Das neue Whitepaper der Allianz für Biodiversität und Wasser (BiodiWa) hebt hervor, dass der österreichische Wassersektor und damit auch die österreichische Wasserforschung vor erheblichen Herausforderungen stehen, die durch den Klimawandel, Landnutzungsänderungen und die zunehmende gesellschaftliche Verwundbarkeit weiter verschärft werden. Die Verringerung eines Hochwasserrisikos und das Entgegenwirken von Dürren sind hier von wachsender Bedeutung. Zudem erfordert der Rückgang der aquatischen Biodiversität umfassende Maßnahmen zur Wiederherstellung von Lebensräumen.
Internationale Zusammenarbeit und integrative Ansätze
Fast die Hälfte der europäischen Binnengewässer ist gefährdet, den guten ökologischen Zustand nicht zu erreichen. Die Allianz betont, dass die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 nur durch verstärkte Anstrengungen erreicht werden können. Eine der zentralen Botschaften der Forschung ist dabei die Notwendigkeit verstärkter internationaler Zusammenarbeit. Die Expert:innen fordern zudem integrative Ansätze im Wassermanagement, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigen.
Forschung und Innovation
Die österreichische Wasserforschung ist vielfältig und umfasst nahezu alle Lebensbereiche des Menschen. Das Whitepaper zeigt auf, dass es in der Forschung zahlreiche innovative Ansätze gibt, wie die Nutzung von künstlicher Intelligenz, Machine Learning und innovativer Monitoringmethoden wie Umwelt-DNA (eDNA). Diese Technologien sind entscheidend, um die komplexen Herausforderungen der Wasserforschung zu bewältigen.
Handlungsempfehlungen
Die Allianz für Biodiversität und Wasser ruft zu verstärkten Anstrengungen in der Wasserforschung auf. Zu den wichtigsten Empfehlungen gehören:
● Förderung der internationalen Zusammenarbeit: Stärkung der internationalenNetzwerke und Kooperationen.
● Integriertes Wassermanagement: Entwicklung und Umsetzung integrativer Ansätze,die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte vereinen.
● Ausbau der Forschung und des Monitorings: Verstärkung der Langzeitforschung unddes Monitorings zur Erfassung von Veränderungen in den Wassersystemen undEntwicklung neuer Lösungsansätze.
● Bildung und Bewusstsein: Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung derWasserressourcen und der Biodiversität in der Öffentlichkeit.
Die Allianz BiodiWa wurde 2022 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) aus Biodiversitätsrat (Netzwerk Biodiversität) und der ehemals „Austrian Joint Water Initiative“ gegründet. Ziel ist die verstärkte Zusammenarbeit dieser Fachbereiche, um den Fragen der gekoppelten globalen Herausforderungen, wie Biodiversitätsverlust, Klimakrise, Verminderung von Wasserqualität und Bedrohung durch Änderungen in der Wasserverfügbarkeit sowie den zunehmenden Nutzungskonflikten gemeinsam entgegenzutreten.
The Guardian berichtet, dass Den Haag als erste Stadt der Welt frei von Werbung für Produkte aus fossilen Brennstoffen und klimaschädigende Dienstleistungen sein wird.
Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz bedeutet das Ende öffentlich und privat finanzierter Werbung für Benzin und Diesel, Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe in den Straßen der niederländischen Stadt, darunter auf Plakatwänden und an Bushaltestellen. Es tritt Anfang 2025 in Kraft.
Es ist das erste Mal, dass eine Stadt kohlenstoffintensive Werbung per Gesetz verbietet. Die Entscheidung folgte einem Aufruf des UN-Generalsekretärs António Guterres zu Beginn des Jahres an Regierungen und Medien, derartige Verbote zu erlassen, wie sie es bereits beim Tabak getan haben.
Der Gemeinderat von Edinburgh hat im Mai beschlossen, Werbung für fossile Brennstoffunternehmen , Fluggesellschaften, Flughäfen, fossil betriebene Autos, Kreuzfahrtschiffe und Waffen auf gemeindeeigenen Werbeflächen zu verbieten. Unternehmen, die diese Produkte verkaufen, dürfen außerdem keine Veranstaltungen oder andere Partnerschaften mehr in der schottischen Hauptstadt sponsern. Der Rat beschloss außerdem, Werbung und Sponsoring durch Waffenhersteller auszuschließen.
Ab 2026 soll auch die Region Stockholm frei von fossiler Werbung sein.
Eine globale Umfrage von Nature zeigt, dass die meisten Experten mit den Systemen, die politische Entscheidungsträger wissenschaftlich beraten, unzufrieden sind. 80 Prozent gaben an, das wissenschaftliche Beratungssystem ihres Landes sei entweder schlecht oder lückenhaft, und 70 Prozent sagten, die Regierungen würden solche Beratung nicht routinemäßig nutzen. Die Umfrage von Nature – die vor den US-Wahlen im November durchgeführt wurde – sowie mehr als 20 Interviews zeigen, wo einige der größten Hindernisse für wissenschaftliche Beratung liegen. 80 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass es den politischen Entscheidungsträgern an ausreichendem wissenschaftlichen Verständnis mangelt – aber 73 Prozent sagten, dass die Forscher nicht verstehen, wie Politik funktioniert. „Es herrscht eine ständige Spannung zwischen den wissenschaftlich Ungebildeten und den politisch Ahnungslosen“, sagt Politikexperte Paul Dufour. Quelle: https://www.nature.com/articles/d41586-024-03906-0
(Salzburg, 5.12.2024) In einem Offenen Brief kritisieren die Scientists for Future gemeinsam mit weiteren Umwelt- und Klima-NGOS die Beschneidung der Befugnisse der Landesumweltanwaltschaft und fordern die Entscheidung zum Gesetzesbeschluss am 18. Dezember 2024 auszusetzen, „um eine Nachdenkpause für eine fundierte Überarbeitung zu ermöglichen.“ Gestern hat der Sprecher von Scientists for Future Salzburg Univ.Prof. Jens Blechert den von ca 100 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sowie zahlreichen Umwelt- und Klima-NGOs unterzeichneten Brief an LH Dr. Wilfried Haslauer und alle Regierungsmitglieder versandt (siehe Mail unten) Zudem gibt es eine Stellungnahme ausgearbeitet von der S4F-Regionalgruppe Salzburg und der S4F-Fachgruppe Politik und Recht.
Halbierung des Klimabudgets ist der falsche Weg
Heftig kritisieren die Scientists for Future Salzburg die den Medien zu entnehmende geplante Halbierung des Klimabudgets des Landes. „Dies ist der falsche Weg. Die Klimaziele des Landes sowie der Beitrag zu den Klimaverpflichtungen des Bundes gegenüber der EU können so schwer erreicht werden. Alle Staaten und Regionen müssen gemeinsam am Pariser Klimaziel arbeiten, die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 2 Grad zu beschränken – das 1,5 Gradziel wird ohnedies bereits verfehlt. Auch Salzburg hat hier seine Aufgaben zu erfüllen.“
Univ.Prof. Jens Blechert (Sprecher S4F Salzburg)
Mag. Hans Holzinger (Öffentlichkeitskoordinator S4F Salzburg)
Umweltschützer warnen schon lange, dass beim Tiefseebergbau das volle Ausmaß der Zerstörung für die Umwelt weder abzuschätzen noch zu kontrollieren ist. Norwegen hatte als eines der ersten Länder grünes Licht dafür gegeben, ein arktisches Gebiet auf dem norwegischen Kontinentalsockel für die Prüfung und Gewinnung von Mineralien auf dem Meeresgrund freizugeben. Nun wurden die Lizenzen dafür bis auf Weiteres gestoppt. Das ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der Minderheitsregierung und der Sozialistischen Linkspartei (SV), der nötig war, um den Haushalt 2025 zu verabschieden. Das wäre ohne den Druck der gewachsenen Bewegung gegen Tiefseebergbau nicht möglich gewesen, sagt Daniela von Schaper, Meeresexpertin von Greenpeace.
Wissenschaftler des IIASA und der Columbia University haben festgestellt, dass bestimmte Regionen stärker von extremen Temperaturen betroffen sind. Eine neue Studie liefert die erste weltweite Karte dieser regionalen Klimagefahrenzonen.
Während die Durchschnittstemperaturen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich anstiegen, wirft eine jüngste Zunahme extremer Hitzewellen, die Rekorde brechen, die Frage auf, inwieweit Klimamodelle die Zusammenhänge zwischen globalen Durchschnittstemperaturänderungen und regionalen Klimarisiken angemessen abschätzen können. Die soeben in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Studie liefert die erste weltweite Karte der Hochrisikoregionen.
„Hier geht es um extreme Trends, die das Ergebnis physikalischer Wechselwirkungen sind, die wir möglicherweise nicht vollständig verstehen“, erklärt Hauptautor Kai Kornhuber, Themenleiter für Wetterextreme und Klimadynamik im IIASA-Programm für Energie, Klima und Umwelt. „Diese Regionen werden zu temporären Treibhäusern.“ Kornhuber ist außerdem außerordentlicher Assistenzprofessor für Klima an der Columbia Climate School.
Die Studie untersucht Hitzewellen der letzten 65 Jahre und identifiziert Gebiete, in denen extreme Hitze deutlich schneller zunimmt als die üblichen Temperaturen in der warmen Jahreszeit insgesamt. Dies führt häufig zu Höchsttemperaturrekorden, die wiederholt gebrochen werden. Diese extremen Hitzewellen traten überwiegend in den letzten fünf Jahren auf, obwohl einige auch schon Anfang der 2000er Jahre oder früher auftraten.
Zu den am stärksten betroffenen Regionen zählen Zentralchina, Japan, Korea, die Arabische Halbinsel, Ostaustralien sowie Teile Südamerikas und der Arktis. Das intensivste und beständigste Signal kommt jedoch aus Nordwesteuropa, wo Hitzewellenserien im Jahr 2022 zu rund 60.000 und im Jahr 2023 zu 47.000 Todesfällen beitrugen. Diese traten unter anderem in Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden auf. Im September dieses Jahres wurden in Österreich, Frankreich, Ungarn, Slowenien, Norwegen und Schweden neue Höchsttemperaturrekorde verzeichnet. In vielen Teilen des Südwestens der Vereinigten Staaten und in Kalifornien wurden bis weit in den Oktober hinein ebenfalls Rekordtemperaturen verzeichnet.
In diesen Regionen steigen die Extremtemperaturen schneller als die durchschnittlichen Sommertemperaturen, und zwar weitaus schneller, als es moderne Klimamodelle in den letzten Jahrzehnten prognostizieren. Das Phänomen tritt jedoch nicht überall auf; die Studie zeigt, dass der Temperaturanstieg in vielen anderen Regionen geringer ist als von den Modellen vorhergesagt. Dazu gehören weite Teile der nördlichen Mitte der Vereinigten Staaten und der südlichen Mitte Kanadas, das Landesinnere Südamerikas, große Teile Sibiriens, Nordafrikas und Nordaustraliens.
„In den meisten Gebieten erwärmt es sich an den heißesten Tagen des Jahres etwa so schnell wie an typischen Sommertagen, was das dominierende Signal des Klimawandels ist, und in manchen Gebieten sogar noch langsamer. In den von uns aufgezeigten Hotspots erwärmten sich die heißesten Tage jedoch besonders schnell, was verschiedene Gründe haben könnte. An manchen Orten könnte es häufiger zu bestimmten Wetterlagen kommen, die Hitzewellen auslösen, oder die Austrocknung des Bodens könnte die höchsten Temperaturen verstärken – und es wird wichtig sein, diese spezifischen lokalen Ursachen zu entschlüsseln“, sagt Co-Autor Samuel Bartusek, ein Doktorand an der Columbia University.
„Aufgrund ihrer beispiellosen Natur sind diese Hitzewellen in der Regel mit sehr schweren gesundheitlichen Auswirkungen verbunden und können für Landwirtschaft, Vegetation und Infrastruktur katastrophale Folgen haben“, fügt Kornhuber hinzu. „Wir sind nicht für sie geschaffen und können uns möglicherweise nicht schnell genug anpassen.“
Diese Studie ist ein wichtiger erster Schritt im Umgang mit den neuen Risiken extremer und beispielloser Hitze. Sie identifiziert Regionen, die in der Vergangenheit einem rasch zunehmenden Risiko ausgesetzt waren, und quantifiziert die Fähigkeit der Modelle, diese Signale zu reproduzieren.
Quelle: Kornhuber, K., Bartusek, S., Seager, R., Schellnhuber, H.J., Ting, M. (2024). Global emergence of regional heatwave hotspots outpaces climate model simulations. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) DOI: 10.1073/pnas.2411258121
Untersuchungen legen nahe, dass es drei (relativ) einfache politische Lösungen gibt, um die Verwendung und Produktion von Plastik einzudämmen, wie die Zeitschrift Nature berichtet:
Einwegplastik verbieten oder Gebühren darauf erheben. Mehr als 90 Länder und Territorien haben vollständige oder teilweise Verbote für Einweg-Plastikprodukte wie Einkaufstüten erlassen. Diese Verbote können sehr effektiv sein. Eine Analyse ergab, dass Verbote in fünf US-Bundesstaaten und Städten zusammen den Verbrauch von Einweg-Plastiktüten um etwa sechs Milliarden Tüten pro Jahr senkten. Man muss man aber darauf achten, alle Schlupflöcher zu schließen: Kalifornien zum Beispiel gestattete Geschäften auf dickere, „wiederverwendbare“ Tragetaschen umzusteigen. Die Menschen warfen diese jedoch trotzdem weg, was zu einer höheren Plastikmüllquote als zuvor führte.1.
Plastiproduzenten zahlen lassen – indem man Gebühren nach Gewicht erhebt, die Produzenten für das Recycling bezahlen lässt oder die Verwendung von recyceltem Material belohnt. Dies hängt von effektiven, sicheren Recyclingzentren ab.
Mikroplastik in Kosmetika verbieten. Mikrofaserfilter in Waschmaschinen können helfen, aber es wäre besser, einen Wandel in der Textilherstellung zu fördern. In Frankreich z.B. müssen ab Jänner 2025 neue Waschmaschinen mit einem Mikrofaser-Filter ausgestattet sein.2
1 Sokolow, L., Meiffren-Swango, C. & Engstrom, J. (2024): Plastic Bag Bans Work: Well-Designed Single-Use Plastic Bag Bans Reduce Waste and Litter (Environment America).
2 Napper, I. E., Barrett, A. C. & Thompson, R. C. (2020): Sci. Total Environ. 738, 140412 .
Wenn der von Flugzeugtriebwerken ausgestoßene Ruß und Wasserdampf sich ausbreitet, fangen die Eiskristalle in den entstehenden Zirruswolken die Wärme ein. „Wenn wir einen kleinen Prozentsatz der Flüge um etwa 600 Meter nach oben verlegen, könnten wir sie aus den Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit fernhalten, in denen die schlimmsten Zirruswolken entstehen“, schreiben die Klimaforscher Ian McKay und Ken Caldeira. Dies könnte „die Klimaauswirkungen der Luftfahrt zu sehr geringen Kosten halbieren“. Der Weltklimarat IPCC hat geschätzt, dass durch Kondensstreifen verursachte Zirruswolken die Erde möglicherweise genauso stark erwärmen wie das CO2, das jemals von allen Flugzeugen ausgestoßen wurde.
Einer Schätzung zufolge ist das Militär für 5,5 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Die wahren Zahlen halten die meisten Streitkräfte jedoch streng geheim. Im Jahr 2023 waren Deutschland, Großbritannien, die USA und Norwegen die einzigen Streitkräfte, die im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung ihre CO2-Emissionen gemeldet haben. Einige haben versprochen, die Emissionen drastisch zu senken – die NATO hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein –, aber ohne Transparenz wird es schwierig sein, Fortschritte zu verfolgen.
Von Emma Dowling, Leonhard Plank und Alexandra Strickner
Warnungen vor Wohlstandsverlust dominieren die wirtschaftspolitischen Debatten. Industrie- und Baubranchen verzeichnen Einbrüche, die Arbeitslosigkeit steigt. Die Sorge vor erneuten Kürzungen wegen hoher Ausgaben aufgrund der Krisen der letzten Jahre und die Rückkehr zu fragwürdig konzipierten EU-Fiskalregeln ist groß. Forderungen nach mehr Klimaschutz schüren oft Ängste von Arbeitsplatz- oder Einkommensverlust. Ökonomische Prosperität, soziale Sicherheit, gute Arbeitsplätze und Klimaschutz könnten durch den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge erreicht werden, wie eine neue Studie zeigt.
Ausbau der Grundversorgung als zentraler Pfeiler des Umbaus
Ein Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge bedeutet eine Stärkung jenes Teils der Wirtschaft, der für den Alltag lebensnotwendig ist und unsere universellen menschlichen Bedürfnisse im Zentrum hat. Darüber hinaus ist sie Basis einer funktionsfähigen Volkswirtschaft. Die Leistungen der Daseinsvorsorge sollten für alle zugänglich, leistbar und qualitätsvoll sein: von der Energieversorgung über den öffentlichen Verkehr, den sozialen Wohnbau, die Pflege, die Gesundheitsversorgung, das Bildungswesen bis zu den vielen kommunalen Betrieben, die Städte und Gemeinden sauber und am Laufen halten. Nur wenn die gute und stabile Versorgung mit diesen Alltagsgütern gewährleistet und damit eine soziale Absicherung vorhanden ist, wird es die Bereitschaft für die erforderlichen mutigen Schritte zum Umbau der anderen Bereiche der Wirtschaft geben. Die Vernachlässigung vieler Daseinsvorsorgeleistungen in der Vergangenheit muss beendet werden. In Zukunft braucht die Daseinsvorsorge mehr Mittel und Aufmerksamkeit, allen voran in den personalintensiven Sektoren des Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereichs. Eine von der AK Wien in Auftrag gegebene Studie der TU Wien und der Universität Wien in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Alltagsökonomie zeigt, dass der Ausbau der Daseinsvorsorge einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und gleichzeitig zu mehr Klimaschutz leisten kann.
Mehr Klimaschutz durch sozial-ökologische Infrastrukturen
Diese Stärkung der Grundversorgung für alle muss einhergehen mit der Umgestaltung vorhandener fossil geprägter Infrastrukturen zu sozial-ökologischen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge. Diese Transformation schließt etwa den sozial gerechten Ausbau von Energie- und Mobilitätsnetzen, die Umstellung der Energieerzeugung und die thermische Sanierung sowie den Heizungstausch im Gebäudebestand ein. Auch der Umbau der Städte und Gemeinden in Richtung verbesserter grüner und blauer Infrastrukturen kann das Leben der Vielen verbessern und nebenbei die Umwelt schützen. Ebenso können Entsiegelungen zur Belebung und Stärkung sozialer Orte in Stadt und Land genutzt werden und als Co-Benefit Hitze- und Überschwemmungsrisiken reduzieren. Die gute Nachricht ist: Wir haben die notwendigen Technologien und – bei entsprechender Priorisierung – auch die finanziellen Mittel. Neben dem politischen Willen bzw. der Überzeugungsarbeit für einen großen Aufbruch braucht es vor allem auch eine Vielzahl an Arbeitskräften für eine verbesserte Daseinsvorsorge.
Großes Beschäftigungspotenzial in einer zukunftsfähigen Daseinsvorsorge 2030
In den Sektoren der Daseinsvorsorge bedeutet dies, dass aufgrund der anstehenden Pensionierungswelle bis 2030 rund 126.000 Personen nachbesetzt werden müssen, damit der altersbedingte Abgang ausgeglichen werden kann. Zählt man noch weitere kritische Infrastrukturen bzw. systemrelevante Wirtschaftsbereiche hinzu, insbesondere die öffentliche Verwaltung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln (von der Produktion über die Verarbeitung bis zum Vertrieb), dann verdoppelt sich diese Zahl auf 251.000 Personen.
Bereits die Sicherung des Status quo durch ausreichend Ersatzpersonal für altersbedingtes Ausscheiden ist herausfordernd. Darüber hinaus braucht es in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge zusätzliches Personal, nicht zuletzt damit Überlastungen und Personalnotstände behoben werden können. Vor allem in den personalintensiven sozialen Infrastrukturen der Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege und der Elementarpädagogik sowie im öffentlichen Verkehr braucht es mehr Personal, damit eine gute Grundversorgung für alle möglich wird. Der Bedarf ist hier mit mehr als 216.000 Personen noch größer als in bisherigen Studien geschätzt. Denn diese blenden bestimmte Personengruppen aus (z. B. 24-Stunden-Betreuer:innen in der Langzeitpflege), vernachlässigen die bestehende Unterversorgung im Status quo durch ungedeckte Fehlbedarfe und sehen in der Regel von Angebotsverbesserungen ab. Außerdem berechnen sie nur pensionsbedingte Ersatzbedarfe – das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beruf (z. B. aufgrund belastender Arbeitsbedingungen) bleibt unberücksichtigt. Ohne den pensionsbedingten Ersatzbedarf werden immerhin noch mehr als 154.000 Personen bis 2030 benötigt.
Schließlich ist zumindest von rund 54.000 zusätzlichen Vollzeitbeschäftigten, vor allem in der Bauwirtschaft sowie der vorgelagerten Industrie, bis 2030 auszugehen, wenn die für die Erreichung der Klimaziele notwendigen Investitionen erfolgen. Denn zentrale Maßnahmen in diesem Feld, wie etwa der Ausbau der Energie- und Mobilitätsnetze oder die sozial-ökologische Modernisierung der Gebäude, erfordern wichtige Vorleistungen aus der Bauwirtschaft. Ebenso bieten sich Chancen für einen modernisierten Industriesektor z. B. bei der Herstellung von Schienenfahrzeugen oder der Fertigung von Batteriespeichern. Eine ausgebaute und qualitativ verbesserte Daseinsvorsorge 2030 ruht auf erneuerten und erweiterten physischen Grundlagen.
Ansatzpunkte für eine Beschäftigungsoffensive zur Stärkung der Grundversorgung
Die Verantwortung der öffentlichen Hand und die Orientierung an Gemeinwohl und Gemeinnützigkeit sind grundlegende Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Daseinsvorsorge. Ebenso unabdingbar für eine gestärkte Grundversorgung ist eine effektive und gestaltende öffentliche Planung. Dies erfordert eine Abkehr vom marktliberalen Paradigma, bei dem sich die öffentliche Hand seit den 1990er Jahren auf die allgemeine Rahmensetzung und Orientierung (strategische Planung) zurückgezogen hat. Vielmehr muss Planung als Positivplanung gestärkt werden, vorausschauend, vorsorgend und sektoral integriert stattfinden sowie besser koordiniert und verbindlicher im Gesamtstaat verankert werden.
Ausreichend Personal für bedürfnisorientierte Grundversorgung sicherzustellen erfordert eine Beschäftigungsoffensive mit einem Bündel an Maßnahmen, darunter folgende Schwerpunkte:
Erstens müssen alle Berufe innerhalb der Daseinsvorsorge durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Beschäftigungsverhältnisse attraktiver gemacht werden. Dies ist sowohl für die Gewinnung zusätzlicher Arbeitskräfte als auch für das Halten der bestehenden Beschäftigten zentral. Nur so kann auch der Teufelskreis aus vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beruf aufgrund von Überlastung, der weiteren Verschärfung der Personalsituation und damit auch der Deattraktivierung des Berufs (vor allem, aber nicht nur in Gesundheit, Pflege und Bildung) durchbrochen werden.
Zweitens sollte – wie vom Rechnungshof zuletzt festgehalten – die Datengrundlage für eine vorausschauende Personalplanung im Gesamtstaat verbessert werden. Damit wären auch genauere Personalprognosen möglich, die bisher unterbelichtete Faktoren wie Mehrbedarfe durch fehlendes Personal im Status quo sowie vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf berücksichtigen. Angeraten wäre auch eine Erweiterung der Prognoseinstrumente, damit bisher ausgeblendete Berufsgruppen (z. B. 24-Stunden-Betreuer:innen in der Langzeitpflege) und andere Sektoren, die vor einer Ausweitung stehen (besonders im öffentlichen Verkehr), systematisch in den Blick genommen werden.
Drittens braucht der zukunftsfähige Ausbau der Daseinsvorsorge eine Ausbildungsoffensive für die notwendigen Arbeitskräfte. Dabei geht es nicht nur um informationsorientierte Kampagnen und Marketingaktivitäten, um die immaterielle Wertschätzung und Attraktivierung von sinnstiftenden und gesellschaftlich nützlichen Tätigkeiten zu verbessern, sondern auch um die Weiterentwicklung von innovativen Stipendien bzw. Ausbildungsgeldern.
Viertens ist darauf zu achten, dass die zentralen Infrastrukturen des Bildungs- und Ausbildungssystems entsprechende finanzielle Mittel erhalten, um den wachsenden Anforderungen zu begegnen. Denn eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge erfordert eine Erweiterung von Kompetenzprofilen, nicht zuletzt hinsichtlich des Klimaschutzes und der Klimaanpassung. Das muss sowohl inhaltlich als auch personell in der Aus- und Weiterbildung berücksichtigt werden.