„Scientists for Future reagieren auf die historisch beispiellose Klima-, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitskrise, welche die Menschheit vor globale Herausforderungen stellt.“
Dieser Satz steht gleich zu Beginn der Charta der Scientists for Future, die 2019 von mehr als 27.000 Wissenschaftler:innen überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum unterzeichnet wurde. Und ja, die Krise der wir uns gegenübersehen ist tatsächlich beispiellos in unserer Geschichte. Und es sind keine apokalyptischen Schwarzseher, die das sagen, sondern die besten Köpfe unserer Zeit.
Die Diagnose ist klar, aber wie sieht die Therapie aus? Die gibt es zwar, nur ist der Patient leider ein sturer Geselle und weigert sich, das eigene, liebgewonnene Leben umzukrempeln. Stattdessen zieht er lieber alle Register, um sich irgendwie vorbeizumogeln. Besonders verlockend ist es dabei natürlich, dem behandelnden Arzt kurzerhand die Expertise abzusprechen. Der Arzt ist in dem Fall die Wissenschaft, die Klimawissenschaft um genau zu sein, die durch das IPCC, eine Einrichtung der Vereinten Nationen, zusammengefasst wird. Und der Patient, das ist die Gesellschaft.
Warum die Gesellschaft nicht auf die Warnungen der Wissenschaft reagiert, ist schwer zu sagen. Die Gesellschaft ist ein komplexes und heterogenes Wesen, das sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lässt. Dennoch, schaut man auf all die Wunder, die die Wissenschaft der Gesellschaft geschenkt hat, muss man sich doch wundern. Bedenkenlos steigen Menschen in eine Aluminiumkiste ein, die laut Wissenschaft angeblich fliegen und dabei nicht abstürzen soll. Wenn dieselbe Wissenschaft vor einer ernsten Krise warnt, schlägt ihr dann plötzlich großes Misstrauen entgegen. Ein Meme, das vor einiger Zeit im Internet kursierte, bringt es auf den Punkt: Am Ende fragt ein besorgter Bürger: „Was wenn wir uns irren und völlig sinnlos ein besser Welt erschaffen“.
Aus welchen Gründen auch immer, Fakt ist, dass wesentliche Teile der Gesellschaft der Wissenschaft misstrauen oder schlicht nicht hören wollen was die Wissenschaft uns sagt. Da kommen pseudowissenschaftliche Theorien, die einem erzählen, was man hören will gerade recht. Teile der Politik und Wirtschaft freuts, ist es doch eine Chance, das Business as Usual am Laufen zu halten. Und in der öffentlichen Wahrnehmung entsteht der Eindruck, als gäbe es hier 2 gleichberechtigte Standpunkte, als wäre die Frage der Klimakrise eine Frage der persönlichen Meinung. Wer möchte darf gerne auf Öko machen, aber wer das nicht will, macht einfach weiter wie bisher. Wie angenehm.
Und genau hier kommen die Scientists for Future ins Spiel. Wir wollen nämlich nicht einfach nur analysieren und diagnostizieren, wir wollen reagieren. Die Frage ist nur: Wie reagiert man auf das Misstrauen und die verständliche Weigerung, die schlechte Kunde von der Klimakrise anzunehmen. Zunächst mal, indem wir mit dem zentralen Missverständnis aufräumen, dass es eine Frage der Meinung wäre, ob man an die Klimakrise glaubt oder nicht. Wissenschaft ist keine Meinung. Wissenschaft ist der ziemlich erfolgreiche Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen. Funktionierende Raketen, Flugzeuge, Computer und Handys zeugen davon. Der Auftrieb, der an einem Flugzeugflügel entsteht, ist keine Meinung sondern Fakt. Das Flugzeug hebt ab. Eine gegenteilige Meinung würde zurecht niemand ernst nehmen. Eine solche Meinung wäre ja völlig Fakten-befreit und damit nicht legitim.
Und genau solche faktenfreien Meinungen sind es, die wir entlarven müssen, indem die Wissenschaft mit einer gemeinsamen starken Stimme spricht und daran erinnert, dass es Fakten gibt, die nach allen wissenschaftlichen Maßstäben dutzend-, hundert- wenn nicht tausendfach bewiesen wurden, die wieder und wieder auf Herz und Nieren in Experimenten geprüft wurden und die wir alle jederzeit auch selbst überprüfen können. Es ist nicht zulässig, diesen Fakten aus einer persönlichen Laune heraus ohne belastbare Beweise und ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Argumente und Experimente zu widersprechen. Wer das tut, untergräbt das Fundament der Aufklärung, der wir so viel verdanken.
Wissenschaftler:innen sind es gewohnt, zu diskutieren, einander zu kritisieren, zu hinterfragen und zu prüfen. Davon lebt die Wissenschaft und nur so kommen wir voran, können alte Irrtümer ausmustern und neues Wissen generieren. Doch jetzt müssen wir etwas tun, das wir eher nicht gewohnt sind. Wir müssen mit einer Stimme sprechen, um jene gesicherten Fakten, über die in der seriösen Wissenschaftswelt Einigkeit herrscht klar als solche zu benennen und um schädliche pseudowissenschaftliche Debatten zu beenden. Wir müssen einander stärken und dafür sorgen, dass echte Expert:innen zu Wort kommen und unmissverständlich klarstellen, welche Standpunkte eine wissenschaftliche Basis haben und wo pseudowissenschaftlicher Unsinn beginnt. Dazu brauchen wir die Stimme und Unterstützung möglichst vieler Wissenschaftler:innen, dazu brauchen wir Deine Unterstützung. Jeder Wissenschaftler, jede Expertin, in deren Namen wir sprechen dürfen, macht uns stärker und gibt uns die Chance, das postfaktische Zeitalter zu beenden, bevor es wirklich beginnt.
Und wie kannst du mitmachen?
Auf der Seite Mitmachen kannst du dich den derzeit über 1.700 österreichischen Wissenschaftler*innen von Scientists for Future anschließen. Dadurch bekennst du dich zur Charta der Scientists for Future und der initialen Stellungnahme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Protesten für mehr Klimaschutz.
Mehr über die Struktur unserer Organisation und die Möglichkeiten, dich aktiv einzubringen, erfährst du hier.
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