Hitze, Kälte, Sturm und Hagel: Wie schreiben über Wetterextreme? Ein Leitfaden für Medien

Lesedauer 2 Minuten.   

„Es gibt drei häufige Fehler bei der Berichterstattung über Wetterextreme“, schreiben die Klimaforscher:innen Ben Clarke und Friederike Otto in ihrem Leitfaden für Medien:

  1. den Klimawandel als Ursache des Ereignisses ignorieren;
  2. das Ereignis dem Klimawandel zuschreiben, ohne Belege dafür vorzulegen;
  3. den Klimawandel als einzige Ursache des Extremwetterereignisses bezeichnen.

Diese Fehler entstehen oft dadurch, dass die zugrundeliegende Frage unglücklich formuliert ist: „Ist der Klimawandel schuld?“ — diese Frage mag plausibel erscheinen. Doch sie lässt sich nicht sinnvoll beantworten. Wetterereignisse haben immer mehrere Ursachen. Der Zufall spielt aufgrund der chaotischen Natur des täglichen Wetters eine große Rolle. Doch der menschengemachte Klimawandel kann einen deutlichen Einfluss darauf haben, wie wahrscheinlich und wie intensiv ein Wetterextrem ausfällt.

Bis vor wenigen Jahren hat die Wissenschaft es meistens vermieden, einzelne Ereignisse mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen. Sinnvolle Aussagen konnten nur über allgemeine Trends gemacht werden. Doch in jüngerer Zeit hat die Wissenschaft Methoden entwickelt, mit denen sich konkrete Zusammenhänge zwischen Erderhitzung und einzelnen Extremwetterereignissen herausarbeiten lassen. Dieser Zweig der Klimawissenschaften nennt sich Attributionsforschung, es geht also um die Zuordnung von Wetterereignissen zum Klimawandel.

Wer sich öffentlich mit Extremwetterereignissen auseinandersetzt, sollte also darüber Bescheid wissen, was die Zuordnungsforschung leisten kann. Durch Vergleich des aktuellen Klimas mit dem Klima vor de industriellen Revolution mithilfe von historischen Daten und Klimasimulationen können Aussagen getroffen werden wie: „Diese Hitzewelle ist um 3°C heißer, als sie ohne Klimawandel ausgefallen wäre“ oder „derartige Ereignisse treten aufgrund der Erderwärmung doppelt so häufig auf“.

Nicht für jeden Typ von Extremereignissen ist die Zuordnung mit gleicher Sicherheit möglich. Dass Hitzewellen immer häufiger und immer härter werden, kann mit großer Sicherheit dem menschengemachten Klimawandel zugerechnet werden.

Dürren andererseits sind sehr komplex. Es gibt viele Arten von Dürre — und keine einfache Antwort auf die Frage, wie sie mit dem Klimawandel zusammenhängen. Landwirtschaftliche und ökologische Dürren sind in der Wissenschaft definiert als ein Mangel an Bodenfeuchtigkeit, während sich meteorologische, hydrologische und Grundwasserdürren an Niederschlagsmangel, geringen Flusspegeln oder niedrigen Grundwasserspiegeln zeigen. Niedrige Grundwasserspiegel etwa sind oft das direkte Ergebnis menschlicher Eingriffe in den Wasserhaushalt einer Region.

Ganz allgemein halten die Autor:innen fest, dass sogenannte Naturkatastrophen wie Überflutungen, Dürren und Hitzewellen erst dann zu einer Katastrophe werden, wenn eine Gesellschaft verwundbar ist. Gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Verhältnisse sind hier ganz entscheidend.

Der Leitfaden „Über Extremwetter und den Klimawandel berichten“ der World Weather Attribution Group steht hier zum Download zur Verfügung: https://www.worldweatherattribution.org/wp-content/uploads/DE_WWA-Uber-xtremwetter-und-den-Klimawandel-berichten.pdf


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Können sich Tiere, Pflanzen und Pilze an (menschengemachte) Klimaveränderungen anpassen?
von Anja Marie Westram

Lesedauer 6 Minuten.   

Beutetiere schützen sich durch Tarnfarben vor Fressfeinden. Fische können sich durch ihre längliche Form schnell im Wasser bewegen. Pflanzen locken mit Duftstoffen Bestäuberinsekten an: Anpassungen von Lebewesen an ihre Umwelt sind allgegenwärtig. Solche Anpassungen sind in den Genen des Organismus festgelegt und durch Evolutionsprozesse über Generationen entstanden – anders als zum Beispiel viele Verhaltensweisen werden sie also nicht spontan im Laufe des Lebens durch die Umwelt beeinflusst. Eine sich schnell verändernde Umwelt führt deshalb zu „Fehlanpassungen“. Physiologie, Farbe oder Körperbau sind dann nicht mehr auf die Umwelt abgestimmt, sodass Fortpflanzung und Überleben erschwert sind, die Populationsgröße abnimmt und die Population eventuell sogar ausstirbt.

Die menschengemachte Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre verändert die Umwelt auf vielfältige Weise. Bedeutet das, dass viele Populationen nicht mehr gut angepasst sind und aussterben werden? Oder können sich Lebewesen auch an diese Veränderungen anpassen? Werden im Laufe einiger Generationen also Tiere, Pflanzen und Pilze entstehen, die besser mit zum Beispiel Hitze, Trockenheit, Versauerung der Meere oder reduzierter Eisbedeckung von Gewässern umgehen und somit den Klimawandel gut überstehen können?

Arten folgen dem Klima, an das sie bereits angepasst sind, und sterben lokal aus

Tatsächlich haben Laborexperimente gezeigt, dass sich Populationen mancher Arten an veränderte Bedingungen anpassen können: In einem Experiment an der Vetmeduni Wien zum Beispiel legten Taufliegen nach etwas mehr als 100 Generationen (keine lange Zeit, da sich Taufliegen schnell vermehren) unter warmen Temperaturen deutlich mehr Eier und hatten ihren Stoffwechsel verändert (Barghi et al., 2019). In einem anderen Experiment konnten sich Miesmuscheln an saureres Wasser anpassen (Bitter et al., 2019). Und wie sieht es in der Natur aus? Auch dort zeigen einige Populationen Hinweise auf Anpassung an veränderte Klimabedingungen. Der Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) fasst diese Ergebnisse zusammen und betont, dass diese Muster vor allem bei Insekten gefunden wurden, die zum Beispiel als Anpassung an längere Sommer später mit ihrer „Winterpause“ beginnen (Pörtner et al., 2022).

Leider legen wissenschaftliche Studien zunehmend nahe, dass (ausreichende) evolutionäre Anpassung an die Klimakrise wahrscheinlich eher die Ausnahme als die Regel ist. Die Verbreitungsgebiete zahlreicher Arten verschieben sich in höhere Lagen oder in Richtung der Pole, wie ebenfalls im IPCC-Bericht zusammengefasst wurde (Pörtner et al., 2022). Die Arten „folgen“ also dem Klima, an das sie bereits angepasst sind. Lokale Populationen am wärmeren Rand des Verbreitungsgebietes passen sich oft nicht an, sondern wandern ab oder sterben aus. Eine Studie zeigt zum Beispiel, dass bei 47% der 976 analysierten Tier- und Pflanzenarten Populationen am wärmeren Rand des Verbreitungsgebietes (kürzlich) ausgestorben sind (Wiens, 2016). Arten, für die eine ausreichende Verschiebung des Verbreitungsgebietes nicht möglich ist – zum Beispiel, weil ihre Verbreitung auf einzelne Seen oder Inseln beschränkt ist – können auch komplett aussterben. Eine der ersten nachweislich durch die Klimakrise ausgestorbenen Arten ist die Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte: Sie kam nur auf einer kleinen Insel im Great Barrier Reef vor und konnte wiederholten Überschwemmungen und klimabedingten Vegetationsveränderungen nicht ausweichen (Waller et al., 2017).

Für die meisten Arten ist eine ausreichende Anpassung unwahrscheinlich

Wie viele Arten bei zunehmender Klimaerhitzung und Meeresversauerung zu ausreichender Anpassung fähig sein werden und wie viele (lokal) aussterben werden, lässt sich nicht genau vorhersagen. Zum einen sind schon die Klimaprognosen selbst mit Unsicherheiten behaftet und können oft nicht kleinräumig genug getroffen werden. Zum anderen müsste man, um eine Vorhersage für eine Population oder Art zu treffen, deren für Klimaanpassungen relevante genetische Vielfalt messen – und das ist selbst mit kostspieligen DNA-Sequenzierungen oder aufwändigen Experimenten schwierig. Aus der Evolutionsbiologie wissen wir aber, dass für viele Populationen eine ausreichende Anpassung unwahrscheinlich ist:

  • Schnelle Anpassung benötigt genetische Vielfalt. Im Hinblick auf die Klimakrise bedeutet genetische Vielfalt, dass Individuen in der Ausgangspopulation durch genetische Unterschiede zum Beispiel unterschiedlich gut mit hohen Temperaturen zurechtkommen. Nur wenn diese Vielfalt vorliegt, können bei Erwärmung die warm-angepassten Individuen in der Population zunehmen. Die genetische Vielfalt hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel von der Größe der Population. Arten, deren natürliches Verbreitungsgebiet klimatisch unterschiedliche Lebensräume einschließt, haben einen Vorteil: Genvarianten bereits warm-angepasster Populationen können in wärmer werdende Gebiete „transportiert“ werden und kalt-angepassten Populationen beim Überleben helfen. Wenn Klimaveränderungen dagegen zu Bedingungen führen, an die bis jetzt keine Population der Art angepasst ist, ist oft nicht genug nützliche genetische Vielfalt vorhanden – genau das passiert in der Klimakrise, vor allem am wärmeren Rand von Verbreitungsgebieten (Pörtner et al., 2022).
  • Umweltanpassung ist komplex. Die Klimaveränderung selbst stellt oft mehrfache Anforderungen (Veränderungen von Temperatur, Niederschlag, Sturmhäufigkeit, Eisbedeckung…). Dazu kommen indirekte Effekte: Das Klima wirkt sich auch auf andere Arten im Ökosystem aus, und damit zum Beispiel auf die Verfügbarkeit von Futterpflanzen oder die Anzahl der Fressfeinde. Viele Baumarten sind beispielsweise nicht nur größerer Trockenheit, sondern auch mehr Borkenkäfern ausgesetzt, da letztere von Wärme profitieren und mehr Generationen pro Jahr produzieren. Ohnehin geschwächte Bäume werden also noch zusätzlich belastet. In Österreich betrifft dies zum Beispiel die Fichte (Netherer et al., 2019). Je mehr unterschiedliche Herausforderungen die Klimakrise also stellt, desto unwahrscheinlicher wird eine erfolgreiche Anpassung.
  • Das Klima verändert sich durch menschliche Einflüsse zu schnell. Viele Anpassungen, die wir in der Natur beobachten, sind über tausende oder Millionen von Generationen entstanden – das Klima verändert sich dagegen momentan innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch. Bei Arten, die eine kurze Generationszeit haben (sich also rasch vermehren), läuft die Evolution relativ schnell ab. Das könnte teilweise erklären, warum Anpassungen an menschengemachte Klimaveränderungen häufig bei Insekten festgestellt wurden. Dagegen brauchen große, langsam wachsende Arten, wie zum Beispiel Bäume, oft viele Jahre, bis sie sich reproduzieren. Das macht es sehr schwierig, mit der Klimaveränderung Schritt zu halten.
  • Anpassung bedeutet nicht Überleben. Populationen können sich durchaus in gewissem Maß an Klimaveränderungen angepasst haben – also zum Beispiel Hitzewellen heute besser überstehen als vor der industriellen Revolution – ohne dass diese Anpassungen ausreichen, langfristig Erhitzungen um 1,5, 2 oder 3°C zu überstehen. Zusätzlich ist wichtig, dass evolutionäre Anpassung auch immer bedeutet, dass schlechter angepasste Individuen wenige Nachkommen haben oder ohne Nachkommen sterben. Wenn das zu viele Individuen betrifft, sind die Überlebenden vielleicht besser angepasst – die Population kann aber trotzdem so sehr schrumpfen, dass sie früher oder später ausstirbt.
  • Manche Umweltveränderungen lassen keine schnellen Anpassungen zu. Wenn sich ein Lebensraum grundlegend verändert, ist Anpassung schlicht nicht vorstellbar. Fischpopulationen können sich nicht an ein Leben in einem ausgetrockneten See anpassen, und Landtiere überleben nicht, wenn ihr Lebensraum überflutet wird.
  • Die Klimakrise ist nur eine von mehreren Bedrohungen. Anpassung ist umso schwieriger, je kleiner die Populationen, je fragmentierter der Lebensraum, und je mehr Umweltveränderungen zeitgleich auftreten (siehe oben). Der Mensch erschwert Anpassungsprozesse durch Bejagung, Lebensraumzerstörung und Umweltverschmutzung also noch zusätzlich.

Was kann gegen das Aussterben unternommen werden?

Was kann man tun, wenn keine Hoffnung besteht, dass sich die meisten Arten erfolgreich anpassen? Das Aussterben lokaler Populationen wird kaum zu verhindern sein – aber zumindest können verschiedene Maßnahmen dem Verlust ganzer Arten und dem Zusammenschrumpfen von Verbreitungsgebieten entgegenwirken (Pörtner et al., 2022). Schutzgebiete sind wichtig, um Arten dort, wo sie gut genug angepasst sind, zu erhalten, und um vorhandene genetische Vielfalt zu bewahren. Wichtig ist außerdem die Vernetzung der unterschiedlichen Populationen einer Art, sodass warm-angepasste genetische Varianten sich gut verbreiten können. Zu diesem Zweck werden Natur“korridore“ eingerichtet, die geeignete Lebensräume miteinander verbinden. Das kann schon eine Hecke sein, die in einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet verschiedene Baumbestände oder Schutzgebiete verbindet. Etwas umstrittener ist die Methode, Individuen bedrohter Populationen aktiv in Gebiete (zum Beispiel in höheren Lagen oder höheren Breitengraden) zu transportieren, in denen sie besser angepasst sind.

Bei all diesen Maßnahmen sind die Folgen jedoch nicht genau abzuschätzen. Auch wenn sie helfen können, einzelne Populationen und ganze Arten zu erhalten, reagiert doch jede Art anders auf Klimaveränderungen. Verbreitungsgebiete verschieben sich auf unterschiedliche Weise, und Arten treffen in neuen Kombinationen aufeinander. Interaktionen wie zum Beispiel Nahrungsketten können sich so grundlegend und unvorhersagbar verändern. Die beste Methode, Biodiversität und ihren unschätzbaren Nutzen für die Menschheit angesichts der Klimakrise zu erhalten, ist damit immer noch eine wirksame und schnelle Bekämpfung der Klimakrise selbst.


Barghi, N., Tobler, R., Nolte, V., Jakšić, A. M., Mallard, F., Otte, K. A., Dolezal, M., Taus, T., Kofler, R., & Schlötterer, C. (2019). Genetic redundancy fuels polygenic adaptation in Drosophila. PLOS Biology, 17(2), e3000128. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3000128

Bitter, M. C., Kapsenberg, L., Gattuso, J.-P., & Pfister, C. A. (2019). Standing genetic variation fuels rapid adaptation to ocean acidification. Nature Communications, 10(1), Article 1. https://doi.org/10.1038/s41467-019-13767-1

Netherer, S., Panassiti, B., Pennerstorfer, J., & Matthews, B. (2019). Acute drought is an important driver of bark beetle infestation in Austrian Norway spruce stands. Frontiers in Forests and Global Change, 2. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/ffgc.2019.00039

Pörtner, H.-O., Roberts, D. C., Tignor, M. M. B., Poloczanska, E. S., Mintenbeck, K., Alegría, A., Craig, M., Langsdorf, S., Löschke, S., Möller, V., Okem, A., & Rama, B. (Eds.). (2022). Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.

Waller, N. L., Gynther, I. C., Freeman, A. B., Lavery, T. H., Leung, L. K.-P., Waller, N. L., Gynther, I. C., Freeman, A. B., Lavery, T. H., & Leung, L. K.-P. (2017). The Bramble Cay melomys Melomys rubicola (Rodentia: Muridae): A first mammalian extinction caused by human-induced climate change? Wildlife Research, 44(1), 9–21. https://doi.org/10.1071/WR16157

Wiens, J. J. (2016). Climate-related local extinctions are already widespread among plant and animal species. PLOS Biology, 14(12), e2001104. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2001104

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Extremwetter und Klimawandel – Wie hängt das zusammen?
von René Sedmik

Lesedauer 5 Minuten.   

Der kälteste Frühling seit 30 Jahren in Österreich, nie dagewesene Hitze in Kanada, ein Tornado der Stärke 4 an der tschechischen Grenze, und über hundert Tote bei einem Hochwasser in Deutschland.

Viele Menschen meinen, das hätte es schon immer gegeben. Andere sehen die Wetterereignisse als Auswirkung des Klimawandels.

Wir geben eine wissenschaftlich begründete Antwort auf die Frage, ob und wie diese Ereignisse mit dem Klimawandel zusammenhängen.

Kurze Antwort für Ungeduldige:

Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme, Starkregen oder Dürre gab es immer. Sie sind die Folge des lokalen Zusammenspiels vieler Faktoren und – wie der Name schon sagt – Extreme des Wetters. Der Klimawandel bewirkt über unterschiedliche Mechanismen, dass solche Extreme deutlich häufiger und intensiver werden. Die wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf und regnet mehr wieder ab. Manche Gebiete werden dadurch trockener, andere feuchter. Die höhere Temperatur und größere Temperaturunterschiede verändern auch Windströmungen, die heiße Luft aus den Tropen in Richtung Pole und kalte Polarluft in Richtung Äquator bringen, so dass Hitze- und Kältewellen entstehen. In den nächsten Jahrzehnten ist auch in Österreich mit einer kontinuierlich steigenden Zahl von Wetterkatastrophen und den entsprechenden Folgen zu rechnen.

Ausführliche Antwort

Erderwärmung und Jetstream

Auf der Nordhalbkugel ist der polare Jetstream von wesentlicher Bedeutung für das Wetter. Es handelt sich dabei um ein Windband, das sich zwischen dem 40. und 60. Breitengrad in großer Höhe rund um den Globus von West nach Ost bewegt. Der Jetstream entsteht durch den Druckunterschied zwischen dem Nordpol und den Tropen, welcher eine Nord-Süd Strömung bewirkt, die wiederum durch die Corioliskraft1 in östliche Richtung abgelenkt wird. Hindernisse wie etwa die Rocky Mountains oder der Himalaya lenken den Strom ab. Es kommt zu wellenförmigen Verformungen des Jetstreams – sogenannte Rossby-Wellen. Eine nordwärtige Welle zieht warme Luft aus dem Süden mit – ein Hoch entsteht. Eine südwärtige Welle transportiert umgekehrt kalte polare Luft und Tiefdruckgebiete in unsere Breiten. Somit beeinflussen die Rossby-Wellen unser Wetter.

„Der Jetstream (hier als Band eingezeichnet) trennt kalte (blaue) Luftmassen um die Pole von warmen Luftmassen (rötlich) in äquatorialen Gebieten. Bisher normale Rossby Wellen (a) werden durch die Verlangsamung des Jetstreams größer (b) und können sogar abgeschlossene „Tropfen“ bilden (c).
Quelle: Wikimedia Commons

Durch den Klimawandel, welcher die Pole deutlich stärker erwärmt als gemäßigte Breiten, schwächt sich der Druckgradient2 zwischen Pol und Tropen ab und der Jetstream wird schwächer. Umfangreiche Studien haben gezeigt, dass diese Abschwächung dazu führt, dass Rossby Wellen deutlich stärker mäandern und länger am selben Ort bleiben. Für unser Wetter bedeutet das, dass Hochs und Hitze länger bleiben, wodurch sich die Hitze lokal verstärken kann wie in den USA und Kanada im Juni 2021 – eine Hitzewelle entsteht. Umgekehrt kann über längere Zeit kalte polare Luft zu uns transportiert werden – ein kalter Frühling wie 2021 in Mitteleuropa ist die Folge.

 Am Beispiel der Hitzewelle im Juni 2021 in Kanada sieht man, wie eine Rossbywelle einen „Warmlufttropfen“ einschließt und somit warme Luftmassen lokal festhält. Der Tropfen kann sich immer weiter erwärmen – eine Hitzewelle entsteht. (Grafik: Martin Auer, nach BBC)

Unwetter und Regen

Neben Hitzewellen treten derzeit auch starke Unwetter auf. Regenfälle mit 100 l/m² und Tag sind in den Tropen keine Seltenheit, stellen in Mitteleuropa aber eher die Ausnahme dar. Der Grund ist, dass wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann als kalte3. Wenn dieses Wasser dann bei einem Gewitter wieder als Regen fällt, kommen große Regenmengen zusammen. Kommen nun vermehrt warme Luftmassen vor, können in diesen auch stärkere Gewitter und Schauer entstehen – wie im Westen Deutschlands am 14. Juli oder in Salzburg am 17. Juli. Ein weiterer Effekt ist, dass durch mehr Wärme stärkere Winde in Gewittern erzeugt werden. Eispartikel zirkulieren durch diese Winde zwischen den unteren Regenzonen und großen Höhen, wobei bei jeder Runde eine Eisschicht hinzukommt. Sind die Winde nun stärker, können Eispartikel länger wachsen bevor sie als Hagel fallen. Werden die Winde in einer Gewitterzelle sehr groß, können auch starke Scherkräfte entstehen, welche die Zelle rotieren lassen – eine sogenannte Superzelle entsteht. Hier kommen zu den vertikalen Konvektionswinden in der Gewitterwolke auch horizontale Strömungen. Stimmt die lokale horizontale Windrichtung nicht mit der umgebenden Windrichtung überein kommt es zu Verwirbelungen und Tornados können entstehen. Während kleine Tornados überall auf der Welt entstehen, sind stärkere Tornados in Mitteleuropa eher die Ausnahme. Mit zunehmender Gewitterstärke und Häufigkeit steigt aber auch die Gefahr für starke Tornados, so wie jener an der tschechisch-österreichischen Grenze am 24. Juni 2001, der die zweitstärkste Kategorie F4 auf der Fujita Skala erreichte.

Der Klimawandel selbst verursacht diese Extremwetterereignisse nicht direkt. Jedoch bewirkt er dass statistisch gesehen häufiger die notwendigen Bedingungen entstehen, die Extremwetter möglich machen und auch stärker werden lassen.

Hier noch ein kleiner Literaturüberblick für jene, die gerne mehr wissen möchten:

Hitzewellen

Das Auftreten von Hitzewellen wurde sowohl empirisch als auch prädiktiv ausführlich untersucht. Hier sind besonders Städte betroffen, da durch die stark konzentrierte Bodenversiegelung und geringe Biomasse natürliche Kühleffekte fehlen. Beton und Asphalt heizen sich in der Sonne stark auf und halten die Wärme auch in den Nachtstunden länger. Im Vergleich zum Zeitraum 1981–2010 werden 2050 in Wien kurze Hitzewellen wahrscheinlich mehr als drei Mal so oft auftreten (die Wahrscheinlichkeit steigt von 12% auf 40%) und starke Hitzewellen mit deutlicher Übersterblichkeit viereinhalb Mal so oft (die Wahrscheinlichkeit steigt von 3,5% auf 16%).4. Für den Zeitraum 2070–2100 steigen diese Wahrscheinlichkeiten nochmals stark an: kurze Hitzewellen 85%, starke Hitzewellen 70%.

Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen in Prozent. Die Grafik zeigt für alle europäischen Städte an, wie wahrscheinlich es ist, dass im Zeitraum 2050 bis 2100 die Höchsttemperaturen des Zeitraums 1950 bis 2000 übertroffen werden. Diese Wahrscheinlichkeiten gelten für den Fall, dass global keine nennenswerten Anstrengungen unternommen werden, um den Klimawandel einzudämmen, das sogenannte RCP 8,5 Szenario. Da es auch für dieses Szenario eine Schwankungsbreite gibt, zeigt diese Grafik ein Ergebnis an, das in der Mitte zwischen dem günstigsten und dem ungünstigsten liegt.
Quelle: Guerreiro et al. (2018) https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aaaad3

Für Innsbruck, Graz und Wien ist unter der Annahme, dass keine Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels unternommen werden, eine Zunahme von 25%, 25% und 23% in der jährlichen Anzahl der Hitzetage sowie ein Anstieg von rund 9°C (alle Städte) in der dabei maximal erreichten Temperatur ab 2050 vorhergesagt.5 Auch die jüngsten Hitzewellen wurden quantitativ erforscht. Man fand, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für eine Hitzewelle wie jene in Kanada 2021 mit fast 50°C im Vergleich zu zur Zeit um 1900 150 Mal wahrscheinlicher gemacht hat7. Während es sich ohne menschgemachten Klimawandel um ein Ereignis handelt, das einmal alle 1000 Jahre stattfinden würde, muss man bei 2°C globaler Erwärmung alle 5-10 Jahre mit einer derartigen Hitzewelle rechnen.

Starkregen, Unwetter und Überflutungen

Auch die Zunahme von Starkregenereignissen ist statistisch signifikant. Global zeigen Studien8 einen Anstieg von 31% in der Häufigkeit von Starkregen in nördlichen gemäßigten Breiten zwischen 1980 und 2010. Dieser wird lokal auch mit einem Anstieg von rund 100% in der Wahrscheilichkeit für Flutereignisse in größeren Flüssen in Verbindung gebracht9. Klimamodelle erfassen lokale Starkregenereignisse erst in kürzerer Zeit10, zeigen aber generell, dass die Intensität von Stürmen und Schauern sogar stärker als die Wasseraufnahmefähigkeit mit der Temperatur – und damit mit fortschreitendem Klimawandel – steigt. Damit einher geht auch eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Flutereignisse.

Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetterereignissen wurde intensiv erforscht. Einen vollständigen wissenschaftlichen Überblick gibt es hier:  https://assets.climatecentral.org/pdfs/WWA_NRC_Attribution_Report_March2016.pdf


1 Die Coriosliskraft entsteht durch die Drehung der Erde um ihre Achse. Sie ist am Äquator am stärksten und nimmt gegen die Pole zu ab.

2 Gradient: Gefälle

3 Die Wasseraufnahmekapazität von Luft steigt pro Grad Celsius um 6.5%: Ali et al. Geophys. Res. Lett. 48, e2020GL090317, doi:10.1029/2020GL090317 .

4 Smid et al Urban Climate 27, 388 (2019), doi: 10.1016/j.uclim.2018.12.010

5 Guerreiro et al. Env. Res. Lett. 13, 034009 (2018), doi: 10.1088/1748-9326/aaaad3

7 Philip et al, Scientific Report. (2021), https://www.worldweatherattribution.org/wp-content/uploads/NW-US-extreme-heat-2021-scientific-report-WWA.pdf

8 Lehmann et al. Climatic Change 132, 501 (2015), doi: 10.1007/s10584-015-1434-y

9 Philip et al. J. Hydrometeorol. 19, 1881 (2018), doi: 10.1175/JHM-D-18-0074.1

10 Fowler et al. Phil.Trans.R.Soc.A 379, 20190541, doi: 10.1098/rsta.2019.0541

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