Expert:innen der Fachgruppe für Mobilität der Scientists for Future zeigen sich empört über die jüngsten Aussagen der Großglockner-Hochalpenstraßen-AG, die mit Blick auf Sanierungsmaßnahmen im Bereich der A10 Tauernautobahn in diesem Sommer die Großglockner Hochalpenstraße als „klimaschonende Alternative“ darstellten.
Großglockner-Hochalpenstraße als Transitroute – geht’s noch?
Am 11. April ging die Großglockner-Hochalpenstraßen-AG mit dem Slogan „Staufrei über den Großglockner“ an die Öffentlichkeit (APA-OTS, ORF Kärnten). Anlass sind die für Mai, Juni sowie September und Oktober dieses Jahres geplanten Bauarbeiten auf der A10 Tauernautobahn. In diesen Zeiten soll der Kfz-Verkehr in den beiden Scheiteltunneln jeweils nur durch eine Röhre im Gegenverkehr geführt werden. Für die Betreibergesellschaft der Hochalpenstraße ist das scheinbar ein willkommener Anlass, den Autoverkehr in der Hochgebirgsregion, quer durch Nationalpark und Landschaftsschutzgebiet zu maximieren. Man wirbt damit, dass „diese Strecken im Wesentlichen gleich lang sind“ und „keine zusätzlichen Pfade auslösen“ (O-Ton GROHAG-Vorstand Johannes Hörl).
Fake statt Fakten
Diese Aussagen haben mit Fakten und Realität wenig zu tun: Die Strecke von Bischofshofen bis Spittal/Drau beträgt auf der A10 104 km, über die Glocknerstraße 188 km. Diese Route führt auf 2.500m Höhe in hoch sensibles alpines Gelände. Eine Abkürzung in Richtung Italien über den Plöckenpass ist derzeit nicht möglich. Rechnet man mit 1.000 Autos pro Tag über drei Monate ergibt das über 10 Millionen Fahrkilometer. Daraus ergeben sich über 2.000 Tonnen CO2-Ausstoß, Feinstaubbelastungen und entsprechende Unfallzahlen. Selbst bei einröhrigem Betrieb wird im Vergleich weder die Strecke auf der A10 länger, noch fallen zusätzliche Höhenmeter ins Gewicht. Durch Tempo 60 im Tunnel und bei gutem Fahrverhalten wird sich die Fahrtzeit etwa um 10 Minuten erhöhen. Der Klimabilanz ist die niedrigere Geschwindigkeit jedenfalls zuträglich. Dass es zeitweise zu Staus kommen wird, ist unter diesen Rahmenbedingungen das kleinere Übel. Bequemer und klimaschonender ist freilich der Umstieg auf die Bahn. Aussagen zu den vermeintlichen Klimaschutzmaßnahmen wie Tempo 70 oder neue E-Ladepunkte auf der Glocknerstraße, durch die sich die Klimabilanz um 90 % verbessern soll, können nur als Greenwashing bezeichnet werden. Auf einer Straße, die mit 36 Serpentinen rund 1.500 Höhenmeter überwindet, spielt eine Temporeduktion kaum eine Rolle für die Emissionen. Und auch noch so viele E-Ladestationen können bei einem Verbrenner ein einziges Gramm CO2 einsparen.
„Offensichtlich ist es für eine öffentliche Infrastrukturgesellschaft heute immer noch möglich, aus kommerziellen Motiven klar natur- und klimaschädliche Aktivitäten zu entwickeln und scham- und verantwortungsbefreit flockige Messages zu verbreiten. So liegt denn auch der wahre Skandal an dieser reichlich unlustigen Posse nicht so sehr in der Verdrehung von Tatsachen zugunsten des Geschäftszwecks, sondern darin, dass die Tourismuswirtschaft das Auto nach wie vor als Vehikel der Gewinnmaximierung betrachtet – je höher die Frequenz – desto besser.“ zeigt sich Johannes Fiedler von der Fachgruppe Mobilitätswende schockiert.
Dabei wäre es im Jahr nach einer präzedenzlosen Gletscherschmelze infolge jahrzehntelang ungebremsten CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr eigentlich angebracht, über ein neues Betriebsmodell der Großglockner-Hochalpenstraße nachzudenken – ohne individuellen Kfz-Verkehr, mit E-Bussen und E-Rädern. Gerade der Blickauf die dahinschwindenden Überreste der ehemals mächtigen Pasterze würde das dringend nahelegen.
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