Eine Bodenstrategie für Österreich

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Lesedauer 3 Minuten.   

Von Christina Hummel (Scientists for Future), Barbara Steinbrunner (TU Wien), Maria Baumgartner (TU Graz, FH Joanneum)

Start des längst notwendigen Prozesses zur Reduktion der weiteren Flächenneuinanspruchnahme und Bodenversiegelung bis 2030 – Nun heißt es für die Länder konsequent in die Umsetzung zu gehen!

Überschwemmungen, Verlust wertvoller Ackerflächen, Zerschneidung der Landschaft, Hitzeinseln, ausgedehnte Gewerbe- und Einfamilienhausgebiete rund um leere Ortszentren – die Auswirkungen der fortschreitenden Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung werden immer spürbarer. Mit zunehmendem Verlust von Grünräumen bedrohen wir unsere Lebensmittelversorgung und verlieren Lebensräume, Wasser- und kohlenstoffspeichernde Böden. Damit gefährden wir unsere Daseinsvorsorge und zukünftige Generationen.

Vor diesem Hintergrund haben sich Bund, Länder, Städte und Gemeinden mit der Österr. Raumordnungskonferenz (ÖROK) zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen, gemeinwohlorientierten und gerechten Raumentwicklung bekannt1. Dabei wird eine substanzielle Reduktion der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030 angestrebt. Den Weg dahin soll die Bodenstrategie für Österreich angeben2, welche bis Ende 2022 gemeinsam mit Fachexpert:innen aus Wissenschaft und Verwaltung ausgearbeitet wurde.

Der politische Beschluss wurde mehrmals vertagt, da man sich nicht auf ein quantitatives Ziel einigen konnte.

Im auftraggebenden Umsetzungspakt „Bodenstrategie für Österreich“ wurde gefordert, konkrete, quantitative Ziele auf Bundes-, sowie daran orientierend, auf Länderebene festzulegen. Die Grünen Regierungspartner:innen wollten das bekannte „2,5 ha/Tag-Ziel“ bis 2030 des Regierungsprogramms 2020-20243 verbindlich in die Strategie aufnehmen. Da aber nicht geklärt wurde, wie diese 2,5 ha auf alle Länder und Gemeinden fair aufgeteilt werden, sollte dieses Ziel im Zuge der Strategieumsetzung einer „Plausibilisierung“ unterzogen werden. Dieses Ziel geht auf die Nachhaltigkeitsstrategie 2002 zurück und wurde für 2010 festgelegt – somit ist selbst diese fast 5-fache Reduktion der derzeitigen Flächeninanspruchnahme (~11ha/Tag)4 veraltet.

Verantwortung abschieben, Verwässern, Verzögern

Hitzige Diskussionen, Uneinigkeit, was unter Flächeninanspruchnahme fallen darf, Abschieben der Verantwortung für den Nichtbeschluss und Selbstlob für die politische Errungenschaft eines gemeinsamen Vorgehens prägten den Prozess. Die für die Raumplanung zuständigen Länder und Gemeinden wollten kein Bundesziel akzeptieren und selbst der Bund war sich nicht einig. Die beratende Wirtschafts- und Arbeiterkammer mischten ebenfalls mit. Im Zuge der Verhandlungen wurde der Originalentwurf teilweise umformuliert, um Verbindlichkeiten herauszustreichen: So wurde z.B. aus einer „Verpflichtung“ zu Umsetzung der Maßnahmen eine „Absichtserklärung“, und klare Jahreszahlen für Meilensteine wurden zu vagen Zeiträumen bzw. nach hinten verschoben. Im Februar 2024 beschließen die Länder die Strategie (Stand Juni 2023) ohne den Bund.

Trotz Verwässerung beinhaltet die Strategie wichtige Ziele und bekannte Maßnahmen, die umgesetzt werden sollen:

  1. Schutz von Frei- und Grünland,
  2. Unterbindung der Zersiedelung,
  3. effiziente Innenentwicklung und
  4. Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.5

Der Aktionsplan gibt die Umsetzung der geplanten Maßnahmen bis 2030 an. Ein Meilenstein, ein einheitliches Monitoring der Flächeninanspruchnahme, wurde im Dezember 2023 präsentiert. Weiters sollen finanzielle Instrumente angepasst und Bauland außerhalb von Siedlungsbereichen reduziert werden. Die Strategie gibt an, wie einfach und zeitnah Maßnahmen umsetzbar sind. Während z.B. die Ausweisung landwirtschaftlicher Vorrangzonen rasch und unkompliziert möglich ist, besteht bei der Rückwidmung von Bauland noch Klärungsbedarf bzgl. grund- und verfassungsrechtlicher Umsetzung sowie Möglichkeiten für die Finanzierung von Entschädigungszahlungen.

Langfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft (Netto-Null Flächeninanspruchnahme) angestrebt. Die Strategie bekennt sich zu dem von der EU-Kommission geforderten Ziel bis 20506. Generell ist die Flächenverbrauchshierarchie7 anzuwenden:

  • Vermeiden
  • Wiederverwenden
  • Minimieren
  • Kompensieren

Das bedeutet nicht, dass keine neuen Flächen für wirtschaftliche Aktivitäten oder die Bedürfnisse der Bevölkerung zur Verfügung stehen werden, sondern Flächen zu sparen, dichter zu bauen und bei unvermeidbaren Eingriffen andere Gebiete zu renaturieren/entsiegeln. Dies trägt zu einer höheren Lebensqualität bei (z.B. kurze Wege, innerörtliche Grünräume, Erhalt der für Ernährung notwendigen Flächen).

Eine verbindliche Obergrenze ist notwendig, um die künftige Flächeninanspruchnahme zu reduzieren und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Jedoch sind die gesetzlichen Grundlagen für Flächenkontingente erst zu schaffen. Das betrifft v.a. die räumliche Verteilung zwischen Gemeinden/Ländern sowie die Priorisierung von Nutzungen bei der Vergabe. In der Strategie wird daher die Entwicklung von Methoden für die Ableitung von Zielwerten sowie Klärung der Kompetenzen und rechtlichen Verankerung angestrebt. Mittelfristig sind Pilotprojekte auf regionaler Ebene vorgesehen.

Trotz teils vager Formulierungen und wenig Verbindlichkeit, ist der Beschluss der Bodenstrategie der erste Schritt eines längst notwendigen Prozesses. Die Strategie ist zwar nicht rechtlich, aber politisch bindend. Somit braucht es nun in den Ländern messbare, quantitative Ziele und konkrete Zeithorizonte, damit die „substantielle“ Reduktion der Flächeninanspruchnahme bis 2030 auch umgesetzt wird. Sonst besteht die Gefahr, dass überfälligen Reformen noch weiter hinausgezögert werden. Das können wir uns nicht mehr leisten. Jeder m2 unversiegelter Boden zählt. Österreich ist im Grunde fertig bebaut.8 Die ökonomischen Auswirkungen eines weiteren ungebremsten Bodenverbrauchs sind viel teurer als die kurzfristigen Gewinne9.

Zur Flächenkreislaufwirtschaft fehlen zwar noch Erfahrungen, aber Umsetzungskonzepte sind bekannt, tlw. sogar gesetzlich vorgegeben und sollen auch umgesetzt werden! Wichtig dafür ist die politische und gesellschaftliche Akzeptanz für höhere Bebauungsdichten.

Dafür kann jede:r etwas tun:

  1. Über Bodenverbrauch sprechen: mit Bekannten, Politiker:innen, Gemeinderät:innen
  2. Aktiv werden: z.B. in Bürgerinitiativen
  3. Gute Beispiele teilen: Sanieren, Bauen im Bestand, Mehrfamilienhäuser, erhaltene/neu geschaffene Grünräume sind Erfolge.

Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die Alpenkonvention.


1 ÖROK 2021, Beschluss und Veröffentlichung ÖREK 2030, https://www.oerok.gv.at/oerek-2030

2 ÖROK 2021, Umsetzungspackt “Bodenstrategie für Österreich”, https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie/umsetzungspakt

3 ÖVP & Die Grünen 2020, Regierungsprogramm 2020-2024 “Aus Verantwortung für Österreich”, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html

4 Umweltbundesamt 2022, Bodenverbrauch in Österreich, https://www.umweltbundesamt.at/news221202

5 ÖROK 2023, Bodenstrategie für Österreich (Entwurf) https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie

6 EC 2011, Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa KOM(2011) 571

7 EC 2021, EU-Bodenstrategie für 2030 COM(2021) 699

8 Bundeskammer d. Ziviltechniker:innen 2024, Positionspapier Klima, Boden & Gesellschaft, https://www.arching.at/fileadmin/user_upload/redakteure/Nachhaltigkeit/BKZT_Positionspapier_Klima-Boden-Gesellschaft.pdf

9 WIFO 2023, Auswirkungen des Flächenverbrauchs für die Versorgungssicherheit und steuerliche Instrumente zu dessen Eindämmung, https://www.wifo.ac.at/wp-content/uploads/upload-5834/s_2023_flaechenverbrauch_71122_.pdf



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