Die ÖVP verharmlost die Klimakatastrophe
von Ivo Ponocny

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Lesedauer 5 Minuten.   

Es fällt schwer, ruhig zu bleiben, aber gerade jetzt ist eine sachliche Diskussion nötig. Und genau das ist die Rolle der Wissenschaft: Sachlichkeit einzubringen, und Sachlichkeit einzumahnen. Was ich hiermit nun tun werde. Für ein paar Minuten soll es jetzt weniger um die Schädigung des Klimas gehen als um die Verflachung der Gesprächskultur durch die ÖVP. Sie schädigt damit nicht nur Ihren Ruf als seriöse Partei, sondern nimmt der Jugend das Recht auf eine faire Diskussion ihrer Anliegen.

Es beginnt schon mit dieser vermeintlichen Positionierung in der Mitte. Das ist aus klimatologischer Sicht überhaupt nicht der Fall. Die ÖVP ordnet sich vielmehr in die Reihe der klimaleugnenden Bewegungen ein. Warum? Klimaleugnung besteht aus der Leugnung der Existenz des Klimawandels oder dessen menschlicher Ursache oder dessen Gefährlichkeit oder der Wirksamkeit klimaschützender Maßnahmen. Die ÖVP leugnet zwar nicht die ersten beiden, verharmlost aber die Gefährlichkeit und die Dringlichkeit notwendiger Maßnahmen.

Ich zitiere aus der Rede zum Zukunftsbericht: „So wie da der Untergang skizziert wird und behauptet wird, dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis“. Naja, den gibt es natürlich, da braucht man nur die Wissenschaft fragen. Die Notwendigkeit der erforderlichen Reaktionen wird in Abrede gestellt, also handelt sich zwar nicht um das Leugnen des Faktums Klimawandel, aber das Leugnen der nötigen Implikationen.

Stichwort: das „Aber-China“-Argument. Dafür gibt es im Diskurs schöne Begriffe wie zum Beispiel Lukewarmism, das mehr oder weniger genau den Standpunkt der ÖVP beschreibt. Lukewarmism bedeutet lauwarmes Agieren, also nicht die rechten Konsequenzen zu ziehen und zu meinen, es gehe ohne unbequeme Maßnahmen – und das ist eben genau die moderne Form der Klimawandelleugnung, der jetzige Mainstream, das Sich-Zurückziehen von „das gibt es ja gar nicht“ hin zu „zu tun braucht man trotzdem nichts“.

Das ist auch demoskopisch nicht die Mitte, weil die Mehrheit der Bevölkerung für Klimaschutz ist und insbesondere die Jugend sich stärkere Klimaschutzmaßnahmen wünscht. Ob das jetzt dem Selbstverständnis der ÖVP entspricht, weiß ich nicht, aber sie steht nicht in der Mitte, sondern mitten im Klimaleugnungsmainstream.

Warum spricht man von Leugnung – heißt das jetzt, dass man andere Meinungen nicht akzeptiert? Nein, man spricht von Leugnung, weil die Argumente nicht sauber sind, weil sie nicht richtig sind. So ein Diskurs wäre selbst verfehlt, wenn es den Klimawandel wirklich nicht gäbe, weil man zum Beispiel Killer-Phrasen verwendet, weil man unsachlich argumentiert, wie zum Beispiel mit dem Versuch des Abschiebens von Verantwortung. Das ist typisch für Killer-Phrasen zu behaupten: „Was auch immer es ist, es ist nicht unser Kaffee“ – und da sind wir natürlich schon mitten im „Aber-China“-Argument, also dass man schließt: Österreich ist nur für 0,2 Prozent verantwortlich, also brauchen wir doch eigentlich gar nichts zu tun. Auch dafür gibt es einen Begriff, er heißt Absolutionism, das ist die Idee, dass ein Staat überhaupt nicht verantwortlich ist für das, was klimatologisch passiert. Und da kommt eben dieses „China verbraucht 30 Prozent“, wobei man natürlich verschweigt, dass der Pro-Kopf-Verbrauch ja recht ähnlich ist. Warum sollte ein*e Chines*in verpflichtet sein zu reduzieren und ein*e Österreicher*in mit demselben Verbrauch nicht?

Und da sieht man noch eine Komponente dieser Verflachung des Diskurses, diese Unsachlichkeit, dass wir Leute de facto verführen, indem wir ihnen billige Ausreden zur Verfügung stellen. Das ist ebenfalls höchst bedenklich, denn in einer Welt, in der man keine Beiträge leisten muss, weil sie klein sind, wäre ja viel erlaubt. Da kann ich Steuerhinterziehen, da kann ich den Müll im Wald entsorgen, da kann jeder Polizist, jede Polizistin sagen: „Was soll ich mich anstrengen, mein Beitrag zur Ausrottung des Verbrechens kann doch nur klein sein!“ Das funktioniert einfach so nicht und es ist schlicht und einfach auch unmoralisch. Der nächste Name für diese Strategie heißt Cherrypicking: Ich picke mir irgendein Detail heraus, anstatt das Gesamtbild zu sehen, und konzentriere mich auf das. Und ich muss schon sagen, es ist schon bitter, wenn man über Klimawandelleugnung liest und die entsprechenden Autoren sich ansieht, um daraufzukommen, dass ein Buch, das den Kanzler sehr inspiriert, genau aus dieser Ecke kommt. Und dass dann natürlich nicht debattiert wird, was im IPCC-Bericht steht, wo auf tausenden Seiten sachliche Argumentationen stehen, nein, man greift ausgerechnet auf etwas zurück, was wissenschaftlich höchst fraglich ist.

Das mit den Verboten wurde vorhin schon angesprochen, „Anreize statt Verbote“, auch das ist de facto eine Killerphrase, weil es suggeriert, wir würden ohne Verbote arbeiten und als wären Verbote unzulässig. Tatsächlich funktioniert eine Gesellschaft natürlich mit sehr vielen Verboten, allein schon im Straßenverkehr. Die ÖVP stößt sich ja auch nicht daran, das Gendern zu verbieten. Wir würden auch sehr merkwürdig reagieren, wenn man es der Eigenverantwortung des Einbrechers überlassen würde, ob man bei uns einbrechen darf oder nicht – aber beim Schutz der Jugend, für der Zukunft, da seien Verbote auf einmal verwerflich. Man sieht, wie fadenscheinig diese Argumente sind und wie irreführend dementsprechend der politische Diskurs. Keine Verbote heißt de facto: Schutz für die Jugend nur dann, wenn es gerade keinen Alten stört. Das kann es ja wohl nicht sein.

Auch Techno-Salvation wurde schon vorhin angesprochen, ja, auch dafür gibt es einen Begriff. Zum Glauben an technische Lösungen nur ganz kurz: Das wäre ungefähr, als würde ich meine Kinder zu Hause vollqualmen und ihnen dann erklären: „Bis ihr groß seid, wird schon jemand etwas gegen den Krebs gefunden haben.“ Das würden nur sehr, sehr schlechte Eltern tun.

Nun kommen wir zu einer ganz üblen Diskurstechnik, nämlich Meinungen anderer zu diffamieren, wie zum Beispiel von Irrsinn zu sprechen, wenn es um wissenschaftliche Erkenntnisse geht. Wenn man sich den IPCC-Report ansieht, ist da von Irrsinn nichts zu bemerken. Ein anderes Beispiel: die „Schein-Klima-Aktivisten“. Was in aller Welt soll daran „Schein“ sein? Die wissenschaftliche Vernunft, das Beste, was man Sachlichkeit zu bieten hat, für Irrsinn zu erklären, das ist doch genau eine Verkehrung von all dem, was Sinn macht.

Tatsächlich ist es so, dass das einzig Extremistische und Maßlose unser Lebensstil ist; wir verbrauchen mehr, als da ist. Extrem ist, nicht dagegen aufzutreten. Es gibt noch viele weitere Beispiele, aber ich denke, es genügt. Ich möchte auch ganz persönlich festhalten: Mir tut es privat furchtbar weh, wenn ich sehe, wie Menschen aus meinem eigenen Umfeld, meinem Bekanntenkreis diese Argumente aufgreifen und dann glauben, das wäre jetzt tatsächlich der berüchtigte Hausverstand. Zum Hausverstand nur eines: Der Hausverstand ist mehr als der erste Impuls des inneren Schweinehunds, darauf darf man den Hausverstand nicht reduzieren. Mein Hausverstand sagt mir: CO2 ist ein Treibhausgas, wir lassen zu viel davon in die Luft, die Wissenschaft hat schon lange vorhergesagt, ganz sachlich, was das bedeutet, wir sehen es mit freiem Auge, wir sehen es an den Gletschern, an den Wintern – also müssen wir das sofort stoppen. Was sonst sollte einem der Hausverstand sagen?

Was den Begriff „normal“ anbelangt: Ich habe drei Söhne, ich sage ihnen, was normal ist: Normal ist, alles für seine Kinder zu tun, das ist normal. Alles andere würde gerade die Mitte wahrscheinlich als krank und abartig bezeichnen. Und auch hier muss ich fragen: Was bewahrt eine konservative Partei, wenn nicht unsere Lebensgrundlagen? Was ist eine christliche Einstellung wert, die der Schöpfung nicht achtet? Was ist der Wert der Familie, wenn das Wohl der Kinder nicht priorisiert wird? Da bleibt doch nichts übrig!

Ich möchte jede Person, die solche Äußerungen von sich gibt, fragen: Haben sie keine Angst, dass man sich das einmal in 30 oder 40 Jahren ansehen wird, dass die Jugend sich das ansehen wird und rufen wird: „So ist uns unser Opa in den Rücken gefallen! So ist uns unsere Oma in den Rücken gefallen!“ Die Aufzeichnungen wird es ja dann noch geben, als Dokumente der Schande.

Sie sprechen von Geistiger Landesverteidigung, was hier betrieben wird, ist das genau Gegenteil. Geistige Landesverteidigung muss doch heißen, sich nicht zu drücken, sondern sich Gefahren entgegenzustellen. Nicht zu sagen: „Ah, wird schon nichts passieren!“ Es gibt nicht nur die militärische Landesverteidigung, die zivile, die wirtschaftliche, sondern auch eine ökologische, und die hintertreibt die ÖVP massiv. Dementsprechend wird die ökologische Landesverteidigung in der Zukunftsrede natürlich nicht erwähnt. Im Gegensatz zur wirtschaftlichen.

Das macht der Jugend Sorgen, deshalb kleben sich die Leute auf die Straße. Es gibt mittlerweile diesen Begriff der Ökoangst, der Eco-Anxiety. Sie kommt u.a. genau daher, dass die Jugend nicht das Gefühl hat, dass auf ihre Argumente fair reagiert wird, sondern dass mit einem strategischen Diskurs, mit rhetorischen Tricks argumentiert wird anstatt zur Sache. Wo bleiben die Äußerungen der Regierungspartei über die Auswirkungen der Treibhausgase? Das muss die Jugend hören und darauf hat sie ein Recht. Sie hat ein Recht auf eine faire Diskussion ihrer Anliegen und ihrer angemessenen Forderungen! Respekt gegenüber der Jugend bedeutet, ihr wenigstens die Chance auf eine sachliche Diskussion zu lassen.



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