Stellungnahme von S4F-Niederösterreich zum Offenen Brief von FFF, BFF, WWF, VCÖ und “Vernunft statt Ost-Umfahrung”
Die Organisationen Fridays for Future, Build for Future, World Wide Fund For Nature, Verkehrsclub Österreich und Vernunft statt Ostumfahrung haben am 1. Juni einen offenen Brief an Bundeskanzler Kurz, Bundesministerinnen Gewessler und Köstinger und Landeshauptfrau Mikl-Leitner veröffentlicht, in dem sie sich gegen den Bau der Ostumfahrung Wiener Neustadt aussprechen. Scientists for Future Niederösterreich geben dazu die folgende Stellungnahme ab:
Die Scientists for Future in Niederösterreich halten fest, dass die inhaltlichen Aussagen des „Offenen Briefs“ zur Ost-Umfahrung bei Wiener-Neustadt vom 01. Juni 2021 nach wissenschaftlichem Ermessen korrekt sind. Wiener Neustadt ist die Stadt in Österreich, die bereits jetzt gemessen an der Bevölkerungsdichte den höchsten Flächenverbrauch aufweist. Trotzdem sollen durch den Bau der Umfahrung Ost weitere Grünflächen versiegelt werden. Die Umgehungsstraße würde die Attraktivität des Autos weiter erhöhen. Da Autos auf absehbare Zeit nicht klimaneutral sein werden, schadet das Projekt unseren Bemühungen, die Pariser Klimaziele einzuhalten.
Scientist for Future Niederösterreich stellen außerdem fest, dass Infrastrukturprojekte im Hinblick auf die Klimaziele die Nachfrage nach Mobilität aktiv lenken sollten, anstatt die Nachfrage passiv zu bedienen. Zusätzliche Angebote für Auto-Mobilität erzeugen zusätzliche Nachfrage nach Auto-Mobilität im Stile einer selbsterfüllenden Prophezeiung (Rebound-Effekt). Für das Erreichen der Klimaziele ist es aus wissenschaftlicher Sicht zwingend erforderlich, bevorzugt umweltfreundliche Verkehrsinfrastruktur-Projekte voranzutreiben.
Der offene Brief im Wortlaut:
01.06.2021
Betreff: „Offener Brief“ an die Politik zu Klima- und Bodenschutz sowie Ernährungssicherheit
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Gewessler,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Köstinger,
sehr geehrte Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner,
Österreich verbraucht rund 13 Hektar Boden pro Tag und liegt bei den Straßenkilometern pro Kopf im europäischen Spitzenfeld. Dennoch werden derzeit im ganzen Land neue große Straßenprojekte geplant und genehmigt. Diese Projekte widersprechen allen Klimazielen und versiegeln wertvolle Böden, wodurch mittel- und langfristig die Ernährungssicherheit bedroht wird. Nicht zuletzt zerstört die Verbauung wertvolle Erholungsräume für die Bevölkerung. Und wir als heutige Erwachsenen-Generation haben die große Verantwortung unseren Kindern eine intakte Umwelt zu übergeben.
Ein besonders negatives Beispiel für ein solches Straßenbauprojekt ist die geplante „Ostumfahrung“ in Wiener Neustadt. Wiener Neustadt hat den höchsten Flächenverbrauch pro Kopf in Österreich, trotzdem soll für das Straßenprojekt fruchtbares Ackerland versiegelt und eine Natura-2000-Au zerschnitten werden. 20 Hektar werden für die Trasse zubetoniert, auf 60 Hektar sollen zusätzliche Gewerbeflächen entstehen. Es ist somit die seit Jahren klimaschädlichste Weichenstellung im südlichen Niederösterreich.
In der Verkehrswissenschaft ist vielfach bestätigt, dass zusätzliche Straßen zu zusätzlichem Verkehr führen. Selbst nach den Prognosen des Bauherrn (Land NÖ) wird dieses Projekt der Stadt, die aufgrund von Fehlern in der Raumplanung unter Quell- und Zielverkehr leidet, keine Entlastung bringen. Auf fast allen Abschnitten wird es sogar mehr Verkehr geben – und das trotz der prognostizierten knapp 15.000 Fahrzeuge pro Tag auf der „Ostumfahrung“. Klima- und naturverträgliche verkehrstechnische Alternativen hat die Politik nicht geprüft.
Durch die sich verschärfende Klimakrise und die adaptierten Klimaziele haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert, alte Straßenbauprojekte, die vor vielen Jahren geplant wurden, vor dem Hintergrund der neuen Klimaziele und unter Einbeziehung der öffentlichen Interessen Naturschutz, Gesundheit und regionale Ernährungssicherheit zu stoppen und neu zu bewerten. Das Umweltrecht muss mit konkreten Maßnahmen verbessert werden, damit es der akuten Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird.
Parallel dazu braucht es einen “Bodenschutz-Vertrag” gegen den ausufernden Flächenfraß. Das Land Niederösterreich hat es in der Hand, die klima- und gesundheitsschädliche „Ostumfahrung“ zu stoppen. Die bessere, weil nachhaltige und zukunftsorientierte Lösung, ist unter Einbeziehung unabhängiger Fachleute ein zeitgemäßes Mobilitätskonzept für Wiener Neustadt und das Umland zu entwickeln – enkelfit, weil klima- und naturverträglich.
WWF, VCÖ, BFF, FFF, Vernunft statt Ostumfahrung
Bild: Übersichtsplan des Landes Niederösterreich
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