist, von den 9 Billionen US-Dollar pro Jahr: wir zahlen derzeit entweder direkt oder indirekt 7 Billionen US-Dollar weltweit jedes Jahr an Subventionen für fossile Energieträger. Das heißt, es geht hauptsächlich darum, Finanzströme in andere Kanäle zu leiten, und nicht nur um ein Ausweiten der Finanzströme.
Klimafinanzierung statt fossile Subventionen
Hier ist eine Abbildung, wo die Finanzierung der von gesellschaftlichen Herausforderungen verglichen wird. Derzeitige Climate Finance Flows sind eben bei ungefähr 1,3 Billionen pro Jahr. Military expenditure 2022 sehen wir vermutlich heute anders, als wir es 2021 gesehen hätten. Die sind sehr hoch, aber vielleicht auch nötig. Fossile Subventionen von fossilen Energieträgern, ebenso 2022, 7 Billionen Dollar pro Jahr. Lassen Sie sich das auf der Zunge jetzt zergehen: Subventionen in fossilen Energieträger. Achtung, das sind direkte und indirekte, also das, was out of pocket bezahlt wird, aber auch das, was nicht internalisierte Externalitäten sind, weil das auch ökonomisch gesehen eine indirekte Subvention ist, wenn man keine Steuern zahlen muss beispielsweise. Das waren die Covid-Maßnahmen 2020, das war natürlich sehr viel noch, aber wenn eine Herausforderung da ist, dann findet man scheinbar die Finanzmittel dafür. Und das sind die Financeneeds für die Transformation jedes Jahr weltweit ungefähr diese 9 Billionen Dollar pro Jahr. Das ist sehr viel, aber wie gesagt, wenn man es in Proportion setzt zu anderen gesellschaftlichen Herausforderungen oder zur Förderung von etwas, was wir eigentlich nicht mehr unterstützen wollen. Diese Subventionen in fossile Energieträger werden in der Literatur manchmal perverse Subventionen genannt. Man verwendet Steuergeld für etwas, was der Gesellschaft schadet, das ist wirklich pervers.
Netto Null ist die am wenigsten schlechte Option für Investoren
Und was man daraus schließen kann ist, Net Zero ist die am wenigsten schlechte Option für Investoren, also rein ökonomisch betrachtet, die Failed Transition, das kostet am meisten, Too Little Too Late kostet auch sehr viel, the Late Disorderly Transition kostet viel und die Net Zero Transition, die kostet viel, aber es ist noch im Vergleich zu den anderen, also da wo die physischen Risiken oder Transitionsrisiken hoch sind, ist es noch die günstigste Variante. Die Option, dass es uns nichts kostet, die gibt es nicht, weil es eben die Kosten des Nichthandelns gibt. Was wir eigentlich brauchen, ist eine Perspektive, wo wir die Wirtschaft als eingebettet in die Gesellschaft und basierend auf den biophysischen Grundlagen sehen. Und dafür – nach dieser Ontologie oder Pre-Analytic Vision – erfordert dann jede ökonomische Analyse eine interdisziplinäre Herangehensweise, aber das wäre eine andere Diskussion, die ich sehr gerne führen würde, wenn es interessiert, aber das wollte ich noch kurz dazugeben. Danke vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.
Anmerkung; Seit dem Erscheinen dieses Beitrags haben Untersuchungen der internationalen Studiengruppe World Weather Attribution gezeigt, dass Unwetterkatastrophen wie die von Mitte September in Zentraleuropa durch den menschengemachten Klimawandel doppelt so wahrscheinlich geworden sind. (Siehe diesen Beitrag).
„Es gibt drei häufige Fehler bei der Berichterstattung über Wetterextreme: 1. den Klimawandel als Ursache des Ereignisses ignorieren; 2. das Ereignis dem Klimawandel zuschreiben, ohne Belege dafür vorzulegen; 3. den Klimawandel als einzige Ursache des Extremwetterereignisses bezeichnen.“
Das schreiben die beiden Klimaforscher:innen Friederike Otto vom Imperial College London und Ben Clarke von der University of Oxford in einem Leitfaden für Journalist:innen.1 Beide sind Expert:innen für die Zuordnung von Wetterereignissen zum Klimawandel.
Welchen Einfluss der Klimawandel auf ein bestimmtes Extremwetterereignis hat, lässt sich immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit feststellen. Und auch nicht aus dem Handgelenk. Mit der Zuordnung von Wetterereignissen zum Klimawandel befasst sich eine eigene Wissenschaftsrichtung, die Attribution Studies, und die ist erst 20 Jahre alt.
Wie kann man den Einfluss des Klimawandels feststellen?
Die erste Studie zur Attribution eines Extremwetterereignisses wurde 2004 veröffentlicht und befasste sich mit der Hitzewelle von 2003 in Westeuropa, die rund 70.000 Menschenleben forderte.
Die Forscher:innen machten das so: Zuerst simulierten sie das momentane Klima — das durch menschliches Zutun ja bereits deutlich erwärmt ist — viele tausend Mal. Sie ließen, vereinfacht gesagt, auf den Computern immer und immer wieder dieselben Klimamodelle mit ganz leicht veränderten Ausgangsbedingungen durchlaufen. Dabei zählten sie die Hitzewellen, die so extrem waren wie das Ereignis von 2003. Es zeigte sich, dass es auch in einer erwärmten Welt ein sehr seltenes Ereignis war.
Zweitens simulierten sie das Klima, wie es ohne die menschengemachten Emissionen an Treibhausgasen oder Aerosolen aussähe. Das ist möglich, da die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre, die vor allem auf das Verbrennen fossiler Energieträger zurückzuführen sind, gut bekannt ist. Dann wurden wieder die extremen Hitzewellen in einer unveränderten, nicht aufgeheizten Atmosphäre gezählt. Ihre Zahl war wesentlich niedriger — Eine derartige Hitzewelle in Westeuropa war sogar so selten, dass sie ohne menschliches Zutun beinahe unmöglich gewesen wäre.
Zusätzlich simuliert man inzwischen auch das Klima aufgrund historischer Daten für verschiedene Zeiten, um zu sehen, wie sich die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses im Lauf der Zeit verändert hat.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Starkregenfälle aus?
Extreme Regenfälle sind aufgrund des menschengemachten Klimawandels sowohl häufiger, als auch intensiver geworden, besonders in Europa, großen Teilen Asiens und Nordamerika. Wie läßt sich das erklären? Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Wenn es wärmer ist, bewegen sich Wassermoleküle schneller und sind daher mit größerer Wahrscheinlichkeit im gasförmigen statt im flüssigen Zustand. Mit 1 Grad höherer Temperatur kann die Luft 7 Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Und wenn es regnet, kommt in einer wärmeren Atmosphäre natürlich mehr Wasser wieder herunter.
Laut dem IPCC-Bericht von 2022 war bei einer Erderhitzung von gut 1 Grad ein Starkregen an einem beliebigen Ort der Erde, der früher nur einmal in zehn Jahren auftrat, im Durchschnitt um 6,7 Prozent feuchter und um 30 Prozent wahrscheinlicher: Das heißt, statt einmal alle zehn Jahre trat er 1,3 Mal in zehn Jahren auf. Der Weltklimarat warnte eindrücklich vor den Folgen: In den vergangenen drei Jahrzehnten sei die Zahl der Überschwemmungen in Europa so hoch gewesen wie seit 500 Jahren nicht mehr, die wirtschaftlichen Schäden infolge von Hochwasserereignissen seien stark gestiegen. Und für die Zukunft rechnete der IPCC mit noch höheren Flutrisiken für den Kontinent. Inzwischen ist bereits über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr die globale Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad höher gewesen als vor dem Industriezeitalter.
Kombiniert man beobachtete Niederschlagstrends und die Ergebnisse von Attributionsstudien, dann lässt sich für folgende Weltgegenden mit Sicherheit sagen, dass niederschlagsbasierte Überschwemmungen durch den Klimawandel zugenommen haben: Europa, der größte Teil Asiens, Nordaustralien, das zentrale und östliche Nordamerika, der Nordosten von Südamerika und das südliche Afrika. Hingegen lassen sich (bislang) keine gesicherten Aussagen treffen zu Veränderungen in großen Teilen Afrikas, Australiens und Asiens sowie Süd- und Mittelamerikas.
Wie wahrscheinlich waren die Überschwemmungen des Sommers 2021?
Zu den Überschwemmungen in Europa im Juli 2021, von denen auch Österreich betroffen war, die aber Deutschland mit 184 Todesopfern und Belgien mit 38 Todesopfern am schwersten trafen, konnten die Wissenschaftler:innen von World Weather Attribution schon im August einen Schnell-Report vorlegen, zu dem 39 Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg, USA und Großbritannien beitrugen.2 Die endgültige, begutachtete Studie wurde dann erst 2023 veröffentlicht.3
Die Forscher;innen kamen zu den folgenden Feststellungen:
Der Klimawandel hat die Intensität der maximalen eintägigen Niederschlagsereignisse im Sommer in dieser großen Region [zwischen den nördlichen Alpen und den Niederlanden] um etwa 3 bis 19 % erhöht, verglichen mit einem globalen Klima, das 1,2 °C kühler ist als heute. Für das zweitägige Ereignis ist der Anstieg ähnlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Ereignis heute eintritt, hat sich im Vergleich zu einem 1,2 °C kühleren Klima für das 1-Tages-Ereignis in der großen Region um einen Faktor zwischen 1,2 und 9 erhöht. Für das 2-Tages-Ereignis ist der Anstieg noch einmal ähnlich.
Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass die Erkennung extremer Niederschlagstrends auf lokaler Ebene durch die Variabilität erschwert wird. Betrachtet man jedoch solche Ereignisse im größeren westeuropäischen Raum, sind signifikante Trends erkennbar, die dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuzuschreiben sind, auch wenn wir nicht vorhersagen können, wo genau diese Ereignisse auftreten. Alle verfügbaren Beweise zusammen, einschließlich physikalischer Erkenntnisse, Beobachtungen in einer größeren Region und verschiedener regionaler Klimamodelle, geben Anlass zu großer Gewissheit, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Intensität eines solchen Ereignisses erhöht hat und diese Veränderungen in einem sich schnell erwärmenden Klima anhalten werden.4
Wann wird ein Naturereignis zur Naturkatastrophe?
Ob ein Starkregen aber zu einem katastrophalen Hochwasser führt, hängt nicht nur von der Regenmenge ab. Die „Vulnerabilität“, die Verwundbarkeit einer Gesellschaft und der von ihr geschaffenen Umwelt sind bestimmend, ob ein Naturereignis zur Naturkatastrophe wird.
Expert:innen des „National Hub Biodiversität und Wasser“ haben dazu anlässlich der verheerenden Überschwemmung in Südost-Österreich, Slowenien und Kroatien im letzten Sommer einen Fachartikel veröffentlicht.5 In natürlichen Systemen treten Flüsse einmal pro Jahr oder alle zwei Jahre über die Ufer. Haben sie genügend Raum, so können Moore, Feuchtwiesen und den fluss begleitende Aulandschaften das Wasser wie ein Schwamm aufnehmen und nach und nach wieder abgeben, auch in trockeneren Zeiten. Die Versiegelung von Flächen verhindert, dass Niederschlagswasser vom Boden aufgenommen wird. Großflächige Abholzungen und unsachgemäße landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung verringern das natürliche Wasserrückhaltevermögen des Bodens. Flussbegradigungen und Dämme verkürzen Fließgewässer. Hohe Pegelstände erreichen früher die flussabwärts gelegenen Gebiete. Bebauung von Flächen, die von Natur aus überschwemmungsgefährdet sind, erhöht das Risiko von Schäden.
Beton ist kein guter Hochwasserschutz
Um künftige Gefahr von Hochwasserkatastrophen zu verringern, sind einerseits verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz notwendig. Andererseits muss der Gefahr mit naturbasierten Lösungen entgegengewirkt werden, also der Wiederherstellung von gesunden Fluss-Ökosystemen, durch eine Raumplanung, die Hochwasserrisiken mit einbezieht, und ein Ende des Zubetonierens und die Entsiegelung unnötig verbauter Flächen. Technischer Hochwasserschutz wie Deiche, Dämme und Rückhaltebecken sollten auf den Schutz von Siedlungen und Infrastruktur beschränkt werden.
Die jüngsten Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, dass die Klimabewegung intensiv Wissen verbreitet und die Bevölkerung für Klimaschutz und Biodiversitätsschutz mobilisiert.
3Tradowsky, J.S., Philip, S.Y., Kreienkamp, F. et al. Attribution of the heavy rainfall events leading to severe flooding in Western Europe during July 2021. Climatic Change 176, 90 (2023). https://doi.org/10.1007/s10584-023-03502-7