In einem am 11. November in 14 Fachzeitschriften gleichzeitig veröffentlichten Aufruf zum Handeln fordern die Mikrobiologin Raquel Peixoto und ihre Kolleg:innen, dass die Welt „die Macht der Mikrobiologie nutzt“, um den Planeten zu schützen. Von der Verbesserung der Kohlenstoffbindung bis zum Anbau von Biokraftstoffen gibt es eine Vielzahl mikrobenbasierter Lösungen für Klimaprobleme, sagen die Autor:innen – aber diese werden nicht in großem Maßstab effektiv umgesetzt. Es sei an der Zeit, den bürokratischen Aufwand abzubauen, argumentieren sie, und eine globale Task Force zusammenzustellen, die dabei hilft, die besten dieser Mikrobiom-Technologien zu testen, zu finanzieren und einzusetzen.
Beispiele für die Anwendung
Kohlenstoffbindung
Mikrobielle Verbesserung der Kohlenstoffbindung in Böden und Ozeanen
Reduziert den CO2-Gehalt in der Atmosphäre und steigert die Bodenproduktivität
Unterstützt die Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft und die Kohlenstoffspeicherung im Meer.
Methanoxidation
Einsatz von methanotrophen Bakterien um Methan in weniger schädliche Verbindungen zu oxidieren
Senkt die Methan-Emissionen und kann die Entfernung aus der Atmosphäre fördern; mildert ein starkes Treibhausgas.
Anwendung: Deponien, Viehhaltung, Süßwasserkörper im Binnenland; Feuchtgebiete
Bioenergieproduktion
Kultivierung von Algen und anderen Mikroben für die Biokraftstoffproduktion
Liefert erneuerbare Energie; reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen
Anwendung: Produktion von Biokraftstoffen; andere Industrieanwendungen
Biologische Sanierung
Mikrobieller Abbau von Schadstoffen
Verbessert die Umweltgesundheit und die Gesundheit von Organismen; reduziert die Belastung durch Giftstoffe
Anwendung: industrielle Abfallwirtschaft; Sanierung kontaminierter Flächen und Sedimente
Mikrobielle Therapien
Gezieltes Mikrobiom-Management durch mikrobielle Therapien (z. B. Probiotika, Postbiotika, Präbiotika);
Kann schädliche Mikrobiome und die daraus resultierende Umweltzerstörung eindämmen; Kann nützliche Mikrobiome in Wirten und Ökosystemen wiederherstellen. Verbessert die Gesundheit von Organismen und der Umwelt und kann auf nachhaltige Praktiken angewendet werden, was wiederum die Treibhausgasemissionen minimiert.
Anwendung: Wiederherstellung und Sanierung von Wildtierpopulationen und Ökosystemen; nachhaltige Landwirtschaft; menschliche Gesundheit
Stickstoffmanagement
Entwicklung von Nutzpflanzen mit symbiotischen Bakterien zur Fixierung von Stickstoff aus der Atmosphäre: Entwiclung von Pflanzen, die biologische Nitrifikationshemmer produziere
Verbessert die Bodenfruchtbarkeit; reduziert Düngemitteleinsatz; erhöht die Stickstoffnutzungseffizienz der Pflanzen; verringert Eutrophierung und Treibhausgasemissionen
Fossiles Erdgas, welches hauptsächlich aus Methan besteht, ist über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren etwa 85 mal klimaschädlicher als CO2. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre ist in jüngster Vergangenheit so stark angestiegen wie nie zuvor.
Obgleich Erdgas bei der Verbrennung in CO2 (und Wasser) umgewandelt wird, entweichen erhebliche Mengen von Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas in die Atmosphäre. Das hat verheerende Folgen für das Klima. Diese sogenannten Leakages (Lecks) werden viel zu selten berücksichtigt, wenn es um die Klimabilanz von Erdgas geht.
Häufig wird Erdgas als Brückentechnologie und als die klimafreundliche Alternative zu Kohle und Öl dargestellt. Berücksichtigt man jedoch die Methan-Verluste und Emissionen beim Transport, so ist Erdgas ähnlich klimaschädlich wie Kohle. Klar ist, dass für die Stabilisierung des Klimas die Emissionen von CO2 auf null gesenkt werden müssen. Damit ist auch klar, dass Erdgas keine Brücke in die Zukunft darstellt, sondern ein Teil der fossilen Vergangenheit und Gegenwart ist, die wir dringend überwinden müssen.
Die Zeit läuft ab. Bereits in wenigen Jahren werden wir so viel Methan, CO2 und andere Treibhausgase in der Atmosphäre haben, dass die Erwärmung 1,5°C übersteigen wird. Jenseits des 1,5°C-Limits ist die Stabilität des Klimas in Gefahr. Mit jedem weiteren zehntel Grad steigt diese Gefahr weiter an. Ein stabiles Klima ist das Fundament unserer Zivilisation. Ein instabiles Klima bringt sie auf vielfache Weise durch Verteilungskämpfe, Flucht und Krieg ins Wanken und irgendwann zum Einsturz. Unser Handeln in den nächsten Jahren entscheidet, wie groß diese Gefahr für unsere Kinder, Enkelkinder und alle weiteren Generationen sein wird.
Derzeit wird in Europa, auch bedingt durch den menschenverachtenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, in übertriebenem Maße in neue Gasinfrastruktur investiert. Ungeachtet der Lehren, die man aus den Ereignissen des letzten Jahres ziehen müsste, propagieren politische und wirtschaftliche Akteure in Europa bis heute das Festhalten und den Ausbau an Infrastruktur für fossiles Erdgas. Diese Politik ist bar jeder wissenschaftlicher Grundlage und Vernunft und kann nur durch blindes Festhalten an alten Ideologien erklärt werden.
Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Ängste und Befürchtungen all jener, die diese politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen mit Sorge sehen und ihnen aktiv entgegentreten, völlig gerechtfertigt. Der Protest gegen den weiteren Ausbau von Erdgas-Infrastruktur und für einen Ausstieg aus Erdgas sowie allen fossilen Energieträgern auf dem allerschnellsten Weg zeugt von Vernunft, das Festhalten an Kohle, Öl und Gas hingegen zeugt von ideologischer Verblendung. Um diese Verblendung rechtzeitig zu überwinden, sind angesichts der enormen Bedrohungslage und Dringlichkeit sämtliche gewaltfreien Protestformen aus Sicht der unterzeichnenden Wissenschaftler:innen gerechtfertigt.
Unterzeichner:innen
Koordinationsteam der Scientists for Future Wien
Health for Future
Personen
Prof. Dr. Elske Ammenwerth
Univ.-Prof. Dr. Enrico Arrigoni (Technische Universität Graz)
Hon.-Prof. Martin Auer, B.A.
Prof. Dr.phil. Dr.h.c. mult. Bruno Buchberger (Johannes Kepler Universität Linz; RISC; Academy of Europe)
Prof. Dr. Reinhold Christian (geschäftsführender Präsident des Forums Wissenschaft & Umwelt)
Univ.-Prof. Dr. Giuseppe Delmestri (Wirtschaftsuniversität Wien)
Prof. (FH) Dr. Johannes Jäger (Fachhochschule des BFI Wien)
Ao. Univ.-Prof. Dr. Jürgen Kurt Friedel, (Universität für Bodenkultur Wien)
Univ.-Prof. Dr. Barbara Gasteiger Klicpera (Universität Graz)
Univ.-Prof. Dr. Maria-Regina Kecht (Emerita, Rice University, Houston, TX)
Prof.in, Dr. Mag. Sabrina Luimpöck (Fachhochschule Burgenland)
Univ.-Prof. DDr. Michael Getzner (Technische Universität Wien)
Ao Univ.-Prof. Dr. Georg Gratzer (Universität für Bodenkultur Wien – Inst. o. Forest Ecology)
Univ.-Prof.i.R. Dr.techn. Wolfgang Hirschberg (ehem. Technische Universität Graz)
em. Univ.Prof. Dr. Dr.hc Helga Kromp-Kolb (Universität für Bodenkultur Wien)
HS-Prof. Dr. Matthias Kowasch (Pädagogische Hochschule Steiermark)
Univ.-Prof. Axel Maas (Universität Graz)
Univ.-Prof. Dr. René Mayrhofer (Johannes Kepler Universität Linz)
Prof. Dr. Markus Öhler (Universität Wien)
Univ.-Prof. Susanne Pernicka (Johannes Kepler Universität Linz – Inst. f. Soziologie)
Univ.-Prof. Dr. Alfred Posch (Universität Graz)
Univ.-Prof. Volker Quaschning
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Klaus Rieser (Universität Graz)
Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger (Katholische Privatuniversität Linz – Inst. f. Moraltheologie)
Prof. Christa Schleper
Univ.-Prof. Dr. Henning Schluß (Universität Wien – Inst. f. Bildungswissenschaft)
a.o. Univ.-Prof. Dr. Ruth Simsa (Wirtschaftsuniversität Wien)
Prof. Dr. Ulrike Stamm (Pädagogische Hochschule Oberösterreich)
Univ.-Prof. Mag. Dr. Günther Stocker (Universität Wien – Inst. f. Germanistik)
Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Harald Vacik (Universität für Bodenkultur Wien – Inst. f. Waldbau)
Univ.-Prof. Eva Vetter (Universität Wien)
Hon.-Prof. Dr. Johannes Weber (Universität f. angewandte Kunst Wien)
Univ.-Prof. Dr. Dietmar W. Winkler (Universität Salzburg – Theologische Fakultät)
Ernest Aigner, PhD (Wirtschaftsuniversität Wien)
Dr. Ilse Bartosch (ehem. Universität Wien)
Dr.nat.techn. Benedikt Becsi (Universität für Bodenkultur Wien)
Dr. Bernhard Binder-Hammer (Technische Universität Wien)
Dr. Hubert Bratl
Dr. Lukas Brunner (Universität Wien – Inst. f. Meteorologie und Geophysik)
Mag. Dr. Michael Bürkle
Dr. Renate Christ (IPCC Secretariat retired)
Dr. Rachel Dale (Universität f. Weiterbildung Krems)
Assoc. Prof. Dr. Ika Darnhofer PhD (Universität für Bodenkultur Wien – Inst. f. Agrar- und Forstökonomie)
Dr. Monika Dörfler (NUHAG)
Univ.-Prof. Dr. Stefan Dullinger (Universität Wien)
Assoc. Prof. Dr. Kirsten v. Elverfeldt (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
Assoc.-Prof. Dr. Franz Essl (Universität für Bodenkultur Wien – Dep. f. Botanik und Biodiversitätsforschung)
Assoc. Prof. MMag. Dr. Harald A. Friedl (Fachhochschule JOANNEUM – Inst. f. Gesundheit und Tourismus Management)
Dr. Florian Freistetter (Science Buster)
Ass. Prof. Mag. Dr. Herbert Formayer (Universität für Bodenkultur Wien – Inst. f. Meteorologie und Klimatologie)
Dr. Stefan Forstner (Bundesforschungszentrum für Wald, Wien)
Dr. Patrick Forstner (Medizinische Universität Graz)
Dr.in Friederike Frieß (Universität für Bodenkultur Wien)