Österreichs Emissionen sinken: Kein Grund zur Zufriedenheit

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von Martin Auer

In den letzten beiden Jahren sind die Treibhausgasemissionen Österreichs deutlich gesunken. 2022 um 5.5 Prozent, 2023 um 6,4 Prozent.

Das Wegener Institut an der Uni Graz hat diese Entwicklung untersucht. Aus der Analyse lässt sich ablesen, dass die Reduktionen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil äußeren Einflüssen zu verdanken sind, vor allem den gestiegenen Energiepreisen infolge des Ukrainekriegs. Dazu kamen Faktoren wie ein milder Winter, ein Jahr wirtschaftlicher Flaute oder die Reduktion des Dieselexports im Tank. Also nicht Faktoren, die sich durch Politik wesentlich beeinflussen lassen.

In absoluten Zahlen betrug der Ausstoß im letzten Jahr 68,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Internationale Klimaabkommen haben als Referenz für ihre Zielvorgaben das Emissionsniveau von 1990. Das waren damals 79.05 Millionen Tonnen. Noch 2019 lagen wir mit fast 80 Millionen Tonnen über diesem Wert. Im Pandemiejahr 2020 sanken die Emissionen aufgrund der pandemiebedingt geringeren Wirtschaftstätigkeit, stiegen aber 2021 wieder und sanken erst 2022 deutlich unter den Referenzwert von 1990. Im letzten Jahr lagen sie dann um fast 14 Prozent darunter. „Österreich weiterhin auf dem Zielpfad“ hieß es auf der Homepage des Klimaschutzministeriums schon im März, nach den ersten Schätzungen des Umweltbundesamts.

Grafik von klimadashboard.at/

Wie sind nun diese Reduktionen zustandegekommen? Ein Team von Forscher:innen der Universität Graz unter der Leitung von Prof. Karl Steininger hat analysiert, worin diese Reduktion begründet liegt.1

Fortschritte im Gebäudesektor

Die größten Fortschritte wurden im Gebäudesektor gemacht. Hier sind die Emissionen um 50 Prozent niedriger als 1990 (in den anderen Sektoren um 6 Prozent).

Im Jahr 2022 sanken die Gebäudeemissionen um 17 Prozent. Davon sind 7 Prozentpunkte auf einen besonders milden Winter zurückzuführen, 4 Prozentpunkt auf Maßnahmen infolge des Ukrainekriegs – Temperaturabsenkungen in öffentlichen Gebäuden und Reduktionen der Gasnachfrage auch in privaten Haushalten. 6 Prozentpunkte, also etwas mehr als ein Drittel der Reduktion, gehen auf den gestiegenen Anteil von erneuerbaren Energien zurück.

Im Jahr 2023 sanken die Gebäudeemissionen um weitere 20,2 Prozent. Davon verdanken sich nur 0.7 Prozentpunkte dem milden Winter. Der Großteil der Reduktionen, nämlich 17 Prozentpunkte, ist dem größeren Anteil an erneuerbaren Energien zu verdanken. Den Anstieg der Erneuerbaren führen die Forscher:innen zu fast zwei Dritteln auf die gestiegenen Energiepreise infolge des Ukrainekriegs zurück.

Grafik von klimadashboard.at/

Andere Sektoren fallen zurück

In den anderen Sektoren sanken die Emissionen 2022 um 4,5 Prozent. Zu einem Viertel geht dieser Rückgang auf den Einsatz erneuerbarer Energien zurück. Den größten Anteil haben stark erhöhte Preise für fossile Energie, die zu einer geringeren Nachfrage führen. Zu etwas mehr als einem Viertel trug ein Rückgang der Verkehrsemissionen um 4,5 Prozent bei. Doch dieser Rückgang ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Dieselpreise zwischen Österreich und dem Ausland sich in etwa angeglichen haben, und die Schwerlaster deshalb nicht mehr in Österreich noch einmal volltanken, bevor sie über die Grenze fahren. Dieser „Dieselexport im Tank“ musste den österreichischen Verkehrsemissionen zugerechnet werden. Der Rückgang der Verkehrsemisisonen ist also hauptsächlich auf diesen Buchungsvorteil zurückzuführen. Der Rückgang der Emissionen wäre größer ausgefallen, wenn nicht eine relativ starke Konjunktur die Emissionen um 1,73 Punkte hochgetrieben hätte.

2023 sanken die Emissionen im Nicht-Gebäude-Bereich um rund 3 Millionen Tonnen, das sind 4,9 Prozent. Davon gehen 0,86 Prozentpunkte auf eine schwache Entwicklung des BIP zurück. Zum größeren Teil geht dieser Rückgang auf das Anwachsen der erneuerbaren Enegien um 15 Prozent zurück. Der Umstieg auf Erneuerbare wurde wieder durch gestiegene Energiepreise angetrieben.

„Darüber hinaus“, schreiben die Forschenden, „war somit zudem das Bündel an weiteren Maßnahmen für die Emissionsreduktion grundlegend, von Energiesparinitiativen in der Energiekrise, über Gebäude-Sanierungsprogramme bis zu Initiativen im öffentlichen und Radverkehr.“

Konsumbasierte Emissionen

Die konsumbasierten Emissionen Österreichs lagen zuletzt um 50 Prozent über den produktionsbasierten. Konsumbasierte Emissionen werden berechnet, indem die von exportierten Gütern verursachten Emissionen und die von importierten Gütern verursachten gegeneinander aufgerechnet werden. Dafür werden konsistente Außenhandelsdaten über alle Länder benötigt, und diese sind immer erst mit einigen Jahren Verzögerung verfügbar. Für jene Jahre wo Daten vorliegen, hat sich für Österreich gezeigt, dass der Überhang an konsumbasierten Emissionen über produktionsbasierte recht konstant war. Daraus ließe sich ableiten, dass auch die konsumbasierten Emissionen ziemlich parallel gesunken sind.

Erfolg der Klimapolitik?

Aus der Analyse des Grazer Wegener Instituts lässt sich ablesen, dass die Reduktionen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil äußeren Einflüssen zu verdanken sind, vor allem den gestiegenen Energiepreisen infolge des Ukrainekriegs. Dazu kamen Faktoren wie ein milder Winter, ein Jahr wirtschaftlicher Flaute oder die Reduktion des Dieselexports im Tank. Also nicht Faktoren, die sich durch Politik wesentlich beeinflussen lassen.

Positiv wirkten sich sicherlich aus die CO2-Bepreisung mit Klimabonus (obwohl sie bei Weitem nicht die wahren Schäden durch Treibhasgasemissionen abdeckt), die (ebenfalls bescheidene) Flugticketabgabe. und das Klimaticket. Richtig war es auch, dass die Regierung auf den Anstieg der Energiepreise nicht, wie es vielfach gefordert wurde, mit einer Subventionierung der Energiepreise, sondern mit Förderungen für die Haushalte reagiert hat. Auch dass die Regierung die Mineralölsteuer nicht, wie es ebenfalls gefordert wurde, gesenkt hat, hat zum Rückgang des erwähnten „Dieselexports im Tank“ beigetragen. Positive Beiträge kamen sicherlich auch durch Verhaltensänderungen in der Bevölkerung und durch Maßnahmen auf der Ebene von Gemeinden oder Unternehmen. Doch zu einem großen Teil ist der Rückgang der Emissionen nicht positiven Anstrengungen, sondern krisenhaften Entwicklungen zu danken.

Und was weiterhin vor allem fehlt, ist ein Klimaschutzgesetz, das einen klaren Reduktionspfad bis zum Zieljahr 2040 festlegt. Um die Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 zu erreichen, müssen wir bis 2030 jedes Jahr rund 4,5 Millionen Tonnen CO2e einsparen und von 2030 bis 2040 jährlich 3,5 Millionen Tonnen. Das können wir nicht erreichen, indem wir uns auf äußere Einflüsse verlassen.

Quelle: G. Kirchengast und K. Steininger (2022):Treibhausgasbudget für Österreich
https://wegccloud.uni-graz.at/s/LoLkG7YkGoJ9ZwR

Zu denken gibt auch, dass wir mit 6,88 Tonnen energiebedingter CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr um die Hälfte höher liegen als Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder die Schweiz.

Auch wenn wir mit den Reduktionen der letzten beiden Jahre zahlenmäßig „auf dem richtigen Weg“ sind, sind wir es klimapolitisch noch lange nicht.


1 Tobias Eibinger, Hans Manner, Karl W. Steininger (2024): Die Entwicklung der österreichischen Treibhausgasemissionen seit 2021
https://wegccloud.uni-graz.at/s/LoLkG7YkGoJ9ZwR

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Studie zu 20 Jahren Klimapolitik: Was wirkt und was nicht wirkt

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1.500 Politikmaßnahmen aus 41 Ländern über 6 Kontinente im ausführlichen Check: Die Ergebnisse einer beispiellosen Analyse klimapolitischer Maßnahmen der letzten 20 Jahre hat ein internationales Forschungsteam jetzt im renommierten Fachjournal Science veröffentlicht. Erstmals liefern die Ökonominnen und Ökonomen damit ein detailliertes Bild zur Wirksamkeit von Politikinterventionen der Vergangenheit und zeigen, dass viele politische Maßnahmen keine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß erzielen. Sie identifizieren nur 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik, die zu nennenswerten Emissionsminderungen von durchschnittlich 19 Prozent geführt haben. Was diese Erfolgsfälle eint und den entscheidenden Unterschied ausmacht: Diese Politikpakete setzen auf die Hebelwirkung von Steuer- bzw. Preisanreizen.

Welche Politikmaßnahmen beim Klimaschutz wirken und welche nicht, wird viel diskutiert. Wissenschaftlich analysiert wurde bislang jedoch lediglich die Wirkung einzelner Politikinstrumente, während hunderte andere umgesetzte Maßnahmen nicht evaluiert wurden. Unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) wollen die Forschenden in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Universität Oxford, der Universität Victoria und der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) diese Lücke jetzt schließen. Der „Climate Policy Explorer“ gibt als begleitendes Dashboard zusätzlichen Überblick über die Ergebnisse, Analyse und Methoden und steht als interaktives Angebot öffentlich zur Verfügung.

„Wir haben uns systematisch wirksame politische Maßnahmen angeschaut, die bislang selten untersucht wurden. Unser Ansatz liefert insbesondere neue Erkenntnisse zur wirksamen Kombination von Klimapolitikinstrumenten. Daraus leiten wir bewährte Best-Practises ab – quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr und sowohl in Industrieländern als auch in den oft vernachlässigten Entwicklungsländern“, erklärt Leitautor Nicolas Koch vom PIK und MCC. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen an. So reicht es zum Beispiel nicht auf Subventionen oder Regulierung allein zu setzen, nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2- und Energiesteuern, können Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden“. Verbote für Kohlekraftwerke im Stromsektor oder von Verbrennerautos im Verkehr sind Beispiele hierfür: Die Forschenden finden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion, wenn das Verbot allein eingeführt wurde. Erst im Tandem mit Steuer- bzw. Preisanreizen führen die Maßnahmen zum Erfolg, wie es etwa für Großbritannien bei der Kohleverstromung oder in Norwegen bei Autos gezeigt wird.

1.500 Maßnahmen aus zwei Jahrzehnten, 63 Erfolgsbeispiele

Die erste systematische Evaluierung von Politikmaßnahmen berücksichtigt mit 1.500 untersuchten Interventionen aus der Zeit 1998 bis 2022 die ganze Palette von Politikinterventionen, von zum Beispiel energetischen Bauvorschriften über Kaufprämien für klimafreundliche Produkte bis hin zu CO2-Steuern. Die Forschenden arbeiten dabei mit einer neuen Datenbank der OECD, die die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der weltweit umgesetzten Klimapolitik darstellt. Ein innovativer Ansatz, der Methoden des maschinellen Lernens mit etablierten statistischen Verfahren kombiniert, ermöglicht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals eine detaillierte Analyse aller erfassten Politiken und identifiziert diejenigen Maßnahmen, welche Emissionsreduktionen im großen Rahmen erzielen konnten. 

„Auch wenn es schwierig bleibt, die Wirkung einzelner Maßnahmen in einem Mix genau zu entschlüsseln, gewinnen wir aus unseren 63 Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen und wie der Erfolg von Instrumenten vom Sektor aber auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängt“, erklärt Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK und MCC. „Wir glauben, dass dieses Orientierungswissen von großer Bedeutung ist, um Politik und Gesellschaft bei der Transformation zur Klimaneutralität zu unterstützen.“  

Interaktiv: Climate Policy Explorer gibt Überblick nach Ländern und Politikmaßnahmen

Diese und weitere Ergebnisse der Studie lassen sich im begleitend veröffentlichten Climate Policy Explorer interaktiv nachvollziehen. Im Industriesektor zeigt das Beispiel China, wie nach der Einführung von Emissionshandelssystemen im Pilotprojekt nach einigen Jahren effektiv Emissionen reduziert werden konnten. Entscheidend waren hier jedoch auch der Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkere Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen. Im Stromsektor stellen die Forschenden deutliche Emissionsreduktionen in Großbritannien heraus, die sowohl auf die Einführung eines CO2-Mindestpreises zurückgeführt werden können, aber auch Teil eines breiteren Politikmixes mit Subventionen für erneuerbare Energien und einem Ausstiegplan aus Kohlekraftwerken waren. Die USA sind ein Beispiel für erfolgreiche Emissionsreduktionen im Verkehrssektor, die unter anderem auf Steueranreize und Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge als auch auf CO2-Effizienzstandards zurückgeführt wird. In Deutschland wird für den Verkehr die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der LKW-Maut in 2005 als Erfolgsfall identifiziert. 
Der „Climate Policy Explorer“ ist unter der Adresse http://climate-policy-explorer.pik-potsdam.de/ als eigenständige Internetseite frei verfügbar und ermöglicht tiefergehenden Einblick in spezifische Länder, Sektoren und politische Maßnahmen.

https://www.science.org/doi/10.1126/science.adl6547

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist eines der weltweit führenden Institute in der Forschung zu globalem Wandel, Klimawirkung und nachhaltiger Entwicklung. Natur- und Sozialwissenschaftler erarbeiten hier interdisziplinäre Einsichten, welche wiederum eine robuste Grundlage für Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft darstellen. Das PIK ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Titelbild: KI, bearbeitet

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Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren? S4F-Protest vor der SPÖ-Zentrale

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Klimawahljahr 2024 – Wissenschaftler:innen analysierten die Klimapolitik der SPÖ und stellten bei einer Aktion vor der Parteizentrale der SPÖ ein durchwachsenes Zeugnis aus: “Die Klimapolitik hat in der SPÖ unter dem Parteivorsitzenden Andreas Babler an Bedeutung gewonnen. Teile der SPÖ treiben allerdings nach wie vor den Bau neuer Autobahnen voran oder setzen auf Klimaschutz, den niemand merkt – Montag bis Freitag betonieren und am Sonntag renaturieren wird nicht reichen. Wir erwarten uns von der SPÖ mehr Mut und Klarheit in der Klimapolitik”, fasst Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik, zusammen. Dass sich die SPÖ für die Zustimmung zum Renaturierungsgesetz ausgesprochen hat, sei positiv zu beurteilen, erklärt Prof. Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien. 
Abgeordnete zum Nationalrat Julia Herr stellte sich der Diskussion und betonte, dass die SPÖ den Austausch mit der Wissenschaft sucht.

Reinhard Steurer: Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

Reinhard Steurer ist assoz. Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.


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Reinhard Steurer: Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

Die Rede von Prof. Reinhard Steurer zum Nachlesen

Sigrid Stagl: Der Schlüssel ist die soziale Frage

Prof. Sigrid Stagl ist Ökonomin am Department für Sozioökonomie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien


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Sigrid Stagl: Der Schlüssel ist die soziale Frage

Die Rede von Prof. Sigrid Stagl zum Nachlesen

Günter Emberger: Die SPÖ muss ihre selbstgesteckten Ziele konsequent verfolgen

Günter Emberger ist Professor am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien


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Die Rede von Prof. Günter Emberger zum Nachlesen

Sicherheitsrisiko Klimakrise

Die ersten Hitzetage und Unwetter bringen die unmittelbaren Gefahren der Klimakrise wieder verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung und verdeutlichen, dass diese auch für die Menschen in Österreich bei weiterer Erwärmung ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen wird. “So ehrlich müssen wir sein: Klimaschutz ist Menschenschutz”, betont Dr. Fabian Schipfer und erinnert: “Allein eine Transformation unseres Mobilitätssystems bringt so viele Vorteile mit sich – darauf sollten wir nicht verzichten.“

Von guten Ansätzen bis zu Projekten des vorigen Jahrtausends

Klimapolitik habe in der SPÖ unter dem Parteivorsitzenden Andreas Babler an Bedeutung gewonnen. “Während die anderen Großparteien ÖVP und FPÖ beim Klimaschutz Teil des Problems sind, ist es gut und wichtig, dass die SPÖ Teil der Lösung sein will – und beim Beschluss des Renaturierungsgesetzes auch schon war. Allerdings fehlt nach wie vor ein umfassendes Programm, mit dem Klimaziele glaubhaft erreicht werden können. Ein Transformationsfonds, eine Attraktivierung öffentlicher Verkehrsmittel und ein Verbot von Privatjets wird nicht reichen. Besonders dann nicht, wenn Teile der SPÖ nach wie vor den Bau neuer Autobahnen vorantreiben und zudem glauben, man könne Klimaschutz so betreiben, dass niemand etwas davon bemerkt“, erklärt Steurer und fasst zusammen: “Montag bis Freitag betonieren und am Sonntag renaturieren wird nicht reichen. Wir erwarten uns von der SPÖ also mehr Mut und Klarheit in der Klimapolitik, vor allem den Mut, sich von Ideen und Projekten des vorigen Jahrtausends zu verabschieden, ob in der Lobau oder in Schwechat.”

Nachhaltige Mobilitätspolitik ist nachhaltig soziale Politik

Von der Wissenschaft und vielen Vertreter:innen der Zivilgesellschaft werden schon lange Tempolimits gefordert: 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Freilandstraßen und 30 km/h in Ortsgebieten. Dies diene sowohl dem Klimaschutz, als auch dem Menschenschutz durch weniger Feinstaub- sowie Lärmbelastung und weniger Todesfälle im Straßenverkehr. “Für eine Partei, die Teil des ökologischen Transformationsprozesses sein will, sollte es Priorität haben, dies rasch umzusetzen”, erklärt Günter Emberger, Professor am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien und ergänzt: “Wir erwarten von der SPÖ außerdem, schnellstmöglich Maßnahmen zur Erreichung der Kostenwahrheit im Verkehr.” Das beginne damit, Prioritäten und finanzielle Mittel richtig zu setzen. “Damit meinen wir die Abschaffung der Steuerbefreiung von Flugbenzin, die Aufhebung der Dienstwagenprivilegien, eine Ökologisierung der Pendlerpauschale und die Beseitigung weiterer kontraproduktiver staatlicher Subventionen. Ein “Weiter-wie-bisher” im Verkehrssektor asphaltiert ein sozial ungerechtes Mobilitätssystem weiter ein und versiegelt landwirtschaftlich nutzbare Böden – die Grundlage für unsere eigene Nahrungsmittelversorgung”, führt Emberger abschließend aus.

Julia Herr: Wir wollen als Sozialdemokratie den Austausch mit der Wissenschaft suchen

Julia Herr ist Abgeordnete zum Nationalrat und stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ


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Die Rede von Julia Herr zum Nachlesen

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Günter Emberger zur Klimapolitik der SPÖ: Selbstgesteckte Ziele konsequent verfolgen

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Der Klimawandel ist zweifellos die größte Herausforderung unserer Zivilisation. Um diese globale Bedrohung bewältigen zu können, müssen wir unsere Lebensweise und unsere Mobilität drastisch überdenken.

Die Erhaltung intakter, landwirtschaftlich nutzbarer Böden ist die Voraussetzung für den Arten-, Natur- und Klimaschutz und damit für die Sicherstellung unserer eigenen Nahrungsmittelversorgung! Die Einhaltung internationaler, nationaler und regionaler Klimaziele ist daher von entscheidender Bedeutung. Dies erfordert, dass wir unsere Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen und vom Autoverkehr deutlich verringern. Dazu ist einerseits die Einführung von Kostenwahrheit im Verkehr notwendig und andererseits muss das Angebot für umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Fußgänger, Fahrrad und öffentlicher Verkehr erhöht werden.

Klimaschutz ist Menschenschutz

Verantwortungsbewusste Politiker haben die Aufgabe, diese notwendigen Verhaltensänderungen der Bevölkerung zu erklären und Maßnahmen umzusetzen, die diese Verhaltensänderungen ermöglichen. Wir fordern die SPÖ auf, in ihrem Verantwortungsbereich die von ihr selbst gesteckten Ziele in Wien – nämlich die Verlagerung der Wege auf den Umweltverbund auf 80%, die Halbierung des autobasierten Einpendlerverkehrs und die Halbierung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 – konsequent weiter zu verfolgen und die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, wie den Ausbau von Fuß- und Radinfrastruktur, Beschattung und keinen weiteren Kapazitätsausbau im Straßenverkehr. Weiterhin fordern wir die SPÖ auf, alle Straßenbauprojekte in Wien und im Umland hinsichtlich ihrer Wirkung auf Klimaschutz, Ressourcenverbrauch, Zielkonformität und Enkelinnentauglichkeit neu zu beurteilen.  Wir fordern außerdem die rasche Umsetzung der von der Wissenschaft und vielen Vertretern der Zivilgesellschaft geforderten Tempolimits: 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Freilandstraßen und 30 km/h in Ortsgebieten. Dies dient dem Klimaschutz sowie dem Menschenschutz durch weniger Lärm, weniger Emissionen, weniger Unfälle und Todesfälle, weniger Flächenverbrauch, weniger Stau und Kosteneinsparungen für alle.

Weiterhin fordern wir die SPÖ auf, schnellstmöglich Maßnahmen zur Erreichung der Kostenwahrheit im Verkehr umzusetzen. Darunter verstehen wir die Abschaffung der Steuerbefreiung von Flugbenzin, die Abschaffung der Dienstwagenprivilegien, eine Ökologisierung der Pendlerpauschale und weiterer kontraproduktiver staatlicher Subventionen.

Durch diese Maßnahmen kann ein enkel:innentaugliches Verkehrssystem geschaffen werden, welches den Klimawandel verlangsamt, mit dem wir unsere Mobilitätsbedürfnisse umweltfreundlich befriedigen können und mit dem wir unsere Umwelt für kommende Generationen schützen und erhalten können.

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Sigrid Stagl zur Klimapolitik der SPÖ: Der Schlüssel ist die soziale Frage

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Der Schlüssel ist meines Erachtens die soziale Frage. Denn wir wissen dass weltweit – und Österreich ist nicht sehr viel anders – die obersten 10 Prozent, also die Haushalte oder die Menschen, die am meisten verdienen, 50 Prozent der Emissionen verursachen, und die unteren 50 Prozent nur 10 Prozent der Emissionen verursachen. Das heißt, es geht nicht nur darum, die Emissionen zu reduzieren, sondern die Frage ist auch: Wer soll sie reduzieren? Das ist ein wichtiger Schlüssel, um Menschen mitzunehmen. Und da möchte ich an Reinhard Steurer anschließen: Es wird nicht gelingen, Menschen die Nachhaltigkeit anzutun, sondern man muss sie aktivieren, mitnehmen, begeistern oder die, die schon begeistert sind, befähigen, dass sie sich organisieren und gemeinsam in die richtige Richtung gehen. Das ist eigentlich das Hauptsächliche, was uns derzeit fehlt. Und das ist eigentlich etwas, was recht billig ist, nämlich Political Leadership. Nämlich aufzuzeigen, in welche Richtung es geht, in Richtung eines klimaneutralen, in Richtung eines fairen Österreichs, das in den notwendigen raschen Schritten voranschreitet. Dafür muss man nur politisches Kapital investieren, das ist nicht einmal eine teure Maßnahme, was mir als Ökonomin natürlich wichtig ist.

Verteilungsgerechtigkeit ist in der DNA der SPÖ

Die Verteilungsgerechtigkeit ist in der DNA der SPÖ, das ist sehr positiv und deswegen hat die SPÖ wirklich den Schlüssel, um die Klimakrise zu adressieren, in der Hand. Ich glaube, sie muss sich nur noch ein bisschen mehr aktivieren. Den Transformationsfonds anzusprechen, zusätzlich zu anderen umweltökonomischen Instrumenten, das ist etwas sehr Positives. Das wird gesehen als eine Möglichkeit, Unternehmen umzubauen, Technologien zu entwickeln, das ist alles sehr positiv. Es wird nur noch nicht gesehen als ein umfassendes Vehikel, um wirklich Wirtschaft und Gesellschaft umzubauen, sondern es ist noch sehr punktuell in der derzeitigen Kommunikation.. Die Bundes-SPÖ hat sich gegen Straßenbau ausgesprochen, das ist sehr positiv. Mir geht es hauptsächlich darum, diese Vision einer sozialökologischen Transformation mit dem notwendigen Ausbau technischer und sozialer Infrastrukturen zu verbinden, der als Gesamtkonzept noch fehlt.

Es braucht eine integrierte Herangehensweise

Bei den 24 Ideen für Österreich mit Herz und Hirn, wie es auf der Webseite heißt, ist sehr viel Positives dabei, aber Umweltschutz und Klimaschutz wird als separater Punkt gesehen. Und das braucht ein integriertes Konzept, eben eine sozial-ökologische Transformation, die wirklich durchgedacht ist. Es braucht teilweise nicht nur neue Instrumente, wie einen Transformationsfonds, sondern es braucht auch eine neue Herangehensweise, beispielsweise eine Bedürfnisorientierung und darum geht die Bedürfnisse aller zu befriedigen und dafür bräuchte man halt eine Interaktion auch mit modernen Bewegungen, wie zum Beispiel der Beyond Growth Bewegung, die vor kurzem im Parlament eine Veranstaltung organisiert hat. Und da wäre es schön, wenn die SPÖ sich auch mehr engagiert. Zusammengefasst, ich glaube, in der Grundkonstitution der SPÖ liegt sehr viel Positives angelegt, um die Klimakrise adressieren zu können. Es braucht nur noch eine integriertere Herangehensweise und eine klarere Stoßrichtung, dass Klimaschutz in allen Belangen mitgedacht werden muss, Denn die Wirtschaft ist in die Gesellschaft eingebettet und die beiden basieren auf den biophysischen Grundlagen. Es wird uns nicht gelingen, wirtschaftliche oder soziale Probleme zu adressieren, ohne die Klimakrise immer mitzudenken.

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Reinhard Steurer zur Klimapolitik der SPÖ: Am Sonntag renaturieren und Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

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Die ÖVP ist eine Partei der Doppelmoral

Eigentlich sollten wir ja heute vor der ÖVP-Parteizentrale stehen, aus aktuellem Anlass würde es dort eigentlich besser passen zu protestieren, aber wie der Max gerade gesagt hat, da waren wir schon und es sollen ja alle dran kommen. Trotzdem möchte ich ein paar Worte zur Diskussion der letzten Woche sagen. Die ÖVP hat immer betont, die Grünen haben jetzt ihr wahres Gesicht gezeigt. Ich würde sagen, die ÖVP hat einmal mehr ihr wahres Gesicht gezeigt, wenn es um Klimaschutz und Naturschutz geht. Sie hat sich als Partei der Doppelmoral gezeigt, die Spielregeln und Vertrauen von anderen einfordert und im Grunde nichts anderes getan hat, als fünf Jahre lang Spielregeln und Vertrauen zu brechen. Sie hat das Klimaschutzgesetz bis heute blockiert, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mit Substanz blockiert und den nationalen Energie- und Klimaplan. Sie hat dann plötzlich die Sorge um Lebensmittelsicherheit erkannt, als es um Naturschutz ging, gefährdet aber genau diese, indem sie seit fünf Jahren die Ziele für Bodenversiegelung verhindert und selbst Enteignungen vornimmt für Straßenbau. Enteignungen, die sie dem Umweltschutz vorwirft, die es aber nie geben wird. Sie opponiert gegen Privatgutachten, meint man könne mit Privatgutachten keine politischen Entscheidungen treffen, obwohl sie selbst mit einem Privatgutachten die Indexierung der Familienbeihilfe mit der FPÖ durchgesetzt hat. Auch ein Zeichen der Doppelmoral. Sie agiert zu Recht gegen Vorverurteilungen, wenn es um die eigenen Leute geht, aber sie macht seit einer Woche nichts anderes, als die Grünen vorzuverurteilen, weil sie angeblich Verfassungsbruch begangen haben, was dann Gerichte entscheiden werden. Und es schaut ganz so aus, als ob das nicht der Fall wäre. Die ÖVP ist also sozusagen eine postfaktische Partei, die tatsächlich die Fakten immer zu ihren Gunsten dreht, auch nicht wirklich auf die Wissenschaft hört, Wissenschaftler beschimpft als solche, die Untergangsszenarien malen und so weiter.

Die SPÖ will und kann Teil der Lösung sein

Heute sind wir bei der SPÖ und da ist es zum Glück etwas anders. Es ist auch eine Volkspartei, eine große, und da ist es immerhin so, dass die SPÖ das Renaturierungsgesetz ermöglicht hat. Dafür sind wir zunächst einmal dankbar. Auch das soll gesagt werden, trotz des Protesttags, denn ohne den Umschwung bei der Wiener SPÖ wäre es zu dieser Zustimmung nicht gekommen, verfassungskonform. Und insofern ist es schon mal ein starkes Zeichen. Die SPÖ beschimpft auch Wissenschaftler:innen nicht, sondern respektiert uns. Und sie hat speziell unter einem neuen Vorsitz dem Klima tatsächlich eine größere Priorität gegeben. Deshalb ist vorneweg die Schlussfolgerung ganz klar, die SPÖ ist gemeinsam mit den Neos und den Grünen Teil der Lösung in Österreich. Sie können die Konstellation bringen, die tatsächlich mehr Klimaschutz in diesem Land ermöglicht. Es ist vermutlich die einzige Konstellation, unter der mehr möglich ist.

Nur drei, vier Punkte zur Klimapolitik

Allerdings, und da kommen wir jetzt zum kritischen Teil unseres Daseins hier, allerdings ist diese Konstellation sehr unwahrscheinlich, aus vielen Gründen, zum einen, weil die SPÖ im politischen Diskurs oft zu wenig präsent ist. Also gerade in den letzten Wochen hat man sich oft einmal gedacht, wo ist die SPÖ, wo sind die Ansagen, wo war das Zögern und warum kam es zu diesem Zögern? Blöderweise ist dann die politische Rhetorik auch nicht immer ganz passend. Der Herr Babler hat dann der Gewessler vorgeworfen, sie habe zu lange gebraucht für die Entscheidung. Na ja, reden wir mal darüber, wie lange die SPÖ gebraucht hat für den Meinungsumschwung. Also auch nicht wirklich am Punkt. Und dann fragt man sich manchmal, wo sind die richtigen Prioritäten. Wir haben jetzt die Wochen eine veritable Regierungskrise hinter uns. und dann kommt auf einmal der Einwurf, na ja wir wollen eigentlich Fußball für alle im Gratis-TV. Ja, kann man fordern, war vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt. Also da fehlt ein bisschen das politische Gespür für meinen Geschmack. Was auch fehlt und das wiegt viel schwerer, das ist ein ausgereiftes Konzept für die Wirtschaftsstandorts- und auch Klimapolitik dieses Landes. Ich habe im Zuge der Vorbereitungen für heute recherchiert, was eigentlich die die die SPÖ zur Klimapolitik fordert und man findet eigentlich nur drei, vier Punkte auf einer Website, unter anderem einen Transformationsfonds mit 20 Milliarden, der helfen soll, die Wirtschaft klimafreundlicher zu machen, die Attraktivierung öffentlicher Verkehrsmittel, auch wichtig, und dann ein Verbot von Privatjets. Ja, schön und gut, aber das wird nicht reichen für Klimaneutralität, wobei nicht einmal klar ist, bis wann die SPÖ endlich Klimaneutralität vorhätte. 2040, 2045, 2050. Auch das ist also im Ungewissen. Und zu dem eigentlich fehlenden Programm kommt dann noch dazu, dass oft einmal komische Zwischenrufe kommen. Zum Beispiel, dass man den CO2-Preis doch aussetzen sollte in Zeiten hoher Inflation. Ich würde mir von der SPÖ erwarten, dass sie betont, der CO2-Preis mit einem Klimabonus ist sozial gerecht, weil arme Haushalte mehr davon profitieren, als sie einzahlen.

Und vor ein paar Wochen kam ein sonderbarer Zwischenruf aus der Wiener SPÖ. Da hat der Herr Ludwig gemeint, wir wollen Klimaschutz machen so, dass man nicht die Leute sekkiert. Als ob das möglich wäre, dass Klimaschutz von niemandem bemerkt wird.

Die Klimaillusion der SPÖ: Wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird

Zusammenfassend könnte man also sagen, die Klimaillusion der ÖVP lautet , es ist alles halb so schlimm, wir werden uns anpassen und China ist eigentlich schuld, was sollen wir denn tun. Die Realität ist natürlich, es ist alles viel schlimmer als wir glauben. Die Realität überholt dann oft unsere eigenen Prognosen. Es gibt grenzen der Anpassungen, das sehen dann die, deren Häuser weggespült werden und die sterben an der Klimakrise. Und wir haben eine Verantwortung wahrzunehmen. Während China seine Ziele vorzeitig erreichen wird, werden wir unsere voraussichtlich verfehlen. Die Illusion der SPÖ lautet dann, wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird, wir sekkieren niemand, auch das ist eine Illusion, denn Klimapolitik, die Ziele erreicht, wird im Alltag spürbar sein, anders geht das nicht. Oder man verfehlt halt Ziele auf andere Art und Weise. Und das was schade ist, ist, dass gerade in der Klimamusterstadt natürlich auch sehr viel möglich wäre. Viel möglich wäre, ohne dass man tatsächlich Leute sekkiert. Was ist mit den Gemeindebauten, die man zu Solarkraftwerken umbauen könnte? Ich habe da noch nicht viel gesehen davon. Was ist mit den Radhighways, die immer wieder angekündigt werden, aber dann doch nicht gebaut werden? Und was ist mit einer klaren Absage an fossile Projekte wie den Lobautunnel und die dritte Piste in Schwechat? Aber da fehlen klare Worte, der Günter Emberger wird dazu dann mehr sagen. Was uns also fehlt, ist ein Mut zu klaren Ansagen und tatsächlich die Vorzeigerolle einer Klimamusterstadt in Wien zu zeigen. Die Klimamusterstadt ist auch eine Art Illusion. Das sehen Sie am besten, wenn Sie mal versuchen, die Klimamusterstadt mit dem Fahrrad am Gürtel zu suchen. Kurzum, sonntags renaturieren, das ist schön, das ist ein Fortschritt, für den wir dankbar sind, aber es reicht nicht, wenn man dann montags bis freitags weiter betoniert. Und insofern hoffen wir, dass die SPÖ mehr Mut findet für klare Ansagen, für klare Absagen fossiler Projekte, denn sie ist tatsächlich Teil der Lösung und eine Partei in der Konstellation, die für Österreich mehr Klimapolitik bringen kann. Insofern hoffen wir, dass die Partei entsprechend gut abschneidet und wir dieser Lösung tatsächlich näher kommen.

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Reinhard Steurer zur Klimapolitik der Neos

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Reinhard Steurer ist Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur. Hier die Zusammenfassungn seiner Rede bei der Aktion der S4F am 6. 5. 2024 vor der Neos-Parteizentrale

Die Neos sind eine liberale Partei rechts der Mitte, die das Problem ernst nimmt

Ich kann mit etwas Erfreulichem anfangen, im Unterschied zum Protest bei der ÖVP. Erfreulich ist, dass bei den Neos Sachverstand durchaus eine Rolle spielt und dass das Sicherheitsrisiko der Klimakrise dieser Partei bewusst ist. Der zweite erfreuliche Punkt ist, dass wir mit den Neos eine liberale Partei rechts der Mitte haben, die sowohl das Problem ernst nimmt, als auch ernst zu nehmende Lösungen anzubieten hat. Das unterscheidet die Neos auch von der liberalen Schwesterpartei FDP, die im EU-Parlament ja in derselben Fraktion ist als ALDE, und die leider wie die ÖVP Märchen erzählt: von E-Fuels für den Verbrennungsmotor, von Wasserstoff in den Heizungen. Diese Märchen habe ich von den Neos zum Glück noch nicht gehört. Das unterscheidet sie tatsächlich, auch von anderen liberalen Parteien in Europa. Und somit ist sie tatsächlich eine Alternative zur ÖVP für jene rechts der Mitte, denen Klimaschutz wichtig ist und die Scheinklimaschutz überwinden wollen.

Die Neos stehen aber in der Tradition des Neoliberalismus

Aber natürlich stehen die Neos als liberale Partei in der Tradition des Neoliberalismus, und der ist eindeutig ein Treiber der Klimakrise. Es ist kein Zufall, dass die Klimakrise etwa seit den 1990er Jahren eskaliert, parallel dazu, dass der Neoliberalismus als globales Modell Erfolge feiert. Mit dieser Interpretation bin ich nicht alleine, da gibt es durchaus prominente Wisenschaftlerkolleg:innen, die das ähnlich sehen. Zum Beispiel Naomi Oreskes, Autorin des Buchs „Merchants of Doubt“ schreibt im Buch „Der Kollaps der westlichen Zivilisation“: „Der Neoliberalismus ist eine Ideologie, und wie jede Ideologie fällt er in der Realität in Schlaglöcher.“ Das heißt, er kriegt Schwierigkeiten, weil die Ideologie nicht unbedingt zur Realität passt. Aus der ideologischen Sicht werfen dann Neoliberale Wissenschaftlern vor, ideologisch zu agieren. Das nennt die Psychologie „Projektion“. Man wirft den anderen das vor, was man selber tut, nämlich ideologisch denken.

Auf die Frage, „Kann ein neoliberale System langfristig agieren?“ sagt Oreskes: „Nein. Weil die neoliberale Anbetung von Deregulierung uns selbst und die Welt vergiftet.“ Das Resultat dieser Deregulierung sehen wir in der Klimakrise, das ist ein Faktum, das der Neoliberalismus maßgeblich mitgestaltet hat. Er ist somit unvereinbar mit einer ökosozialen Marktwirtschaft.

Zum Schluss noch ein Zitat von Kim Robinson, dem Autor des lesenswerten Buches „Das Ministerium für die Zukunft“: „The invisible hand never picks up the check“, also die unsichtbare Hand des Adam Smith bezahlt nie die Kosten. Und damit sich das ändert, braucht es einen ökologischen Handabdruck, der Regulierung einfordert und der die unsichtbare Hand dann lenkt. Deswegen; „ökologischer Handabdruck statt invisible hand“.

CO2-Preis statt Verbotspolitik?

Jetzt würden die Neos wahrscheinlich sagen: „Moment, Moment, wir sorgen ja dafür, dass die externen Kosten beglichen werden, nämlich mit unserem Konzept für einen CO2-Preis.“ Das ist durchaus ambitioniert, aber es steht nach wie vor stark in neoliberaler Tradition, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist das Konzept des CO2-Preises, wie es die Neos vorschlagen – mit einem hohen Preis und Entlastung bei den Lohnkosten – nicht wirklich sozial ausgewogen, weil diejenigen, die wenig Lohnsteuer oder keine Lohnsteuer zahlen, am wenigsten davon profitieren würden. Die hätten dann tatsächlich ein Akzeptanzproblem und würden zu Recht einwenden: „So eine Klimapolitik wollen wir nicht.“

Wenn man die FDP in Deutschland beobachtet, könnte man den Verdacht kriegen, dass das tatsächlich eine bewusste Taktik ist, einen möglichst hohen, politisch fast unmöglichen CO2-Preis anzusetzen, um damit Verbote zu verhindern. Wenn man dann schaut, was die Neos klimapolitisch im Programm haben, dann findet man Programmpapiere wie zum Beispiel eines von Neos-Lab aus dem September 2021 mit dem Titel: „CO2-Preis statt Verbotspolitik – liberale Optionen für Klimaschutz“.Und da müssen wir jetzt korrigierend eingreifen und sagen „Richtig wäre: CO2-Preis und Ge- und Verbote, Evidenz statt neoliberale Scheuklappen!“.

Es ist ganz eindeutig, dass ein CO2-Preis zwar wichtig ist, aber dass es darüber hinaus natürlich auch Verbote braucht, dass es den ganze politischen Werkzeugkoffer braucht, um diese große Krise in den Griff zu kriegen. Es ist ganz sicher eine falsche Dichotomie, also ein falscher Gegensatz, zu sagen: „CO2-Preis statt Verbote“.

Das Konzept der Neos ist sozial nicht ausgewogen

Wären wir noch in den 90er Jahren, würde ich sagen, eine ökologische Steuerreform ist durchaus sinnvoll, damit kann man umsteuern. Mittlerweile wissen wir, dass das nicht funktioniert, weil die politische Akzeptanz fehlt. Die Leute sehen die Entlastung auf der Lohnsteuerseite kaum, hingegen sehen sie die Belastung an der Zapfsäule sehr wohl. In Deutschland hat man gesehen, die Akzeptanz für so etwas ist nicht groß, es ist sozial nicht ausgewogen, und es funktioniert ganz sicher nicht als Ersatz für Verbote.

Kurzum: Die Neos sind tatsächlich Teil der Lösung. Das ist positiv, aber es ist eine Lösung mit liberalen Scheuklappen. Wir laden die Neos ein, diese Scheuklappen abzunehmen, eine klimapolitische Programmatik zu erarbeiten mit weniger Ideologie und mehr Evidenz, und dass sie tatsächlich auch den Sachverstand berücksichtigen. Denn wir trauen den Neos zu, dass sie Sachverstand über den neoliberalen Hausverstand stellen. In diesem Sinne: Mut für eine neue Programmatik mit weniger neoliberalen Zügen, und dann kann das was werden.

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Sigrid Stagl zur Klimapolitik der Neos

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Lesedauer 3 Minuten.   

Sigrid Stagl ist Professorin für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Hier die Zusammenfassungn ihrer Rede bei der Aktion der S4F am 6. 5. 2024vor der Neos-Parteizentrale

Vor fünf Jahren haben wir, eine Gruppe von Wissenschaftler:innen, Schulnoten an die österreichischen Parteien für ihre klima- und umweltpolitischen Ambitionen im Wahlprogramm vergeben. Damals haben wir den NEOS zusammen mit den Grünen die besten Noten gegeben – zwischen gut und sehr gut. Diese gute Platzierung war damals nicht unumstritten, aber aufgrund des Programms gerechtfertigt. Fünf Jahre später muss ich sagen, dass ich aufgrund der weiteren Verschärfung der Klimakrise und der Verschärfung der sozialen Ungleichheit etwas kritischer geworden bin. Ich möchte daher drei positive und drei kritische Punkte nennen.

Neos sind eine wichtige Stimme für Vernunft und rationale Ansätze

  1. Ich begrüße die Bemühungen der Neos um bessere Bildung, mehr Transparenz und rationale Ansätze. Positiv sind auch die Geradlinigkeit und die erfrischende Rhetorik. Die NEOS sind eine wichtige Stimme für Vernunft und Verantwortung in der österreichischen Politik.
  2. Hervorzuheben ist auch das Eintreten für eine starke Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft und für evidenzbasierte Politik. Dies ist eine wichtige Grundlage für eine problemadäquate Klimapolitik.
  3. Wenn die Neos über Wirtschaft sprechen, meinen sie meist die innovativen Teile der Wirtschaft, nicht die Nachzügler:innen. Darunter sind auch Unternehmer:innen, die sich schon lange klare Vorgaben und eine ambitionierte Klimapolitik wünschen.

Neos setzen auf Marktinstrumente und lehnen Ge- und Verbote ab

Nun zu den kritischen Punkten:

  1. Reinhard Steurer hat es bereits gesagt: Die Neos setzen stark auf marktwirtschaftliche Instrumente und lehnen Gebote und Verbote ab. Marktbasierte Instrumente haben zwar den Vorteil, dass sie die volkswirtschaftlichen Kosten gering halten und Anreize für klimafreundliches Handeln setzen, aber es besteht die Gefahr, dass sie alleine nicht ausreichen, um die drängenden Herausforderungen zu bewältigen. Sicherlich ist die Bepreisung von Kohlenstoff gut und richtig. Wenn aber die Lenkungswirkung fast ausschließlich über sie erzielt werden soll, muss der Kohlenstoffpreis sehr hoch sein, bei 400 oder 500 Euro, um die notwendigen Treibhausgasreduktionen zu erreichen. Derart hohe Preise bedeuten für arme Haushalte drastische Veränderungen, während wohlhabendere Menschen für Teile ihres klimaschädlichen Verhaltens einfach mehr bezahlen. Dies gefährdet den sozialen Zusammenhalt und – aufgrund des besonders hohen ökologischen Fußabdrucks dieser Bevölkerungsgruppe – die Wirksamkeit der Klimapolitik. Verbote und Gebote bei gleichzeitigem Aufbau einer klimafreundlichen Infrastruktur werden als gerechter empfunden und fordern alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen. Statt der unsichtbaren Hand brauchen wir also den unsichtbaren Fuß und den unsichtbaren Handschlag, um den ökologischen Fußabdruck ausreichend zu reduzieren.
  2. Die Neos fordern oft geringe Regulierung und weniger Bürokratie. Märkte bestehen aus sozialen Institutionen, also Regeln. Freie Märkte sind eine Illusion. Es geht nicht darum ob, sondern wie viel und in welche Richtung Märkte reguliert werden sollen. Je komplexer die Wirtschaft und je drängender die Problemlagen, desto mehr Regulierung ist erforderlich. Daher ist für die Zukunft eher mit mehr Regulierung und einer steigenden Rolle für den Staat zu rechnen.
  3. Die Neos befürworten eine liberale Innovationspolitik, um Unternehmen und Startups zu ermutigen, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Mariana Mazzucato zeigte in ihren empirischen Studien zur pharmazeutischen und Elektronikindustrie auf, dass der Staat eine bedeutende Rolle im Innovationsprozess spielt.
    Geschichte: Ohne Regulierungen und Verbote hätte weder die Papierindustrie in den 1980er Jahren aufgehört, Flüsse zu verschmutzen, noch hätte die Atomindustrie aufgehört ihre Abfälle ins Meer zu kippen. Es gäbe keine Autokatalysatoren, keine Entstaubung und Entstickung von Industrieabgasen und kein Ende von ozonzerstörenden FCKW in Spraydosen und des verbleiten Benzins. Oder ein jüngeres Beispiel: Die Abschaffung der energieintensiven Glühbirne. Sie wandelte nur etwa fünf Prozent der Energie in Licht um, der Rest verpuffte als Wärme. Energiesparlampenlampen waren 2009 teuer und unausgereift: grell und wenig gemütlich, brauchten lange, um ihre volle Leuchtkraft zu entfalten und enthielten Quecksilber. Das erschwerte die Akzeptanz für die EU-Entscheidung. Heute dominieren LEDs. von 2010 bis 2017 sanken die Preise um 75 Prozent. Das Verbot führte also zu Innovationen.
    Die Lösung der Umwelt- und Klimaprobleme erfordert die Bereitschaft, evidenzbasiert und ohne ideologische Scheuklappe jene klima- und umweltpolitischen Maßnahmen umzusetzen, welche die besten Erfolgschancen haben. Ich fordere daher NEOS auf, in ihrer gewohnt rationalen Art die Klima- und Umweltprobleme anzugehen und die effektivste Kombination von Instrumenten einzufordern.
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100 Wissenschaftler:innen fordern vor der ÖVP-Zentrale Politik auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse

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An die 100 österreichische Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachrichtungen fordern Politik auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Klimakrise. Bei einer öffentlichen Pressekonferenz am 4. April 2024 machten sie auf das Sicherheitsrisiko durch unzureichende Klimapolitik aufmerksam, und verlangten Politik mit Sachverstand im Super-Wahljahr. “Es geht um die Zivilisation, wie wir sie kennen – um Zivilisationsschutz. Wir hoffen, dass die ÖVP eine einer staatstragenden Partei entsprechende Klimapolitik entwickelt – und das noch vor den EU und NR Wahlen” so Dr. Nicolas Roux von der Universität für Bodenkultur Wien.

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Ungehorsame Wissenschaftler:innen
von Martin Auer

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Immer mehr Klimawissenschaftler:innen kommen zum Schluss, dass es nicht genügt, die Ergebnisse ihrer Forschungen den Regierungen zur Verfügung zu stellen, schreibt Daniel Grossman in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift nature1. Sie sind empört und verzweifelt darüber, dass immer düsterere Prognosen und immer schlimmere Extremwetterereignisse nicht die erforderlichen Handlungen hervorrufen. Als Beispiel zitiert der Beitrag die Geowissenschaftlerin Rose Abramoff und den Astrophysiker Peter Kalmus, die beide mit spektakulären Aktionen Festnahmen und den Verlust ihrer Jobs riskierten.

Kalmus zum Beispiel blockierte im April 2022 zusammen mit drei Kolleg:innen den Zugang zu einer Filiale der Bank J. P. Morgan in Los Angeles, die große Summen in fossile Unternehmen investiert. Er wurde wegen Besitzstörung festgenommen. Gemeinsam mit Abramoff störte er eine Konferenz der American Geophysical Union mit einem Banner der Scientist Rebellion. Abramoff verlor ihren Job beim Oak Ridge National Laboratory in Tennessee. Kalmus wurde von seinem Arbeitgeber Jet Propulsion Laboratory nur verwarnt.

Abramoffs politisches Erwachen geschah 2019, als sie diverse Kapitel des IPCC-Reports begutachtete. Der neutrale Ton des Dokuments, der der Größe der drohenden Katastrophe nicht gerecht wurde, empörte sie. Am 6. April 2022 kettete sie sich während eines Klimaprotests an den Zaun des weißen Hauses. Sie wurde am selben Tag festgenommen wie Kalmus auf der anderen Seite des Kontinents. Seither setzte sie 14 spektakuläre Aktionen, von denen sieben zu einer Festnahmen führten.

Das sind nur zwei Beispiele für eine ständig wachsende Gruppe Gruppe von Wissenschaftler:innen, die sich nicht mehr damit begnügen wollen, ihre erschütternden Erkenntnisse neutral formuliert in Papers und Zeitschriften zu veröffentlichen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Fabian Dablander (Universität Amsterdam)2 hat ergeben, dass 90 Prozent von 9.220 befragten Forscher:innen der Ansicht sind, dass „fundamentale Veränderungen der sozialen, politischen und ökonomischen Systeme notwendig sind“. Für die Studie wurden Forscher:innen in 115 Ländern befragt, die zwischen 2020 und 2022 in wissenschaftlichen Journalen publiziert hatten. Die Befragung wurde an 250.000 Autor:innen verschickt. Studienautor Dablander räumt ein, dass vermutlich ein Ungleichgewicht zugunsten der politisch denkenden Autor:innen besteht, weil die eher bereit sein würden, den Fragebogen auszufüllen und zurückzuschicken. 78 Prozent der Antwortenden hatten Fragen des Klimawandels außerhalb ihrer Kollegenschaft diskutiert. 23 Prozent hatten sich an legalen Protesten beteiligt und 10 Prozent – beinahe 900 Wissenschaftler:innen – an Aktionen des zivilen Ungehorsams.. Der Unterschied zwischen Wissenschaftler:innen, die mit Klimafragen beschäftigt sind und Forscher:innen anderer Disziplinen ist deutlich: An Protesten beteiligten sich 2,5 Mal so viele Klimaforscher:innen wie Nichtklimaforscher:innen. Unter den Teilnehmer:innen an Aktionen des zivilen Ungehorsams überwogen Klimaforscher:innen 4:1.

Eine andere Studie von Viktoria Cologna (Universtät Zürich)3 von 2021 hat ergeben, dass von 1.100 Klimawissenschaftler:innen 90 Prozent sich zumindest einmal öffentlich in Klimafragen engagiert hatten, etwa durch Presseinterviews, Briefings für Entscheidungsträger:innen oder auf Social Media. Oft befürchten Wissenschaftler:innen, dass sie an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie sich politisch äußern. Doch Colognas Studie, die auch Nicht-Wissenschaftler:innen einbezog, ergab, dass 70 Prozent der Deutschen und 74 Prozent der Amerikaner:innen es begrüßen, wenn Wissenschaftler:innen sich aktiv für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen.

Titelfoto: Stefan Müller via Wikimedia. CC BY – Aktivist von Scientist Rebellion, wird von der Polizei nach Brückenblockade unter Anwendung von Schmerzgriffen abgeführt.


1 Großmann, Daniel (2024): Scientists under arrest: the researchers taking action over climate change. In: Nature 626, 710-712 (2024) doi: https://doi.org/10.1038/d41586-024-00480-3, bzw. https://www.nature.com/articles/d41586-024-00480-3

2 Dablander, F., Sachisthal, M. & Haslbeck J. (2024): Going Beyond Research: Climate Actions by Climate and Non-Climate Researchers. Preprint at PsyArXiv https://doi.org/10.31234/osf.io/5fqtr

3 Cologna, V., Knutti, R., Oreskes, N. & Siegrist, M. (2021): Majority of German citizens, US citizens and climate scientists support policy advocacy by climate researchers and expect greater political engagement. In: Environ. Res. Lett. 16, 024011. https://dx.doi.org/10.1088/1748-9326/abd4ac

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