Nach einem Überschreiten des 1,5-Grad-Limits muss die Erwärmung so schnell wie möglich zurückgeführt werden, um das Risiko für Kippelemente zu minimieren

Lesedauer 3 Minuten.   

Die derzeitige Klimapolitik birgt ein hohes Risiko für das Kippen kritischer Elemente des Erdsystems, selbst wenn die globale Erwärmung nach einer Zeit der Überschreitung wieder auf unter 1,5 °C beschränkt wird. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature Communications zeigt: Dieses Risiko kann minimiert werden, wenn die Erwärmung rasch wieder umgekehrt wird. Dafür sei die Verringerung der Emissionen im laufenden Jahrzehnt ganz entscheidend, schreiben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) und anderer Institute. Im Zentrum ihrer Studie stehen vier miteinander verbundene zentrale Klima-Kippelemente: Der grönländische Eisschild, der westantarktische Eisschild, die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) und der Regenwald im Amazonas. 

Der menschengemachte Klimawandel kann zu einer Destabilisierung von großräumigen Bestandteilen des Erdsystems wie Eisschilden oder Mustern von Luft- und Ozeanströmungen führen – den sogenannten Kippelementen. Zwar kippen diese Elemente nicht über Nacht, doch werden fundamentale Prozesse in Gang gesetzt, die sich über Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende vollziehen. Diese Veränderungen sind so gravierend, dass ein Überschreiten der Kipppunkte unbedingt vermieden werden sollte, argumentieren die Forschenden. In ihrer neuen Studie untersuchen sie die Risiken einer Destabilisierung mindestens eines Kippelements als Folge des globalen Temperaturanstiegs auf über 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellem Niveau. Ihre Analyse unterstreicht die Folgen heutiger Klimapolitik für kommende Jahrhunderte bis Jahrtausende.

„Auch wenn sich Zeitskalen bis 2300 oder noch weiter in die Zukunft sehr weit weg anfühlen, ist es wichtig, die mit Kippelementen verbundenen Risiken so gut wie möglich aufzuzeigen und zu benennen. Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie entscheidend es ist, Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen und beizubehalten, um Kipprisiken in den kommenden Jahrhunderten und darüber hinaus wirksam zu begrenzen“, erklärt Tessa Möller, eine der Leitautorinnen der Studie und Wissenschaftlerin am IIASA und PIK. „Unsere Berechnungen zeigen: Bleibt es in diesem Jahrhundert beim Stand gegenwärtiger Klimapolitik und bestehender Klimaschutzmaßnahmen, besteht ein hohes Risiko von 45 Prozent, dass mindestens eines der vier untersuchten Elemente bis 2300 kippt.“ 

Mehr als 2 °C Erderwärmung erhöhen das Kipp-Risiko stark

„Wir sehen, dass das Kipp-Risiko mit jedem Zehntelgrad zunimmt, mit dem wir die 1,5 °C überschreiten. Wenn die globale Erwärmung auch noch 2 °C übersteigt, würde das Risiko noch schneller ansteigen. Das ist besorgniserregend, da Szenarien, die sich an der gegenwärtig umgesetzten Klimapolitik orientieren, bis zum Ende dieses Jahrhunderts schätzungsweise zu einer globalen Erwärmung von 2,6 °C führen werden“, sagt Annika Ernest Högner vom PIK, eine der Leitautorinnen.

„Unsere Studie bestätigt, dass Kipp-Risiken als Reaktion auf die Überschreitung der 1,5 °C minimiert werden können, wenn die Erwärmung rasch umgekehrt wird. Eine solche Umkehrung der globalen Erwärmung kann nur erreicht werden, wenn die Emissionen bis 2100 mindestens Netto-Null erreichen, also Emissionen soweit wie möglich reduziert werden und nicht vermeidbare Emissionen der Atmosphäre durch entsprechende Technologien oder natürliche Kohlenstoffsenken wieder entzogen werden. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig die Klimaziele des Pariser Abkommens sind, die Erwärmung auch im Falle einer vorübergehenden Überschreitung von 1,5 °C auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen“, sagt Studienautor Nico Wunderling vom PIK.

Die vier untersuchten Kippelemente regulieren maßgeblich die Stabilität des Klimasystems der Erde. Bislang sind die komplexen Erdsystemmodelle noch nicht in der Lage, das nichtlineare Verhalten, die Rückkopplungen und die Wechselwirkungen zwischen einigen der Kippelemente in vollem Umfang abzubilden. Deshalb nutzen die Forscher ein stilisiertes Erdsystemmodell, um die wichtigsten Eigenschaften und das Verhalten der Kippelemente zu repräsentieren und somit auch die relevanten Unsicherheiten in Kipppunkten und Interaktionen systematisch einzubeziehen. Berücksichtigt wurden dabei auch mögliche künftige stabilisierende Wechselwirkungen, wie die abkühlende Wirkung einer sich abschwächenden AMOC auf die nördliche Hemisphäre.

„Diese Analyse der Kipppunkt-Risiken untermauert erneut, dass wir Risiken unterschätzen und das rechtlich verbindliche Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf ‚deutlich unter 2 °C‘ zu begrenzen, eigentlich bedeutet, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu beschränken. Durch unzureichende Emissionsreduktionen besteht ein ständig wachsendes Risiko, dass diese Temperaturgrenze überschritten wird. Dieses Risiko müssen wir um jeden Preis minimieren, um verheerende Folgen für Menschen auf der ganzen Welt einzudämmen“, fasst PIK-Direktor und Studienautor Johan Rockström zusammen.

Artikel: Tessa Möller, Annika Ernest Högner, Carl-Friedrich Schleussner, Samuel Bien, Niklas H. Kitzmann, Robin D. Lamboll, Joeri Rogelj, Jonathan F. Donges, Johan Rockström & Nico Wunderling (2024): Achieving net zero greenhouse gas emissions critical to limit climate tipping risks. Nature Communications. [DOI: 10.1038/s41467-024-49863-0]

Weblink zum Artikel: https://www.nature.com/articles/41467-024-49863-0

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Aufruf von Wissenschafter:innen an die Menschen in Österreich!

Lesedauer 8 Minuten.   

Liebe Mitmenschen,

Helfen Sie mit, unsere Nahrungsmittel-Versorgung in Österreich zu schützen! Auf Beton wächst kein Getreide und auf Asphalt wächst kein Gemüse! Die Zerstörung österreichischer Anbauflächen durch den Bau von Straßen und Gebäuden hat ein untragbares Ausmaß erreicht und muss jetzt enden. Wissenschafter:innen verschiedenster Disziplinen rufen Sie jetzt dazu auf, gemeinsam eine rote Linie zu ziehen und die ausufernde Bodenversiegelung zu stoppen.

Im Zeitraum von 1999 bis 2020 sind die Ackerflächen in Österreich um 72.000 Hektar geschrumpft. Die verlorene Fläche könnte laut einer Studie des WIFO die Nahrungsmittel-Versorgung mit Ackerfrüchten von knapp einer halben Million Personen (genauer 493.000) sicherstellen. Doch Beton und Asphalt sind nicht die einzigen Gefahren für unsere Ernährung. Dürren, Überschwemmungen, Hagel, Sturm und Frost verursachten allein 2024 bereits landwirtschaftliche Schäden in Höhe von 200 Millionen Euro. Aufgrund der voranschreitenden Klimaerhitzung werden die Schadenssummen weiter steigen. Bis 2050 ist laut einer Studie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit eine Abnahme der Fruchtbarkeit unserer Böden um bis zu 50% im Osten Österreichs und um 19% in ganz Österreich zu befürchten. Unsere Ernährungssouveränität ist damit stark bedroht. Jeder verbleibende Quadratmeter Ackerfläche ist wichtig.

Aus diesem Grund rufen wir Sie dazu auf, gegen die Bodenversiegelung (also das Betonieren oder Asphaltieren von vorher unbebautem Land) und für die Entsiegelung von nicht mehr benötigten Flächen in Österreich aktiv zu werden. Sie können Bürgerinitiativen, Organisationen und Petitionen durch Ihre Mitarbeit, Ihre Spende oder Ihre Unterschrift unterstützen. Sie können sich aber auch an die Partei ihres Vertrauens wenden und dort den Schutz von österreichischen Anbauflächen einfordern. Machen Sie den Politiker:innen in unserem Land klar, dass Ihre Stimme an den Schutz unserer Böden geknüpft ist.

Genau jetzt stellen sich mutige Menschen mit der bezeichnenden Initiative „Vernunft statt Ostumfahrung“ bei Wiener Neustadt den Bautrupps in den Weg. Dort sollen durch eine „Umfahrungsstraße“ und die nachfolgende Erschließung einige der besten Ackerböden Österreichs unter einem weiteren Gewerbegebiet verschwinden. Den betroffenen Bauern droht hier sogar die Enteignung. Dabei bringt die Ostumfahrung auch keine Verkehrs-entlastung. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass der Bau neuer Straßen das Verkehrsaufkommen und damit die Belastungen für die Bevölkerung erhöht, und im Widerspruch zur Erreichung der Klimaziele steht. Statt neuer Straßen braucht es bessere Verkehrskonzepte, eine Wiederbelebung der Ortskerne und dichtere Bebauung.

Trotz politischer Bekenntnisse zur klimaverträglichen, nachhaltigen und gerechten Raumentwicklung, ist der Bodenverbrauch in Österreich mit 11,3 ha pro Tag auf hohem Niveau. Erst, wenn genügend Menschen aktiv werden und sich gegen diese bedrohliche Fehlentwicklung stellen, wird sich daran etwas ändern.

Wenn es gelingt, Projekte wie jenes bei Wiener Neustadt zu stoppen, wäre dies ein kraftvolles Signal an alle Entscheidungs-träger:innen in unserem Land, dass die Zeit der zügellosen Bodenzerstörung zu Ende ist. Unterstützen Sie daher die Initiative „Vernunft statt Ostumfahrung“ und ziehen Sie vor Wiener Neustadt eine rote Linie gegen das weitere Asphaltieren und Betonieren! Setzen Sie sich für den Schutz unserer Böden ein, damit diese weiter all ihre für die Gesellschaft wertvollen Leistungen, von Hochwasserschutz über den Erhalt der Biodiversität bis hin zu Nahrungsmittelproduktion, bereitstellen können!

Wie Sie jetzt aktiv werden können:

Erst-Unterzeichner:innen

  1. Franz Essl, Assoz.-Prof., Universität Wien
  2. Reinhard Steurer, Assoc.Prof., BOKU Wien
  3. Herbert Formayer, Assoc. Prof., BOKU Wien
  4. Dipl.-Ing. Dr. Daniel Huppmann
  5. Dipl.-Ing. Gaby Krasemann, Scientists for Future, Lektorin AAU Klagenfurt
  6. Dipl. Ing. Dr. Christina Hummel, Scientists for Future – Bodenverbrauch
  7. Univ.Prof. Dr. Werner Zollitsch, BOKU Wien
  8. Dipl.-Ing. Barbara Steinbrunner, MSc., Institut für Raumplanung, TU Wien
  9. Dipl. Ing. Dr. Willi Haas, Institut für Soziale Ökologie, BOKU Wien
  10. Karlheinz Erb, Assoc.Prof., Institut für Soziale Ökologie, BOKU Wien
  11. Kyoko Shinozaki, Ph.D., Univ.-Prof.in, Fachbereich Soziologie und Sozialgeographie, Paris Lodron Universität Salzburg
  12. Markus Palzer-Khomenko, M.Sc.
  13. Mag. Dr. René Sedmik, Scientists for Future, TU Wien
  14. Dipl.-Ing. Dr. Andrea Jany, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Uni Graz
  15. Erich Tasser, Priv.Doz. Dr.
  16. DP Dipl.-Ing. Franz Fehr, MSc, UniNEtZ, Universität für Bodenkultur Wien
  17. Martin Schlatzer, Mag., Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL Österreich)

Unterzeichner:innen

  1. Bastian Bertsch-Hörmann, Mag. MSc., BOKU
  2. Prof.(FH) Mag. Dr. Birgit Phillips, MSc., FH JOANNEUM, Graz
  3. Prof. Paul Schanda Institute of Science and Technology Austria
  4. Bruno Buchberger, Dr. Dr.h.c.mult., Prof.em., Johannes Kepler Universität
  5. Gerhard J. Herndl, Univ-Prof. Dr., Universität Wien
  6. Dr. Maria Unterköfler, PhD
  7. Dr. Eva Straus, Department of Work, Economy and Social Psychology, University of Vienna
  8. Dr. Verena Liszt-Rohlf, FH Burgenland
  9. ao. Univ. Prof. i. R. Mag. Dr. Erna Pfeiffer
  10. Bernd Lenzner PhD, Universität Wien
  11. Dr. Katrin Karner, MSc, BOKU Wien
  12. DI Dr. Georg Neugebauer, BOKU Wien
  13. Prof. Dr. Jakob Santner, Justus-Liebig-Universität Gießen, DE
  14. Univ-Assoc. Prof. Dr. Natascha Kleiter, Medizinische Universität Innsbruck
  15. Dr. Beate Apfelbeck, Fachbereich Umwelt und Biodiversität, Universität Salzburg
  16. DI.Dr. H.Peter Degischer, em.Univ.Prof.
  17. Dr. Marion Thuswald, Akademie der bildenden Künste Wien
  18. Doz. Dr. Hanns Moshammer, Medizinische Universität Wien
  19. Univ.-Prof. Dr. Peter Reichl, Fakultät für Informatik der Universität Wien
  20. Dr Heinz Nabielek, ehemals Forschungszentrum Jülich
  21. Mag. Dr. Susanne Hochreiter, Universität Wien
  22. Univ.-Prof. DI Dr. Christian Paulik
  23. Michael Pollak, PhD. TU Wien, Forschungsbereich Human Computer Interaction
  24. Johann Zaller, Assoc. Prof., Institut für Zoologie, BOKU Wien
  25. Christian Wartha, Prof.(FH) Dipl.Ing. Dr., Fachhochschule Burgenland GmbH
  26. Gertraud Malsiner-Walli, Ass.Prof., Wirtschaftsuniversität Wien
  27. Maximilian Sohmen, PhD Med. Univ. Innsbruck
  28. Dipl. Ing. Antje Lehn, Senior Scientist, Akademie der bildenden Künste Wien
  29. Assoz. Prof. Dr. Bernhard Salcher, Fachbereich Umwelt und Biodiversität, Universität Salzburg
  30. DI Dr. Dieter Schmidradler, freischaffender Wissenschaftler aus St. Pölten
  31. Ika Darnhofer, Dr., PhD, Assoz.Prof, Universität für Bodenkultur Wien
  32. Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Harald Vacik, Institut für Waldbau, Universität für Bodenkultur
  33. Dipl.-Ing. Markus Winkler, Zentrum für Bauklimatik und Gebäudetechnik, Universität Krems
  34. Dr. Michael Bürkle, Linguist, Innsbruck
  35. Univ.-Prof. Dr. Axel Maas, Universität Graz, Institut für Physik
  36. Dr. Jana Petermann, Assoz.-Prof., FB Umwelt und Biodiversität, Universität Salzburg
  37. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Spickermann, Universität Graz
  38. Assis.Prof. Dr. Sara Hintze, BOKU Wien
  39. Jennifer Hennenfeind, M.Sc., University of Vienna
  40. Dr. Stephanie Lürzel, BOKU Wien
  41. Dr. Klaus Rheinberger, FH Vorarlberg
  42. Dipl.-Ing.Christina Ipser, Department für Bauen und Umwelt, Universität für Weiterbildung Krems
  43. Stefan Dullinger, Univ.-Prof. Mag. Dr,, Universität Wien
  44. Christof Falkenberg, BA BA MSc., BOKU
  45. DI Elena Beringer, Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit, BOKU University
  46. Prof. Dr. Marianne Penker, BOKU University
  47. DI Dr Christine Rottenbacher Landschaftsökologie und Landschaftsplanung
  48. Manfried Faber, Ao.Univ.-Prof.i.R. Dipl.-Ing. Dr.techn. Atominstitut, TU Wien
  49. Univ. Profin. DIin Lilli Lička, Institut für Landschaftsarchitektur, BOKU
  50. DI Dr. Anna Wawra, Abteilung für Bodengesundheit und Pflanzenernährung, AGES
  51. Dipl. Geoökol. Steffen Kittlaus, TU Wien, Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement
  52. Dr.in DIin  Rita Mayrhofer, Institut für Landschaftsplanung, BOKU
  53. DI Alfred Mar, Int. Gesellschaft für Getreidewissenschaft und -technologie (ICC)
  54. Thomas Brudermann, Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung
  55. Dr. Marie Lisa Kogler, BSc M.Sc., Institut für Umweltsystemwissenschaften, Universität Graz
  56. Dr. E. R. Powell, PhD, MSc (London School of Economics & Political Science)
  57. Univ.Prof.Dipl.Ing.Dr. Matthias Zessner, Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement, TU Wien
  58. Christina Kaiser, Assoc.-Prof. Dr., Universität Wien
  59. Dr. Stephen Sokoloff, pensionierter Universitätslektor Johannes Kepler Unlversität
  60. Dr. Gernot Lechner, Universität Graz
  61. Ismene Fertschai, Senior Lecturer, Institut für Biologie, Universität Graz
  62. Elfriede Kalcher-Sommersguter, Dr., Universität Graz
  63. Dr. Nicolas Roux
  64. Dr. Anja Marie Westram
  65. Prof. Dr. Nils Carqueville, Universität Wien
  66. Dr. Hannes Schmidt, CeMESS, Universität Wien
  67. Univ.-Prof. Dr. Andreas Richter Zentrum für Mikrobiologie & Umweltsystemforschung, Universität Wien
  68. Assoz. Prof. Priv. Doz. Dr. Gregor Gorkiewicz, Medizinische Universität Graz
  69. Nathalie Heldwein, MSc., Center for Microbiology and Environmental Systems Science, Universität Wien
  70. Dr. Carlo Bosi, Paris-Lodron-Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg
  71. Dipl.-Ing. Ulrich Leth, TU Wien, Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik
  72. Maximilian Muhr, MSc, BOKU University
  73. Barbara Smetschka,. Dr. BOKU Wien
  74. Benjamin Fleischmann, MSc., Institut für Soziale Ökologie, BOKU University
  75. Victoria Martin, Msc., Centre for Microbiology and Environmental Systems Science, University of Vienna
  76. Prof. Mag. Martina Tureček, Pädagogische Hochschule Wien
  77. Dipl. Ing. Nikolaus Weber, TU Wien, Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement
  78. Laura-Ainhoa Prischl, M.Sc., Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement, TU Wien
  79. Dipl.-Ing.in Jana Plöchl, Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik, BOKU Wien
  80. Univ.-Prof. Dr. Helmut Haberl, Institute of Social Ecology, BOKU University, Vienna
  81. DI Anne Wübben MSc, Architekturzentrum WIen
  82. Dipl.-Ing. Dr. Renate Hammer, MAS, Ihstitute of Building Research & Innovation
  83. Assoz. Univ.-Prof. Dr. Uwe Monkowius, Johannes Kepler Universität Linz
  84. Katrin Pilz, BSc., Uni Wien
  85. Dipl. Ing. Dr. Ena Smidt
  86. Dr. Klaus Jäger, Biochemiker im Ruhestand
  87. Dr. Ivo Ponocny, Univ.Prof. an der Sigmund Freud Privatuniversität
  88. Mag. Dr. Veronika Gaube, Institute of Social Ecology Vienna (SEC), BOKU
  89. Ass. Prof. MMag. Johannes M. Waldmüller, PhD, Universität Wien & Diplomatische Akademie
  90. PD Dr. Stefan Hagel, ÖAW
  91. Mag. Gerhard Allgäuer, UNI Wien
  92. DIin Aurelia Kammerhofer, Proj.Ass., Institut für Raumplanung, TU Wien
  93. Univ.-Prof. Dr. Christa Schleper, Universität Wien
  94. Prof. Dr. Ulrich Technau, Universität Wien
  95. Malzer Thomas, Dipl.-Ing., Scientists4future
  96. OA Assoz. Prof PD Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter
  97. Harald A. Friedl, Assoz. Prof. (FH), Mag. Mag. Dr., FH JOANNEUM
  98. Fabian Veider, M.Sc., Universität Graz
  99. Irmgard Greilhuber, Ao.Univ.-Prof.Mag.Dr., Dept. für Botanik und Biodiversitätsforschung, Uni Wien
  100. Roswitha Schuller, Dr.phil, Universität für Angewandte Kunst Wien
  101. Dr. Katrin Hagen, Forschungsbereich Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung, TU Wien
  102. Mag. Dr. Sabine Haas
  103. Barbara Klotz, Dr., Medizinische Universität Innsbruck
  104. Martin Rubey, Priv. Doz. Dr., TU Wien
  105. Eva Simon, MSc.
  106. Dr. Rudolf Scheutz
  107. Dr.in Friederike Frieß, Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften, BOKU University
  108. Dip.-Ing. Katharina Trimmel, Nachhaltigkeitsforscherin
  109. Mag. Dr. Verena Plutzar, M.A.
  110. Andreas Ehrmann, MSc, Institute of Science and Technology Austria
  111. Mgr. Nikola Canigova, Institute of Science and Technology Austria
  112. Stefan A. Freunberger, Assistant Professor, Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
  113. Univ.-Prof. Dr. Ernst Langthaler
  114. Professor Nick Barton, IST Austria
  115. Dr. Dieter Maurer
  116. Assoz. Prof. Mag. DDr. Werner Suppanz, Institut für Geschichte – Zeitgeschichte/Universität Graz
  117. Mag.arch. Stefan Breuer, Fachhochschule Kärnten
  118. Pamela Baur, MSc, Universität Wien
  119. Raimundo Julián Saona Urmeneta, M.Sc. Institute of Science and Technology Austria
  120. Dipl.-Ing. Thomas Schreiner, BSc., European Severe Storms Laboratory
  121. Cornelia Rottensteiner, MSc. Centre for Microbiology & Environmental Systems Science, University of Vienna
  122. Dr. Magali Lorion, Institute of Science and Technology Austria
  123. DI Dr. Philipp Rode, Landschaftsarchitektur
  124. Ass. Prof. DI Dr. Eva Schwab, Städtebau TU Graz
  125. Dr.in Brigitte Ratzer, TU Wien
  126. Florian Ortis, M.Sc., Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
  127. Dr. Andreas Weber, M.A., Institut für Soziologie, Universität Wien
  128. Mag. Stefanie Kotrba, MSc., Department für Bauen und Umwelt, Universität Krems
  129. Dipl.-Ing. Gerald Gmachmeir, Johannes Kepler Universität Linz
  130. Anna-Katharina Brenner, BA, MSc, Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung
  131. Brigitte Gottsberger, Dr., Universität Wien, Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
  132. DI Thomas Lewis
  133. Sigi Atteneder, Univ.-Prof. Dr., Sustainable Architecture and Spatial Development, Kunstuniversität Linz
  134. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Benedikt Becsi, University of Natural Resources and Life Sciences
  135. Mag.a Lisa Kaufmann, Institut für Soziale Ökologie, BOKU Wien
  136. DIin Magdalena Bürbaumer MEng., TU Wien, Institut für Raumplanung
  137. Erik Esterbauer, Assoz. Prof. Dr., Universität Mozarteum Salzburg
  138. Mag. Dr. Harald Büchele, Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt
  139. Daniel Hausknost, Assoc.Prof., WU Wien
  140. Dr. Wilhelm Richard Baier, Biologe & Erwachsenenbildner
  141. Dipl.-Ing. Dr. techn. Martin Hagmüller, Technische Universität Graz
  142. Mathias Kirchner, Zentrum für globalen Wandeln und Nachhaltigkeit, BOKU University
  143. DI. (FH) DI. M.C. Kiers, FH JOANNEUM Gesellschaft mbH, Institut Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement
  144. Markus Öhler, Prof. Dr., Universität Wien
  145. Michael Holzer, Univ.-Ass. Mag.rer.nat. PhD., Otto-Loewi Forschungszentrum, Medizinische Universität Graz
  146. Mag.a Katrin Sippel, M.A., Österreichische Gesellschaft für Exilforschung
  147. Univ.-Prof. Mag. Dr. Günther Stocker, Institut für Germanistik, Universität Wien
  148. PD Mag.Dr. Adelheid Kresse, Medizinische Universität Graz
  149. Dr. Christian Peer, Technische Universität Wien
  150. Dr. Elias Tappeiner, Institut für Biomedizinische Bildanalyse, UMIT TIROL
  151. Ferdinand Horvath, PhD, ISTA
  152. Mag.a Birgit Peterson. Lektorin am Institut für Anthroplologie, Universität Wien
  153. Univ.-Prof. Dr. Dietmar W. Winkler, Universität Salzburg
  154. Dr. Anja Hörger, Assoz. Prof., FB Umwelt und Biodiversität, Universität Salzburg
  155. Priv.Doz. Dr. Johannes Tintner-Olifiers, Universität für Bodenkultur, Wien
  156. Mag. Dr. Sarah Lindner, Karl-Franzens-Universität Graz
  157. Mag. Dr. Caroline Linhart Ökologin & Umweltepidemiologin
  158. Univ.-Prof. Dr. Eva Vetter, Universität Wien
  159. Univ.-Prof. Dr. René Mayrhofer, Johannes Kepler Universität Linz
  160. DI(FH) Stefan Übermasser, AIT Austrian Institute of Technology
  161. DI Dr. Mirko Javurek, Johannes Kepler Universität Linz
  162. Univ.Prof. i.R. Dr. Paul Kosma, BOKU
  163. Dr. Peter Sackl, Universalmuseum Joanneum – Zoologie, Graz
  164. DI Dr. Nina Svanda, Institut für Raumplanung, TU Wien
  165. Tobias Pesendorfer, M.Sc., FH Technikum Wien
  166. Cornelia Franz-Schaider Dr., Institut für Biologie, Universität Graz
  167. Theresa Bengough, PhD (sie/ihr)
  168. Mag. Dr. Ines Omann, ÖFSE − Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung
  169. Julian Hörndl, Msc.,  Universität Salzburg
  170. FH-Prof. Dr. Burkhard Stadlmann, FH OÖ, Wels
  171. Dr. Anke Schaffartzik, Ass. Prof., Central European University Vienna
  172. Univ.-Prof. Dr. Alice Pechriggl, Institut für Philosophie, Universität Klagenfurt
  173. Dipl. Ing. Dr. Paul Pfaffenbichler, Senior Scientist, Institut für Verkehrswesen, BOKU University
  174. Michael Kuhn, PhD, Austrian Academy of Sciences und International Institute for Applied Systems Analysis
  175. Patrick Arneitz, Dr., GeoSphere Austria
  176. Dr. Günter Haller
  177. Univ. Prof. Dr. Petra Heffeter, Medizinische Universität Wien
  178. Prof. Mag. Rudolf Hörschinger, Institut für Bildungswissenschaften, PH Salzburg
  179. Dr. Johannes Klackl, Department of Psychology, Paris-Lodron University of Salzburg
  180. Assoc.Prof. Dr. Markus Aichhorn, Technische Universität Graz
  181. Enrico Arrigoni, Univ.-Prof. Dr., TU Graz, Intitut für Theoretische Physik – Computational Physics
  182. Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Klaus Dürrschmid, Institut für Lebensmittelwissenschaften, BOKU Wien
  183. Georg Sebastian Grassler, Dipl.-Ing., Institut für Theoretische Physik, Technische Universität Graz
  184. Nikolaus Müllner, Mag.Dr., Universität für Bodenkultur Wien

Den gesamten Aufruf mit Quellen finden Sie auch hier!

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Eine Bodenstrategie für Österreich

Lesedauer 3 Minuten.   

Von Christina Hummel (Scientists for Future), Barbara Steinbrunner (TU Wien), Maria Baumgartner (TU Graz, FH Joanneum)

Start des längst notwendigen Prozesses zur Reduktion der weiteren Flächenneuinanspruchnahme und Bodenversiegelung bis 2030 – Nun heißt es für die Länder konsequent in die Umsetzung zu gehen!

Überschwemmungen, Verlust wertvoller Ackerflächen, Zerschneidung der Landschaft, Hitzeinseln, ausgedehnte Gewerbe- und Einfamilienhausgebiete rund um leere Ortszentren – die Auswirkungen der fortschreitenden Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung werden immer spürbarer. Mit zunehmendem Verlust von Grünräumen bedrohen wir unsere Lebensmittelversorgung und verlieren Lebensräume, Wasser- und kohlenstoffspeichernde Böden. Damit gefährden wir unsere Daseinsvorsorge und zukünftige Generationen.

Vor diesem Hintergrund haben sich Bund, Länder, Städte und Gemeinden mit der Österr. Raumordnungskonferenz (ÖROK) zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen, gemeinwohlorientierten und gerechten Raumentwicklung bekannt1. Dabei wird eine substanzielle Reduktion der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030 angestrebt. Den Weg dahin soll die Bodenstrategie für Österreich angeben2, welche bis Ende 2022 gemeinsam mit Fachexpert:innen aus Wissenschaft und Verwaltung ausgearbeitet wurde.

Der politische Beschluss wurde mehrmals vertagt, da man sich nicht auf ein quantitatives Ziel einigen konnte.

Im auftraggebenden Umsetzungspakt „Bodenstrategie für Österreich“ wurde gefordert, konkrete, quantitative Ziele auf Bundes-, sowie daran orientierend, auf Länderebene festzulegen. Die Grünen Regierungspartner:innen wollten das bekannte „2,5 ha/Tag-Ziel“ bis 2030 des Regierungsprogramms 2020-20243 verbindlich in die Strategie aufnehmen. Da aber nicht geklärt wurde, wie diese 2,5 ha auf alle Länder und Gemeinden fair aufgeteilt werden, sollte dieses Ziel im Zuge der Strategieumsetzung einer „Plausibilisierung“ unterzogen werden. Dieses Ziel geht auf die Nachhaltigkeitsstrategie 2002 zurück und wurde für 2010 festgelegt – somit ist selbst diese fast 5-fache Reduktion der derzeitigen Flächeninanspruchnahme (~11ha/Tag)4 veraltet.

Verantwortung abschieben, Verwässern, Verzögern

Hitzige Diskussionen, Uneinigkeit, was unter Flächeninanspruchnahme fallen darf, Abschieben der Verantwortung für den Nichtbeschluss und Selbstlob für die politische Errungenschaft eines gemeinsamen Vorgehens prägten den Prozess. Die für die Raumplanung zuständigen Länder und Gemeinden wollten kein Bundesziel akzeptieren und selbst der Bund war sich nicht einig. Die beratende Wirtschafts- und Arbeiterkammer mischten ebenfalls mit. Im Zuge der Verhandlungen wurde der Originalentwurf teilweise umformuliert, um Verbindlichkeiten herauszustreichen: So wurde z.B. aus einer „Verpflichtung“ zu Umsetzung der Maßnahmen eine „Absichtserklärung“, und klare Jahreszahlen für Meilensteine wurden zu vagen Zeiträumen bzw. nach hinten verschoben. Im Februar 2024 beschließen die Länder die Strategie (Stand Juni 2023) ohne den Bund.

Trotz Verwässerung beinhaltet die Strategie wichtige Ziele und bekannte Maßnahmen, die umgesetzt werden sollen:

  1. Schutz von Frei- und Grünland,
  2. Unterbindung der Zersiedelung,
  3. effiziente Innenentwicklung und
  4. Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.5

Der Aktionsplan gibt die Umsetzung der geplanten Maßnahmen bis 2030 an. Ein Meilenstein, ein einheitliches Monitoring der Flächeninanspruchnahme, wurde im Dezember 2023 präsentiert. Weiters sollen finanzielle Instrumente angepasst und Bauland außerhalb von Siedlungsbereichen reduziert werden. Die Strategie gibt an, wie einfach und zeitnah Maßnahmen umsetzbar sind. Während z.B. die Ausweisung landwirtschaftlicher Vorrangzonen rasch und unkompliziert möglich ist, besteht bei der Rückwidmung von Bauland noch Klärungsbedarf bzgl. grund- und verfassungsrechtlicher Umsetzung sowie Möglichkeiten für die Finanzierung von Entschädigungszahlungen.

Langfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft (Netto-Null Flächeninanspruchnahme) angestrebt. Die Strategie bekennt sich zu dem von der EU-Kommission geforderten Ziel bis 20506. Generell ist die Flächenverbrauchshierarchie7 anzuwenden:

  • Vermeiden
  • Wiederverwenden
  • Minimieren
  • Kompensieren

Das bedeutet nicht, dass keine neuen Flächen für wirtschaftliche Aktivitäten oder die Bedürfnisse der Bevölkerung zur Verfügung stehen werden, sondern Flächen zu sparen, dichter zu bauen und bei unvermeidbaren Eingriffen andere Gebiete zu renaturieren/entsiegeln. Dies trägt zu einer höheren Lebensqualität bei (z.B. kurze Wege, innerörtliche Grünräume, Erhalt der für Ernährung notwendigen Flächen).

Eine verbindliche Obergrenze ist notwendig, um die künftige Flächeninanspruchnahme zu reduzieren und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Jedoch sind die gesetzlichen Grundlagen für Flächenkontingente erst zu schaffen. Das betrifft v.a. die räumliche Verteilung zwischen Gemeinden/Ländern sowie die Priorisierung von Nutzungen bei der Vergabe. In der Strategie wird daher die Entwicklung von Methoden für die Ableitung von Zielwerten sowie Klärung der Kompetenzen und rechtlichen Verankerung angestrebt. Mittelfristig sind Pilotprojekte auf regionaler Ebene vorgesehen.

Trotz teils vager Formulierungen und wenig Verbindlichkeit, ist der Beschluss der Bodenstrategie der erste Schritt eines längst notwendigen Prozesses. Die Strategie ist zwar nicht rechtlich, aber politisch bindend. Somit braucht es nun in den Ländern messbare, quantitative Ziele und konkrete Zeithorizonte, damit die „substantielle“ Reduktion der Flächeninanspruchnahme bis 2030 auch umgesetzt wird. Sonst besteht die Gefahr, dass überfälligen Reformen noch weiter hinausgezögert werden. Das können wir uns nicht mehr leisten. Jeder m2 unversiegelter Boden zählt. Österreich ist im Grunde fertig bebaut.8 Die ökonomischen Auswirkungen eines weiteren ungebremsten Bodenverbrauchs sind viel teurer als die kurzfristigen Gewinne9.

Zur Flächenkreislaufwirtschaft fehlen zwar noch Erfahrungen, aber Umsetzungskonzepte sind bekannt, tlw. sogar gesetzlich vorgegeben und sollen auch umgesetzt werden! Wichtig dafür ist die politische und gesellschaftliche Akzeptanz für höhere Bebauungsdichten.

Dafür kann jede:r etwas tun:

  1. Über Bodenverbrauch sprechen: mit Bekannten, Politiker:innen, Gemeinderät:innen
  2. Aktiv werden: z.B. in Bürgerinitiativen
  3. Gute Beispiele teilen: Sanieren, Bauen im Bestand, Mehrfamilienhäuser, erhaltene/neu geschaffene Grünräume sind Erfolge.

Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die Alpenkonvention.


1 ÖROK 2021, Beschluss und Veröffentlichung ÖREK 2030, https://www.oerok.gv.at/oerek-2030

2 ÖROK 2021, Umsetzungspackt “Bodenstrategie für Österreich”, https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie/umsetzungspakt

3 ÖVP & Die Grünen 2020, Regierungsprogramm 2020-2024 “Aus Verantwortung für Österreich”, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html

4 Umweltbundesamt 2022, Bodenverbrauch in Österreich, https://www.umweltbundesamt.at/news221202

5 ÖROK 2023, Bodenstrategie für Österreich (Entwurf) https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie

6 EC 2011, Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa KOM(2011) 571

7 EC 2021, EU-Bodenstrategie für 2030 COM(2021) 699

8 Bundeskammer d. Ziviltechniker:innen 2024, Positionspapier Klima, Boden & Gesellschaft, https://www.arching.at/fileadmin/user_upload/redakteure/Nachhaltigkeit/BKZT_Positionspapier_Klima-Boden-Gesellschaft.pdf

9 WIFO 2023, Auswirkungen des Flächenverbrauchs für die Versorgungssicherheit und steuerliche Instrumente zu dessen Eindämmung, https://www.wifo.ac.at/wp-content/uploads/upload-5834/s_2023_flaechenverbrauch_71122_.pdf

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Studie zu 20 Jahren Klimapolitik: Was wirkt und was nicht wirkt

Lesedauer 3 Minuten.   

1.500 Politikmaßnahmen aus 41 Ländern über 6 Kontinente im ausführlichen Check: Die Ergebnisse einer beispiellosen Analyse klimapolitischer Maßnahmen der letzten 20 Jahre hat ein internationales Forschungsteam jetzt im renommierten Fachjournal Science veröffentlicht. Erstmals liefern die Ökonominnen und Ökonomen damit ein detailliertes Bild zur Wirksamkeit von Politikinterventionen der Vergangenheit und zeigen, dass viele politische Maßnahmen keine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß erzielen. Sie identifizieren nur 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik, die zu nennenswerten Emissionsminderungen von durchschnittlich 19 Prozent geführt haben. Was diese Erfolgsfälle eint und den entscheidenden Unterschied ausmacht: Diese Politikpakete setzen auf die Hebelwirkung von Steuer- bzw. Preisanreizen.

Welche Politikmaßnahmen beim Klimaschutz wirken und welche nicht, wird viel diskutiert. Wissenschaftlich analysiert wurde bislang jedoch lediglich die Wirkung einzelner Politikinstrumente, während hunderte andere umgesetzte Maßnahmen nicht evaluiert wurden. Unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) wollen die Forschenden in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Universität Oxford, der Universität Victoria und der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) diese Lücke jetzt schließen. Der „Climate Policy Explorer“ gibt als begleitendes Dashboard zusätzlichen Überblick über die Ergebnisse, Analyse und Methoden und steht als interaktives Angebot öffentlich zur Verfügung.

„Wir haben uns systematisch wirksame politische Maßnahmen angeschaut, die bislang selten untersucht wurden. Unser Ansatz liefert insbesondere neue Erkenntnisse zur wirksamen Kombination von Klimapolitikinstrumenten. Daraus leiten wir bewährte Best-Practises ab – quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr und sowohl in Industrieländern als auch in den oft vernachlässigten Entwicklungsländern“, erklärt Leitautor Nicolas Koch vom PIK und MCC. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen an. So reicht es zum Beispiel nicht auf Subventionen oder Regulierung allein zu setzen, nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2- und Energiesteuern, können Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden“. Verbote für Kohlekraftwerke im Stromsektor oder von Verbrennerautos im Verkehr sind Beispiele hierfür: Die Forschenden finden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion, wenn das Verbot allein eingeführt wurde. Erst im Tandem mit Steuer- bzw. Preisanreizen führen die Maßnahmen zum Erfolg, wie es etwa für Großbritannien bei der Kohleverstromung oder in Norwegen bei Autos gezeigt wird.

1.500 Maßnahmen aus zwei Jahrzehnten, 63 Erfolgsbeispiele

Die erste systematische Evaluierung von Politikmaßnahmen berücksichtigt mit 1.500 untersuchten Interventionen aus der Zeit 1998 bis 2022 die ganze Palette von Politikinterventionen, von zum Beispiel energetischen Bauvorschriften über Kaufprämien für klimafreundliche Produkte bis hin zu CO2-Steuern. Die Forschenden arbeiten dabei mit einer neuen Datenbank der OECD, die die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der weltweit umgesetzten Klimapolitik darstellt. Ein innovativer Ansatz, der Methoden des maschinellen Lernens mit etablierten statistischen Verfahren kombiniert, ermöglicht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals eine detaillierte Analyse aller erfassten Politiken und identifiziert diejenigen Maßnahmen, welche Emissionsreduktionen im großen Rahmen erzielen konnten. 

„Auch wenn es schwierig bleibt, die Wirkung einzelner Maßnahmen in einem Mix genau zu entschlüsseln, gewinnen wir aus unseren 63 Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen und wie der Erfolg von Instrumenten vom Sektor aber auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängt“, erklärt Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK und MCC. „Wir glauben, dass dieses Orientierungswissen von großer Bedeutung ist, um Politik und Gesellschaft bei der Transformation zur Klimaneutralität zu unterstützen.“  

Interaktiv: Climate Policy Explorer gibt Überblick nach Ländern und Politikmaßnahmen

Diese und weitere Ergebnisse der Studie lassen sich im begleitend veröffentlichten Climate Policy Explorer interaktiv nachvollziehen. Im Industriesektor zeigt das Beispiel China, wie nach der Einführung von Emissionshandelssystemen im Pilotprojekt nach einigen Jahren effektiv Emissionen reduziert werden konnten. Entscheidend waren hier jedoch auch der Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkere Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen. Im Stromsektor stellen die Forschenden deutliche Emissionsreduktionen in Großbritannien heraus, die sowohl auf die Einführung eines CO2-Mindestpreises zurückgeführt werden können, aber auch Teil eines breiteren Politikmixes mit Subventionen für erneuerbare Energien und einem Ausstiegplan aus Kohlekraftwerken waren. Die USA sind ein Beispiel für erfolgreiche Emissionsreduktionen im Verkehrssektor, die unter anderem auf Steueranreize und Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge als auch auf CO2-Effizienzstandards zurückgeführt wird. In Deutschland wird für den Verkehr die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der LKW-Maut in 2005 als Erfolgsfall identifiziert. 
Der „Climate Policy Explorer“ ist unter der Adresse http://climate-policy-explorer.pik-potsdam.de/ als eigenständige Internetseite frei verfügbar und ermöglicht tiefergehenden Einblick in spezifische Länder, Sektoren und politische Maßnahmen.

https://www.science.org/doi/10.1126/science.adl6547

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist eines der weltweit führenden Institute in der Forschung zu globalem Wandel, Klimawirkung und nachhaltiger Entwicklung. Natur- und Sozialwissenschaftler erarbeiten hier interdisziplinäre Einsichten, welche wiederum eine robuste Grundlage für Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft darstellen. Das PIK ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Titelbild: KI, bearbeitet

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Greenwashing: Amazon-Beschäftigte legen „NICHT-Nachhaltigkeitsreport“ vor

Lesedauer 5 Minuten.   

Eine Streikdrohung von Amazon-Beschäftigten im Rahmen des globalen Klimastreiks 2019 veranlasste Amazon, eine „Klimaverpflichtung“ zu veröffentlichen. Nun haben Amazon-Mitarbeiter:innen einen Bericht vorgelegt, in dem sie zeigen, dass Amazons Engagement für Klimaschutz einer näheren Untersuchung nicht standhält.

Im Jahr 2018 hatte Amazon keinen umfassenden Plan zum eigenen Beitrag in der Bewältigung der Klimakrise. Es wurden nicht einmal Daten zum CO2-Fußabdruck veröffentlicht. Also kam eine Gruppe von IT-Arbeiter:innen zusammen und beschloss, das zu ändern. Einen Teil ihres Arbeitslohns hatten sie in Form von Aktien bekommen. Daher versuchten sie, ihre Macht als Aktionär:innen zu nutzen, um als Gruppe eine Resolution einzureichen, in der sie Amazon aufforderten, einen Klimaplan zu veröffentlichen. Sie schrieben und verteilten einen offenen Brief und sammelten über 8.700 Unterschriften von Mitarbeiter:innen. Amazon reagierte mit seiner ersten öffentlichen Klimaverpflichtung, sogar datiert, die den Titel Shipment Zero trug [bis 2030 sollten 50 % aller Sendungen CO2-neutral zugestellt werden]. Es forderte die Gruppe auf, ihre Resolution zurückzuziehen. Als Reaktion bevölkerte diese die jährliche Aktionärsversammlung mit besorgten Mitarbeiter:innen. Unter der Federführung durch den Vorstand wurde die Resolution abgelehnt. Also beschlossen sie, im Rahmen des globalen Klimastreiks 2019 ihren eigenen Streik zu organisieren und sammelten über 1.700 Zusagen von Mitarbeiter:innen aus aller Welt, sich dem Streik anzuschließen.

Am Abend vor dem Streik tat Amazon endlich, was seine Beschäftigen gefordert hatten: Jeff Bezos hielt eine Überraschungspressekonferenz ab und verkündete die Klimaverpflichtung [Climate Pledge]. Die Klimaverpflichtung erfordert von Amazon und jedem Unternehmen, das sie unterzeichnet, bis 2040 in allen seinen Betrieben Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Amazon bekräftigte auch sein Ziel von Shipment Zero (eine Verpflichtung, die es später aufkündigte) und kündigte Initiativen für Elektrofahrzeuge und Wiederaufforstungen an. Und es veröffentlichte zum ersten Mal seine CO2-Bilanzdaten und verpflichtete sich, regelmäßig über CO2-Emissionen zu berichten.

Die Klimaverpflichtung war ein großer Sieg für die Arbeiter:innen und für den Planeten. Dies war auch der Ursprung der Gruppe: Amazon Employees for Climate Justice (AECJ). Aber obwohl der Konzern seitdem jedes Jahr einen glänzenden Nachhaltigkeitsbericht eröffentlicht, erreicht Amazon seine Ziele nicht. Daher fand es die Gruppe an der Zeit, selber einzugreifen. Hier sind einige die wichtigsten Erkenntnisse:

Amazon bewegt sich bei seinem wichtigsten Ziel in die falsche Richtung. Das Unternehmen hat versprochen, bis 2040 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Aber es hat keine Zwischenziele, um dieses Ziel zu erreichen, und seine jährlichen CO2-Emissionen sind seit 2019 um satte 40 % gestiegen. Tatsächlich stößt Amazon mehr CO2 aus als zum Beispiel Österreich, und mehr als die 72 Länder mit den niedrigsten Emissionen zusammengenommen.

Amazon unterschätzt seine CO2-Emissionen dramatisch. Beispielsweise umfassen diese nicht die Lebenszyklus-Emissionen aller Produkte, die das Unternehmen verkauft; hingegen zählt es nur die Emissionen von Produkten der Marke Amazon, die läppische 1 % des Umsatzes ausmachen. Amazon hinkt hinter anderen großen Einzelhändlern wie Target und Walmart zurückliegt, die in ihre Kalkulationen auch die Emissionen von Produkten von Drittanbietern einbeziehen.

Anstatt Transparenz zu praktizieren, hat Amazon still und leise ein Ziel gelöscht, das es nicht erreichen konnte. Ein Investigativreporter fand heraus, dass das Unternehmen sein Ziel „Shipment Zero“, das heißt die Hälfte aller Sendungen bis 2030 auf Netto-Null zu bringen, entfernt und den ursprünglichen Blog-Beitrag gelöscht hat, in dem dieses Ziel angekündigt wurde. Amazon wurde auch aus der Initiative „Science Based Targets Initiative“, die die evidenzbasierten Ziele von Unternehmen validiert, entfernt, nachdem Amazon seiner Verpflichtung zur Teilnahme nicht nachgekommen war.

Auf einer Deponie bei Seattle wurden diese Lebensmittel aus dem „analogen“ Supermarkt Amazon Go gefunden.

Trotz Behauptungen, dass das Unternehmen auf dem besten Weg sei, bald 100 % erneuerbare Energie zu erreichen, ist die Realität, dass seine Rechenzentren die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in die Höhe treiben. Die Untersuchungen der Gruppe zeigen, dass Amazon kreative Buchführung betreibt und sich übermäßig auf minderwertige Zertifikate für erneuerbare Energien (RECs) verlässt. Wenn man sich die Standorte in den USA ansieht, an denen Amazon tatsächlich seine Rechenzentren betreibt, zeigt sich, dass Amazon nur 22 % erneuerbare Energie von den lokalen Versorgungsunternehmen in diesen Regionen bezieht. Und das Unternehmen investiert in den Ausbau von Rechenzentren an Standorten, die stark von Öl, Gas und Kohle abhängig sind – wie Nord-Virginia und Saudi-Arabien.

Amazon verdient Milliarden mit dem Verkauf maßgeschneiderter KI-Dienste an fossile Brennstoffunternehmen und hilft ihnen, mehr Öl und Gas zu fördern. Es ist davon auszugehen, dass Amazon Web Services (AWS) im nächsten Jahr allein mit der Öl- und Gasindustrie jährlich 9,6 Milliarden US-Dollar verdienen könnte – etwa 10 % des AWS-Umsatzes.

Amazons aktuelle Verpflichtungen für Elektrofahrzeuge werden wahrscheinlich nicht einmal ein Drittel der Pakete abdecken, die das Unternehmen im Jahr 2030 zustellen soll. Amazons bestehende Einsätze von Elektrolieferfahrzeugen decken nur Fahrten für etwa 2 % der Pakete ab, die es im letzten Jahr ausgeliefert hat.

Amazons Lagerhäuser verursachen massive Luftverschmutzung, die vor allem die umliegenden Communitys von People of Color betrifft. Bei 69 % der Amazon-Lagerhäuser in den USA leben im Umkreis von einer Meile mehr People of Color als im Rest der Region.

Der Bezirk San Bernardino, ein Gebiet voller Amazon-Lagerhäuser, wurde als das Gebiet mit der schlimmsten Ozonverschmutzung in den USA eingestuft und litt kürzlich an durchschnittlich 175 Tagen im Jahr unter ungesunder Luft. Wie kann Amazon behaupten, gegenüber der Umwelt und den Gemeinden verantwortlich zu sein, wenn seine Geschäftsaktivitäten die Asthma-, Herzkrankheits-, Lungenkrebs- und vorzeitigen Todesfälle in den umliegenden Gemeinden in die Höhe treiben?

Amazon-Lager- und Liefer-Arbeiter:innen leiden unter extremer Hitze. Als Reaktion auf die Beschwerden von Arbeiter:innen in einem Lager in San Bernardino behauptete das Unternehmen, dass die Temperaturen in der Anlage nie 25 Grad Celsius überschritten hätten. Arbeiter:innen schmuggelten Thermometer hinein und registrierten Temperaturen von bis zu 32 Grad im Lager, 35 Grad in Lastwagen und 49 Grad auf dem Rollfeld, wo die Arbeiter:innen einen Großteil ihrer Tage damit verbrachten, Flugzeuge zu entladen. Das Amazon-Management verteilte in Chicago Eis am Stiel, anstatt eine Klimaanlage zu installieren, weigerte sich, kaputte Ventilatoren in der Region Seattle zu reparieren, und weigerte sich sogar am Standort Bessemer, Alabama, die vorhandenen Ventilatoren einzuschalten. Extreme Hitze ist eine Frage von Leben und Tod – Arbeiter:innen in New Jersey sind während Hitzewellen zusammengebrochen und gestorben. Wie kann Amazon behaupten, dass es danach strebt, „der sicherste Arbeitsplatz der Welt“ zu sein, während es die Arbeiter:innen bei extremem Wetter um angemessene Bedingungen betteln lässt?

Amazon-Lagerarbeiter:innen fordern das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren,, um sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren zu können.

Die Verletzungsraten für schlecht bezahlte Logistik-Arbeiter:innen bei Amazon gehören zu den höchsten in der Branche. Amazons Verletzungsrate ist fast dreimal so hoch wie die von Walmart. Über 40 % der Lagerarbeiter:innen bei Amazon berichten von Arbeitsunfällen. Unterdessen wendet Amazon beträchtliche Ressourcen auf, um die Versuche der Arbeiter:innen zu unterdrücken, sich zusammenzuschließen und sicherere Arbeitsbedingungen zu fordern. Amazon stellt sogar die Existenz des National Labor Relations Board, der US-Bundesbehörde, die das Recht der Arbeiter:innen auf Mitsprache am Arbeitsplatz durchsetzt, rechtlich in Frage. Wie kann Amazon behaupten, es strebe danach, „der beste Arbeitgeber der Welt zu sein“, während es gleichzeitig versucht, den Arbeiter:innen jegliche Rechtsmittel zu entziehen, wenn ihre Rechte verletzt werden?

Der Bericht enthält auch Verbesserungsvorschläge und Visionen für einen ehrlicheren und nachhaltigeren Plan für die Zukunft. Die Verfasser:innen rufen auf:

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1. August: Welterschöpfungstag

Lesedauer 2 Minuten.   

Am 1. August 2024 hat die Menschheit die Ressourcen, die die Erde in einem Jahr zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht. Ab dann leben wir auf Kosten zukünftiger Generationen. Zu sagen „die Menschheit“ ist allerdings zu einfach. Denn verschiedene Menschen in verschiedenen Weltgegenden haben einen sehr unterschiedlichen Ressourcenverbrauch. Die Differenzierung nach Ländern gibt da einen Einblick, wenn es natürlich auch innerhalb eines einzelnen Landes große Unterschiede gibt. Länder wie Quatar, Luxemburg oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihren Anteil schon im Februar aufgebraucht. Aber Österreich liegt da nicht weit zurück: Österreich hat die ihm zustehenden Ressourcen schon am 7. April verbraucht, Am längsten kommen Jamaica, Irak, Ecuador und Indonesien aus. Aber auch nicht unbedingt aus ökologischer Einsicht, sondern wegen der dort herrschenden Armut.

Die Entwicklung des Welterschöpfungstags seit 1971

Nach der Definition des Global Footprint Network von 2017 soll ein ökologischer Fußabdruck von unter 1,5 globalen Hektar und ein HDI ( Index der menschlichen Entwicklung) von über 0,7 als nachhaltig gelten. Nach dieser Definition erreichen nur sieben Lönder diese Kriterien: Philippinen (Ökologischer Fußabdruck 1,17 – HDI 0,71), der Staat Palästina (0,65 – 0,72), Jordanien (1,37 – 0,72), Ägypten (1,47 – 0,73), Tunesien (1,37 – 0,74), Sri Lanka (1,04 – 0,78) und Bahamas (1,44 – 0,81).

Der HDI ist ein Index für Gesundheit (gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung), Bildung (gemessen an der durchschnittlichen Dauer des Schulbesuchs) und Einkommen (Bruttonationaleinkommen pro Kopf). Da diese Maßzahlen sehr ungleich verteilt sein können, gibt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) den ungleichheitsbereinigten Index der menschlichen Entwicklung (IHDI) heraus.

Und hier schneiden die Philippinen (0,57), Palästina (0,58), Jordanien (0,617), Ägypten (0,52), Tunesien (0,58), Sri Lanka (0,68) und Bahamas (0,66) nicht so gut ab. Mit anderen Worten: Kein Land der Welt schafft es derzeit, seinen Bürger:innen ein gutes Leben bei einem verträglichen Ressourcenverbrauch zu ermöglichen. Österreich zum Beispiel mit einem einem IHDI von 0,86 an 15. Stelle, steht beim ökologischen Fußabdruck an 31. Stelle gleich hinter Saudi Arabien, Russland und Australien.

Titelbild: Global Footprint Network, https://www.footprintnetwork.org/our-work/earth-overshoot-day/

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Das ’stille Sterben‘ von Weidelandschaften bedroht Klima, Ernährung und Wohlergehen

Lesedauer 4 Minuten.   

Die Verschlechterung von ausgedehnten, oft weitläufigen natürlichen Weidelandschaften durch Überlastung, missbräuchliche Nutzung, Klimawandel und Biodiversitätsverlust stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Nahrungsmittelversorgung und das Überleben von Milliarden von Menschen dar, warnen die Vereinten Nationen in einem umfassenden Bericht vom Mai 2024.

Bis zu 50 % der globalen Weideflächen sind degradiert, sage die Autor:innen des Global Land Outlook Thematic Report on Rangelands and Pastoralists, der in Ulanbaatar (Mongolei) von der UN Wüstenkonvention (UNCCD) vorgestellt wurde. Zu den Symptomen dieser Verschlechterung gehören verminderte Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffversorgung, Erosion, Versalzung, Alkalisierung und Bodenverdichtung, die das Pflanzenwachstum hemmt. Dies führt unter anderem zu Trockenheit, Niederschlagsschwankungen und dem Biodiversitätsverlust über und unter der Erde.

Ursachen sind vornehmlich die Umwidmung von Weideland in Ackerland und andere Landnutzungsänderungen aufgrund von Bevölkerungswachstums und Verstädterung, steigendem Bedarf an Nahrungsmitteln, Faserprodukten und Biotreibstoffen; Überweidung; Aufgabe von Weideflächen und durch die Politik vorangetriebene Übernutzung der Flächen.

Die Bedeutung von Weideland

In die Kategorie „Weideland“ fallen natürliche Graslandschaften, die von Vieh und Wildtieren als Weide- und Futterfläche genutzt werden, so auch Savannen, Buschland, Feuchtgebiete, Tundra und Wüsten.

Zusammengenommen machen diese Flächen 54 % der gesamten Landbedeckung aus, liefern ein Sechstel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers der Erde dar.

„Die Umgestaltung alter Weideflächen geschieht in aller Stille und ruft kaum öffentliche Reaktionen hervor“, sagt UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.

„Obwohl sie weltweit schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen ausmachen, werden die Hirtengemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen, die sich direkt auf ihren Lebensunterhalt auswirken, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als Außenseiter:innen in ihrem eigenen Land betrachtet.“

Insgesamt sind zwei Miliarden Menschen – Kleinhirt:innen, Viehzüchter:innen und Landwirt:innen – oft vulnerabel und ausgegrenzt – sind weltweit von intakten Weideflächen abhängig.

Der Bericht unterstreicht, dass paradoxerweise gerade die Bemühungen zur Erhöhung von Ernährungssicherheit und Produktivität durch Umwandlung von Weideflächen in Ackerland in den meisten trockenen Regionen zu einer Verschlechterung der Bodenqualität und zu geringeren landwirtschaftlichen Erträgen geführt haben. Weiter werden „schwache und ineffektive Regierungsführung“, „schlecht umgesetzte Politiken und Vorschriften“ und „fehlende Investitionen in Weidelandgemeinschaften und nachhaltige Produktionsmodelle“ als Gründe für die Zerstörung von Weideland genannt.

Laut der mehr als 60 Experten aus über 40 Ländern liegen die bisherige Schätzung der weltweiten Degradierung von Weideland – 25 % – deutlich zu niedrig und könnten tatsächlichen bis zu 50 % betragen.

Der Nutzen von Weideland und seine Funktionsweise werden oft schlecht verstanden, und Mangel an verlässlichen Daten verhindert größtenteils die nachhaltige Bewirtschaftung dieser für Nahrungsmittelversorgung und Klimaregulierung immens wertvollen Flächen.

Wichtigste Empfehlung: das Hirtenwesen schützen

Der Bericht stellt einen innovativen Ansatz vor, der es politischen Entscheidungsträger:innen ermöglichen würde, Weideland zu sichern, wiederherzustellen und zu verwalten.

Der neue Ansatz stützt sich auf Erfahrungen, die in Fallstudien aus fast allen Regionen der Welt zusammengetragen wurden, und zieht wichtige Lehren aus Erfolgen und Misserfolgen in der Weidewirtschaft.

Eine zentrale Empfehlung lautet: Schutz des Hirtenwesens, einer Jahrtausende alten mobilen Lebensform, die sich auf die weidebasierte Zucht von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden, Kamelen, Yaks, Lamas und anderen domestizierten Pflanzenfressern sowie halbdomestizierten Arten wie Bisons und Rentieren konzentriert.

Die weltweit am stärksten von der Verschlechterung der Weideflächen betroffenen Gebiete, in absteigender Reihenfolge:

Zentralasien, China, Mongolei Privatisierung und Agrarindustrialisierung hat die Hirt:innen von unzureichenden natürlichen Ressourcen abhängig gemacht, mit dem Resultat einer weit verbreiteten Degradation. Die allmähliche Wiederherstellung der traditionellen, gemeinschaftsbasierten Weidewirtschaft führt zu deutlichen Fortschritten bei der nachhaltigen Bewirtschaftung.

Nordafrika und Naher Osten Die Auswirkungen der Klimakrise in einer der trockensten Regionen der Welt treiben die Hirt:innen in die Armut durch Verschlechterung von lebensnotwendigen Weideflächen. Die Modernisieriung traditioneller Einrichtungen wie Agdals (Futterreservoirs, die zwischenzeitliche Regeneration natürlicher Ressourcen ermöglichen) und unterstützende Maßnahmen verbessern die Bewirtschaftung der Weideflächen.

Sahel und Westafrika Konflikte, Machtverhältnisse und Grenzfragen haben die Mobilität der Viehherden unterbrochen und zu einer Verschlechterung der Weideflächen geführt. Einheitlichere Maßnahmen, Anerkennung der Rechte von Viehzüchter:innen und grenzüberschreitende Vereinbarungen helfen, die essentielle Mobilität der Viehzüchter:innen wiederherzustellen.

Südamerika Klimakrise, Entwaldung (insb. durch industrialisierten Landwirtschaft und Bergbau) sowie die Umwidmung sind in Südamerika die Hauptursachen für die Verschlechterung der Weideflächen. Multifunktionalität und Vielfalt in Weidesystemen sind daher der Schlüssel zur Wiederherstellung einiger der bedeutendsten Weideländer der Welt (etwa Pampa, Cerrado– und Caatinga-Savannen und die Puna in den peruanischen Anden.).

Ostafrika Migration und Zwangsumsiedlung bedingt durch konkurrierender Landnutzungen (Jagd, Tourismus usw.) vertreiben die Hirt:innen, was die Degradierung der Weideflächen zur Folge hat. Von Frauen geführte Initiativen und verbesserte Landrechte sichern den Lebensunterhalt der Hirt:innen, schützen die Biodiversität und sichern die Ökosystemleistungen von Weideland.

Nordamerika Die Zerstörung traditioneller Graslandschaften und trockener Weideflächen bedroht die Artenvielfalt typischer nordamerikanischer Ökosysteme wie der Hochgrasprärien oder der südlichen Wüsten. Die Einbeziehung der indigenen Bevölkerung in die Bewirtschaftung von Weideland ist ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der historischen Landschaften.

Europa Die Förderung industrielle Landwirtschaft gegenüber der Weidewirtschaft sowie falsche Anreize führen zur Aufgabe und Verschlechterung von Weideland und anderer offener Ökosysteme. Doch zugleich können politische und wirtschaftliche Unterstützung, einschließlich rechtlicher Anerkennung und Differenzierung, zur Trendwende beitragen und damit beispielsweise zunehmende Häufigkeit und Intensität von Waldbränden und den Klimawandel eindämmen.

Südafrika und Australien Aufforstung, Bergbau und die Umwandlung von Weideflächen in andere Nutzungen führen zu einer Verschlechterung und zum Verlust von Weideflächen. Die gemeinsame Schaffung von Wissen durch Erzeuger und Forscher sowie die Achtung und Nutzung des traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften eröffnen neue Wege zur Wiederherstellung und zum Schutz von Weideland.

Paradigmenwechsel

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass ein Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftung auf allen Ebenen – von der Basis bis zur globalen Ebene – erforderlich ist, um die Verschlechterung aufzuhalten.

Pedro Maria Herrera Calvo, Hauptautor des Berichts: „Die sinnvolle Beteiligung aller Interessengruppen ist der Schlüssel zu einer verantwortungsvollen Bewirtschaftung von Weideland, die kollektives Handeln fördert, den Zugang zu Land verbessert und traditionelles Wissen und praktische Fähigkeiten einbezieht“.

Die Lösungen müssen auf die stark variierenden Merkmale und die Dynamik der Weidegebiete zugeschnitten sein. Darüber hinaus fordert der Bericht, dass Hirt:innen ihren Erfahrungsschatz aktiv einbringen und einbezogen werden, von der Planung über die Entscheidungsfindung bis hin zur Verwaltung. Häufig, so der Bericht, unterschätzen herkömmliche Bewertungsmethoden den tatsächlichen wirtschaftlichen Beitrag von Weideland und Hirtentum.

Die wichtigsten Empfehlungen:

  • Strategien zur Klimawandelabschwächung und -Anpassung und nachhaltige Bewirtschaftung von Weideland integrieren, um die CO2 Bindung und Speicherung zu erhöhen und die Widerstandsfähigkeit von Hirten- und Weidelandgemeinschaften zu stärken
  • Vermeidung oder Verringerung von Landnutzungsänderungen, die die Diversität und Multifunktionalität von Weideland beeinträchtigen, insbesondere auf indigenem und kommunalem Land
  • Maßnahmen zur Erhaltung von Weideland innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten, um die Biodiversität über und unter der Erde zu fördern und die Gesundheit, Produktivität und Widerstandsfähigkeit extensiver Viehhaltungssysteme zu stärken
  • Strategien und Praktiken stärken, die auf der Weidewirtschaft basieren und dazu beitragen, Schäden für die Gesundheit der Weideflächen, wie Klimawandel, Überweidung, Bodenerosion, invasive Arten, Dürre und Waldbrände, zu mindern
  • Förderung einer unterstützenden Politik, einer umfassenden Beteiligung der Bevölkerung und flexibler Verwaltungs- und Governance-Systeme, um die Leistungen von Weideland und Hirtentum für die gesamte Gesellschaft zu stärken.

Quelle: https://www.unccd.int/news-stories/press-releases/silent-demise-vast-rangelands-threatens-climate-food-wellbeing-billions

Der vollständige Bericht hier zum Downloade (Englisch): https://www.unccd.int/resources/global-land-outlook/glo-rangelands-report

Titelbild: Wüste Gobi, Mongolei, HBieser über Pixabay

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Das System geht aus den Fugen: zur Neuerscheinung „Kapitalismus am Limit“ von Ulrich Brand und Markus Wissen

Lesedauer 7 Minuten.   

von Martin Auer

Alle reden vom Klima, aber niemand redet vom Sand. Sand gibt es doch wie Sand am Meer. Leider nein. Wenn die Bautätigkeit so weiter geht wie bisher, gibt es 2050 keinen für die Zementherstellung brauchbaren Sand mehr. Schon jetzt ist Sand knapp und so teuer, dass kriminelle Banden minderwertigen und illegal geförderten Sand an die Bauindustrie verkaufen. Absurd, oder? Tatsächlich gibt es nur eine Ressource, von der wir mehr verbrauchen: Wasser. Und auch das wird knapp, nämlich das Wasser im Boden. Und wer redet von der Phosphorkrise? Phosphor ist Bestandteil allen organischen Lebens. Deshalb braucht man ihn ja für Düngemittel. Der Preis von Rohphosphor hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Die Vorräte reichen noch 300 Jahre – wenn’s gut geht. Wenn nicht, dann noch 100 Jahre. Das sind nur ein paar der Krisen, von denen weniger gesprochen wird als von der Klimakrise und dem Artensterben. Bei letzterem geht es übrigens nicht nur um Tiger und Eisbären. Das Artensterben findet zu einem großen Teil unter den Bodenlebewesen statt, die die Erde erst fruchtbar machen. Und die letzte Pandemie hat uns allen vor Augen geführt, dass das immer tiefere Vordringen in noch unberührte Natur uns vom Tier auf den Menschen überspringenden Krankheiten aussetzt, die sich wie Buschfeuer um den Globus verbreiten und auch vor Reichen und Mächtigen nicht Halt machen.

Alle diese Krisen belegen, dass wir mit unserem Ressourcenverbrauch und unserem Verbrauch an Senken für unsere Abfälle (z . B. CO2) am Limit sind. Wir? Wer oder was hat uns an diese Grenzen, beziehungsweise schon weit über die ökologischen Belastungsgrenzen hinaus geführt? Bei der dreitägigen „Beyond Growth Konferenz“, die als Teil eines EU-Projekts kürzlich in Wien stattgefunden hat (Die Eröffnung war im Parlament unter den Auspizien des Bundespräsidenten und des Parlamentspräsidenten), waren sich die Mehrheit der Speaker und des Publikums einig: Der kapitalistische Wachstumszwang ist es, der uns ans Limit gebracht hat.

Ulrich Brand und Markus Wissen
© Bärbel Högner | © SBK

Kapitalismus am Limit“ heißt auch das neue Buch der Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen. Bekannt geworden sind die beiden Autoren durch ihren Bestseller von 2017 über die „Imperiale Lebensweise„. Die Autoren behaupten nicht, dass das Ende des Kapitalismus unmittelbar bevorsteht. Sie zeigen auf, wie der Kapitalismus seine eigene Existenz untergräbt. Die billige Natur, an der er sich Jahrhunderte lang bedient hat, ist teuer geworden, Ressourcen sind heftig umkämpft. Viele Staaten wollen ihre Ökonomien dekarbonisieren. Gerade das führt aber dazu, dass geopolitische Rivalitäten sich immer mehr an Rohstoffen, die für eine ökologische Modernisierung notwendig sind, entzünden. Öko-imperiale Spannungen nennen das die Autoren. Lange Zeit konnten die Krisen verborgen, das heißt externalisiert werden. Die sozial-ökologischen Kosten wurden dem globalen Süden aufgehalst; den Frauen im Süden wie im Norden, die unbezahlte Reproduktionsarbeit (Care, Sorgearbeit) leisten; und den künftigen Generationen. Immer neue Sphären der Rohstoff-Extraktion wurden erschlossen (zum Beispiel die Tiefsee). Doch auf allen diesen Gebieten wird es eng. Aufstrebende Ökonomien wie die chinesische oder die indische konkurrieren mit den alteingesessenen kapitalistischen Ökonomien sowohl um Rohstoffe als auch um Märkte. Immer mehr Gruppen wehren sich dagegen, sich die Kosten aufhalsen zu lassen. Frauen wehren sich dagegen, dass sie die Last der unbezahlten Care-Arbeit tragen sollen, indigene Völker kämpfen gegen Bergwerksbetriebe und Ölförderungen, die ihre Umwelt bedrohen. Umweltbewegungen beschränken sich nicht mehr auf Appelle an „die Politik“ sondern wehren sich aktiv, etwa durch Besetzungsaktionen wie die mehr als ein Jahr dauernde Besetzung des Dorfes Lützerath, das einem Braunkohle-Tagebau weichen sollte. Im globalen Süden wird die Forderung nach Reparationen für die Folgen des Klimawandels und die Schäden durch den Kolonialismus immer lauter.

Fossiler oder grüner Kapitalismus?

Während konservative Kräfte sich für den Fortbestand der fossilen Wirtschaft einsetzen, setzen andere auf einen „grünen Kapitalismus“, der ohne ständig steigenden Verbrauch von Ressourcen und Senken auskommen soll. Sie setzen auf Digitalisierung, CO2-Abscheidung und Speicherung, das E-Auto, Effizienzsteigerung, Recycling, und so weiter. Davon versprechen sie sich – und uns – eine Abkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch. Ein ganzes Kapitel widmen die Autoren dem European Green Deal. Doch „grünes Wachstum“ findet nicht statt. Es gibt zwar Gebiete und Zeiträume, in denen die CO2-Emissionen zurückgehen während das Brutto-Inlandsprodukt wächst, doch dieser Rückgang ist weit von dem entfernt, was für die Klimaneutralität Mitte des Jahrhunderts notwendig wäre. Die Extraktiomn von Bodenschätzen wird von Kohle, Öl und Gas auf Kupfer, Bauxit, Lithium, Kobalt, seltene Erden usw. verlagert, und zwar wiederum zum großen Teil auf Kosten der Natur und der Bevölkerung des globalen Südens, und die Konkurrenz darum verschärft geopolitische Spannungen.

Die autoritäre Rechte

Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Erstarken der autoritären Rechten in der Krise der imperialen Lebensweise. In Europa sind die CO2-Emissionen seit 1990 um 29 % gesunken. Das ist ja positiv. Doch wer hat seine Emissionen wirklich eingeschränkt? Der Climate Inequality Report zeigt: Die Pro-Kopf-Emissionen der ärmeren 50 Prozent sind um 30,6 Prozent gesunken, die des reichsten einen Prozent um 1,7 %. Die ärmeren 50 Prozent verursachen durch ihren Konsum pro Kopf 5 Tonnen CO2 im Jahr, die mittleren 40 Prozent 10,7 Tonnen, die reichsten 10 Prozent durchschnittlich 29,4 Tonnen und das reichste eine Prozent 90,6 Tonnen pro Kopf und Jahr. In Österreich, wo die Emissionen kaum gesunken sind, hat das reichste eine Prozent seine Pro-Kopf-Emissionen um 45 % gesteigert, und nur die Emissionen der ärmsten 50 Prozent sind gesunken. Es gibt also einen krassen Unterschied zwischen Oben und Unten. Die autoritäre Rechte aber zieht die Grenze nicht zwischen Oben und Unten, sondern zwischen Innen und Außen: „Wir“ gegen Migrant:innen und Geflüchtete, und setzt auf die Stärkung einer in die Krise geratenen Männlichkeit. In gewisser Weise ist das ein Protest von rechts gegen Globalisierung und Neoliberalismus, „mit einem autoritären, militaristisch-männlichen und menschenfeindlichen Angebot, das Menschen entlang von Kriterien wie Herkunft oder Religion sortiert, mit Kategorien wie ‚das Volk‘ vermeintlich Einheitlichkeit schafft und verlorengegangene Regierbarkeit zurückzugewinnen verspricht.“ Es ist ein Versuch, „die imperiale Lebensweise autoritär zu stabilisieren“. Doch die autoritäre Rechte bricht nicht wirklich mit dem Neoliberalismus. Sie setzt die Politik der Privatisierung und Deregulierung in vielen Bereichen fort.

Die imperiale Lebensweise ermöglichte in den Ländern des Nordens seit dem Ende des zweiten Weltkriegs einen Klassenkompromiss: Die Arbeitnehmer:innen konnten sich einen Anteil an der durch fossile Energie und Neokolonialismus ermöglichten Steigerung der Produktion von Konsumgütern erkämpfen. Der Fortbestand der kapitalistischen Ordnung in Form der Konsumgesellschaft war von der Kaufkraft der Massen abhängig. Doch der Kompromiss beginnt zu bröckeln. Die Krise der Lebenshaltungskosten, die Verluste von Arbeitsplätzen und Einkommen durch die Corona-Pandemie, die sogenannte Finanzkrise von 2008 fördern berechtigte Verlustängste. Und diese Ängste werden verstärkt durch die Ahnung, dass es im Ganzen so nicht weitergehen kann. Die autoritäre Rechte ergreift rhetorisch Partei für die „kleinen Leute“, verteidigt sie vor der Bedrohung von außen durch „Globalisten“ einerseits, und anderseits vor der Bedroh2ung durch kleine Leute, die noch schlechter dran sind: Migrant:innen und Geflüchtete, die angeblich in unser Sozialsystem einwandern und unsere Kultur bedrohen. In der Praxis aber stimmt sie für Politiken, die auf Kosten eben dieser kleinen Leute gehen, bzw. setzt sie dort durch, wo sie sich an die Macht spülen hat lassen.

Was kommt danach?

Das letzte Kapitel widmet sich – anders ist es ja nicht zu erwarten – den Möglichkeiten zur Überwindung der auf Konkurrenz und Wachstumszwang beruhenden Wirtschaftsweise. Unter anderem wird hier der wachsenden Degrowth- und Postgrowth-Bewegung eine wichtige Rolle zuerkannt und Bewegungen wie Ende Gelände, Fridays for Future oder Letzte Generation. Umweltbewegungen und soziale Bewegungen rücken näher zusammen. Letzten Monat demonstrierte in Wien die Klimabewegung gemeinsam mit den Busfahrer:innen in der Gewerkschaft vida unter dem Motto „Wir fahren gemeinsam“ für bessere Arbeitsbedingungen bei den privaten Buslinien. Die Verkehrswende kann schwerlich gelingen, wenn Beschäftigte im öffentlichen Verkehr an der Endstation nicht einmal ein richtiges Klo vorfinden.

Jenseits vom Wachstum

Und das bringt uns zurück zur „Beyond Growth Konferenz“. Wer von Überwindung des Kapitalismus spricht, von der Notwendigkeit, die Wirtschaft zu demokratisieren und planbar zu machen, und die Produktion von Gütern und die Bereitstellung von Leistungen zu vergesellschaften, bekommt bekommt schnell zu hören: „Was willst du denn? Eine Planwirtschaft mit Schlangen vor den Geschäften? Eine staatliche Plankommission, die Normen für Schuhe nach Gewicht plant, worauf nur genagelte Bergschuhe produziert werden, um den Plan schneller zu erfüllen?“ Die FPÖ bezichtigte kürzlich gar auf ihren Wahlplakaten die EU des „Öko-Kommunismus“. Doch niemand wünschte sich auf dieser Konferenz eine staatliche Plankommission. Eine Vielzahl von Wegen und möglichen Modellen wurde vorgestellt und diskutiert. Ein Thema, das sich durch die meisten Modelle durchzog, ist: Demokratisierung der Wirtschaft bedeutet ein aktives Mitspracherecht der Beschäftigten und der Konsument:innen darüber, was, wo, wie und von wem produziert werden soll. Die Abstimmung an der Supermarktkasse reicht da nicht. Die Mitbestimmung kann auf verschiedenen Ebenen geschehen. Natürlich auch auf staatlicher Ebene. Der Ausbau des Sozialstaats und eine bedingungslose Grundversorgung für alle spielt in den meisten Modellen eine bedeutende Rolle. Aber auch auf Betriebsebene ist Mitbestimmung gefordert, und zwar weit über das, was Betriebsräten heute zugestanden wird. Als Betriebsräte in einem österreichischen Rüstungsbetrieb zum Beispiel vorgeschlagen haben, statt Panzern Löschfahrzeuge zur Bekämpfung von Waldbränden zu produzieren, wurde das vom Unternehmen einfach abgeschmettert. Das soll es in einer demokratischen Wirtschaft nicht geben. Als die Beschäftigten des Rüstungsbetriebs Lucas Aerospace in den 1970er Jahren von einer Kündigungswelle bedroht waren, forderten sie das „Recht auf gesellschaftlich nützliche Arbeit“ und entwickelten einen Plan, was sie mit ihren Fähigkeiten und der vorhandenen Ausrüstung machen konnten: Windräder, Wärmepumpen, Heimdialysegeräte, Go-Carts für behinderte Kinder… Als die Beschäftigten des Autozulieferers GKN Automotive in Campo Bisenzio bei Florenz am 9. Juni 2021 per Email gekündigt wurden, besetzten sie die Fabrik, beriefen eine Betriebsversammlung in Permanenz ein und beschlossen, eine Genossenschaft zu gründen, die statt Achsen für schwere Autos Lastenfahrräder produziert. Die Prototypen sind in Florenz schon unterwegs.

Beeindruckend war der Bericht über einen kleinen Laden in Wien Ottakring: den Mila Mitmach-Supermarkt bei der Beyond Growth Konferenz. Er gehört denen, die dort einkaufen, einer Genossenschaft von derzeit 600 Mitgliedern. Jedes Mitglied arbeitet alle vier Wochen drei Stunden im Laden. Ein Mitglied der Genossenschaft erklärte, warum nur Mitglieder dort einkaufen dürfen: Die Mitglieder arbeiten für sich selber. Darum müssen sie keinen Gewinn machen. Sie müssen die Kundschaft nicht motivieren, mehr zu kaufen, als sie eigentlich will, sie nicht mit Muzak in Einkaufsstimmung bringen. Obst und Gemüse wird einzeln verkauft, niemand muss eine Kilopackung kaufen, wenn er oder sie nur eine Karotte braucht. Die Genossenschaft muss nicht mit anderen Firmen um Kunden konkurrieren, weil die Genossenschafter:innen ihre eigenen Kunden sind. Sie schlagen einheitlich 30 % auf den Einkaufspreis auf, und was sie so einnehmen, dient dazu, den Betrieb zu erhalten und zu erweitern. Über das Sortiment entscheiden die Mitglieder. Sie entscheiden, ob sie beim Einkauf mehr Gewicht auf den Preis oder auf die Qualität legen. Sie wollen wachsen, weil sie mehr Menschen diese Möglichkeit, Qualität zu niedrigen Preisen zu kaufen, geben wollen, aber sie sind nicht gezwungen dazu. Tatsächlich werden sie demnächst einen „richtigen“ Supermarkt eröffnen.

Mila ist ein Modell im Kleinen für eine solidarische Wirtschaft, eines von vielen unterschiedlichen Modellen, die aber gut nebeneinander existieren und einander ergänzen können. Allen diesen Modellen ist gemeinsam, dass nicht das produziert wird, was den meisten Profit bringt, sondern das, was Nutzen für die Gemeinschaft bringt. Lässt sich so ein Modell skalieren? Die Park Slope Food Coop betreibt den größten Supermarkt von New York und hat 17.000 Mitglieder. Vielleicht sind Kooperativen von Kooperativen der Weg, auch größere wirtschaftliche Zusammenhänge demokratisch zu organisieren. Die Kooperative hat auch den Vorteil, dass sie schon im jetzigen System bestehen kann. Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist noch lange nicht abgeschlossen und ganz sicher gibt es nicht nur eine.

Ulrich Brand, Markus Wissen
Kapitalismus am Limit
Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven.
ISBN: 978-3-98726-065-0
Softcover, 304 Seiten (auch als Epub oder PDF)

Titelbild: Martin Auer mithilfe von KI
Der Beitrag erschien zuerst im Standard am 18. Juni 2024

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Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren? S4F-Protest vor der SPÖ-Zentrale

Lesedauer 3 Minuten.   

Klimawahljahr 2024 – Wissenschaftler:innen analysierten die Klimapolitik der SPÖ und stellten bei einer Aktion vor der Parteizentrale der SPÖ ein durchwachsenes Zeugnis aus: “Die Klimapolitik hat in der SPÖ unter dem Parteivorsitzenden Andreas Babler an Bedeutung gewonnen. Teile der SPÖ treiben allerdings nach wie vor den Bau neuer Autobahnen voran oder setzen auf Klimaschutz, den niemand merkt – Montag bis Freitag betonieren und am Sonntag renaturieren wird nicht reichen. Wir erwarten uns von der SPÖ mehr Mut und Klarheit in der Klimapolitik”, fasst Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik, zusammen. Dass sich die SPÖ für die Zustimmung zum Renaturierungsgesetz ausgesprochen hat, sei positiv zu beurteilen, erklärt Prof. Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien. 
Abgeordnete zum Nationalrat Julia Herr stellte sich der Diskussion und betonte, dass die SPÖ den Austausch mit der Wissenschaft sucht.

Reinhard Steurer: Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

Reinhard Steurer ist assoz. Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.


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Reinhard Steurer: Am Sonntag renaturieren und von Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

Die Rede von Prof. Reinhard Steurer zum Nachlesen

Sigrid Stagl: Der Schlüssel ist die soziale Frage

Prof. Sigrid Stagl ist Ökonomin am Department für Sozioökonomie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien


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Sigrid Stagl: Der Schlüssel ist die soziale Frage

Die Rede von Prof. Sigrid Stagl zum Nachlesen

Günter Emberger: Die SPÖ muss ihre selbstgesteckten Ziele konsequent verfolgen

Günter Emberger ist Professor am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien


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Die Rede von Prof. Günter Emberger zum Nachlesen

Sicherheitsrisiko Klimakrise

Die ersten Hitzetage und Unwetter bringen die unmittelbaren Gefahren der Klimakrise wieder verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung und verdeutlichen, dass diese auch für die Menschen in Österreich bei weiterer Erwärmung ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen wird. “So ehrlich müssen wir sein: Klimaschutz ist Menschenschutz”, betont Dr. Fabian Schipfer und erinnert: “Allein eine Transformation unseres Mobilitätssystems bringt so viele Vorteile mit sich – darauf sollten wir nicht verzichten.“

Von guten Ansätzen bis zu Projekten des vorigen Jahrtausends

Klimapolitik habe in der SPÖ unter dem Parteivorsitzenden Andreas Babler an Bedeutung gewonnen. “Während die anderen Großparteien ÖVP und FPÖ beim Klimaschutz Teil des Problems sind, ist es gut und wichtig, dass die SPÖ Teil der Lösung sein will – und beim Beschluss des Renaturierungsgesetzes auch schon war. Allerdings fehlt nach wie vor ein umfassendes Programm, mit dem Klimaziele glaubhaft erreicht werden können. Ein Transformationsfonds, eine Attraktivierung öffentlicher Verkehrsmittel und ein Verbot von Privatjets wird nicht reichen. Besonders dann nicht, wenn Teile der SPÖ nach wie vor den Bau neuer Autobahnen vorantreiben und zudem glauben, man könne Klimaschutz so betreiben, dass niemand etwas davon bemerkt“, erklärt Steurer und fasst zusammen: “Montag bis Freitag betonieren und am Sonntag renaturieren wird nicht reichen. Wir erwarten uns von der SPÖ also mehr Mut und Klarheit in der Klimapolitik, vor allem den Mut, sich von Ideen und Projekten des vorigen Jahrtausends zu verabschieden, ob in der Lobau oder in Schwechat.”

Nachhaltige Mobilitätspolitik ist nachhaltig soziale Politik

Von der Wissenschaft und vielen Vertreter:innen der Zivilgesellschaft werden schon lange Tempolimits gefordert: 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Freilandstraßen und 30 km/h in Ortsgebieten. Dies diene sowohl dem Klimaschutz, als auch dem Menschenschutz durch weniger Feinstaub- sowie Lärmbelastung und weniger Todesfälle im Straßenverkehr. “Für eine Partei, die Teil des ökologischen Transformationsprozesses sein will, sollte es Priorität haben, dies rasch umzusetzen”, erklärt Günter Emberger, Professor am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien und ergänzt: “Wir erwarten von der SPÖ außerdem, schnellstmöglich Maßnahmen zur Erreichung der Kostenwahrheit im Verkehr.” Das beginne damit, Prioritäten und finanzielle Mittel richtig zu setzen. “Damit meinen wir die Abschaffung der Steuerbefreiung von Flugbenzin, die Aufhebung der Dienstwagenprivilegien, eine Ökologisierung der Pendlerpauschale und die Beseitigung weiterer kontraproduktiver staatlicher Subventionen. Ein “Weiter-wie-bisher” im Verkehrssektor asphaltiert ein sozial ungerechtes Mobilitätssystem weiter ein und versiegelt landwirtschaftlich nutzbare Böden – die Grundlage für unsere eigene Nahrungsmittelversorgung”, führt Emberger abschließend aus.

Julia Herr: Wir wollen als Sozialdemokratie den Austausch mit der Wissenschaft suchen

Julia Herr ist Abgeordnete zum Nationalrat und stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ


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Die Rede von Julia Herr zum Nachlesen

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Wissenschaftsaktivismus: Mehr als nur Papers schreiben

Lesedauer 2 Minuten.   

Über Jahrzehnte haben Wissenschafter*innen durch konventionelle wissenschaftliche Arbeit, Artikel und Berichte vor der Klimakrise gewarnt. Dennoch sind Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen längst unzureichend, um alle Menschen angemessen vor den Auswirkungen der Klima- und Umweltkrise zu schützen. Aus diesem Grund wenden sich immer mehr Wissenschafter*innen anderen Formen der Teilnahme am öffentlichen Diskurs zu. Welche Formen des Wisenschaftsaktivismus halten die Forscher:innen für besonders wirksam, welche halten sie für legitim, welche lehnen sie ab? Scientists for Future haben dazu rund 2.000 Wissenschaftler:innen, die in Österreich tätig sind, gebeten, einen Fragebogen auszufüllen.

Was wirkt?

Als die effektivste Form des Wissenschaftsaktivismus wurde in den meisten Antworten Lobbyarbeit bezeichnet (7,5 von 10 Punkten), dicht gefolgt von Workshops, Pressegesprächen und Vorträgen (jeweils 7 von 10 Punkten). Offene Briefe, angemeldete Demonstrationszüge, Stellungnahmen, Mahnwachen, Blogs und Solidaritätsaktionen gelten als überdurchschnittlich wirksam. Von Sabotage halten die Forscher:innen nicht viel, auch Hungerstreiks, Nichtkooperation, Hacktivismus und Streiks werden als unterdurchschnittlich wirksam angesehen.

Was ist legitim?

Für absolut legitim halten die Befragten Lobbyarbeit, Boykotte und Solidaritätsaktionen (10 von 10 Punkten). Streiks, Hungerstreiks und die Teilnahme an Blockaden hält eine Mehrzahl ebenfalls für legitim. Für Nichtkooperation halten sich die Einschätzungen die Waage, Hacktivismus und Sabotage werden von der großen Mehrheit als illegitim betrachtet.

Sabotage und Hungerstreiks nicht erwünscht

Sabotage und Hungerstreiks sollen vermieden werden. Hacktivismus, Nichtkooperation und Streiks werden von den meisten mit weniger als 5 von 10 Punkten bewertet und sind somit ebenfalls von vielen Wissenschafter:innen nicht erwünscht.

Mehr Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit

Besonders gewünscht werden verstärkte Stellungnahmen, Pressegespräche, Vorträge, Lobbyarbeit, offene Briefe, Blogs, Petitionen und angemeldete Demonstrationszüge . Eine Mehrheit wünscht sich auch Informationsstände, Briefe und E-Mails, angemeldete Mahnwachen, Boykotte und Solidaritätsaktionen bei Blockaden.

Wenn schon blockieren, dann nicht gerade Straßen

Solidaritätsaktionen für zivilen Ungehorsam anderer Gruppen werden als legitim, eher wirksam und erwünscht betrachtet. (Zum Beispiel haben Wissenschaftler*innen sich im vorigen Jahr am Rand von Straßenblockaden der Letzten Generation versammelt, um darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Anliegen vom wissenschaftlichen Standpunkt aus begründet und ihre Aktionen legitim sind). Die meisten der Befragten halten Blockaden für legitim, finden aber Blockaden von Gebäuden, Baustellen oder Infrastruktur sinnvoller.

Ideen für die Zukunft

Als Ideen für zukünftige Aktionen wurden genannt: Werbung für umweltfreundliche Initiativen in verschiedenen Medien, Klima-Entrepreneurship, Craftivismus, Kooperationen mit der Kunstszene und die Organisation von nachhaltigen Veranstaltungen und Bildungsangeboten in der Öffentlichkeit.

Die vollständige Auswertung gibt es hier:

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