Für die Erreichung der Klimaziele ist eine umfassende Transformation in Richtung einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise unerlässlich. Dafür ist ein breites Verständnis der kumulierten Emissionen entlang von Wertschöpfungsketten erforderlich. Das stellt sicher, dass Emissionsreduktionsmaßnahmen einzelner Sektoren im Gesamtkontext mit den Klimazielen vereinbar sind. Auch wird gezeigt, wo Emissionsreduktionsmaßnahmen im Inland und wo internationale Anstrengungen erforderlich sind. Eine WIFO-Studie schätzt die kumulierten Treibhausgasemissionen ausgewählter österreichischer Sektoren ab.
Es gibt unterschiedliche Ansätze, um die Treibhausgasemissionen eines Landes zu messen
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden, die EU strebt Netto-Null-Emissionen bis 2050 an. Diese Ziele basieren auf der traditionellen Treibhausgasberichterstattung nach der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Diese herkömmliche Erfassung von Treibhausgasemissionen bezieht sich auf die Emissionen, die von Akteuren wie Unternehmen oder Haushalten innerhalb eines Landes verursacht werden (produktionsbasierte Treibhausgasemissionen). Eine andere Perspektive stellt die Erfassung von konsumbasierten Treibhausgasemissionen (auch „CO2-Fußabdruck“ genannt) dar. Dieser Zugang erfasst alle Emissionen, die durch den Konsum der Bevölkerung eines Landes entstehen, unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland anfallen. Eine weitere Betrachtungsweise fokussiert auf die kumulierten Treibhausgasemissionen von Gütergruppen entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Hier können neben den direkten Emissionen in der Produktion auch die energiebedingten Emissionen (insbesondere Emissionen aus der fossilen Stromerzeugung) sowie andere Emissionen, die in der Herstellung von Vorleistungen entstehen, berücksichtigt werden.
Ermittlung der kumulierten Treibhausgasemissionen für vier ausgewählte Sektoren in Österreich
Im Rahmen einer WIFO-Studie im Auftrag der AK Niederösterreich wurden die kumulierten Treibhausgasemissionen von vier ausgewählten Sektoren abgeschätzt. Diese Sektoren umfassen die Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung, den Bau, die Herstellung von Kraftwagen und -teilen sowie Erziehung und Unterricht. Die Abschätzung erfolgte entlang ihrer Wertschöpfungsketten für das Jahr 2018 mit dem WIFO-Modell DEIO. Dabei wurden sowohl die direkt bei der Produktion bzw. Dienstleistungen anfallenden Treibhausgasemissionen als auch die indirekten, mit den Vorleistungen verbundenen Treibhausgasemissionen und die einkommensinduzierten Treibhausgasemissionen berücksichtigt. Die Ergebnisse zu den kumulierten Emissionen der vier Sektoren sind in der Grafik unten dargestellt.
Unterschiedliche sektorale Emissionsprofile
Im Vergleich unterscheiden sich die kumulierten Emissionen der vier Sektoren sowohl in Hinblick auf das Niveau als auch auf die Zusammensetzung deutlich. Der Sektor Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung wies 2018 mit 16,5 Mio. Tonnen CO2 die höchsten kumulierten Emissionen auf, gefolgt vom Bausektor mit 10,9 Mio. Tonnen CO2. In den Sektoren Herstellung von Kraftwagen und -teilen bzw. Erziehung und Unterricht fielen kumulierte Emissionen von 4,3 bzw. 1,6 Mio. Tonnen CO2 an.
Die Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung sticht auch in Hinblick auf die Zusammensetzung der kumulierten Emissionen hervor: Hier lag der Anteil der direkten Emissionen 2018 bei 63 Prozent, während die Anteile in den übrigen Sektoren zwischen 2 und 8 Prozent betrugen. Demgegenüber wies der Bausektor den höchsten Anteil der indirekten inländischen Emissionen (39 Prozent) auf. Im Sektor Erziehung und Unterricht zeichneten die energiebedingten Emissionen für mehr als 90 Prozent der inländischen Emissionen verantwortlich, in den Kfz- und Bausektoren für je rund zwei Drittel. Nur in der Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung spielten die energiebedingten Emissionen mit einem Anteil von weniger als einem Viertel eine untergeordnete Rolle bei den inländischen Emissionen. Das zeigt die unterschiedlichen Potenziale für Emissionsreduktionen durch einen Shift zu erneuerbaren Energieträgern in den einzelnen Sektoren auf. Mit Ausnahme des Sektors Erziehung und Unterricht, in dem der Anteil der induzierten Emissionen 2018 rund 27 Prozent betrug, ist diese Emissionskategorie mit 1 bis 5 Prozent der kumulierten Emissionen nur von untergeordneter Bedeutung. Auch der Anteil der importierten Emissionen unterschied sich zwischen den vier Sektoren stark: Im Kfz-Sektor lag er bei rund drei Vierteln, in den Sektoren Bau sowie Erziehung und Unterricht jeweils bei knapp der Hälfte und in der Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung bei rund einem Viertel.
Internationale Handelsverflechtungen und ihre Bedeutung für Treibhausgasemissionen
Bezüglich des Anteils der exportbedingten Emissionen unterschieden sich die Sektoren beträchtlich. Während Exporte als Treiber der Emissionen im Bauwesen und im Sektor Erziehung und Unterricht kaum eine Rolle spielten, zeichneten sie bei der Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung für rund zwei Drittel der kumulierten Emissionen und bei der Herstellung von Kraftwagen und -teilen für etwa drei Viertel verantwortlich. Diese Unterschiede verdeutlichen, dass nachfrageseitige Maßnahmen für diese beiden Sektoren in Bezug auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen nur ein begrenztes Potenzial haben.
Die Analyse unterstreicht die große Relevanz internationaler Handelsverflechtungen für die Entstehung von Treibhausgasemissionen und die sektoralen Unterschiede in den Emissionskategorien. Einerseits gibt es Sektoren, in denen die heimische Nachfrage die Gesamtemissionen maßgeblich bestimmt (wie die Sektoren Bauwesen sowie Erziehung und Unterricht); anderseits gibt es Sektoren, wo sowohl der importierte Anteil der Emissionen als auch die Exportnachfrage eine zentrale Rolle spielen (wie in der Eisenmetallerzeugung und -bearbeitung). Besonders in Hinblick auf letztere Sektoren ist eine globale Klimapolitik bzw. internationale Bepreisung von Treibhausgasemissionen erforderlich, um die Klimaziele zu erreichen.
Claudia Kettner-Marx ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Forschungsgruppe Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie.
Mark Sommer ist Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Forschungsgruppe Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie. Er ist Experte in der Modellierung von multisektoralen makroökonomischen Modellen und Energiesystemen.
Die Kryosphäre (Altgriechisch krýos = Frost) ist die Gesamtheit gefrorenen Wassers auf der Erde: Schnee, Meereis, Gletscher, Eisschilde, Schelfeis, Permafrost, zugefrorene Flüsse und Seen. Für das Klima ist die Kryosphäre besonders wichtig, weil ihre helle Oberfläche Sonnenergie ins Weltall zurück reflektiert, die sonst die Erde aufheizen würde. Gletscher sind aber auch Wasserspeicher, die die Niederschläge im Winter zurückhalten und in der wärmeren Jahreszeit nach und nach freigeben. Das Grönlandeis und das Eis der Antarktis halten Wassermassen fest, die sonst die Küsten überschwemmen würden. Und schließlich ermöglichen Schnee und Eis allerhand Vergnügen und sportliche Betätigung.
Die Verluste in den weltweiten Schnee- und Eisgebieten nehmen weiter zu. Die aktuellen Klimaverpflichtungen der Staaten bringen – wenn sie überhaupt eingehalten werden – die Erde auf den Weg zu einer Erwärmung von weit über zwei Grad Celsius. Das hätte durch den globalen Eisverlust katastrophale und unumkehrbare Folgen für Milliarden von Menschen.
Doch wenn die nationalen Klimapläne nicht eingehalten werden und das Niveau der Treibhausgasemissionen anhält wie bisher, wird das zu einer Steigerung der Temperatur um drei Grad Celsius oder mehr führen, stellt der Bericht fest, und das würde zu noch viel höheren Kosten für Verluste und Schäden führen. Viele Regionen könnten dann einen Anstieg des Meeresspiegels oder einen Verlust an Wasserreserven erleben, an den sich die Menschen nicht mehr anpassen können.
Wenn das Eis schmilzt, kann es in Europa kalt werden
Zum ersten Mal stellt der Bericht einen wachsenden wissenschaftlichen Konsens darüber fest, dass das Schmelzen der Eisflächen Grönlands und der Antarktis wichtige Meeresströmungen an beiden Polen verlangsamen könnte, was möglicherweise verheerende Folgen für ein deutlich kälteres Nordeuropa und einen stärkeren Anstieg des Meeresspiegels an der US-Ostküste hätte.
Wohin führen die aktuellen Klimapläne der Staaten?
Die aktuellen national festgelegten Klimaziele (NDCs) reichen nicht aus, um eine erhebliche Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze zu verhindern. Viele Regierungen verschieben sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen auf 2040, 2050 oder noch später. Kurzfristig sieht das zwar ökonomisch vorteilhaft aus, weil es heute die Energiekosten senkt. Aber eine schleppende Abkehr von fossilen Brennstoffen führt dazu, dass künftig große Verluste und Schäden in der Kryosphäre entstehen, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte auswirken. Sich daran anzupassen wird – wenn es technisch überhaupt möglich ist – weitaus teurer als schnelle Maßnahmen in der Gegenwart.
Eisschilde und Meeresspiegelanstieg: Eine überzeugende Anzahl neuer Studien, die Eisdynamik, Paläoklimaaufzeichnungen aus der Erdgeschichte und aktuelle Beobachtungen des Verhaltens von Eisschilden berücksichtigen, legen nahe, dass für den Zusammenbruch des Grönlandeises und auch von Teilen der Antarktis der Schwellenwert deutlich unter 2,2 Grad Celsius liegt. Viele Forscher:innen gehen mittlerweile davon aus, dass schon ein Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius ausreichen würde, um große Teile Grönlands und der Westantarktis und bestimmte gefährdete Teile der Ostantarktis zum Abschmelzen zu bringen. Dies würde zu einem unaufhaltsamen Anstieg des Meeresspiegels um über zehn Meter in den kommenden Jahrhunderten führen, selbst wenn die Lufttemperaturen später wieder sinken. Dieser unaufhaltsame Anstieg des Meeresspiegels wird alle Küstenregionen vor große, dauerhafte Herausforderungen stellen. Er wird zu weitreichenden Verlusten und Schäden an wichtiger Infrastruktur führen – etwa 75 Prozent aller Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern liegen weniger als zehn Meter über dem Meeresspiegel. Es wird landwirtschaftliche Flächen zerstören und die Lebensgrundlage all derer, die von diesen gefährdeten Regionen abhängen, massiv gefährden.
Gebirgsgletscher und Schneedecken: Auch nur zwei Grad Celsius würden während des gesamten Jahrhunderts zu steigenden Verlusten und Schäden führen und die Anpassungsfähigkeit vieler Gemeinschaften in den Bergen und an Flussläufen bei weitem überschreiten. Fast alle Gletscher der Tropen und mittleren Breiten würden schließlich vollständig verschwinden. Die besonders wichtigen asiatischen Hochgebirgsgletscher würden etwa 50 Prozent ihres Eises verlieren. Katastrophenereignisse, die wir heute schon beobachten, wie Ausbrüche von Gletscherseen und massive Erdrutsche, werden an Häufigkeit und Ausmaß zunehmen. Besonders hoch sind die Risiken in Asien, wo plötzliche Überschwemmungen ohne große Vorwarnung innerhalb weniger Stunden Infrastruktur und Städte wegschwemmen können. Ernsthafte und möglicherweise dauerhafte Veränderungen des Wasserkreislaufs aufgrund des Rückgangs der Schneedecke und des Abschmelzens von Eis während der warmen Sommerwachstumsperiode werden Auswirkungen auf die Nahrungsmittel-, Energie- und Wassersicherheit haben.
„Eis-Stupas in Ladakh. Stupas sind Bauwerke, die Buddha und seine Lehre versinnbildlichen. Diese künstlichen Gletscher in Form von Stupas dienen als Wasserreservoir. Diese beiden wurden von Studierenden des Himalayan Institute of Alternatives, Ladakh, errichtet. Foto: Crb43, via Wikimedia, CC BY-SA
Polarmeere: Die aktuellen NDCs verzögern eine ausreichende Emissionsminderung und werden zu CO2-Werten in der Atmosphäre von nahezu 500 ppm führen. Damit liegt der Wert deutlich über dem kritischen Wert von 450 ppm, den Polarmeereswissenschaftler:innen vor Jahrzehnten ermittelt haben, sagen die Forscher:innen. Extreme Umweltbelastungen werden sich auf Muscheln und Schnecken auswirken, deren kalkhaltige Schalen vom CO2-haltigen Meerwasser angegriffen werden, sowie auf wertvolle Arten in der Nahrungskette, wie Krill, Kabeljau, Lachs, Hummer und Königskrabben. Eine Belastung dieser polaren Ökosysteme wird zu Verlusten und Schäden in der kommerziellen Fischerei führen, die wir letztlich auch an den Preisen im Supermarkt zu spüren bekommen. Und auch die lokalen Gemeinschaften in den Polargebieten, die sich von Fischerei ernähren, werden schwer darunter leiden. Diese ätzenden Bedingungen halten Zehntausende von Jahren an. Zusätzliche Verluste entstehen durch Hitzewellen im Meer. Es gibt keine bekannte Möglichkeit für gefährdete polare Meeresarten, sich rechtzeitig an solche Veränderungen anzupassen. Ohne eine dringende Verbesserung der aktuellen NDCs werden Störungen der Meeresströmungen durch das Eindringen von Süßwasser aus beiden Eisschichten immer wahrscheinlicher.
Permafrost: Wenn der Permafrost, der dauernd gefrorene Boden in den arktischen Gebieten und in den Bergen, auftaut, führt das in den direkt betroffenen Gebieten zu schweren Schäden an Straßen, Bahnlinien und Gebäuden. Doch die Schäden betreffen uns alle, denn der Prozess setzt Kohlendioxid und Methan frei. Je mehr dieser Treibhausgase austreten, umso dringender und teurer werden Maßnahmen, um die menschengemachten Emissionen zu senken. Sobald sie einmal in Gang gesetzt sind, sind die Emissionen aus Permafrost nicht mehr aufzuhalten und werden für die nächsten ein bis zwei Jahrhunderte nicht aufhören. Künftige Generationen werden dann Mengen von CO2 aus der Atmosphäre entfernen müssen, die dem derzeitigen Ausstoß von großen Staaten entsprechen. Wenn die aktuellen NDCs nicht deutlich verbessert werden, könnten die jährlichen Emissionen aus Permafrost bis 2100 die Größe der gesamten Emissionen der Europäischen Union erreichen und bis 2300 etwa das Doppelte davon. Dadurch, dass die Arktis sich schneller erwärmt als andere Gebiete, gibt es mehr extreme Hitzeereignisse, die zu „abrupten Tauprozessen“ führen können, wo Küstenlinien oder Berghänge einstürzen oder sich Seen bilden. Dadurch kann der Permafrost in noch größeren Tiefen auftauen, was bedeutet, dass die Emissionen noch höher ausfallen könnten als prognostiziert.
Meereis: Bei einer Erwärmung um über zwei Grad Celsius wäre der Arktische Ozean von Juli bis Oktober praktisch eisfrei. Das weniger reflektierende, offene Wasser würde mehr Wärme aufnehmen. Diese wärmere Arktis würde das Auftauen des Permafrosts an den Küsten verstärken, wodurch mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt und die Küstenerosion zunimmt. Das Abschmelzen des Grönlandeises und der Anstieg des Meeresspiegels würden noch einmal beschleunigt werden. Das hätte unvorhersehbare und wahrscheinlich extreme Auswirkungen auf die Wettermuster in den mittleren Breiten. Wärmere Gewässer bedeuten auch, dass die Erholung des Meereises viele Jahrzehnte dauern kann, auch wenn die Lufttemperaturen wieder sinken, da der Ozean die Wärme viel länger speichert. Während einige Wirtschaftsanalysten den Verlust des arktischen Meereises aufgrund des größeren regionalen Wirtschaftspotenzials als positiv betrachten, würde das extreme Ausmaß von Verlust und Schäden sowie der erhöhte Anpassungsbedarf mit ziemlicher Sicherheit alle vorübergehenden wirtschaftlichen Gewinne bei weitem übertreffen, sogar für die Arktisanrainer selbst.
Was passiert, wenn der CO2-Anstieg im jetzigen Tempo weitergeht?
Sollte der CO2-Anstieg in der Atmosphäre weiterhin im heutigen Tempo anhalten und trotz aktueller Klimaschutzversprechen nicht zum Stillstand kommen, werden die globalen Temperaturen bis zum Ende dieses Jahrhunderts um mindestens drei Grad Celsius ansteigen. Die Verluste und Schäden in der Kryosphäre auf diesem Niveau werden extrem sein und für viele Gemeinschaften und Nationen die Anpassungsgrenzen deutlich überschreiten.
Eisdecken und Anstieg des Meeresspiegels: Sobald die Drei-Grad-Marke überschritten wird, beschleunigt sich der Eisverlust in Grönland und insbesondere in der Westantarktis und damit der Anstieg des Meeresspiegels extrem. 2100 könnte die Drei-Meter-Marke überschritten werden, 2200 fünf Meter, 2300 bis zu 15 Meter.
Gletscher und Schneedecke: Mit dieser raschen Erwärmung sind katastrophale und kaskadierende Auswirkungen des Gletscher- und Schneeverlusts verbunden. Einige gefährdete Gemeinschaften in Höhenlagen und flussabwärts gelegenen Gebieten werden bereits Mitte des Jahrhunderts wegen Wassermangels im Sommer oder zerstörerischer Überschwemmungen unter Bedingungen leiden, unter denen sie nicht überleben können. Selbst viele der größten Gletscher in den Hochgebirgen Asiens und Alaskas werden mit der Zeit wahrscheinlich nicht überleben. In derzeit fruchtbaren landwirtschaftlichen Regionen wie den Einzugsgebieten des Tarimflusses im Westen Chinas und des Colorado River im Südwesten Nordamerikas wird Landwirtschaft wahrscheinlich kaum mehr möglich sein.
Polarmeere: Im gesamten Arktischen Ozean und im Südpolarmeer wird es zu einer zerstörerischen Versauerung kommen. Bei diesen CO2-Werten würde auch in einigen Meeren in Polarnähe, insbesondere in der Barentsee sowie der Nord- und Ostsee, ein kritischer Versauerungsgrad erreicht werden. Es würde 30.000 bis 70.000 Jahre dauern, bis der pH-Wert wieder den heutigen Wert erreicht. Das wird mit ziemlicher Sicherheit zu einem Massenaussterben polarer Arten führen, insbesondere in Kombination mit der Erwärmung der Ozeane und der Langlebigkeit der im Ozean gespeicherten Wärme. Eine extreme Erwärmung wird außerdem schwerwiegende Folgen für das heutige System der globalen Meeresströmungen haben und zu unvorhersehbaren Störungen der atlantischen und antarktischen Zirkulationssysteme führen.
Permafrost: Wenn die derzeitige rasche Erwärmung und das Auftauen des Permafrosts anhalten, wird es praktisch unmöglich werden, Netto-Null-Emissionen aufrechtzuerhalten. Bei derart hohen Temperaturen werden große Teile des arktischen Permafrosts und fast der gesamte Permafrost in den Bergen auftauen. Dadurch werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts jährliche Kohlendioxid-Emissionen in der Größenordnung der heutigen Emissionen Chinas freigesetzt, was die globale Erwärmung enorm beschleunigen würde.
Nur 1,5 Grad Celsius kann das Schlimmste verhindern
Nur bei einem CO2-Maximum bei 430 ppm lassen sich die Verluste in der Kryosphäre auf ein Niveau verlangsamen, das insbesondere vielen Küsten- und Berggemeinden eine praktikable Anpassung ermöglicht und so Verluste und Schäden deutlich minimiert.
Eisschichten und Anstieg des Meeresspiegels: Die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs würde sich bis 2100 stabilisieren. Dies erfordert aber dringendes Handeln, wobei die Verpflichtungen zur Eindämmung des Klimawandels dringend verschärft und die Emissionen fossiler Brennstoffe bis 2030 um 40 Prozent gesenkt werden müssen. Leider zeigen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass selbst 1,5 Grad Celsius möglicherweise nicht ausreichen, um beide Eisschilde zu schützen. Im schlimmsten Fall würde sich der Anstieg des Meeresspiegels zwar verlangsamen, aber andauern.
Gletscher und Schneedecke: Den Klimawandel so weit einzudämmen, ist die einzige Chance, in einigen Regionen wie Skandinavien, den Alpen und Island zumindest 15 bis 35 Prozent des Gletschereises zu erhalten. Bis zu 50 Prozent des gegenwärtigen Eises im Kaukasus, in Neuseeland und in großen Teilen der Anden könnten erhalten bleiben. In den asiatischen Hochgebirgen würden zwei Drittel des Gletschereises erhalten bleiben. In den meisten Gemeinschaften würden die Veränderungen nicht über die Anpassungsgrenzen hinausgehen und die Geschwindigkeit der Gletscherschmelzen würde sich bis Mitte des Jahrhunderts verlangsamen und bis 2100 stabilisieren.
Polarmeere: Sofortige Eindämmungsmaßnahmen führen zu Temperaturen nahe der 1,5-Grad-Grenze und halten den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zuverlässig deutlich unter 450 ppm. Die ehrgeizigsten Maßnahmen führen zu einem CO2-Höchstwert von 430 ppm. Dadurch werden die korrosiven Belastungen auf kleinere Teile der Arktis und des Südpolarmeers beschränkt, wo heute schon Schalenschäden und veränderte Lebensprozesse beobachtet werden. Verluste werden dennoch auftreten: Zerstörerische kombinierte Ereignisse aus marinen Hitzewellen und extremer Versauerung haben bei den heutigen 1,2 Grad Celsius bereits zu einem Einbruch von Populationen geführt. Dazu mehren sich die Anzeichen für eine gewisse Verlangsamung der großen Meeresströmungen.
Permafrost: Selbst wenn die durchschnittliche Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius bleibt, wird es immer noch zu erheblichem Auftauen des Permafrosts und damit verbundenen Emissionen kommen, wenn auch nicht so schlimm wie in den anderen Szenarien. Die Schäden an der Infrastruktur in Russland, Kanada und Alaska sowie dem tibetischen Plateau und anderen Bergregionen werden viel geringer ausfallen, wenn die globale Durchschnittstemperatur unter 1,5 Grad Celsius bleibt. Die jährlichen Permafrost-Emissionen müssen zwar noch von künftigen Generationen ausgeglichen werden, sollten aber um 30 Prozent (etwa 120 bis 150 Gigatonnen bis 2100) geringer ausfallen, als dies bei den aktuellen NDCs der Fall wäre.
Meereis: Das arktische Meereis wird sogar bei 1,5 Grad Celsius in manchen Sommern fast vollständig schmelzen, aber nicht jedes Jahr und nur für Tage bis wenige Wochen. Dadurch werden die Auswirkungen und Rückkopplungen sowohl in der Arktis als auch auf der gesamten Erde deutlich abnehmen und die Anpassungslasten sich verringern. Allerdings wird es auch weiterhin zu Verlusten und Schäden kommen, insbesondere für die indigenen Völker der Arktis und die Küstengemeinschaften. Die Prognosen zum Meereisverlust im Südpolarmeer rund um die Antarktis sind freilich unsicherer, die Schwelle zum vollständigen Meereisverlust im Sommer könnte dort sogar noch niedriger sein als in der Arktis. „Sehr geringe“ Emissionen könnten bis 2100 zu einer gewissen Erholung des Meereises an beiden Polen führen, wenn die Temperaturen beginnen, unter 1,4 Grad Celsius zu fallen.
Quelle: International Cryosphere Climate Initiative (ICCI) (2024): State of the Cryosphere 2024 – Lost Ice, Global Damage. Stockholm. Online verfügbar unter https://www.iccinet.org/statecryo24, zuletzt geprüft am 12.01.2025.
Nachdem schon über 300 führende Wissenschaftler:innen den offenenen Brief für zielorientierte Innovation im nächsten Regierungsprogramm unterschrieben haben, erklären auch der Österreichische Biodiversitätsrat, die Kommission für Biodiversität in Österreich (Biodiv-A) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Österreichische Mykologische Gesellschaft und die Zoologisch-Botanische Gesellschaft in Österreich ihre Unterstützung und rufen die Verhandler:innen ergänzend dazu auf, „neben einer innovativen Klimapolitik, auch eine aktive Biodiversitäts- und Umweltpolitik als integralen Bestandteil einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik zu betreiben.“
Hier die volle Wortlaut des Briefes:
An die Parteivorsitzenden von FPÖ und ÖVP sowie an den Bundespräsidenten der Republik Österreich
Unterstützender Appell für innovative Biodiversitäts- und Umweltpolitik
der Österreichische Biodiversitätsrat, die Kommission für Biodiversität in Österreich(Biodiv-A)der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Österreichische Mykologische Gesellschaft und die Zoologisch-Botanische Gesellschaft in Österreich unterstützen den offenen Brief für zielorientierte Innovation im nächsten Regierungsprogramm (13.1.2025, Scientists for Future). Wir rufen Sie dazu auf, neben einer innovativen Klimapolitik, auch eine aktive Biodiversitäts- und Umweltpolitik als integralen Bestandteil einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die Berücksichtigung von Biodiversitätsaspekten ist von entscheidender Bedeutung für ausgewogene politische Abwägungsprozesse.
Spätestens seit der Veröffentlichung des globalen Sachstandsberichts des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) im Jahr 2019 ist nicht nur fachlich versierten Wissenschafter:innen klar, dass die Welt mit Riesenschritten auf das sechste Massenaussterben zusteuert. Unbestritten ist auch, dass die Biodiversitätskrise, wie die Klimakrise, anthropogen verursacht ist. Der rapide Schwund an Arten weltweit, und vor allem in Österreich, stellt zweifellos eine zentrale Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Nahrungsmittelproduktion, Gesundheit, Wohlstand und Erholung der Menschen sowie der Schutz vor Naturgefahren basieren auf artenreichen Lebensgemeinschaften und Lebensräumen. Die Zerstörung von Ökosystemen und die globale Erwärmung gehen Hand in Hand. Diese zwei Faktoren bedingen einander. Beide haben ähnlich verheerende Auswirkungen auf uns Menschen, unsere Umwelt und auch auf die von uns geschaffenen Güter sowie die Wirtschaft.
Eine nähere Darlegung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Empfehlungen sowie Forderungen ersehen Sie in den im Anhang verlinkten Dokumenten.
Wir appellieren dringlich an Sie, sowohl Klima- als auch Biodiversitätsschutz in alle Bereiche Ihres Regierungsprogramms miteinzubeziehen.
Mit freundlichen Grüßen
die Unterzeichner:innen für die jeweiligen Institutionen und Netzwerke
Mehr als 60 Länder haben in den letzten Jahren Strategien entwickelt, um den Markthochlauf von Wasserstoff, insbesondere im Industriesektor, anzukurbeln. Doch 2023 wurden weniger als zehn Prozent der ursprünglich angekündigten grünen Wasserstoffproduktionen realisiert, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin „Nature Energy“ veröffentlicht wird. Der Hauptgrund: Wasserstoff ist nach wie vor ein teures Gut, für das es wenig Zahlungsbereitschaft gibt. Adrian Odenweller und Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bestimmen diese Wettbewerbslücke für alle 1232 global angekündigten Wasserstoffprojekte. Sie plädieren für eine robuste politische Strategie, die auf realistischen Erwartungen an Wasserstoff basiert und die Umsetzungslücke schließt.
„In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht“, sagt PIK-Forscher und Leiter der Studie Adrian Odenweller. „Allerdings sind in diesem Zeitraum nur sieben Prozent der ursprünglich für 2023 angekündigten Produktionskapazität auch rechtzeitig fertiggestellt worden.“ Laut der Studie lassen sich die jüngsten Probleme des Markthochlaufs von grünem Wasserstoff auf gestiegene Kosten, fehlende Zahlungsbereitschaft auf der Nachfrageseite und Unsicherheiten über zukünftige Förderung und Regulatorik zurückführen.„Es wären enorme zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von etwa einer Billion US-Dollar erforderlich, um alle angekündigten Wasserstoffprojekte bis 2030 zu realisieren“, erklärt Falko Ueckerdt vom PIK. „Grüner Wasserstoff wird aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen.“ Dauerhafte Subventionen seien allerdings keine Lösung. Deshalb raten die beiden Forscher, grünen Wasserstoff über nachfrageseitige Instrumente wie verbindliche Quoten gezielt in schwer zu elektrifizierende Sektoren wie Luftfahrt, Stahl oder Chemie zu lenken. So müssen nach einer EU-Regelung beispielsweise ab 2030 1,2 Prozent aller Flugzeugtreibstoffe synthetische Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff beigemischt werden. Bis 2050 soll diese Quote auf 35 Prozent steigen.
Subventionsbedarf übersteigt angekündigte globale Fördermittel weit
Die Forscher quantifizieren in ihrer Studie drei zentrale Lücken zwischen Theorie und Praxis: die Umsetzungslücke für vergangene Projekte, die zukünftige Ambitionslücke und die zukünftige Umsetzungslücke. Erstere ergibt sich aus den ursprünglich angekündigten Wasserstoffprojekten und den tatsächlich umgesetzten Projekten im Jahr 2023. Die Ambitionslücke bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen der Wasserstoffmenge, die laut 1,5-Grad-Szenarien bis 2030 notwendig wäre, und den aktuell bis 2030 geplanten Projekten. Zwar zeigt sich, dass die angekündigten Wasserstoffprojekte für den Großteil der betrachteten Szenarien ausreichen, jedoch bleibt eine klaffende Umsetzungslücke: Der Bedarf an Subventionen, um alle Projekte bis 2030 umzusetzen, übersteigt bei Weitem die bislang angekündigten globalen Fördermittel.
Die Studie basiert auf einer globalen und manuell verifizierten Projektdatenbank mit 1232 grünen Wasserstoffprojekten, die bis 2030 angekündigt sind. Für jede der 14 ausgewiesenen Endanwendungen der Projekte berechnen die Autoren die Wettbewerbslücke zwischen dem grünen Produkt und seinem fossilen Wettbewerber. Zusammen mit dem Produktionsvolumen und dem Zeitpunkt der Projektankündigungen ergeben sich daraus die nötigen Subventionen, um alle Projekte bis 2030 umzusetzen.Die Forscher warnen vor fossilen Lock-Ins, die Unternehmen langfristig an fossile Energieträger binden könnten und so die Klimaziele gefährden. Langfristig sei ein Übergang zu technologieneutralen Marktmechanismen wie der CO2-Bepreisung entscheidend, um öffentliche Kosten zu begrenzen und einen fairen Wettbewerb mit anderen Klimaschutzoptionen zu gewährleisten. Sie empfehlen daher eine robuste Strategie, die Wasserstoffprojekte kurzfristig durch direkte Subventionen und nachfrageseitige Regulierung unterstützt, aber auf realistischen Erwartungen an Wasserstoff basiert.
Artikel: Adrian Odenweller, Falko Ueckerdt (2025): Green Hydrogen ambition and implementation gap.Nature Energy. [DOI: 10.1038/s41560-024-01684-7]
Elisa Morgera, UN-Sonderberichterstatterin zu Menschenrechten im Zusammenhang mit dem Klimawandel, äußerte grundsätzliche Kritik am derzeitigen Klimaregime in einem Interview mit dem „Guardian“: „Wir können beobachten, dass einige Staaten nicht in gutem Glauben handeln, was die Grundlage jedes internationalen Regimes ist. Es gibt weitverbreitete Missachtung der Regeln des Völkerrechts, außerdem eine sehr deutliche Abkehr von der Wissenschaft und eine Einschränkung des zivilen Handlungsspielraums auf allen Ebenen. Im Grunde ist die Wahrheit aus dem Gespräch verschwunden. Das ist das Problem – bei der COP gibt es keinen Platz für die Wahrheit.“
Der konsensbasierte, staatlich gesteuerte Prozess würden von mächtigen Kräften dominiert, die falsche Narrative verbreiteten, und von technischen Lösungen, die die Aufmerksamkeit von echten, gerechten Lösungen für die Länder ablenkten, die am wenigsten verantwortlich und am stärksten betroffen seien, sagte die Sonderberichterstatterin.
Für indigene Experten oder für Menschen die über eigene Erfahrung mit Auswirkungen des Klimawandels verfügen und über kulturell gestaltete lokale Lösungen berichten können, sind die Möglichkeiten, sich sinnvoll an den Verhandlungen der COO zu beteiligen, begrenzt. Dies ist laut Morgera eine der größten Schwächen, die behoben werden könnten.
Sie kritisiert auch die dominierende Ansicht, dass eine massenhafte Verhaltensänderung die Lösung sein soll. Das sei eine entstellende Darstellung von Ursachen und Lösungen. Die tiefgehenden, systemischen Ungleichheiten als Grundursachen würden noch immer zu wenig beachtet, und Ungerechtigkeit und negative Auswirkungen des Klimawandels und auch von Klimalösungen auf Menschenrechte würden einzementiert.
Öffentliche Sitzungen sollten bei der COP die Regel sein und indigene Völker, UN-Agenturen und andere Vertreter der Zivilgesellschaft mit unterschiedlichen Wissenssystemen und Evidenzen sollten in der Lage sein, den Staaten in Echtzeit Textvorschläge zu unterbreiten. Die UNFCCC sollte auch für vollständige Transparenz in Bezug auf Unternehmensinteressen sorgen, darunter die Tausenden von Lobbyisten aus den Bereichen fossile Brennstoffe, Agrarindustrie und Kunststoffe, die an den jährlichen Klimagipfeln teilnehmen.
„Nach fast drei Jahrzehnten ist es den UN-Klimagipfeln nicht gelungen, ein sinnvolles, faires Abkommen oder einen Plan für den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle zu erarbeiten“, sagt Morgera. Die Selbstdarstellung der geleisteten Arbeit, der Fortschritte und die übertriebenen Lobhudeleien, mit denen das Sekretariat seine Arbeit bei der Eröffnungssitzung dargestellt hat, findet sie äußerst problematisch.
Morgera und ein UN-Experte für Auslandsschulden verurteilten in einer scharfen Erklärung die Entscheidung, den Kohlenstoffmärkten den Vorzug vor anderen, wirksameren Klimalösungen zu geben. Dass die Regeln dafür am ersten Tag der Konferenz ohne Diskussion verabschiedet wurden, sei ein Verstoß gegen die Regeln gewesen: „Nach 30 Jahren gibt es einfach keine Beweise dafür, dass Kohlenstoffmärkte zur Eindämmung des Klimawandels beitragen oder dabei helfen, Finanzmittel zu mobilisieren.“
Seit diesem Jahr ist die Einfuhr von Plastikmüll nach Thailand verboten. Thailandwar seit 2018 der führende Importeur von Plastikmüll. Organisationen und Expert:innen haben lange für das Verbot gekämpft. Denn das Plastik wurde in Thailand oft nicht recycelt, sondern verbrannt – mit enormem Schaden für Mensch und Umwelt. Das Verbot ist auch eine Folge des gescheiterten Plastikmüll-Abkommens von vergangenem Jahr. Mehr als 100 Länder wollten die Herstellung von Plastik einschränken und gewisse Stoffe verbieten. Erdölreiche Länder wie Saudi-Arabien und Russland, haben das bis jetzt erfolgreich abgeblockt. Quelle: The Guardian
Das Beispiel Kanada und Alaska zeigt: Bis zu fünf Jahrzehnte beeinflusst die durch Waldbrände veränderte Höhen- und Baumkronenstruktur den Wärmeaustausch zwischen Wäldern und Atmosphäre.
Nadelwälder machen weltweit etwa die Hälfte aller Waldgebiete aus. Nordamerika allein beheimatet ein Drittel dieser borealen Wälder. In den letzten Jahrzehnten brennt es dort wesentlich häufiger. 2023 brach alle Rekorde: 140.000 km2 kanadischer Wald standen in Flammen, das entspricht 1,4 Prozent der Fläche Kanadas oder rund 40 Prozent der Fläche von Deutschland. Die Brände setzen nicht nur immense Mengen CO2, das zuvor im Holz festgesetzt war, wieder frei. Auch lange Zeit danach ist der Einfluss auf die Pflanzenphysiologie noch nachweisbar. In vielen Regionen kommt es zum Auftauen des ansonsten dauerhaft gefrorenen Bodens (Permafrost) nach einem Waldbrand. Je nach Topographie kann dies zur Vernässung der Böden und zu erhöhten Emissionen des besonders klimawirksamen Gases Methan in die Atmosphäre führen. Brände verändern Landschaften nachhaltig und die weiten kargen Flächen wirken möglicherweise über Jahrzehnte hinweg auf das Klima. Studien, die die möglichen Langzeiteffekte genauer untersuchen, sind daher überaus wichtig.
Ein Team unter Leitung von Dr. Manuel Helbig, Wissenschaftler in der Sektion 1.4 „Fernerkundung und Geoinformatik“ am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, hat die klimatischen Auswirkungen von Bränden in nordamerikanischen Nadelwäldern, die bis zum Jahr 1928 zurückreichen, analysiert. Dabei untersuchte es basierend auf Daten aus Satelliten- und Boden-gestützten Messungen sowohl die Oberflächentemperaturen und den Blattflächenindex als auch den Wärmeaustausch zwischen Waldboden und Atmosphäre. Die Forscher:innen konnten unter anderem zeigen, dass abgebrannte Nadelwaldflächen noch bis zu fünf Jahrzehnte lang in den kühlen Sommern der nördlichen Breiten tagsüber höhere Oberflächentemperaturen zur Folge haben. Die Studie ist in der Fachzeitschrift AGU Advances erschienen und in Kooperation mit Forschenden der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada, der Shinshu Universität in Matsumoto, Japan, sowie der Graduate School of Agriculture der Osaka Metropolitan Universität in Sakai, Japan, entstanden.
Forscher:innen nutzen Satellitendaten in Kombination mit Bodenmessungen
In intakten Wäldern mit viel Vegetation und wuchsbedingten Höhenunterschieden in den Baumwipfeln gibt es einen guten Luft- und somit auch Wärmeaustausch mit der Atmosphäre. Nach einem Waldbrand kann der Luftaustausch geringer ausfallen, da Baumkronen nun nicht mehr vorhandenen bzw. noch nicht wieder voll entwickelt sind. Dadurch ist die sogenannte Oberflächen-Rauigkeit, also der Höhenunterschied der Vegetation, geringer, was zu weniger Luftverwirbelungen über den Wäldern führt. In der Folge heizt sich die Erdoberfläche stärker auf. Wenn es um den Wärmetausch zwischen Wald und Atmosphäre geht, ist die Höhe und Komplexität des Blätterdachs demnach ein wichtiger Faktor. Um sie zu ermitteln, nutzte das Wissenschaftsteam satellitengestützte Observationen an über 100 abgebrannten Waldflächen in Kanada und Alaska. Das internationale Team analysierte darüber hinaus sowohl Satellitendaten als auch direkte Messungen am Boden von Oberflächentemperaturen, der Oberflächenalbedo, also der Reflexionsstrahlung, die das Verhältnis von rückgestrahltem zu einfallendem Licht beziffert, und vom sogenannten Blattflächenindex, der die Blätterdichte in Wäldern angibt. Die Wissenschaftler:innen beurteilten, wie all diese Parameter zu den Temperaturveränderungen der Erdoberfläche und langfristig zur Klimaänderung beitragen. Dabei schauten sie auch auf vergangene Brandereignisse und verglichen die wirklich eingetretenen Veränderungen mit den in verschiedensten Studien damals prognostizierten Veränderungen.
Ergebnisse: Noch fünf Jahrzehnte höhere Sommertemperaturen
In den Sommermonaten Juli bis September des Jahres 2024 war der gesamte kanadische boreale Lebensraum, der große Teile des Landes umfasst, aufgrund zurückliegender Waldbrände im Durchschnitt um 0,27 Grad Celsius wärmer, als wenn das Gebiet nicht von Waldbränden betroffen gewesen wäre. Zudem steigt die Verdunstung nach einer anfänglichen Reduzierung nach einem Waldbrand über drei Jahrzehnte lang an, wenn die Blattdichte als Folge des Brandes mit dem nachwachsenden Wald zunimmt.
In den späten Wintermonaten Februar bis April kann Schnee die kleinwüchsige, sich regenerierende Vegetation besser bedecken als einen ausgewachsenen Wald, auf dessen Wipfeln der Schnee nicht lange liegen bleibt. Dadurch wird das wärmende Sonnenlicht besser reflektiert, was insgesamt zu einer leichten durch-schnittlichen Abkühlung von etwa 0,02 Grad Celsius führt.
Die Studie hat auch eine ganze Bandbreite an Verbrennungsgraden der Wälder untersucht. Es konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, welchen genauen Effekt die Brandintensität auf die anschließende Temperaturentwicklung hat. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass die Variabilität der Oberflächen-temperaturen nach einem Brand nur teilweise auf Unterschiede in der Schwere der Brände zurückzuführen ist.
Szenarien bis 2050
Wenn es aufgrund des Klimawandels zu häufigeren und großflächigeren Bränden in borealen Wäldern kommt, könnte das also erhebliche zusätzliche Auswirkungen auf die dortige Erwärmung. Für mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2050 haben die Forschenden verschiedene Szenarien berechnet:
Für ein Szenario mit einer hohen Zunahme an verbrannter Waldfläche (um 150 Prozent zwischen 2020 und 2050) würde in diesem Zeitraum allein die durch Waldbrände verursachte Erhöhung der Jahresmitteltemperatur um 30 Prozent ansteigen, von 0,12°C im Jahr 2020 bis auf 0,16 ± 0,04°C im Jahr 2050. Im Gegensatz dazu würde ein Szenario mit einer geringen Zunahme der verbrannten Fläche (um 36 Prozent zwischen 2020 und 2050) bis 2050 zu keinem zusätzlichen Verstärkungseffekt bei der Erwärmung führen.
Weiterführende Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse verdeutlichen die Klimafolgen einer veränderten Waldbrand-Dynamik in den borealen Wäldern Nordamerikas. Steigende Oberflächentemperaturen in den durch Brand geschädigten Nadelwäldern könnten nicht nur das Klima dieser Regionen beeinflussen, sondern auch wichtige Ökosystemdienstleistungen wie die Kohlenstoffspeicherung im Boden gefährden. Mit der erwarteten Zunahme von Waldbränden steigt der Bedarf an weiterführender Forschung: „Die Folgen für die Ökologie und das Klima sind tiefgreifend und erfordern eine verstärkte Aufmerksamkeit in der Klimaforschung“, erklärt der Hauptautor der Stu-die, Dr. Manuel Helbig. Und er ergänzt: „Unsere Untersuchungen machen auch deutlich, wie wichtig es ist, die Treibhausgasemissionen global zu senken. Denn sie erhöhen über die Beschleunigung der Erderwärmung auch die Gefahr für Waldbrände und damit für das Auftauen von Permafrostböden und die Freisetzung von weiterem Kohlendioxid und Methan aus den Böden.“
Originalpublikation:
Helbig, M., Daw, L., Iwata, H., Rudaitis, L., Ueyama, M., & Živković, T. (2024). Boreal forest fire causes daytime surface warming during summer to exceed surface cooling during winter in North America. AGU Advances, 5, e2024AV001327. https://doi.org/10.1029/2024AV001327
US-Präsident Joe Biden hat nur zwei Wochen vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Offshore-Bohrungen nach Öl und Gas entlang der US-Küste verboten . Die Anordnung schützt 253 Millionen Hektar Offshore-Gebiet. „Meine Entscheidung spiegelt wider, was Küstengemeinden, Unternehmen und Strandbesucher schon lange wissen: dass Bohrungen vor diesen Küsten irreversible Schäden an Orten verursachen könnten, die uns am Herzen liegen, und dass sie unnötig sind, um den Energiebedarf unseres Landes zu decken“, sagte Biden in einer Erklärung.
Der designierte Präsident Donald Trump hat geschworen, das Verbot „sofort aufzuheben“, wenn er am 20. Januar sein Amt antritt. Er kann das Verbot aber nicht durch eine Verordnung aufheben. Das kann nur der Kongress, in dem Trumps Republikaner freilich die Mehrheit haben.
Ökologische, soziale und ökonomische Krisen wie der Verlust der Artenvielfalt, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Gesundheitsrisiken und der Klimawandel sind alle miteinander verknüpft. Sie interagieren, verstärken und verschärfen sich gegenseitig auf eine Art und Weise, die einzelne Bemühungen zu ihrer Bewältigung wirkungslos und kontraproduktiv macht.
Die Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen ( IPBES ) hat am 17. Dezember einen wegweisenden neuen Bericht veröffentlicht. Der Assessment Report on the Interlinkages Among Biodiversity, Water, Food and Health (Sachstandsbericht über die Zusammenhänge zwischen Biodiversität, Wasser, Nahrung und Gesundheit) – genannt Nexus-Bericht – bietet Entscheidungsträgern in aller Welt die anspruchsvollste wissenschaftliche Bewertung dieser komplexen Zusammenhänge, die jemals durchgeführt wurde, und untersucht mehr als fünf Dutzend konkrete Möglichkeiten zur Maximierung von gemeinsamen Vorteilen in fünf „Nexus-Elementen“: Biodiversität, Wasser, Nahrung, Gesundheit und Klimawandel.
Der Bericht wurde auf der 11. Sitzung des IPBES-Plenums angenommen, das sich aus Vertretern der 147 Regierungen zusammensetzt, die Mitglied des IPBES sind. Auch Österreich gehört dazu. Er ist das Ergebnis der dreijährigen Arbeit von 165 führenden internationalen Expert:innen aus 57 Ländern aus allen Regionen der Welt. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die bestehenden Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderungen der Komplexität den zusammenhängenden Problemen nicht gerecht werden und zu einer uneinheitlichen Verwaltung führen.
Copyright: IPBES (übersetzt)
Maßnahmen nicht nur in einzelnen Schubladen setzen
„Wir müssen Entscheidungen und Maßnahmen über die Schubladen hinweg planen, um die Auswirkungen von Maßnahmen in einem Nexus-Element auf andere Elemente besser steuern zu können“, sagte Prof. Paula Harrison (Vereinigtes Königreich), die gemeinsam mit Prof. Pamela McElwee (USA) die Vorsitzende des Wissenschafsteams ist. „Nehmen wir zum Beispiel die gesundheitliche Herausforderung der Bilharziose – eine parasitäre Krankheit, die lebenslange Gesundheitsprobleme verursachen kann und weltweit mehr als 200 Millionen Menschen betrifft, vor allem in Afrika. Wird sie nur als gesundheitliche Herausforderung behandelt – normalerweise mit Medikamenten –, tritt das Problem erneut auf, wenn sich Menschen wieder infizieren. Ein innovatives Projekt im ländlichen Senegal verfolgte einen anderen Ansatz: die Wasserverschmutzung wurde verringert und invasive Wasserpflanzen entfernt, um den Lebensraum der Schnecken zu verkleinern, in denen die parasitären Würmer leben, die die Krankheit übertragen. Das hat zu einer 32-prozentigen Verringerung der Infektionen bei Kindern, zu einem verbesserten Zugang zu Süßwasser und zu neuen Einnahmen für die örtlichen Gemeinden geführt.“
„Die beste Möglichkeit, die Schubladen einzelner Themen zu überbrücken, ist eine integrierte und adaptive Entscheidungsfindung. ‚Nexus-Ansätze‘ bieten zusammenhängendere und besser abgestimmte Strategien und Maßnahmen, und bringen uns so dem transformativen Wandel näher, der erforderlich ist, um unsere Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, sagte Prof. McElwee.
Vergangene und aktuelle Herausforderungen
Der Bericht stellt fest, dass die Artenvielfalt – der Reichtum und die Vielfalt allen Lebens auf der Erde – auf allen Ebenen, von global bis lokal, und in allen Regionen abnimmt. Diese anhaltenden Rückgänge der Natur, die größtenteils auf menschliche Aktivitäten, einschließlich des Klimawandels, zurückzuführen sind, haben direkte und verheerende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung, die Wasserqualität und -verfügbarkeit, die Gesundheit und das Wohlbefinden, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und fast alle anderen Leistungen der Natur für die Menschen.
Aufbauend auf früheren IPBES-Berichten, insbesondere dem Values Assessment Report 2022 und dem Global Assessment Report 2019 , in welchen die wichtigsten direkten Ursachen des Biodiversitätsverlusts identifiziert wurden, darunter Land- und Meeresnutzungsänderungen, nicht nachhaltige Ausbeutung, invasive gebietsfremde Arten und Umweltverschmutzung, unterstreicht der aktuelle Nexus-Bericht ferner, wie indirekte sozioökonomische Ursachen, darunter zunehmende Abfallproduktion, übermäßiger Konsum und Bevölkerungswachstum, die direkten Ursachen verstärken – und so die negativen Auswirkungen auf alle Teile des Nexus verstärkten. Die Mehrheit der 12 erhobenen Indikatoren dieser indirekten Ursachen – wie BIP, Bevölkerungszahl und allgemeine Nahrungsmittelversorgung – sind seit 2001 allesamt gestiegen oder haben sich beschleunigt.
„Regierungen und andere Interessengruppen haben es bei ihren Bemühungen oft versäumt, indirekte Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die Interaktionen zwischen Nexus-Elementen zu berücksichtigen, da diese nach wie vor fragmentiert sind und viele Institutionen isoliert arbeiten. Dies führt häufig zu Zielkonflikten, Ineffizienzen und negativen Anreizen und hat unbeabsichtigte Konsequenzen zur Folge“, so Prof. Harrison.
Mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung ist von der Natur abhängig
Der Bericht hebt hervor, dass mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts – mehr als 50 Billionen Dollar jährlicher Wirtschaftsleistung weltweit – mäßig bis stark von der Natur abhängig ist. „Die derzeitigen Entscheidungen priorisieren jedoch kurzfristige finanzielle Erträge und ignorieren dabei die Kosten für die Natur. Zudem werden die Akteure nicht für den negativen wirtschaftlichen Druck auf die Natur zur Verantwortung gezogen. Schätzungen zufolge betragen die nicht berücksichtigten Kosten der derzeitigen Wirtschaftsweise – die Auswirkungen auf die Artenvielfalt, das Wasser, die Gesundheit und den Klimawandel, einschließlich der Lebensmittelproduktion – mindestens 10 bis 25 Billionen Dollar pro Jahr“, sagte Prof. McElwee.
Dass solche nicht berücksichtigte Kosten exisitieren verstärkt neben den die direkten öffentlichen Subventionen für Wirtschaftsaktivitäten, die negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben (ca. 1,7 Billionen US-Dollar jährlich), die privaten finanziellen Anreize, in Wirtschaftstätigkeiten zu investieren, die der Natur direkten Schaden zufügen (ca. 5,3 Billionen Dollar pro Jahr), obwohl es immer mehr Beweise für biophysikalische Risiken für den wirtschaftlichen Fortschritt und die finanzielle Stabilität gibt.
Eine Verzögerung der zur Erreichung politischer Ziele erforderlichen Maßnahmen erhöht auch die Kosten für deren Umsetzung. Verzögerungen bei der Erreichung von Biodiversitätszielen könnten beispielsweise die Kosten verdoppeln – und auch die Wahrscheinlichkeit unwiederbringlicher Verluste wie das Aussterben von Arten erhöhen. Verzögerungen bei der Bekämpfung des Klimawandels verursachen zusätzliche Kosten von mindestens 500 Milliarden Dollar pro Jahr für eine entsprechend verzögerte Erreichung politischer Ziele.
Ungleiche Auswirkungen und die Notwendigkeit einer inklusiven Entscheidungsfindung
„Eine weitere zentrale Botschaft des Berichts ist, dass die zunehmend negativen Auswirkungen der miteinander verflochtenen globalen Krisen sehr ungleiche Auswirkungen haben und manche Menschen unverhältnismäßig stärker treffen als andere“, sagte Prof. Harrison.
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, die am stärksten vom Rückgang der Artenvielfalt, der Wasserverfügbarkeit und -qualität und der Nahrungsmittelsicherheit betroffen sind, sowie von zunehmenden Gesundheitsrisiken und negativen Auswirkungen des Klimawandels. Diese Belastungen treffen insbesondere Entwicklungsländer, darunter kleine Inselentwicklungsländer, indigene Völker und lokale Gemeinschaften, sowie verwundbare Menschen in Ländern mit höherem Einkommen. 41 % der Menschen leben in Gebieten, in denen die Artenvielfalt zwischen 2000 und 2010 extrem stark zurückgegangen ist, 9 % in Gebieten mit sehr hohen Gesundheitsbelastungen und 5 % in Gebieten mit hoher Unterernährung.
Einige Bemühungen – etwa in den Bereichen Forschung und Innovation, Bildung und Umweltschutz – haben teilweise dazu beigetragen, die Trends in allen Nexus-Elementen zu verbessern. Doch der Bericht kommt zu dem Schluss, dass diese Bemühungen kaum zum Erfolg führen werden, wenn die Zusammenhänge nicht umfassender berücksichtigt und indirekte Einflussfaktoren wie Handel und Konsum angegangen werden. Eine stärker integrative Entscheidungsfindung mit besonderem Augenmerk auf Gerechtigkeit kann dazu beitragen, dass neben umfassenderen Wirtschafts- und Finanzreformen auch die am stärksten Betroffenen in die Lösungen einbezogen werden.
Zukunftsszenarien
Der Bericht untersucht auch künftige Herausforderungen und beurteilt hierfür 186 verschiedene Szenarien aus 52 Einzelstudien, die Wechselwirkungen zwischen drei oder mehr Nexus-Elementen prognostizieren und meist die Zeiträume bis 2050 oder 2100 abdecken.
Eine zentrale Botschaft dieser Analyse lautet: Wenn sich die derzeitigen Trends zum „Weiter so“ hinsichtlich der direkten und indirekten Ursachen des Wandels fortsetzen, werden die Folgen für die Artenvielfalt, die Wasserqualität und die menschliche Gesundheit äußerst negativ sein – mit einer Verschärfung des Klimawandels und zunehmenden Herausforderungen bei der Erreichung globaler politischer Ziele.
Ebenso wird ein Fokus auf den Versuch, die Ergebnisse für nur einen Teil des Nexus isoliert zu maximieren, wahrscheinlich negative Ergebnisse für die anderen Nexus-Elemente zur Folge haben. Ein „Food First“-Ansatz beispielsweise priorisiert die Nahrungsmittelproduktion mit positiven Vorteilen für die Ernährungsgesundheit, die sich aber aus einer nicht nachhaltigen Intensivierung der Produktion und einem erhöhten Pro-Kopf-Verbrauch ergeben. Dies hat negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt, das Wasser und den Klimawandel. Ein ausschließlicher Fokus auf den Klimawandel kann negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Nahrungsmittel haben, was auf einen Wettbewerb um Land verweist. Eine schwache Umweltregulierung, die durch Verzögerungen noch verschlimmert wird, führt zu noch schlimmeren Auswirkungen auf die Artenvielfalt, die Nahrungsmittel, die menschliche Gesundheit und den Klimawandel.
„Es gibt Zukunftsszenarien, die positive Auswirkungen auf Mensch und Natur haben, indem sie über alle Nexus-Elemente hinweg Vorteile bieten“, sagte Prof. Harrison. „Die Zukunftsszenarien mit den umfassendsten Nexus-Vorteilen sind jene mit Maßnahmen, die sich auf nachhaltige Produktion und Konsum in Kombination mit der Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen, der Reduzierung der Umweltverschmutzung sowie der Abschwächung und Anpassung an den Klimawandel konzentrieren.“
Ein wichtiges Ziel der Arbeit des IPBES ist es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Belege zu liefern, die zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), des globalen Kunming-Montreal-Rahmenwerks für Biodiversität und des Pariser Klimaabkommens erforderlich sind. Der Nexus-Bericht zeigt, dass Szenarien, die sich auf Synergien zwischen Biodiversität, Wasser, Nahrung, Gesundheit und Klimawandel konzentrieren, die wahrscheinlich besten Ergebnisse für die SDGs erzielen – und dass die Chancen zur Erreichung anderer Ziele stark eingeschränkt werden, wenn man sich auf die Bewältigung der Herausforderungen in nur einem Sektor konzentriert – wie isoliert auf Nahrung, Biodiversität oder Klimawandel.
Über 70 Optionen, auf vernetzte Krisen zu reagieren
Der Bericht zeigt, dass es derzeit auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zahlreiche Möglichkeiten für ein nachhaltiges Management der Bereiche Biodiversität, Wasser, Nahrungsmittel, Gesundheit und Klimawandel gibt, von denen einige zudem kostengünstig sind.
Die Autor:innen präsentieren mehr als 70 dieser „Reaktionsoptionen“, die dabei helfen sollen, die Nexus-Elemente synergetisch zu verwalten. Sie repräsentieren 10 breite Aktionskategorien. Beispiele für diese Reaktionsoptionen, die sich allgemein positiv auf alle Nexus-Elemente auswirken, sind: Wiederherstellung kohlenstoffreicher Ökosysteme wie Wälder, Böden, Mangroven; Management der Artenvielfalt, um das Risiko der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen zu verringern; Verbesserung des integrierten Landschafts- und Meeresmanagements; naturbasierte Lösungen für Städte; nachhaltige gesunde Ernährung und Unterstützung indigener Nahrungsmittelsysteme.
Andere Antwortoptionen sind zwar wichtig, bieten aber möglicherweise nicht für alle Nexus-Elemente so viele Synergievorteile. Manche, wie Offshore-Windkraft und Staudämme, können sich negativ auf andere Nexus-Elemente auswirken, wenn sie nicht sorgfältig umgesetzt werden.
Die im Bericht vorgestellten über 70 Antwortoptionen unterstützen zusammengenommen die Erreichung aller 17 SDGs, aller 23 Ziele des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework und der langfristigen Ziele zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an den Klimawandel des Pariser Abkommens. 24 der Antwortoptionen fördern mehr als fünf SDGs und mehr als fünf Ziele des Global Biodiversity Framework.
Die gemeinsame oder nacheinander erfolgende Umsetzung von Antwortoptionen kann ihre positiven Auswirkungen weiter verbessern und Kosteneinsparungen ermöglichen. Die Gewährleistung einer inklusiven Beteiligung, beispielsweise durch die Einbeziehung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften in die gemeinsame Gestaltung, Steuerung und Umsetzung von Antwortoptionen, kann den Nutzen und die Gerechtigkeit dieser Maßnahmen ebenfalls erhöhen.
„Einige gute Beispiele sind Meeresschutzgebiete, in denen die Gemeinden in die Verwaltung und Entscheidungsfindung einbezogen wurden“, sagte Prof. McElwee. „Dies hat zu einer Zunahme der Artenvielfalt, einem größeren Fischreichtum zur Ernährung der Menschen und einem verbesserten Einkommen für die örtlichen Gemeinden geführt und oft auch zu höheren Einnahmen aus dem Tourismus.“
Nexus Governance-Ansätze und -Maßnahmen
Prof. McElwee äußerte sich dazu, was nötig ist, um wirksame Antworten, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln: „Unsere aktuellen Regulierungsstrukturen sind nicht reaktionsfähig genug, um die miteinander verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus der zunehmenden Geschwindigkeit und dem Ausmaß des Umweltwandels und der zunehmenden Ungleichheit ergeben. Fragmentierte und isolierte Institutionen sowie kurzfristige, widersprüchliche und nicht integrative Strategien bergen erhebliches Potenzial, das Erreichen der globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele zu gefährden. Dem kann durch die Hinwendung zu „Nexus-Governance-Ansätzen“ begegnet werden: integriertere, integrativere, gerechtere, koordiniertere und anpassungsfähigere Ansätze.“
Der Bericht bietet acht konkrete und gezielte Schritte, die politischen Entscheidungsträgern, Gemeinschaften, der Zivilgesellschaft und anderen Interessengruppen dabei helfen sollen, Probleme und gemeinsame Werte zu erkennen und gemeinsam an Lösungen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu arbeiten. Die Schritte werden in Form einer grafischen Roadmap für gemeinsame Maßnahmen dargestellt.
Die Ölkonzerne schaufeln sich ihr eigenes Grab. Leider schaufeln sie unseres mit. Durch die Erhitzung des Klimas steigt der Meeresspiegel, und wahrscheinlich ist ein Anstieg um bis zu einem Meter in den nächsten 50 Jahren nicht mehr aufzuhalten, besagt derState of the Cryosphere Report 2024. Das wird dann auch einige der größten Häfen treffen, aus denen Erdöl und Erdölprodukte in die Welt verschifft werden. Dreizehn Supertanker-Häfen von Ust-Luga in Russland über Shanghai in China,Singapur, Galveston und Houston in den USA. Rotterdam in den Niederlanden bis Ras Tanura in Saudi Arabien und Khor Fakkan in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind gefährdet.
„Es ist ironisch, dass genau diese Öltankerhäfen sich nun vor dem Anstieg des Meeresspiegels in Acht nehmen müssen, der durch das Verbrennen von Öl und Gas verursacht wird“, sagte die Direktorin der International Cryosphere and Climate Initiative Pam Pearson.