UN-Sonderberichterstatterin Morgera: „Bei der COP gibt es keinen Platz für die Wahrheit“

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Elisa Morgera, UN-Sonderberichterstatterin zu Menschenrechten im Zusammenhang mit dem Klimawandel, äußerte grundsätzliche Kritik am derzeitigen Klimaregime in einem Interview mit dem „Guardian“: „Wir können beobachten, dass einige Staaten nicht in gutem Glauben handeln, was die Grundlage jedes internationalen Regimes ist. Es gibt weitverbreitete Missachtung der Regeln des Völkerrechts, außerdem eine sehr deutliche Abkehr von der Wissenschaft und eine Einschränkung des zivilen Handlungsspielraums auf allen Ebenen. Im Grunde ist die Wahrheit aus dem Gespräch verschwunden. Das ist das Problem – bei der COP gibt es keinen Platz für die Wahrheit.“

Der konsensbasierte, staatlich gesteuerte Prozess würden von mächtigen Kräften dominiert, die falsche Narrative verbreiteten, und von technischen Lösungen, die die Aufmerksamkeit von echten, gerechten Lösungen für die Länder ablenkten, die am wenigsten verantwortlich und am stärksten betroffen seien, sagte die Sonderberichterstatterin.

Für indigene Experten oder für Menschen die über eigene Erfahrung mit Auswirkungen des Klimawandels verfügen und über kulturell gestaltete lokale Lösungen berichten können, sind die Möglichkeiten, sich sinnvoll an den Verhandlungen der COO zu beteiligen, begrenzt. Dies ist laut Morgera eine der größten Schwächen, die behoben werden könnten.

Sie kritisiert auch die dominierende Ansicht, dass eine massenhafte Verhaltensänderung die Lösung sein soll. Das sei eine entstellende Darstellung von Ursachen und Lösungen. Die tiefgehenden, systemischen Ungleichheiten als Grundursachen würden noch immer zu wenig beachtet, und Ungerechtigkeit und negative Auswirkungen des Klimawandels und auch von Klimalösungen auf Menschenrechte würden einzementiert.

Öffentliche Sitzungen sollten bei der COP die Regel sein und indigene Völker, UN-Agenturen und andere Vertreter der Zivilgesellschaft mit unterschiedlichen Wissenssystemen und Evidenzen sollten in der Lage sein, den Staaten in Echtzeit Textvorschläge zu unterbreiten. Die UNFCCC sollte auch für vollständige Transparenz in Bezug auf Unternehmensinteressen sorgen, darunter die Tausenden von Lobbyisten aus den Bereichen fossile Brennstoffe, Agrarindustrie und Kunststoffe, die an den jährlichen Klimagipfeln teilnehmen.

„Nach fast drei Jahrzehnten ist es den UN-Klimagipfeln nicht gelungen, ein sinnvolles, faires Abkommen oder einen Plan für den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle zu erarbeiten“, sagt Morgera. Die Selbstdarstellung der geleisteten Arbeit, der Fortschritte und die übertriebenen Lobhudeleien, mit denen das Sekretariat seine Arbeit bei der Eröffnungssitzung dargestellt hat, findet sie äußerst problematisch.

Morgera und ein UN-Experte für Auslandsschulden verurteilten in einer scharfen Erklärung die Entscheidung, den Kohlenstoffmärkten den Vorzug vor anderen, wirksameren Klimalösungen zu geben. Dass die Regeln dafür am ersten Tag der Konferenz ohne Diskussion verabschiedet wurden, sei ein Verstoß gegen die Regeln gewesen: „Nach 30 Jahren gibt es einfach keine Beweise dafür, dass Kohlenstoffmärkte zur Eindämmung des Klimawandels beitragen oder dabei helfen, Finanzmittel zu mobilisieren.“

Quelle: The Guardian, 7. Jänner 2024

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