Sigrid Stagl zur Klimapolitik der Neos

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Lesedauer 3 Minuten.   

Sigrid Stagl ist Professorin für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Hier die Zusammenfassungn ihrer Rede bei der Aktion der S4F am 6. 5. 2024vor der Neos-Parteizentrale

Vor fünf Jahren haben wir, eine Gruppe von Wissenschaftler:innen, Schulnoten an die österreichischen Parteien für ihre klima- und umweltpolitischen Ambitionen im Wahlprogramm vergeben. Damals haben wir den NEOS zusammen mit den Grünen die besten Noten gegeben – zwischen gut und sehr gut. Diese gute Platzierung war damals nicht unumstritten, aber aufgrund des Programms gerechtfertigt. Fünf Jahre später muss ich sagen, dass ich aufgrund der weiteren Verschärfung der Klimakrise und der Verschärfung der sozialen Ungleichheit etwas kritischer geworden bin. Ich möchte daher drei positive und drei kritische Punkte nennen.

Neos sind eine wichtige Stimme für Vernunft und rationale Ansätze

  1. Ich begrüße die Bemühungen der Neos um bessere Bildung, mehr Transparenz und rationale Ansätze. Positiv sind auch die Geradlinigkeit und die erfrischende Rhetorik. Die NEOS sind eine wichtige Stimme für Vernunft und Verantwortung in der österreichischen Politik.
  2. Hervorzuheben ist auch das Eintreten für eine starke Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft und für evidenzbasierte Politik. Dies ist eine wichtige Grundlage für eine problemadäquate Klimapolitik.
  3. Wenn die Neos über Wirtschaft sprechen, meinen sie meist die innovativen Teile der Wirtschaft, nicht die Nachzügler:innen. Darunter sind auch Unternehmer:innen, die sich schon lange klare Vorgaben und eine ambitionierte Klimapolitik wünschen.

Neos setzen auf Marktinstrumente und lehnen Ge- und Verbote ab

Nun zu den kritischen Punkten:

  1. Reinhard Steurer hat es bereits gesagt: Die Neos setzen stark auf marktwirtschaftliche Instrumente und lehnen Gebote und Verbote ab. Marktbasierte Instrumente haben zwar den Vorteil, dass sie die volkswirtschaftlichen Kosten gering halten und Anreize für klimafreundliches Handeln setzen, aber es besteht die Gefahr, dass sie alleine nicht ausreichen, um die drängenden Herausforderungen zu bewältigen. Sicherlich ist die Bepreisung von Kohlenstoff gut und richtig. Wenn aber die Lenkungswirkung fast ausschließlich über sie erzielt werden soll, muss der Kohlenstoffpreis sehr hoch sein, bei 400 oder 500 Euro, um die notwendigen Treibhausgasreduktionen zu erreichen. Derart hohe Preise bedeuten für arme Haushalte drastische Veränderungen, während wohlhabendere Menschen für Teile ihres klimaschädlichen Verhaltens einfach mehr bezahlen. Dies gefährdet den sozialen Zusammenhalt und – aufgrund des besonders hohen ökologischen Fußabdrucks dieser Bevölkerungsgruppe – die Wirksamkeit der Klimapolitik. Verbote und Gebote bei gleichzeitigem Aufbau einer klimafreundlichen Infrastruktur werden als gerechter empfunden und fordern alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen. Statt der unsichtbaren Hand brauchen wir also den unsichtbaren Fuß und den unsichtbaren Handschlag, um den ökologischen Fußabdruck ausreichend zu reduzieren.
  2. Die Neos fordern oft geringe Regulierung und weniger Bürokratie. Märkte bestehen aus sozialen Institutionen, also Regeln. Freie Märkte sind eine Illusion. Es geht nicht darum ob, sondern wie viel und in welche Richtung Märkte reguliert werden sollen. Je komplexer die Wirtschaft und je drängender die Problemlagen, desto mehr Regulierung ist erforderlich. Daher ist für die Zukunft eher mit mehr Regulierung und einer steigenden Rolle für den Staat zu rechnen.
  3. Die Neos befürworten eine liberale Innovationspolitik, um Unternehmen und Startups zu ermutigen, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Mariana Mazzucato zeigte in ihren empirischen Studien zur pharmazeutischen und Elektronikindustrie auf, dass der Staat eine bedeutende Rolle im Innovationsprozess spielt.
    Geschichte: Ohne Regulierungen und Verbote hätte weder die Papierindustrie in den 1980er Jahren aufgehört, Flüsse zu verschmutzen, noch hätte die Atomindustrie aufgehört ihre Abfälle ins Meer zu kippen. Es gäbe keine Autokatalysatoren, keine Entstaubung und Entstickung von Industrieabgasen und kein Ende von ozonzerstörenden FCKW in Spraydosen und des verbleiten Benzins. Oder ein jüngeres Beispiel: Die Abschaffung der energieintensiven Glühbirne. Sie wandelte nur etwa fünf Prozent der Energie in Licht um, der Rest verpuffte als Wärme. Energiesparlampenlampen waren 2009 teuer und unausgereift: grell und wenig gemütlich, brauchten lange, um ihre volle Leuchtkraft zu entfalten und enthielten Quecksilber. Das erschwerte die Akzeptanz für die EU-Entscheidung. Heute dominieren LEDs. von 2010 bis 2017 sanken die Preise um 75 Prozent. Das Verbot führte also zu Innovationen.
    Die Lösung der Umwelt- und Klimaprobleme erfordert die Bereitschaft, evidenzbasiert und ohne ideologische Scheuklappe jene klima- und umweltpolitischen Maßnahmen umzusetzen, welche die besten Erfolgschancen haben. Ich fordere daher NEOS auf, in ihrer gewohnt rationalen Art die Klima- und Umweltprobleme anzugehen und die effektivste Kombination von Instrumenten einzufordern.


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