Obwohl es mehr bewaffnete Konflikte gibt als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg – und es immer mehr Hinweise darauf gibt, dass Krieg schwere und langfristige Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat – zögern Regierungen und Naturschutzorganisationen, das Thema in ihrer Naturschutzpolitik explizit anzusprechen. Das stellt eine Gruppe von Forscher:innen des ukrainischen Umweltministeriums, der gemeinnützigen Organisation Conflict and Environment Observatory und der Naturschutzorganisationen ZSL und WWF Colombia in einem ausführlichen Beitrag in der Zeitschrift Nature fest. Vom 21. Oktober bis 1. November treffen sich Entscheidungsträger:innen in Kolumbien zur 16. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (IPBES), und eines der Themen ist „paz con la naturaleza“ – „Frieden mit der Natur“. Die Teilnehmer:innen sollten sich diesen Slogan zu Herzen nehmen und die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf die Artenvielfalt sowie die Rolle des Naturschutzes bei der Förderung des Friedensaufbaus stärker betonen, sagen die Autor:innen.
Das EU-Renaturierungsgesetz, das bereits vom EU-Parlament im Februar 2024 verabschiedet wurde, zielt darauf ab, nachhaltige Standards im Schutz von Natur und Lebensräumen in Europa zu setzen. Trotz der Unterstützung durch SPÖ, Grüne und NEOS im EU-Parlament wird das Gesetz von den für Naturschutz zuständigen Bundesländern Österreichs blockiert.
Die fehlende Zustimmung Österreichs zum EU-Renaturierungsgesetz blockiert derzeit den Beschluss dieses Gesetzes in ganz Europa. Das Gesetz wäre die Grundlage einer EU-weiten Antwort auf die Klima- und Biodiversitätskrise.
Ein vielfältig zusammengesetztes, weitreichend engagiertes und parteiunabhängiges Unterstützungskomitee hat in Österreich eine Petition für das EU-Renaturierungsgesetz gestartet. Ziel ist, die Blockade durch einige Bundesländer aufzulösen, die bisher die Zustimmung zum Gesetz verweigern, obwohl das Umweltministerium seine Unterstützung zugesichert hat. Diese Maßnahme soll dringend benötigte Dynamik in die Angelegenheit bringen.
Österreichischer Biodiversitätsrat (ÖBDR) verlangt Rücksicht auf Artenschutz bei Energiewende
Wien (OTS) – Österreich hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 den Strombedarf nur noch aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Dieses wichtige Ziel kann und muss unter Berücksichtigung weiterer Nachhaltigkeitsziele, insbesondere dem Schutz der Biodiversität, erreicht werden. Der Österreichische Biodiversitätsrat nimmt die aktuellen Ausbaupläne des Kraftwerks Kaunertal zum Anlass und fordert, das öffentliche Interesse am Naturschutz bei Projekten miteinzubeziehen.
Die Gewässer Österreichs weisen bereits einen sehr hohen Grad an Ausbau mit Wasserkraftwerken auf. Die Errichtung und der Betrieb von Wasserkraftwerken – und das ist die Kehrseite der Medaille – führten aber auch zu irreversiblen ökologischen Schäden. Nur noch 17 % aller Fließgewässer in Österreich werden als sogenannte „freie Fließstrecken“ (ohne Regulierung, Verbauungen und Querbauwerke) geführt. Fließgewässer haben überlebenswichtige Ökosystemfunktionen. Sie erhalten Nährstoffkreisläufe und werden vom Menschen als essenzielle Landschaftselemente zur Erholung, als Einkommensquelle im Tourismus, als Quelle von Trinkwasser oder Nahrung genutzt.
Proteste gegen das TIWAG-Projekt „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“
Optimierungen an bestehenden Wasserkraftanlagen sind nachvollziehbar. Das Projekt „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“ der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) geht jedoch weit über eine Optimierung hinaus. Einwände und das in der wasserwirtschaftlichen Verordnung vorgegebene „Verschlechterungsverbot des jeweiligen Zustandes“ wurden in der Planung und Beurteilung des konkreten Projektes nicht berücksichtigt. Der Österreichische Biodiversitätsrat spricht sich hier strikt gegen die Vernichtung eines der zwei letzten unverbauten Gletscherbachsysteme aus. Im Platzertal würden durch den Bau des geplanten Staudamms großflächige Moore vernichtet werden, welche aufgrund ihrer regionalen und ökologischen Bedeutung nicht gleichwertig kompensiert werden können.
Zielkonflikt „Öffentliches Interesse“
In der österreichischen Rechtsordnung werden die verantwortlichen Landesregierungen zu umfassendem Umweltschutz verpflichtet, Umweltschutz wird als öffentliches Interesse geführt. Der Österreichische Biodiversitätsrat unterstützt den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energie im Sinne der Energiewende, betont jedoch gleichzeitig das öffentliche Interesse am Schutz der Artenvielfalt und Ökosysteme. Für alle Projekte der Energiegewinnung schlägt der Österreichische Biodiversitätsrat die Einbeziehung von Biodiversitätsexpert_innen in Planung und Entwicklung vor.
Der Österreichische Biodiversitätsrat ist die unabhängige Stimme für Biodiversität in Österreich und übernimmt dabei die Vertretung des Netzwerks Biodiversität Österreich (300 teilnehmende Personen und Organisationen). Der Rat besteht aus 27 Forscher_innen und Expert_innen der Bereiche Biodiversität, Ökologie, Landschaftsplanung, Naturschutz, ökologische Ökonomik, Agrarökonomie und Politikwissenschaften.
Rückfragen & Kontakt:
Univ. Prof. Dr. Gabriel Singer, Österreichischer Biodiversitätsrat , 0664 126 6747