Reinhard Steurer zur Klimapolitik der Neos

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Lesedauer 3 Minuten.   

Reinhard Steurer ist Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur. Hier die Zusammenfassungn seiner Rede bei der Aktion der S4F am 6. 5. 2024 vor der Neos-Parteizentrale

Die Neos sind eine liberale Partei rechts der Mitte, die das Problem ernst nimmt

Ich kann mit etwas Erfreulichem anfangen, im Unterschied zum Protest bei der ÖVP. Erfreulich ist, dass bei den Neos Sachverstand durchaus eine Rolle spielt und dass das Sicherheitsrisiko der Klimakrise dieser Partei bewusst ist. Der zweite erfreuliche Punkt ist, dass wir mit den Neos eine liberale Partei rechts der Mitte haben, die sowohl das Problem ernst nimmt, als auch ernst zu nehmende Lösungen anzubieten hat. Das unterscheidet die Neos auch von der liberalen Schwesterpartei FDP, die im EU-Parlament ja in derselben Fraktion ist als ALDE, und die leider wie die ÖVP Märchen erzählt: von E-Fuels für den Verbrennungsmotor, von Wasserstoff in den Heizungen. Diese Märchen habe ich von den Neos zum Glück noch nicht gehört. Das unterscheidet sie tatsächlich, auch von anderen liberalen Parteien in Europa. Und somit ist sie tatsächlich eine Alternative zur ÖVP für jene rechts der Mitte, denen Klimaschutz wichtig ist und die Scheinklimaschutz überwinden wollen.

Die Neos stehen aber in der Tradition des Neoliberalismus

Aber natürlich stehen die Neos als liberale Partei in der Tradition des Neoliberalismus, und der ist eindeutig ein Treiber der Klimakrise. Es ist kein Zufall, dass die Klimakrise etwa seit den 1990er Jahren eskaliert, parallel dazu, dass der Neoliberalismus als globales Modell Erfolge feiert. Mit dieser Interpretation bin ich nicht alleine, da gibt es durchaus prominente Wisenschaftlerkolleg:innen, die das ähnlich sehen. Zum Beispiel Naomi Oreskes, Autorin des Buchs „Merchants of Doubt“ schreibt im Buch „Der Kollaps der westlichen Zivilisation“: „Der Neoliberalismus ist eine Ideologie, und wie jede Ideologie fällt er in der Realität in Schlaglöcher.“ Das heißt, er kriegt Schwierigkeiten, weil die Ideologie nicht unbedingt zur Realität passt. Aus der ideologischen Sicht werfen dann Neoliberale Wissenschaftlern vor, ideologisch zu agieren. Das nennt die Psychologie „Projektion“. Man wirft den anderen das vor, was man selber tut, nämlich ideologisch denken.

Auf die Frage, „Kann ein neoliberale System langfristig agieren?“ sagt Oreskes: „Nein. Weil die neoliberale Anbetung von Deregulierung uns selbst und die Welt vergiftet.“ Das Resultat dieser Deregulierung sehen wir in der Klimakrise, das ist ein Faktum, das der Neoliberalismus maßgeblich mitgestaltet hat. Er ist somit unvereinbar mit einer ökosozialen Marktwirtschaft.

Zum Schluss noch ein Zitat von Kim Robinson, dem Autor des lesenswerten Buches „Das Ministerium für die Zukunft“: „The invisible hand never picks up the check“, also die unsichtbare Hand des Adam Smith bezahlt nie die Kosten. Und damit sich das ändert, braucht es einen ökologischen Handabdruck, der Regulierung einfordert und der die unsichtbare Hand dann lenkt. Deswegen; „ökologischer Handabdruck statt invisible hand“.

CO2-Preis statt Verbotspolitik?

Jetzt würden die Neos wahrscheinlich sagen: „Moment, Moment, wir sorgen ja dafür, dass die externen Kosten beglichen werden, nämlich mit unserem Konzept für einen CO2-Preis.“ Das ist durchaus ambitioniert, aber es steht nach wie vor stark in neoliberaler Tradition, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist das Konzept des CO2-Preises, wie es die Neos vorschlagen – mit einem hohen Preis und Entlastung bei den Lohnkosten – nicht wirklich sozial ausgewogen, weil diejenigen, die wenig Lohnsteuer oder keine Lohnsteuer zahlen, am wenigsten davon profitieren würden. Die hätten dann tatsächlich ein Akzeptanzproblem und würden zu Recht einwenden: „So eine Klimapolitik wollen wir nicht.“

Wenn man die FDP in Deutschland beobachtet, könnte man den Verdacht kriegen, dass das tatsächlich eine bewusste Taktik ist, einen möglichst hohen, politisch fast unmöglichen CO2-Preis anzusetzen, um damit Verbote zu verhindern. Wenn man dann schaut, was die Neos klimapolitisch im Programm haben, dann findet man Programmpapiere wie zum Beispiel eines von Neos-Lab aus dem September 2021 mit dem Titel: „CO2-Preis statt Verbotspolitik – liberale Optionen für Klimaschutz“.Und da müssen wir jetzt korrigierend eingreifen und sagen „Richtig wäre: CO2-Preis und Ge- und Verbote, Evidenz statt neoliberale Scheuklappen!“.

Es ist ganz eindeutig, dass ein CO2-Preis zwar wichtig ist, aber dass es darüber hinaus natürlich auch Verbote braucht, dass es den ganze politischen Werkzeugkoffer braucht, um diese große Krise in den Griff zu kriegen. Es ist ganz sicher eine falsche Dichotomie, also ein falscher Gegensatz, zu sagen: „CO2-Preis statt Verbote“.

Das Konzept der Neos ist sozial nicht ausgewogen

Wären wir noch in den 90er Jahren, würde ich sagen, eine ökologische Steuerreform ist durchaus sinnvoll, damit kann man umsteuern. Mittlerweile wissen wir, dass das nicht funktioniert, weil die politische Akzeptanz fehlt. Die Leute sehen die Entlastung auf der Lohnsteuerseite kaum, hingegen sehen sie die Belastung an der Zapfsäule sehr wohl. In Deutschland hat man gesehen, die Akzeptanz für so etwas ist nicht groß, es ist sozial nicht ausgewogen, und es funktioniert ganz sicher nicht als Ersatz für Verbote.

Kurzum: Die Neos sind tatsächlich Teil der Lösung. Das ist positiv, aber es ist eine Lösung mit liberalen Scheuklappen. Wir laden die Neos ein, diese Scheuklappen abzunehmen, eine klimapolitische Programmatik zu erarbeiten mit weniger Ideologie und mehr Evidenz, und dass sie tatsächlich auch den Sachverstand berücksichtigen. Denn wir trauen den Neos zu, dass sie Sachverstand über den neoliberalen Hausverstand stellen. In diesem Sinne: Mut für eine neue Programmatik mit weniger neoliberalen Zügen, und dann kann das was werden.



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Sigrid Stagl zur Klimapolitik der Neos

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Lesedauer 3 Minuten.   

Sigrid Stagl ist Professorin für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Hier die Zusammenfassungn ihrer Rede bei der Aktion der S4F am 6. 5. 2024vor der Neos-Parteizentrale

Vor fünf Jahren haben wir, eine Gruppe von Wissenschaftler:innen, Schulnoten an die österreichischen Parteien für ihre klima- und umweltpolitischen Ambitionen im Wahlprogramm vergeben. Damals haben wir den NEOS zusammen mit den Grünen die besten Noten gegeben – zwischen gut und sehr gut. Diese gute Platzierung war damals nicht unumstritten, aber aufgrund des Programms gerechtfertigt. Fünf Jahre später muss ich sagen, dass ich aufgrund der weiteren Verschärfung der Klimakrise und der Verschärfung der sozialen Ungleichheit etwas kritischer geworden bin. Ich möchte daher drei positive und drei kritische Punkte nennen.

Neos sind eine wichtige Stimme für Vernunft und rationale Ansätze

  1. Ich begrüße die Bemühungen der Neos um bessere Bildung, mehr Transparenz und rationale Ansätze. Positiv sind auch die Geradlinigkeit und die erfrischende Rhetorik. Die NEOS sind eine wichtige Stimme für Vernunft und Verantwortung in der österreichischen Politik.
  2. Hervorzuheben ist auch das Eintreten für eine starke Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft und für evidenzbasierte Politik. Dies ist eine wichtige Grundlage für eine problemadäquate Klimapolitik.
  3. Wenn die Neos über Wirtschaft sprechen, meinen sie meist die innovativen Teile der Wirtschaft, nicht die Nachzügler:innen. Darunter sind auch Unternehmer:innen, die sich schon lange klare Vorgaben und eine ambitionierte Klimapolitik wünschen.

Neos setzen auf Marktinstrumente und lehnen Ge- und Verbote ab

Nun zu den kritischen Punkten:

  1. Reinhard Steurer hat es bereits gesagt: Die Neos setzen stark auf marktwirtschaftliche Instrumente und lehnen Gebote und Verbote ab. Marktbasierte Instrumente haben zwar den Vorteil, dass sie die volkswirtschaftlichen Kosten gering halten und Anreize für klimafreundliches Handeln setzen, aber es besteht die Gefahr, dass sie alleine nicht ausreichen, um die drängenden Herausforderungen zu bewältigen. Sicherlich ist die Bepreisung von Kohlenstoff gut und richtig. Wenn aber die Lenkungswirkung fast ausschließlich über sie erzielt werden soll, muss der Kohlenstoffpreis sehr hoch sein, bei 400 oder 500 Euro, um die notwendigen Treibhausgasreduktionen zu erreichen. Derart hohe Preise bedeuten für arme Haushalte drastische Veränderungen, während wohlhabendere Menschen für Teile ihres klimaschädlichen Verhaltens einfach mehr bezahlen. Dies gefährdet den sozialen Zusammenhalt und – aufgrund des besonders hohen ökologischen Fußabdrucks dieser Bevölkerungsgruppe – die Wirksamkeit der Klimapolitik. Verbote und Gebote bei gleichzeitigem Aufbau einer klimafreundlichen Infrastruktur werden als gerechter empfunden und fordern alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen. Statt der unsichtbaren Hand brauchen wir also den unsichtbaren Fuß und den unsichtbaren Handschlag, um den ökologischen Fußabdruck ausreichend zu reduzieren.
  2. Die Neos fordern oft geringe Regulierung und weniger Bürokratie. Märkte bestehen aus sozialen Institutionen, also Regeln. Freie Märkte sind eine Illusion. Es geht nicht darum ob, sondern wie viel und in welche Richtung Märkte reguliert werden sollen. Je komplexer die Wirtschaft und je drängender die Problemlagen, desto mehr Regulierung ist erforderlich. Daher ist für die Zukunft eher mit mehr Regulierung und einer steigenden Rolle für den Staat zu rechnen.
  3. Die Neos befürworten eine liberale Innovationspolitik, um Unternehmen und Startups zu ermutigen, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Mariana Mazzucato zeigte in ihren empirischen Studien zur pharmazeutischen und Elektronikindustrie auf, dass der Staat eine bedeutende Rolle im Innovationsprozess spielt.
    Geschichte: Ohne Regulierungen und Verbote hätte weder die Papierindustrie in den 1980er Jahren aufgehört, Flüsse zu verschmutzen, noch hätte die Atomindustrie aufgehört ihre Abfälle ins Meer zu kippen. Es gäbe keine Autokatalysatoren, keine Entstaubung und Entstickung von Industrieabgasen und kein Ende von ozonzerstörenden FCKW in Spraydosen und des verbleiten Benzins. Oder ein jüngeres Beispiel: Die Abschaffung der energieintensiven Glühbirne. Sie wandelte nur etwa fünf Prozent der Energie in Licht um, der Rest verpuffte als Wärme. Energiesparlampenlampen waren 2009 teuer und unausgereift: grell und wenig gemütlich, brauchten lange, um ihre volle Leuchtkraft zu entfalten und enthielten Quecksilber. Das erschwerte die Akzeptanz für die EU-Entscheidung. Heute dominieren LEDs. von 2010 bis 2017 sanken die Preise um 75 Prozent. Das Verbot führte also zu Innovationen.
    Die Lösung der Umwelt- und Klimaprobleme erfordert die Bereitschaft, evidenzbasiert und ohne ideologische Scheuklappe jene klima- und umweltpolitischen Maßnahmen umzusetzen, welche die besten Erfolgschancen haben. Ich fordere daher NEOS auf, in ihrer gewohnt rationalen Art die Klima- und Umweltprobleme anzugehen und die effektivste Kombination von Instrumenten einzufordern.


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