Lesen für die Klima-, Biodiversitäts- und andere Krisen

Lesedauer 7 Minuten.   

Mitglieder der Scientists4Future Österreich geben Empfehlungen für Sachbücher, Essays und Romane zur Klimakrise, Biodiversitätskrise und zu anderen Krisen.1

SACHBÜCHER

Thomas Brudermann, Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben. Oekom Verlag München, 2022

Der Autor ist Professor an der Universität Graz und Scientist4Future. Er fragt, was klimafreundliches Handeln so schwer macht und was es aus Sicht der Psychologie für eine nachhaltige Gesellschaft braucht. Die feinen Cartoons mit freundlichen Capibaras machen die Lektüre besonders erfreulich, eine Tabelle mit allen Ausreden und möglichen Umgangsweisen damit am Ende des Buches sind eine ausgezeichnete Grundlage für die Kommunikation mit anderen. Das Werk wurde 2023 mit dem Eunice Foote Preis für Klimakommunikation ausgezeichnet. (VW)

Daniel Ennöckl (Hrsg), Klimaschutzrecht im Querschnitt von Wissenschaft und Praxis, Verlag Österreich, 2023

Dieses Handbuch bietet eine umfassende, fundierte Aufbereitung der Querschnittsmaterie Klimaschutzrecht. In 21 Kapiteln behandeln Autorinnen aus Wissenschaft und Praxis alle wesentlichen Bereiche dieses dynamischen Rechtsgebiets: von den völker-, unions- und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Klimaschutzes über Emissionshandel, Energieeffizienz und erneuerbare Energien bis hin zu Klimaklagen, Zivilgesellschaft und Zivilrecht. Als erste derartige Gesamtdarstellung in der österreichischen Rechtsliteratur wendet sich dieses Handbuch an alle Rechtsanwenderinnen, Wissenschaftler*innen und Studierenden, die sich einen Überblick über die Rolle des Klimaschutzes im Recht verschaffen oder ihr einschlägiges Wissen vertiefen wollen.

Hans Holzinger, Wirtschaftswende, Oekom 2024

Das Buch macht deutlich, dass es mittlerweile zahlreiche Transformationsansätze gibt, und es beschreibt, wie die Wirtschaftwende gelingen könnte. Es richtet sich an ein breites Publikum, um die Zukunftsvorschläge über die Fachwelt hinaus bekannt und diskutierbar zu machen. Der Autor benennt die Nichtnachhaltigkeit unserer aktuellen Wirtschafts- und Lebensweise, er skizziert aber insbesondere die vielen Neuansätze in den Bereichen Energie und Ernährung, Mobilität und Stadt, Finanzen und Steuern sowie Unternehmen und Konsum. Deutlich wird, wie all diese Wenden mit Wirtschaft zu tun haben. (MA, ganze Rezension hier)

Naomi Oreskes, Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft: Das Netzwerk des Leugnens. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2014

Ein Klassiker, der die Vorgangsweise großer Konzerne seziert, die Zweifel säen, um ihre Geschäfte nicht zu gefährden, dargestellt unter anderem an der Tabakindustrie. Der englische Titel „Merchants of Doubt“ (etwa: Die Händler des Zweifels) trifft besser als die deutsche Übersetzung. Leider inzwischen vergriffen, vielleicht antiquarisch erhältlich.  (VW)

Friederike Otto, Wütendes Wetter. Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme. Ullstein Verlag, Berlin 2019

Die Autorin ist Professorin in Oxford, hochrangiges Mitglied des Weltklimarates und die Mitbegründerin der Zuordnungsforschung. Sie erklärt verständlich und erzählt packend die Geschichte der Entwicklung ihrer Forschungsrichtung entlang einiger Katastrophen, für die es ihrem Team gelang, den Beitrag der Treibhausgasemissionen zu berechnen. Spannend, informativ, erklärend ohne belehrend zu wirken. (VW)

Corine Pelluchon, Manifest für die Tiere, aus dem Französischen übersetzt von Michael Bischoff, C.H. Beck, München 2020

In ihrem kurzen und gut zu lesenden Buch befasst sich die Philosophin Corine Pelluchon mit der uns so selbstverständlich erscheinenden Unterdrückung von Tieren. Wie wir mit nicht-menschlichen Tieren umgehen betreffe im Kern die Frage nach unserer Menschlichkeit. Dabei bleibt sie nicht bei einer theoretischen Auseinandersetzung, sondern gibt auch konkrete Tipps und benennt (Zwischen-)Ziele, die einen – sozial gerechten – Ausweg aus dem System der Misshandlung und Ausbeutung von Tieren aufzeigen. (VW)

Michael Rosenberger, Was der Seele Leben schenkt. Spiritualität aus Erde. Echter Verlag Würzburg, 2020

Der Autor ist Professor für Moraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz; von ihm stammen zahlreiche Veröffentlichungen zu umweltethischen Fragen. Er wirkt bei S4F im Fachkollegium mit. Er vermittelt eine erdgebundene, allen Menschen zugängliche Spiritualität, die von den menschlichen Grunderfahrungen ausgeht, um daraus Orientierung für die praktische Lebensgestaltung zu gewinnen. Eine Buch, das die Seelsorge, als Sorge um die Menschen, die sich engagieren und dabei ausbrennen, als Sorge um die Menschen, die aus Angst nicht handeln, als Sorge um alle Menschen, ins Zentrum stellt. Gut lesbar, knapp, und ein ganz anderer Zugang zur Klimakrise als üblich. (VW)

ESSAYS

Rachel Carson, Silent Spring, Houghton Mifflin, 2002 (Englisch)  

Wohl eines DER Öko-Bücher, welches maßgeblich für die Gründung der US EPA war. (MS)

Gregory Fuller, Das Ende – Von der heiteren Hoffnungslosigkeit im Angesicht derökologischen Katastrophe, Meiner, 2017
 

Obgleich erstmals 1994 erschienen ist dieser Essay unverändert aktuell (auch wenn heute manche Aspekte fachlich anders  gesehen werden) und bietet viel Nachdenkstoff zum ethischen Umgang mit der Umweltkrise.

Amitav Ghosh, Die große Verblendung. Der Klimawandel als das Undenkbare. Karl Blessing Verlag, München 2017

Der indische Autor, studierter Sozialanthropologe, der in New York lebt, schreibt seit Jahrzehten über Indien. Hier geht es aber – durchaus aus postkolonialer Perspektive, um mehr: Warum ist der Klimawandel kein Thema der Literatur? Dieser Essay argumentiert, dass die Kunst sich zu wenig mit dem Klimawandel beschäftige. Das mag sich seit 2017 geändert haben, die Grundfrage, ob die Menschheit verblendet sei, ist nach wie vor aktuell. Sprachlich eleganter Essay von einem großen Autor. In seinem Buch Gun Island (Dt. Die Inseln, Karl Blessing Verlag 2019) nimmt er seine Herausforderung an, Klimaflüchtlinge und Umweltaktivismus spielen eine große Rolle in diesem Roman. (VW)

Daniel R. Headrick, Macht euch die Erde untertan – Die Umweltgeschichte des Anthropozäns,
 wbg Theiss, 2021
 

Um die heutigen multiplen Umweltkrisen besser einordnen zu können, ist diese Zusammenschau unbedingt lesenswert.

Bruno Latour/Nikolaj Schultz, Zur Entstehung einer ökologischen Klasse, edition suhrkamp, 2022


Latour und Schultz erörtern aus soziologischer Sicht, warum es der Bildung einer “ökologischen Klasse” (analog zur Bildung der Arbeiterklasse) bedarf.

Martha Nussbaum, Gerechtigkeit für Tiere wbg Theiss, 2023


Eine rechtliche, philosophische und ethische Grundlegung primär in Bezug auf unseren Umgang mit Tieren – mit vielem, was man darüber hinaus weiterdenken kann.

Verena Winiwarter, Der Weg zur klimagerechten Gesellschaft. Sieben Schritte in eine nachhaltige Zukunft, picus, Wien 2022

Die Autorin ist Umwelthistorikerin und engagiert sich bei S4F im Fachkollegium. Aus einer „Wiener Vorlesung“ ging dieser kurze Text hervor (72 S), der Grundrechtsdemokratie, die Auflösung der Öffentlichkeit durch soziale Medien und ihre Algorithmen, Daseinsvorsorge und fossile Energie in einen unerwarteten Zusammenhang bringt. Sie schlägt einen Verfassungskonvent vor, der mit einer klimagerechten Verfassung die Grundlage für eine klimagerechte Gesellschaft legt. (VW)

Schule und Kinder

David Nelles & Christian Serrer, Kleine Gase – Große Wirkung. Spiegel Verlag, 2018

Für Einsteiger*innen: Das Buch eignet sich für Laien, Schulen, Lehrer*innen, um auch schnell mal zwischendurch einen Informationshappen gut aufbereitet aufzunehmen; es greift gut fundiert viele Themen auf, ohne zu überfordern.

Andri Snaer Magnason (Author), Aslaug Jonsdottir (Illustrator), Julian Meldon D’Arcy (Translator), The Story of the Blue Planet, Triangle Square (Englisch)


Sehr nett gestaltetes Kinderbuch, das neben vielen anderen Themen auch eine ökologische Message beinhaltet. (MS)

ROMANE

Margaret Atwood, Oryx und Crake, Piper, 2017


Atwood verbindet einen Thriller in einer künftigen Welt der Klimakatastrophe mit einem schmerzhaften Kommentar zu unserer Zeit.

T. C. Boyle, Blue Skies, Carl Hanser, 2023
 

Amerika in einer möglichen nahen Zukunft. Dystopisch, bissig und brillant.

Frank Herbert, Der Wüstenplanet, Heyne, 2016 und folgende


Bestimmt schon bekannt durch den Film, das Buch ist aber auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Besonders Buch 1 ist aus ökologischer Sicht spannend. Für die ganze erste ökologische Transformation des Planeten muss man allerdings Buch 1 bis 4 lesen. (MS)

Maja Lunde, Die Geschichte der Bienen, btb, München 2017

Die Norwegerin ist als Autorin von Romanen und Drehbüchern inzwischen auch außerhalb Europas bekannt, dieser Roman ist der erste Teil des „Klimaquartetts“, von dem bisher drei Bände erschienen sind. Die Geschichte der Bienen zählt zum Packendsten, was es an Klimaromanen gibt. Eine in synthetischer Kleidung schwitzende chinesische Arbeiterin, die mühsam mit der Hand Obstbäume bestäubt wird zur Hauptfigur eines der ineinander verwobenen Teile dieses Romans, der die gesellschaftlichen Konsequenzen des Artensterbens greifbar macht und ganz nebenbei auch noch eine spannende Wissenschaftsgeschichte erzählt. (VW)

Maja Lunde, Die Geschichte des Wassers, btb, München 2018

Was geschieht, wenn Wasser durch die Klimakrise zu einem unerreichbaren Gut wird? Gewalt, Flucht, verlassene Landstriche, ein Schiff auf dem Trockenen und ein unerwarteter lebensrettender Fund machen diese Geschichte zu einer abenteuerlichen Lektüre. Zweiter Teil des Klimaquartetts, macht wie der erste band die Konsequenzen für Einzelne und Staaten (mit-)fühlbar. Wie im Bienen-Band werden mehrere Erzählstränge ineinander verwoben. (VW)

Maja Lunde, Die letzten ihrer Art, btb München, 2019

Geht es hier um die Przewalskipferde, ihre Geschichte, ihre Erhaltung durch auswildern oder darum, dass das Überleben für Menschen Mitte des 21. Jahrhunderts immer schwieriger werden wird? Wie in den ersten beiden Bänden des „Klimaquartetts“ der Autorin werden mehrere Geschichten miteinander verknüpft, die Schauplätze reichen von der Mongolei bis Norwegen. (VW)

Günther Neuwirth, Vogelstimmen, Edition Keiper 2024

Der Ornithologe Rémy erforscht im Wald die Gesänge der Vögel, die Informatikerin Verena sammelt im Südpolarmeer Daten, der Gitarrist Alwin verbringt sein Leben in Tonstudios, die Australierin Karlene zieht mit ihrer Geige durch Europas Städte, Harald und Katja erleben die Abschaffung der Demokratie am eigenen Leib. Und an den Stränden des Mittelmeers hungern immer mehr Mitglieder der friedlichen Sekte der Weißen Tücher. Was macht der nahende Kollaps der Ökosphäre mit den sechs jungen Menschen? Was tun, wenn Umweltschutz als Terrorismus gilt? Wo bleibt das Glück inmitten des ausbrechenden Irrsinns? (MA)

Richard Powers, Die Wurzeln des Lebens, aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié, S. Fischer, Frankfurt am Main 2020

Der US-amerikanische Schriftsteller Richard Powers widmet sich in seinen Werken oft naturwissenschaftlichen und philosophischen Themen und Fragen. Sein Roman „Die Wurzeln des Lebens“, der beides verknüpft, wurde 2019 unter anderem in der Kategorie Unterhaltung als Wissensbuch des Jahres ausgezeichnet. Auf fesselnde Weise beschreibt Powers in ihm, wie das Leben aller Protagonist*innen, der menschlichen wie nicht-menschlichen, so wie das titelgebende Wurzelgeflecht der Bäume miteinander verknüpft ist. Alle eint der Kampf für den Schutz der Bäume vor Abholzung und die Auseinandersetzung mit dem zuwiderlaufenden politischen und gesellschaftlichen Dynamiken. Dabei lässt sich einiges über die auch für uns so lebenswichtigen Bäumen lernen, die manch eine*r nach der berührenden Lektüre sicherlich mit anderen Augen sieht. (VW)

Kim Stanley Robinson, New York 2140, Heyne 2018

Der amerikanische Science Fiction Spezialist hat schon mehrfach Preise für „Eco-Fiction“ gewonnen. “Climate Fiction” gibt es inzwischen wie Sand am Meer, aber ein Buch wie dieses, das auf über 800 Seiten einen weiblichen Internetstar im Luftschiff Eisbären in die Antarktis fliegen lässt, was Artenschützer nicht nur mit Begeisterung erfüllt, in dem zwei Computergeeks eine Entdeckung machen, die sie in Lebensgefahr bringt, in dem eine der Hauptrollen das durch den Meeresspiegelanstieg zum Archipel von Hochhausspitzen gewordene Manhattan spielt, in dem Finanzspekulation in der Gezeitenzone auf Hochtouren läuft und einzig und allein die Isländer, die immer schon etwas mißtrauischer waren, noch über alle ihre Personenstandsdaten verfügen, ein Buch wie dieses gibt es nicht alle Tage. Die unvermeidliche Liebesgeschichte ist eine der wenigen Schwächen dieses nicht nur fabulierlustigen, sondern auch sehr informativen Buches: denn aus der Zukunft wird auf die Vergangenheit, unsere Gegenwart, geblickt – das gibt Anlaß für Klimabildung aller Art. Leichtfüßig, witzig und trotzdem durchaus zum Nachdenken anregend. An diesem Buch scheiden sich die Geister, aber wer dicke Bücher, die vor Leben und Details strotzen, schätzt und wer New York kennt und vielleicht sogar mag, ist hier gut beraten. (VW)

Kim Stanley Robinson, Das Ministerium für die Zukunft, Heyne 2023

Das erste Kapitel dieses im Jahr 2025 spielenden Romans ist hart. Die Unbarmherzigkeit einer Hitzewelle in Indien lässt niemanden kalt. Danach wird es weniger drastisch. Barack Obama und Bill Gates haben dieses Buch beide empfohlen. Es ist trotzdem lesenswert, im Vergleich zu New York 2140 vom selben Autor deutlich weniger verästelt, aber kunstvoll und kenntnisreich erzählt. Pflichtlektüre für alle, die sich fragen, wie das mit der Klimakrise im globalen Süden denn so sein wird. (VW)

Empfehlungen von unseren Follower:innen

Dave Goulsen, Stumme Erde – Warum wir die Insekten retten müssen, Hanser 2022

Dave Goulsen, The Garden Jungle, Penguin Books 2020

Bibliotheken

Südwind Bibliotheken: https://www.suedwind.at/bildungsangebot-und-globales-lernen/suedwind-bibliotheken/

  1. Die Liste wird laufend ergänzt. Gerne nimmt die AG Öffentlichkeitsarbeit Vorschläge mit einem persönlichen Begründungstext wie oben entgegen. ↩︎
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Strenge Regulierungen können positive Kippunkte auslösen

Lesedauer 2 Minuten.   

CO2-Steuern, Subventionen für saubere Technologien oder strenge gesetzliche Auflagen? Was wirkt am besten?

Forscher:innen vom Global Sytems Institute der Universität Exeter haben klimapolitische Maßnahmen in 70 Ländern untersucht, und zwar im Hinblick auf ihre Wirkungen in den Sektoren Strom, Wärme, leichter Straßenverkehr und schwerer Straßenverkehr. Sie haben festgestellt, dass Steuern – das Mittel, das bisher am häufigsten eingesetzt wird – die schwächste Intervention waren, während Regulierungsauflagen den größten Einfluss hatten: Sie führten schnell zu einer Verbreitung sauberer Technologien auf einem Niveau, das in verwandten Branchen positive Wendepunkte auslöste.

Die Modellierung simulierte, wie Investoren oder Verbraucher auf der Grundlage von Verfügbarkeit, Kosten und historischen Präferenzen zwischen Technologien wählen. Die Forscher meinen, dass solche „Regulierungsauflagen mit spezifischen Zeitvorgaben“ dazu führen könnten, dass bestimmte Industriezweige einen steigenden Anteil am Umsatz mit sauberen Technologien erzielen oder die Nutzung der umweltschädlichsten Brennstoffe schrittweise einstellen. Sind diese Wendepunkte einmal erreicht, könnten sie positive Dominoeffekte in den entsprechenden Sektoren auslösen, die jeweils die anderen auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beschleunigen und gleichzeitig die Preise von sauberen Technologien für die Verbraucher drastisch senken.

Vier solcher Vorgaben wurden bewertet und werden im Bericht empfohlen. Dazu gehören:

  • der schrittweise Ausstieg aus der Kohlekraft bis 2035 für Industrieländer und bis 2045 für Entwicklungsländer;
  • die Vorschrift, dass ab 2025 ein steigender Anteil an allen verkauften Heizgeräten Wärmepumpen sein müssen, bis 2035 100 Prozent erreicht werden;
  • die Vorschrift, dass ein steigenderAnteil an allen verkauften Pkw emissionsfreie Fahrzeuge sein müssen, bis 2035 100 Prozent erreicht werden;
  • und die Vorschrift, dass der Anteil emissionsfreier Fahrzeuge an an allen verkauften LKW bis 2040 100 Prozent erreichen muss.

„Wir haben festgestellt, dass politische Maßnahmen zur Förderung der CO2-armen Energiewende in jedem dieser Sektoren dazu beitragen, den Wendepunkt auch in den anderen drei Sektoren herbeizuführen“, sagt Simon Sharpe, Mitautor der Studie und Direktor von S-Curve Economics, einer gemeinnützigen Forschungsorganisation.

„Beispielsweise fördert die verstärkte Nutzung von sauberem Strom oder Energiespeicherung in einem Sektor Innovationen und senkt die Kosten dieser Technologien, was schnellere Übergänge in den anderen Sektoren ermöglicht. Darüber hinaus bietet die zunehmende Elektrifizierung von Heizung und Verkehr neue Möglichkeiten, das Stromsystem auszugleichen und so die Kosten für sauberen Strom zu senken.“

Das Papier identifiziert auch „Superhebelpunkte“, die das größte Potenzial haben, Kaskaden positiver Veränderungen auszulösen. Dr. Femke Nijsse, die Hauptautorin der Studie, sagte: „Das Null-Emissions-Mandat für Autos bietet das beste Potenzial für einen ‚Superhebelpunkt‘ für den globalen Wandel.“

Die Forscher:innen kommen zu dem Schluss, dass regulatorische Auflagen mit konkreten Zeitrahmen dafür sorgen werden, dass saubere Technologien weltweit bis zu drei Jahre früher billiger werden als Alternativen auf Basis fossiler Brennstoffe. Dadurch könnten die Kohlendioxidemissionen in den Sektoren Strom, Verkehr und Heizung bis 2050 um mindestens 75 Prozent sinken.  

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GB will Forschung zu Geoengineering mit 56 Mio £ fördern

Lesedauer < 1 Minute.   

Die neue britische Förderagentur Advanced Research and Invention Agency (ARIA) hat Forscher:innen dazu aufgefordert, sich um einen Fonds in Höhe von 56 Millionen Pfund (75 Millionen Dollar) für Projekte zu bewerben, die den Planeten künstlich kühlen, berichtet die New York Times. Die Vorschläge können auch Freiluftexperimente beinhalten. Es ist offenbar das erste Mal, dass eine Regierung einen solchen Aufruf macht.

Die Regierungsinitiative konzentriert sich auf die Erprobung verschiedener Arten von Solar-Geoengineering. Diese Ansätze könnten das Einspritzen von Aerosolen wie Schwefeldioxid in die Stratosphäre oder das Einschießen von Meersalzaerosolen in tief liegende Meereswolken umfassen, um mehr Sonnenlicht von der Erde wegzureflektieren.

ARIA erklärte, es betreibe Geoengineering-Forschung, weil es „selbst unter den aggressivsten Szenarien“ der Reduzierung von Treibhausgasen möglicherweise nicht möglich sei, diese Emissionen schnell genug zu reduzieren, um einen gefährlichen Anstieg der globalen Temperaturen zu verhindern.

Aber ohne physische Tests dieser Strategien, so die Agentur, „gibt es keine Aussicht, angemessene Urteile fällen zu können“, ob irgendeine Art von Geoengineering „durchführbar, skalierbar und kontrollierbar“ ist.

Pläne zu Experimenten mit Geoengineering im Freien haben anderswo enormen Widerstand hervorgerufen. Im Jahr 2021 mussten Forscher:innen der Harvard University einen Geoengineering-Test in Nordschweden nach einem Aufschrei von Umweltschützer:innen absagen. In diesem Jahr war Tennessee der erste Staat, der Geoengineering verbot. Im April stoppten lokale Behörden im kalifornischen Alameda in der Nähe von Oakland ein Experiment zum Test einer Maschine, die eines Tages zum Aufhellen von Wolken eingesetzt werden könnte, obwohl die Stadt in ihrer eigenen Analyse feststellte, dass keine Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe.

Gegner des Geoengineering sagen, es würde von der dringenden Notwendigkeit ablenken, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Und sie befürchten, dass die Technologie selbst in kleinem Maßstab schwerwiegende unbeabsichtigte Folgen haben könnte.

New York Times, 13.9.2024

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Das ’stille Sterben‘ von Weidelandschaften bedroht Klima, Ernährung und Wohlergehen

Lesedauer 4 Minuten.   

Die Verschlechterung von ausgedehnten, oft weitläufigen natürlichen Weidelandschaften durch Überlastung, missbräuchliche Nutzung, Klimawandel und Biodiversitätsverlust stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Nahrungsmittelversorgung und das Überleben von Milliarden von Menschen dar, warnen die Vereinten Nationen in einem umfassenden Bericht vom Mai 2024.

Bis zu 50 % der globalen Weideflächen sind degradiert, sage die Autor:innen des Global Land Outlook Thematic Report on Rangelands and Pastoralists, der in Ulanbaatar (Mongolei) von der UN Wüstenkonvention (UNCCD) vorgestellt wurde. Zu den Symptomen dieser Verschlechterung gehören verminderte Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffversorgung, Erosion, Versalzung, Alkalisierung und Bodenverdichtung, die das Pflanzenwachstum hemmt. Dies führt unter anderem zu Trockenheit, Niederschlagsschwankungen und dem Biodiversitätsverlust über und unter der Erde.

Ursachen sind vornehmlich die Umwidmung von Weideland in Ackerland und andere Landnutzungsänderungen aufgrund von Bevölkerungswachstums und Verstädterung, steigendem Bedarf an Nahrungsmitteln, Faserprodukten und Biotreibstoffen; Überweidung; Aufgabe von Weideflächen und durch die Politik vorangetriebene Übernutzung der Flächen.

Die Bedeutung von Weideland

In die Kategorie „Weideland“ fallen natürliche Graslandschaften, die von Vieh und Wildtieren als Weide- und Futterfläche genutzt werden, so auch Savannen, Buschland, Feuchtgebiete, Tundra und Wüsten.

Zusammengenommen machen diese Flächen 54 % der gesamten Landbedeckung aus, liefern ein Sechstel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers der Erde dar.

„Die Umgestaltung alter Weideflächen geschieht in aller Stille und ruft kaum öffentliche Reaktionen hervor“, sagt UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.

„Obwohl sie weltweit schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen ausmachen, werden die Hirtengemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen, die sich direkt auf ihren Lebensunterhalt auswirken, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als Außenseiter:innen in ihrem eigenen Land betrachtet.“

Insgesamt sind zwei Miliarden Menschen – Kleinhirt:innen, Viehzüchter:innen und Landwirt:innen – oft vulnerabel und ausgegrenzt – sind weltweit von intakten Weideflächen abhängig.

Der Bericht unterstreicht, dass paradoxerweise gerade die Bemühungen zur Erhöhung von Ernährungssicherheit und Produktivität durch Umwandlung von Weideflächen in Ackerland in den meisten trockenen Regionen zu einer Verschlechterung der Bodenqualität und zu geringeren landwirtschaftlichen Erträgen geführt haben. Weiter werden „schwache und ineffektive Regierungsführung“, „schlecht umgesetzte Politiken und Vorschriften“ und „fehlende Investitionen in Weidelandgemeinschaften und nachhaltige Produktionsmodelle“ als Gründe für die Zerstörung von Weideland genannt.

Laut der mehr als 60 Experten aus über 40 Ländern liegen die bisherige Schätzung der weltweiten Degradierung von Weideland – 25 % – deutlich zu niedrig und könnten tatsächlichen bis zu 50 % betragen.

Der Nutzen von Weideland und seine Funktionsweise werden oft schlecht verstanden, und Mangel an verlässlichen Daten verhindert größtenteils die nachhaltige Bewirtschaftung dieser für Nahrungsmittelversorgung und Klimaregulierung immens wertvollen Flächen.

Wichtigste Empfehlung: das Hirtenwesen schützen

Der Bericht stellt einen innovativen Ansatz vor, der es politischen Entscheidungsträger:innen ermöglichen würde, Weideland zu sichern, wiederherzustellen und zu verwalten.

Der neue Ansatz stützt sich auf Erfahrungen, die in Fallstudien aus fast allen Regionen der Welt zusammengetragen wurden, und zieht wichtige Lehren aus Erfolgen und Misserfolgen in der Weidewirtschaft.

Eine zentrale Empfehlung lautet: Schutz des Hirtenwesens, einer Jahrtausende alten mobilen Lebensform, die sich auf die weidebasierte Zucht von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden, Kamelen, Yaks, Lamas und anderen domestizierten Pflanzenfressern sowie halbdomestizierten Arten wie Bisons und Rentieren konzentriert.

Die weltweit am stärksten von der Verschlechterung der Weideflächen betroffenen Gebiete, in absteigender Reihenfolge:

Zentralasien, China, Mongolei Privatisierung und Agrarindustrialisierung hat die Hirt:innen von unzureichenden natürlichen Ressourcen abhängig gemacht, mit dem Resultat einer weit verbreiteten Degradation. Die allmähliche Wiederherstellung der traditionellen, gemeinschaftsbasierten Weidewirtschaft führt zu deutlichen Fortschritten bei der nachhaltigen Bewirtschaftung.

Nordafrika und Naher Osten Die Auswirkungen der Klimakrise in einer der trockensten Regionen der Welt treiben die Hirt:innen in die Armut durch Verschlechterung von lebensnotwendigen Weideflächen. Die Modernisieriung traditioneller Einrichtungen wie Agdals (Futterreservoirs, die zwischenzeitliche Regeneration natürlicher Ressourcen ermöglichen) und unterstützende Maßnahmen verbessern die Bewirtschaftung der Weideflächen.

Sahel und Westafrika Konflikte, Machtverhältnisse und Grenzfragen haben die Mobilität der Viehherden unterbrochen und zu einer Verschlechterung der Weideflächen geführt. Einheitlichere Maßnahmen, Anerkennung der Rechte von Viehzüchter:innen und grenzüberschreitende Vereinbarungen helfen, die essentielle Mobilität der Viehzüchter:innen wiederherzustellen.

Südamerika Klimakrise, Entwaldung (insb. durch industrialisierten Landwirtschaft und Bergbau) sowie die Umwidmung sind in Südamerika die Hauptursachen für die Verschlechterung der Weideflächen. Multifunktionalität und Vielfalt in Weidesystemen sind daher der Schlüssel zur Wiederherstellung einiger der bedeutendsten Weideländer der Welt (etwa Pampa, Cerrado– und Caatinga-Savannen und die Puna in den peruanischen Anden.).

Ostafrika Migration und Zwangsumsiedlung bedingt durch konkurrierender Landnutzungen (Jagd, Tourismus usw.) vertreiben die Hirt:innen, was die Degradierung der Weideflächen zur Folge hat. Von Frauen geführte Initiativen und verbesserte Landrechte sichern den Lebensunterhalt der Hirt:innen, schützen die Biodiversität und sichern die Ökosystemleistungen von Weideland.

Nordamerika Die Zerstörung traditioneller Graslandschaften und trockener Weideflächen bedroht die Artenvielfalt typischer nordamerikanischer Ökosysteme wie der Hochgrasprärien oder der südlichen Wüsten. Die Einbeziehung der indigenen Bevölkerung in die Bewirtschaftung von Weideland ist ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der historischen Landschaften.

Europa Die Förderung industrielle Landwirtschaft gegenüber der Weidewirtschaft sowie falsche Anreize führen zur Aufgabe und Verschlechterung von Weideland und anderer offener Ökosysteme. Doch zugleich können politische und wirtschaftliche Unterstützung, einschließlich rechtlicher Anerkennung und Differenzierung, zur Trendwende beitragen und damit beispielsweise zunehmende Häufigkeit und Intensität von Waldbränden und den Klimawandel eindämmen.

Südafrika und Australien Aufforstung, Bergbau und die Umwandlung von Weideflächen in andere Nutzungen führen zu einer Verschlechterung und zum Verlust von Weideflächen. Die gemeinsame Schaffung von Wissen durch Erzeuger und Forscher sowie die Achtung und Nutzung des traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften eröffnen neue Wege zur Wiederherstellung und zum Schutz von Weideland.

Paradigmenwechsel

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass ein Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftung auf allen Ebenen – von der Basis bis zur globalen Ebene – erforderlich ist, um die Verschlechterung aufzuhalten.

Pedro Maria Herrera Calvo, Hauptautor des Berichts: „Die sinnvolle Beteiligung aller Interessengruppen ist der Schlüssel zu einer verantwortungsvollen Bewirtschaftung von Weideland, die kollektives Handeln fördert, den Zugang zu Land verbessert und traditionelles Wissen und praktische Fähigkeiten einbezieht“.

Die Lösungen müssen auf die stark variierenden Merkmale und die Dynamik der Weidegebiete zugeschnitten sein. Darüber hinaus fordert der Bericht, dass Hirt:innen ihren Erfahrungsschatz aktiv einbringen und einbezogen werden, von der Planung über die Entscheidungsfindung bis hin zur Verwaltung. Häufig, so der Bericht, unterschätzen herkömmliche Bewertungsmethoden den tatsächlichen wirtschaftlichen Beitrag von Weideland und Hirtentum.

Die wichtigsten Empfehlungen:

  • Strategien zur Klimawandelabschwächung und -Anpassung und nachhaltige Bewirtschaftung von Weideland integrieren, um die CO2 Bindung und Speicherung zu erhöhen und die Widerstandsfähigkeit von Hirten- und Weidelandgemeinschaften zu stärken
  • Vermeidung oder Verringerung von Landnutzungsänderungen, die die Diversität und Multifunktionalität von Weideland beeinträchtigen, insbesondere auf indigenem und kommunalem Land
  • Maßnahmen zur Erhaltung von Weideland innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten, um die Biodiversität über und unter der Erde zu fördern und die Gesundheit, Produktivität und Widerstandsfähigkeit extensiver Viehhaltungssysteme zu stärken
  • Strategien und Praktiken stärken, die auf der Weidewirtschaft basieren und dazu beitragen, Schäden für die Gesundheit der Weideflächen, wie Klimawandel, Überweidung, Bodenerosion, invasive Arten, Dürre und Waldbrände, zu mindern
  • Förderung einer unterstützenden Politik, einer umfassenden Beteiligung der Bevölkerung und flexibler Verwaltungs- und Governance-Systeme, um die Leistungen von Weideland und Hirtentum für die gesamte Gesellschaft zu stärken.

Quelle: https://www.unccd.int/news-stories/press-releases/silent-demise-vast-rangelands-threatens-climate-food-wellbeing-billions

Der vollständige Bericht hier zum Downloade (Englisch): https://www.unccd.int/resources/global-land-outlook/glo-rangelands-report

Titelbild: Wüste Gobi, Mongolei, HBieser über Pixabay

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Julia Herr: Wir als Sozialdemokratie suchen den Austausch mit der Wissenschaft

Lesedauer 7 Minuten.   

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Wir wissen, dass ohne Wissenschaft der Diskurs nicht vorangetrieben wird. Wir wollen auch einen Austausch mit der Wissenschaft suchen als Sozialdemokratie. Wir haben auch in den letzten Wochen Expert:innen-Räte gestartet. Ich sage das deshalb, weil ich weiß, dass auch die eine oder andere Einladung ausgeschickt wurde und die ersten Expert:innen-Räte zum Thema Klima auch getagt haben. Also es ist uns wirklich wichtig, auch die Evidenz hineinzuholen. Und es ist uns auch bewusst, dass diese Evidenz, wenn wir sie uns anschauen, drastisch ist. Wir haben es hier nochmal verbindlich, jedes Mal, wenn man solche Grafiken sieht, dann wird es einem nochmal eindrücklich klar, wir stehen als SPÖ zum Ziel der Klimaneutralität bis 2040. Wir wissen, dass das eine riesige Herausforderung ist, bis zur Erreichung auf diesem Weg noch viel passieren muss. Wir wissen auch, dass wir in Österreich, wenn wir uns anschauen, wie waren die CO2-Emissionen im Jahr 1990, wie stehen sie jetzt, dass wir eigentlich in den letzten 30 Jahren viel zu wenig erreicht haben, also dass wir einen Turbo zünden müssen.

Ich darf hier stellvertretend stehen, auch für unseren Parteivorsitzenden, der denke ich mehr als je ein SPÖ-Parteivorsitzender das auch ins Zentrum seiner Arbeit nimmt, der immer von der Erderhitzung spricht und von sogenannten Kipppunkten, auf die wir wissen, dass wir zusteuern. Ich darf Sie auch einladen, dass die Diskussion heute kein Endpunkt ist. Sie werden heute alle bald weiter müssen. Ich weiß, alle von uns haben einen vollen Terminkalender, wir wollen trotzdem auch jetzt nochmal die Einladung aussprechen, vielleicht auch mit hineinzukommen, das eine oder andere weiter zu diskutieren. Es wird nicht funktionieren ohne einen Plan, an dem Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, aber auch engagierte Aktivistinnen und Aktivisten gemeinsam arbeiten. Das wird es einfach auch brauchen. Ich habe auch gehört, es wurden viele Punkte angesprochen, wo man die SPÖ kritisch sieht. Wir nehmen die gerne mit. Es hat sich auch viel verändert in den letzten 30 Jahren. Wir sehen auch, dass das Thema vor allem bei jungen Menschen immer drängender wird. Auch wir spüren das.

Herz- und Hirnplan

Wir haben einen Herz-und-Hirn-Plan vorgelegt in den letzten Wochen, wo sich viele klimapolitische Punkte auch mit drinnen binden. Es ist die Klimapolitik ins Zentrum unserer Arbeit gerückt. Wir haben im Herz-und-Hirn-Plan, den Andreas Babler vorgelegt hat, auch einiges drinnen zum Thema Verkehrspolitik. Wir wissen, diese muss ausgebaut werden. Wir wissen, dass hier natürlich alles, was öffentlicher Verkehr ist, auch Vorrang vor Individualverkehr bekommen muss. Wir haben auch Punkte drinnen, was Umweltschutz betrifft, was Biodiversität betrifft, beispielsweise den Schutz unserer natürlichen Ressourcen, unseres Wassers. Aber, und das ist ein letzter Punkt, den ich ansprechen will, weil ich glaube, es geht auch vielleicht jetzt noch mal genau, ja, die Chance darauf zu antworten, was für uns vor allem wichtig ist, ist, dass wir auch die Transformation unserer Industrie vorantreiben. Wir haben da einen 20 Milliarden schweren Vorschlag für einen Transformationsfonds gemacht, weil wir wissen, das ist ein besonders großer Hebel. Allein die Voest, circa 5 Prozent unserer CO2-Emissionen, da wirklich auch viel Geld in die Hand zu nehmen. Ein Punkt, den wir gerne umsetzen wollen, soll in die Regierungstätigkeit kommen, was wir doch sehr stark hoffen und in dem Sinne mache ich jetzt auch einen Punkt, konnte nur ein paar Vorschläge anreißen, die wir als SPÖ auch in unser Programm aufgenommen haben, weiß aber sicher, dass es da viel zu sagen gibt, dass heute nicht ein Ende unserer Diskussion ist und dass wir die hoffentlich gemeinsam weiterführen. Wie gesagt, die Einladung, die wir da aussprechen, ist ernst gemeint. Wir haben uns auch in den letzten Wochen deutlich geöffnet und so hingehend vielen Dank für Ihre Medienaktion, für den Protest. Mehr als Danke können wir eh nicht sagen, beziehungsweise Danke und das Versprechen, vieles, was hier heute angesprochen ist, auch wirklich ernst zu nehmen und zu versuchen in Gesetzesvorschläge zu gießen. Ich glaube, das wollen Sie auch hören von mir. Vielen Dank.

Reinhard Steurer: Großes kohärentes Konzept wäre wichtig

Vielen Dank für das Vorbeikommen, für die netten Worte. Man merkt schon, der Umgang mit Wissenschaftlern ist bei der SPÖ genauso wie bei den NEOS von Respekt geprägt. Das ist nicht bei allen Parteien so. Am Ende dieser Protestreihe wird dann die FPÖ stehen. Ich bin am Überlegen, ob man dort überhaupt als Wissenschaftler hingehen oder ganz viele Künstler und andere Persönlichkeiten mitnehmen, weil Wissenschaftler da eh nichts zu sagen haben. Aber das überlegen wir uns über den Sommer, das steht dann im September an. Bei der SPÖ wäre es halt tatsächlich zu wünschen, dass sie stärker wird, damit diese Konstellation, unter der mehr Klimaschutz möglich ist, nämlich SPÖ, Neos, Grüne, irgendwie in Reichweite kommt. Im Moment schaut es nicht so aus. Und das kann schon auch daran liegen, dass man manchmal halt ein bisschen herumeiert. Also dass Querschüsse kommen, nicht aus dem Burgenland, auch aus Wien, wo dann manche Dinge gesagt werden, die nicht zur Bundeslinie passen, die das durchaus ernster zu nehmen scheint. Und ja, das hilft nicht in der Klarheit und in der Entschlossenheit voranzugehen. Mir ist auch klar, dass das in einer großen Volkspartei immer schwierig ist, für eine klare Linie zu stellen. Viel schwieriger wie in einer Kleinpartei, die das quasi in der DNA des Programmes hat. Aber umso wichtiger wäre es, da auf Linie zu kommen und vor allem ein großes, kohärentes Konzept vorzulegen, mit dem man dann zeigt, wie diese Klimaneutralität tatsächlich möglich ist, weil mit den Versatzstücken an Punkten, die bisher am Tisch sind, wird das natürlich nicht gehen.

Julia Herr: Nur übers Schnitzel reden greift zu kurz

Also wenn wir immer, wenn wir über Klimaschutz diskutieren, nur beim Schnitzel landen sofort, dann ist, glaube ich, die Diskussion eigentlich falsch. Wenn wir immer, wenn wir langfristig darüber sprechen wollen, unseren Planeten zu retten, darüber sprechen: „Ist es jetzt moralisch okay oder nicht, einen Trip mit dem Flugzeug zu machen?“, dann ist die Debatte eigentlich sehr kurz und eigentlich sehr eng. Weil über was wir dann sprechen, sind eigentlich Lifestyle-Choices. Ist es jetzt okay, die Erdbeeren im Winter zu essen? Ist es okay, mit dem Flugzeug einen Städtetrip zu machen? All das wird dann diskutiert, oftmals mit einer gehörigen Portion moralischer Überheblichkeit auch, weil das eine wird als positiv gesehen, das andere ist das Böse. Und ich glaube, gerade diese Diskussion ist eigentlich zu kurz gedacht, wenn es eigentlich darum geht, für uns alle wirklich diesen guten Planeten zu schaffen, auf dem wir langfristig leben können und ein gutes Leben haben. Eigentlich ist Klimaschutz und die Frage, wie wir ihn diskutieren, eine zutiefst soziale Frage. So wollen wir das auch als SPÖ diskutieren. Es ist nicht sinnvoll, nur über die Erdbeeren zu diskutieren, sondern sich anzuschauen, wie ist generell die verteilungspolitische Komponente.

Wir tragen nicht alle gleich zur Klimakrise bei und wir leiden auch nicht alle gleich darunter

Wir wissen, je weniger Vermögen ich habe, je weniger Einkommen ich habe, desto weniger hoch ist mein CO2-Ausstoß. Eigentlich ist mutige Klimapolitik für die Menschen, die wir als SPÖ vertreten wollen, die ohnehin nicht so viele Ressourcen verbrauchen als das Vermögende tun. Wir wissen, dass je mehr Vermögen ich habe, je reicher ich bin, desto größer ist mein CO2-Ausstoß. Zehnmal so hoch, als wenn wir uns das reichste Zehntel an der Bevölkerung anschauen, als das ärmste Zehntel. Das ist einfach ein wirklich massives Schiefgewicht und wer wenn nicht die SPÖ muss genau das thematisieren und in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken. Wir tragen nicht alle gleich bei zur Klimakrise und wir leiden auch nicht alle gleich unter der Klimakrise. Auch das will ich sagen.

Arbeitsrecht überarbeiten, Privatjets verbieten, Millionärssteuer

Wenn wir jetzt im Sommer wieder heiße Baustellen haben und dann ein Baustellenmitarbeiter auf der Baustelle kollabiert, weil er bei 35 Grad arbeiten muss, dann ist das ein Thema der SPÖ, weil dann geht es da auch um Schutz der Arbeitnehmer:innen. Dann geht es auch um ein Arbeitsrecht, das endlich überarbeitet werden muss. Also ich glaube, was wir schaffen müssen als SPÖ, ist, dass wir Klimaschutz so diskutieren, dass er eingebettet ist in: „Wie wollen wir leben, wie funktioniert die Gesellschaft, was ist Fairness, wie kann man fair gemeinsam auf diese Klimakrise reagieren.“ Und dann sieht man natürlich, dass es auch so Maßnahmen braucht, wie zum Beispiel ein Privatjet-Verbot, das absolut nicht gerechtfertigt ist, also das wir uns anschauen müssen: Wie können die, die besonders viel CO2 emittieren, auch beitragen. Dass es Millionärsteuern braucht, um auch fair die Klimaschutzmaßnahmen, die wir brauchen, zu finanzieren. All das versuchen wir ja auch als SPÖ zu kommunizieren. Ich nehme jetzt an, ich nehme auch die Kritik mit , dass es aus Sicht der Scientists for Future noch nicht ein ganzes Konzept gibt, das wirklich diesen Weg aufzeigt, wie ist das jetzt schaffbar bis 2040. Aber ich kann versprechen – es ist auch unsere Bundesgeschäftsführerin jetzt hier dazugekommen, der das Thema genauso wichtig ist – dass wir es auch angehen wollen. Und dass es natürlich die ersten Studien gibt, wir hatten da vor kurzem einen Termin, die zeigen, wie es bis 2040 möglich ist. Wir haben uns das angeschaut, wir wissen, dass es schaffbar ist für Österreich mit massiver Kraftanstrengung, aber es könnte gehen. Und auch die Arbeiterkammer, die einen Plan vorgelegt hat, wie man Klimapolitik durch alle verschiedenen Bereiche definieren kann, was das bedeutet für die Bildungspolitik, was das bedeutet für die Verkehrspolitik, was das bedeutet für das Arbeitsrecht. Also es gibt ja auch Bündnispartner und Bündnispartnerinnen, nicht nur wie die Scientists for Future, sondern eben auch zum Beispiel die Arbeiterkammer, weil sie angesprochen wurde, die wirklich breit angelegt auch zeigt, was das Positive ist. Und so komme ich auf den letzten Punkt mit dem Verzicht. Ich darf jetzt seit fünf Jahren Klimaschutzsprecherin sein und wir haben das vorher schon gehört, die SPÖ ist eine sehr breite Partei, die auch verankert ist in Stadt und Land. Also uns gibt es in allen neun Bundesländern, in jedem Bezirk, in vielen Gemeinden und das ist natürlich eine Schwierigkeit, weil da ganz viele verschiedene Lebensrealitäten in der SPÖ zusammenkommen, in ganz unterschiedlichen Lebensverhältnissen, aber es ist auch eine Stärke. Und wir sehen schon, dass viel passiert, auch in den Kommunen, dass da viel Positives da ist und dass wir eigentlich mit positiver Motivation und mit, wenn wir die Vorteile der Klimapolitik ins Zentrum rücken, eigentlich mehr bewegen können, als wenn wir über Verzicht sprechen.

Klimaschutz ist Gewinn an Lebensqualität

Also das ist wirklich meine Erfahrung nach fünf Jahren, wenn man aufzeigt, was man an Lebensqualität gewinnen kann, was man an frischerer Luft einatmen kann, was man länger lebt, wenn man gesündere Lebensmittel isst, dass man länger einen kühlen Sommer auch genießen kann, wo man länger unsere Gletscher in Österreich bewundern kann, also all das, was eigentlich so gesellschaftlich gemeinsam ausverhandelt ist, auf das wir stolz sind. Wenn man diese Dinge in den Mittelpunkt unserer Arbeit rückt, dann kann man, glaube ich, mit Motivation wirklich zutiefst, ich sage das nicht nur, weil wir kurz vor einer Wahl stehen, ja das tun wir, aber eigentlich mehr Menschen mitnehmen und mehr Menschen motivieren auch mitzumachen bei diesem Projekt. Das ist schon der Weg, den wir als SPÖ gehen, hier aufzuzeigen, was wir alles gewinnen können durch positive Klimaschutzpolitik und ich glaube im Übrigen dass Verzicht, also dieses Spiel von Frage und Angebot und Nachfrage, das glauben wir als SPÖ ja zum Glück nicht mehr, ich glaube da ist auch ganz viel die Frage, wie können die Menschen sich denn bewegen, was ist denn an Infrastruktur da, was gibt es denn überhaupt für Lebensmittel zu kaufen, also da ist schon ganz viel, was wir durch Ordnungspolitik gestalten können, wo wenn wir den Menschen endlich eine bessere Infrastruktur zur Verfügung stellen, die auch nutzen wollen, es will eigentlich niemand das billigste Fleisch essen, wo man nicht weiß, ob das eh gut hergestellt worden ist, sondern es will eh jeder möglichst eigentlich biologisch hergestelltes Fleisch natürlich essen, aber die Frage ist, kann man sich das auch leisten? Also es ist wirklich ganz viel, wo wir an der Infrastruktur schrauben wollen und müssen und das ist das, was wir auch anbieten können und wo wir gerne weiter zusammenarbeiten.

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Reinhard Steurer zur Klimapolitik der SPÖ: Am Sonntag renaturieren und Montag bis Freitag zubetonieren – das geht sich nicht aus

Lesedauer 5 Minuten.   

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Die ÖVP ist eine Partei der Doppelmoral

Eigentlich sollten wir ja heute vor der ÖVP-Parteizentrale stehen, aus aktuellem Anlass würde es dort eigentlich besser passen zu protestieren, aber wie der Max gerade gesagt hat, da waren wir schon und es sollen ja alle dran kommen. Trotzdem möchte ich ein paar Worte zur Diskussion der letzten Woche sagen. Die ÖVP hat immer betont, die Grünen haben jetzt ihr wahres Gesicht gezeigt. Ich würde sagen, die ÖVP hat einmal mehr ihr wahres Gesicht gezeigt, wenn es um Klimaschutz und Naturschutz geht. Sie hat sich als Partei der Doppelmoral gezeigt, die Spielregeln und Vertrauen von anderen einfordert und im Grunde nichts anderes getan hat, als fünf Jahre lang Spielregeln und Vertrauen zu brechen. Sie hat das Klimaschutzgesetz bis heute blockiert, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mit Substanz blockiert und den nationalen Energie- und Klimaplan. Sie hat dann plötzlich die Sorge um Lebensmittelsicherheit erkannt, als es um Naturschutz ging, gefährdet aber genau diese, indem sie seit fünf Jahren die Ziele für Bodenversiegelung verhindert und selbst Enteignungen vornimmt für Straßenbau. Enteignungen, die sie dem Umweltschutz vorwirft, die es aber nie geben wird. Sie opponiert gegen Privatgutachten, meint man könne mit Privatgutachten keine politischen Entscheidungen treffen, obwohl sie selbst mit einem Privatgutachten die Indexierung der Familienbeihilfe mit der FPÖ durchgesetzt hat. Auch ein Zeichen der Doppelmoral. Sie agiert zu Recht gegen Vorverurteilungen, wenn es um die eigenen Leute geht, aber sie macht seit einer Woche nichts anderes, als die Grünen vorzuverurteilen, weil sie angeblich Verfassungsbruch begangen haben, was dann Gerichte entscheiden werden. Und es schaut ganz so aus, als ob das nicht der Fall wäre. Die ÖVP ist also sozusagen eine postfaktische Partei, die tatsächlich die Fakten immer zu ihren Gunsten dreht, auch nicht wirklich auf die Wissenschaft hört, Wissenschaftler beschimpft als solche, die Untergangsszenarien malen und so weiter.

Die SPÖ will und kann Teil der Lösung sein

Heute sind wir bei der SPÖ und da ist es zum Glück etwas anders. Es ist auch eine Volkspartei, eine große, und da ist es immerhin so, dass die SPÖ das Renaturierungsgesetz ermöglicht hat. Dafür sind wir zunächst einmal dankbar. Auch das soll gesagt werden, trotz des Protesttags, denn ohne den Umschwung bei der Wiener SPÖ wäre es zu dieser Zustimmung nicht gekommen, verfassungskonform. Und insofern ist es schon mal ein starkes Zeichen. Die SPÖ beschimpft auch Wissenschaftler:innen nicht, sondern respektiert uns. Und sie hat speziell unter einem neuen Vorsitz dem Klima tatsächlich eine größere Priorität gegeben. Deshalb ist vorneweg die Schlussfolgerung ganz klar, die SPÖ ist gemeinsam mit den Neos und den Grünen Teil der Lösung in Österreich. Sie können die Konstellation bringen, die tatsächlich mehr Klimaschutz in diesem Land ermöglicht. Es ist vermutlich die einzige Konstellation, unter der mehr möglich ist.

Nur drei, vier Punkte zur Klimapolitik

Allerdings, und da kommen wir jetzt zum kritischen Teil unseres Daseins hier, allerdings ist diese Konstellation sehr unwahrscheinlich, aus vielen Gründen, zum einen, weil die SPÖ im politischen Diskurs oft zu wenig präsent ist. Also gerade in den letzten Wochen hat man sich oft einmal gedacht, wo ist die SPÖ, wo sind die Ansagen, wo war das Zögern und warum kam es zu diesem Zögern? Blöderweise ist dann die politische Rhetorik auch nicht immer ganz passend. Der Herr Babler hat dann der Gewessler vorgeworfen, sie habe zu lange gebraucht für die Entscheidung. Na ja, reden wir mal darüber, wie lange die SPÖ gebraucht hat für den Meinungsumschwung. Also auch nicht wirklich am Punkt. Und dann fragt man sich manchmal, wo sind die richtigen Prioritäten. Wir haben jetzt die Wochen eine veritable Regierungskrise hinter uns. und dann kommt auf einmal der Einwurf, na ja wir wollen eigentlich Fußball für alle im Gratis-TV. Ja, kann man fordern, war vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt. Also da fehlt ein bisschen das politische Gespür für meinen Geschmack. Was auch fehlt und das wiegt viel schwerer, das ist ein ausgereiftes Konzept für die Wirtschaftsstandorts- und auch Klimapolitik dieses Landes. Ich habe im Zuge der Vorbereitungen für heute recherchiert, was eigentlich die die die SPÖ zur Klimapolitik fordert und man findet eigentlich nur drei, vier Punkte auf einer Website, unter anderem einen Transformationsfonds mit 20 Milliarden, der helfen soll, die Wirtschaft klimafreundlicher zu machen, die Attraktivierung öffentlicher Verkehrsmittel, auch wichtig, und dann ein Verbot von Privatjets. Ja, schön und gut, aber das wird nicht reichen für Klimaneutralität, wobei nicht einmal klar ist, bis wann die SPÖ endlich Klimaneutralität vorhätte. 2040, 2045, 2050. Auch das ist also im Ungewissen. Und zu dem eigentlich fehlenden Programm kommt dann noch dazu, dass oft einmal komische Zwischenrufe kommen. Zum Beispiel, dass man den CO2-Preis doch aussetzen sollte in Zeiten hoher Inflation. Ich würde mir von der SPÖ erwarten, dass sie betont, der CO2-Preis mit einem Klimabonus ist sozial gerecht, weil arme Haushalte mehr davon profitieren, als sie einzahlen.

Und vor ein paar Wochen kam ein sonderbarer Zwischenruf aus der Wiener SPÖ. Da hat der Herr Ludwig gemeint, wir wollen Klimaschutz machen so, dass man nicht die Leute sekkiert. Als ob das möglich wäre, dass Klimaschutz von niemandem bemerkt wird.

Die Klimaillusion der SPÖ: Wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird

Zusammenfassend könnte man also sagen, die Klimaillusion der ÖVP lautet , es ist alles halb so schlimm, wir werden uns anpassen und China ist eigentlich schuld, was sollen wir denn tun. Die Realität ist natürlich, es ist alles viel schlimmer als wir glauben. Die Realität überholt dann oft unsere eigenen Prognosen. Es gibt grenzen der Anpassungen, das sehen dann die, deren Häuser weggespült werden und die sterben an der Klimakrise. Und wir haben eine Verantwortung wahrzunehmen. Während China seine Ziele vorzeitig erreichen wird, werden wir unsere voraussichtlich verfehlen. Die Illusion der SPÖ lautet dann, wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird, wir sekkieren niemand, auch das ist eine Illusion, denn Klimapolitik, die Ziele erreicht, wird im Alltag spürbar sein, anders geht das nicht. Oder man verfehlt halt Ziele auf andere Art und Weise. Und das was schade ist, ist, dass gerade in der Klimamusterstadt natürlich auch sehr viel möglich wäre. Viel möglich wäre, ohne dass man tatsächlich Leute sekkiert. Was ist mit den Gemeindebauten, die man zu Solarkraftwerken umbauen könnte? Ich habe da noch nicht viel gesehen davon. Was ist mit den Radhighways, die immer wieder angekündigt werden, aber dann doch nicht gebaut werden? Und was ist mit einer klaren Absage an fossile Projekte wie den Lobautunnel und die dritte Piste in Schwechat? Aber da fehlen klare Worte, der Günter Emberger wird dazu dann mehr sagen. Was uns also fehlt, ist ein Mut zu klaren Ansagen und tatsächlich die Vorzeigerolle einer Klimamusterstadt in Wien zu zeigen. Die Klimamusterstadt ist auch eine Art Illusion. Das sehen Sie am besten, wenn Sie mal versuchen, die Klimamusterstadt mit dem Fahrrad am Gürtel zu suchen. Kurzum, sonntags renaturieren, das ist schön, das ist ein Fortschritt, für den wir dankbar sind, aber es reicht nicht, wenn man dann montags bis freitags weiter betoniert. Und insofern hoffen wir, dass die SPÖ mehr Mut findet für klare Ansagen, für klare Absagen fossiler Projekte, denn sie ist tatsächlich Teil der Lösung und eine Partei in der Konstellation, die für Österreich mehr Klimapolitik bringen kann. Insofern hoffen wir, dass die Partei entsprechend gut abschneidet und wir dieser Lösung tatsächlich näher kommen.

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Dringender Appell für ein „Ja“ zur Renaturierungsverordnung

Lesedauer 4 Minuten.   

Die Scientists for Future Österreich und Wissenschaftler:innen ihres Fachkollegiums begrüßen den Vorstoß der Landeshauptleute Peter Kaiser und Michael Ludwig sowie die Bemühungen von Bundesministerin Leonore Gewessler um die EU-Renaturierungsverordnung ausdrücklich.

Wir appellieren dringend, diesen vielversprechenden Weg weiterzugehen und diese Woche gemeinsam ein österreichisches „Ja“ zur Renaturierungsverordnung zu ermöglichen!  

Sie haben damit die Chance, ein Kernanliegen der Bürger:innen in Österreich und der Europäischen Union aufzugreifen, die sich mehrheitlich um den Naturverlust sorgen: Drei Viertel der Bürger:innen fordern verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur von der Politik1.

Warum brauchen wir die Verordnung?

  • Wiederherstellungsmaßnahmen schaffen CO2-Senken und stellen (z.B. Im Bereich von Flussrenaturierungen) Anpassungen an die Klimakrise dar2. Wie dringend solche Maßnahmen sind, zeigen die Extremwetterereignisse unter anderem im Burgenland und der Steiermark in den letzten Tagen. 
  • Ernährungssicherheit ist nur möglich, wenn Ökosystemleistungen z.B. durch Bestäuber sichergestellt sind; deshalb ist die Verordnung keine Bedrohung, sondern ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherheit. Zudem räumt die aktuelle Fassung der Verordnung für den als äußert unwahrscheinlich eingestuften Fall, dass die Ernährungssicherheit gefährdet würde, die Möglichkeit der vorübergehenden Aussetzung der Anwendung der Verordnung ein3.
  • Die Wirtschaft hängt von einer funktionsfähigen Natur ab4. Eine breite Allianz aus Unternehmer:innen hat die EU-Ratspräsidentschaft daher in einem Brief aufgefordert, eine Zustimmung zur Verordnung sicherzustellen5
  • Die Finanzierung von Wiederherstellungsprojekten profitiert in Österreich schon jetzt teilweise von EU-Fonds. Für die jährlichen Kosten der in der Verordnung angestrebten zusätzlichen Wiederherstellung sind neben den – bereits bestehenden – Möglichkeiten durch den Finanzrahmen der EU sowie Förderprogramme, neue Finanzierungen vorgesehen6. Zudem ist einer Wirkungsanalyse der EU-Kommission zufolge der Nutzen der Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in Österreich 12-mal höher als deren Kosten7. Das Nichthandeln belastet das österreichische Staatsbudget hingegen bereits jetzt mit mehreren Milliarden Euro pro Jahr8
  • Ökosysteme halten sich nicht an Ländergrenzen. Maßnahmen und Gesetze innerhalb Österreichs werden nicht ausreichen, um die Lebensqualität der Menschen in Österreich und der EU zukünftig zu sichern. Die Verordnung soll garantieren, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihren Beitrag zu einer gemeinsamen Herausforderung leisten.
  • Europa hat sich immer wieder als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung präsentiert. Die deutlichen Rückschritte in der Umsetzung des Europäischen Green Deals stellen diese Rolle in Frage9. Die Renaturierungsverordnung würde wesentlich dazu beitragen, unterzeichneten globalen Verträgen gerecht zu werden (UN-Kinderrechtskonvention, Globaler Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal, Pariser Klimaschutzabkommen). Sie ist eine große Chance für Österreich und die EU, sich international sichtbar für das Wohl von Menschen, Wirtschaft und Natur einzusetzen.

Die Stimmen der Wissenschaftler:innen des Fachkollegiums für die Renaturierungsverordnung

Obwohl wir der Erde schon zahlreiche Schäden zugefügt haben, versorgt sie uns (im globalen Norden) noch immer mit allem, was wir brauchen. Genau dies riskieren wir aber in zunehmendem Maße. Die Renaturierungsverordnung bietet die Chance, einen Teil der Schäden rückgängig zu machen, mindestens aber die Situation nicht noch weiter zu verschlimmern. Diese Chance nicht zu ergreifen, wäre fahrlässig und verantwortungslos. Assoc. Prof. Dr. Kirsten von Elverfeldt

Für Menschen, Tiere, Pflanzen und auch für Pilze ist das NRL zukunftsweisend und unbedingt nötig. Der globale Marktwert von Pilzen wird auf 54,57 Billionen USD geschätzt10. Pilze haben also enormen ökonomischen Wert und Einfluss auf die globale Wirtschaft. Die monetäre Bewertung von Pilzprodukten, Pilzen und deren Rolle im Ökosystem sollte daher auch entscheidend für politische Maßnahmen zur Erhaltung und Verwertung dieser am globalen Markt zunehmend präsenten Ressource sind. Der enorme finanzielle Wert von Pilzen untermauert das Argument, dass Landschaften erhalten werden müssen, um die darin enthaltenen natürlichen Ressourcen zu schützen. Bisher wurde nur ein kleiner Teil der Pilze in der Natur entdeckt. Somit sind Milliarden von Dollar an Pilzressourcen noch unentdeckt oder verloren, wenn ihre Lebensräume zerstört werden. Daher ist die Zustimmung zum Nature Restoration Law eine simple Notwendigkeit um eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern. Prof. Mag. Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber

Das EU-Renaturierungsgesetz ist eine zentrale Weichenstellung für die Umsetzung naturbasierter Lösungen, welche nicht nur dem Schutz vor klimabedingten Risiken wie Hochwasser dienen, sondern gleichzeitig auch Biodiversität fördern und durch zusätzliche Kohlenstoffspeicherung zur Minderung des Klimawandels beitragen. Nicht die Unterstützung dieses Gesetzes gefährdet Österreichs Lebensgrundlagen, sondern ein weiter wie bisher im sorglosen Umgang mit der Natur. Dr. Thomas Schinko

Die SPÖ hat die einmalige Chance zu zeigen, dass ihr Umwelt- und Klimaschutz auch in der Umsetzung wichtiger ist als der ÖVP. Umweltpolitischer Taktierer bei der EU-Wahl gewesen zu sein wird bei der Nationalratswahl nicht reichen. Assoc. Prof. Mag. Dr. Reinhard Steurer

Für unsere Kinder haben wir keine andere Wahl! Prof. Dr. Michael Wagreich 

So tragisch die aktuellen Hochwasser im Burgenland und der Steiermark für die Betroffenen auch sind, überraschend sind diese Extremwetterereignisse nicht. Die Klimafolgenforschung warnt seit Jahrzehnten vor häufigeren und intensiveren Niederschlägen und deren mitunter lebensbedrohlichen Folgen, benennt die Ursachen und zeigt der Politik konkrete Handlungsoptionen auf1112. Ein Ja zur EU-Renaturierungsverordnung wird der Bevölkerung demonstrieren, wer in Österreich politisch verantwortlich handelt. Das heißt, wer die Klimakrise und die Sorgen der Menschen um eine intakte Natur und ihre Gesundheit ernst nimmt und komplexen Fragen mit Sachverstand begegnet. Mag.rer.nat. Dr. phil. Ulli Weisz

Im Jahr 1777 erschien in der Zeitschrift „Neue Mannigfaltigkeiten“ ein Streitgespräch zwischeneinem Bach und einem Kanal. Der Kanal lobte seine wirtschaftliche Bedeutung, während derBach seine Ökosystemleistungen hervorhebt, wenn er dem Kanal widerspricht: „Die Krümmungen meines Laufs, die du so sehr verachtest, dienen dazu, die Erfrischung meines Wassers über einen größren Theil des Bodens zu verbreiten. […] Denn dein in tiefenSeitenwänden eingeschlossenes oder über Thäler gehobenes Wasser, läuft über, wird unnütze Last der Felder und ist bloß der Sklavenarbeit, vergängliche Güter zu tragen, behülflich; abermein Fluß beschenkt die Wiesen mit unveränderlicher Fruchtbarkeit.“13 Als Umwelthistorikerin finde ich es erstaunlich, wie lange diese Leistungen schon bekannt sind, noch mehr aber verwundert es mich, dass immer noch diskutiert wird, ob wir ein Renaturierungsgesetz brauchen – 247 Jahre Nachdenken über Ökosystemleistungen sollteneigentlich genug sein. Univ.-Prof. (i.R.) Ing. Dr. phil. Dr. h.c. Verena Winiwarter 

Ein Ja zur Renaturierungsverordnung ist ein Ja zu einem lebenswerten Österreich, einemÖsterreich, in demevidenzbasierte und sozial gerechte Politik für das Wohl der Bürger:innen des Landes Sorge trägt ganz im Auftrag der Wähler:innenschaft! 

Die Scientists for Future Österreich gemeinsam mit Wissenschaftler:innen ihres Fachkollegiums:

Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Benedikt Becsi University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Assoc. Prof. Dr. Kirsten von Elverfeldt; Assoc. Prof. Dr. Karlheinz Erb Director Institute of Social Ecology (SEC) University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber; Dr. Thomas Schinko, Senior Research Scholar and Research Group Leader (Equity & Justice Research Group), International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Laxenburg, Austria; Dipl.-Ing. Dr. Gunter Sperka ehem. Klimakoordinator des Landes Salzburg; Assoc. Prof. Mag. Dr. Reinhard Steurer University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna; Prof. Dr. Michael Wagreich Department of Geology Faculty of Earth Sciences, Geography and Astronomy, University of Vienna; Mag.rer.nat. Dr. phil. Ulli Weisz Univ.-Prof. (i.R.) Ing. Dr. phil. Dr. h.c. Verena Winiwarter.

  1. Savanta 2024: „Citizens’ perceptions on nature and biodiversity in the EU. Survey Results“, https://www.restorenature.eu/File/Citizens-survey-nature-biodiversity-NRL-EU.pdf und WWF 2024: „WWF-Umfrage: Große Mehrheit besorgt über Naturverlust“, https://www.wwf.at/wwf-umfrage-grosse-mehrheit-besorgt-ueber-naturverlust/ ↩︎
  2. IPCC, 2023: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 184 pp., doi: 10.59327/IPCC/AR6-9789291691647 ↩︎
  3. Siehe sowohl Punkt (88) der Verordnung als auch Art. 27 zur „Vorübergehenden Aussetzung“. ↩︎
  4. Corporate Leaders Group 2024: „Business Networks‘ Letter on the Nature Restoration Law“, https://www.corporateleadersgroup.com/files/clg_europe_led_letter_on_nature_restoration_-_may_2023.pdf ↩︎
  5. euobserver 2024: „Businesses join forces to call on EU to save nature restoration law“, https://euobserver.com/green-economy/arafdc52df ↩︎
  6. Umweltbundesamt: „Ökonomischer Nutzen“, https://www.umweltbundesamt.at/naturschutz/nature-restoration-regulation/oekonomischer-nutzen ↩︎
  7. EU 2023: „Impact assessment study to support the development of legally binding EU nature restoration targets. Final Report“, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/db3e5d55-310c-11ee-946a-01aa75ed71a1 ↩︎
  8. WIFO 2024: „Policy Brief: Budgetäre Kosten und Risiken durch klimapolitisches Nichthandeln und Klimarisiken“, https://www.wifo.ac.at/publication/49048/ ↩︎
  9. Society for Conservation Biology et al. 2024: „Expression of Concern by Scientific associations: Rollback of EU environmental legislation and policies jeopardises the future of EU citizens“, https://zenodo.org/records/11493585. ↩︎
  10. Allen Grace T. Niego A.G.T. et al. (2023) The contribution of fungi to the global economy.  Fungal Diversity 121: 95–137. https://doi.org/10.1007/s13225-023-00520-9 ↩︎
  11. IPCC 2023 (wie hier Fussnote 2). ↩︎
  12. Romanello, M. et al. The 2023 report of the Lancet Countdown on health and climate change: the imperative for a health-centred response in a world facing irreversible harms. The Lancet 402, 2346–2394 (2023). DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01859-7. ↩︎
  13. Der Kanal und der Bach. Ein Traum, aus dem Englischen, in: Neue Mannigfaltigkeiten 4 (1777), S. 33–37. ↩︎
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Naturschutzmaßnahmen wirken – wenn sie umgesetzt werden (Mit Petition)

Lesedauer 3 Minuten.   

Neue Studie zur Wirksamkeit von Naturschutz

Hat Naturschutz einen positiven Effekt auf die Biodiversität? Diese Frage stellt eine kürzlich im renommierten Fachmagazin Science veröffentlichte Studie. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten trägt sie die Ergebnisse von 186 Einzelstudien aus zahlreichen Ländern und Ökosystemen in einer Meta-Analyse zusammen und ist damit besonders aussagekräftig. Die analysierten Naturschutzmaßnahmen umfassen ganz unterschiedliche Ansätze – z.B. die Einführung von Schutzgebieten, die Bekämpfung invasiver Arten und die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume. Das Ergebnis ist eindeutig: In 66% der Fälle entwickelte sich die Natur mit Naturschutzmaßnahmen besser als ohne. Diese Interventionen hatten entweder einen absoluten positiven Effekt (z.B. Zunahme der Population einer bedrohten Art) oder schwächten zumindest negative Entwicklungen ab (z.B. Abnahme der Entwaldungsrate in einem Schutzgebiet, verglichen mit der Situation ohne Schutzgebiet). Dabei wurden oft nicht nur kleine Effekte beobachtet, sondern sehr deutliche Verbesserungen. Positive Auswirkungen zeigten sich außerdem auf allen untersuchten Biodiversitätslevels – auf die genetischen Vielfalt innerhalb von Arten, den Zustand spezifischer Arten und ganzer Ökosysteme.

Wie erklärt sich die Minderheit der Fälle, in denen sich die Biodiversität ohne Interventionen besser entwickelt hätte? Zum Teil könnten diese darauf zurückzuführen sein, dass Naturschutz in komplexe Systeme eingreift und deshalb manchmal unvorhersehbare Auswirkungen hat. Von Schutzgebieten für eine bestimmte Art können z.B. ungewollt deren Prädatoren besonders profitieren. Diese Projekte sind aber dennoch nicht nutzlos – solche Erfahrungen ermöglichen besser angepasste Maßnahmen in der Zukunft.

Anscheinend wissen wir Menschen also oft recht genau, wie wir die Natur schützen können. Warum befinden wir uns dann trotzdem in einer massiven Biodiversitätskrise? Weil es nicht reicht, dass Maßnahmen wirkungsvoll sind – sie müssen auch tatsächlich in großem Umfang umgesetzt werden, um unterschiedlichste Arten und Ökosysteme zu bewahren. Die Autor:innen der Studie betonen, dass größere Investitionen in den Naturschutz dringend notwendig sind. Ende 2022 einigte sich die internationale Gemeinschaft bereits auf ambitionierte Ziele zum Erhalt der Biodiversität, wie z.B. bis 2030 30% der Landesfläche weltweit unter Schutz zu stellen (Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework). Diese Ziele sind aber nicht bindend; für ihre Umsetzung müssen die Staaten eigene Pläne und Gesetze festlegen.

Umsetzung: Das geplante EU-Renaturierungsgesetz

Das geplante EU-Renaturierungsgesetz zielt genau darauf ab. Es sieht für die EU vor, bis 2030 für 30% der Lebensräume in derzeit schlechtem Zustand Maßnahmen zu ergreifen, und bis 2050 für mindestens 90%. Weitere Vorgaben dienen der Förderung der Biodiversität speziell in Mooren, Wäldern, landwirtschaftlichen und städtischen Ökosystemen. Auch Flussverbauungen sollen reduziert werden. Zur Umsetzung auf nationaler Ebene soll jedes Land seinen eigenen Plan zur Wiederherstellung der Natur formulieren. Dieses Gesetz wäre eine große Chance, durch gesetzlich festgelegten Naturschutz Biodiversität, Klima, und damit unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Das sagen zahlreiche Wissenschaftler:innen: Bereits 2023 befürworteten 6000 Wissenschaftler:innen aus der ganzen EU in einem offenen Brief das Gesetz. Im April diesen Jahres plädierten 170 Wissenschaftler:innen aus Österreich in einem vom WWF organisierten Brief noch einmal dringend dafür. Trotzdem ist derzeit unklar, ob das Gesetz im EU-Ministerrat die erforderliche Mehrheit erhält. Österreich spielt eine entscheidende Rolle, denn aufgrund der Ablehnung der meisten Bundesländer ist immer noch nicht klar, ob Österreich für das Gesetz stimmen wird. Österreich könnte damit dieses wichtige Gesetz verhindern.

Was kann ich tun?

  • In Österreich wohnhafte Personen: Die Petition an die Landeshauptleute unterzeichnen! So zeigen wir die Unterstützung in der Gesellschaft, auch außerhalb der Wissenschaft, und können vielleicht zu einer Kursänderung beitragen. Die Seite informiert zudem übersichtlich zu Fake News und Fakten zum Renaturierungsgesetz.
  • EU-Bürger:innen: Über diese europaweite Petition Alexander De Croo (Vorsitzender der EU-Ratspräsidentschaft und belgischer Premierminister) aufrufen, sich für das Renaturierungsgesetz einzusetzen!
  • Petitionen mit Freund:innen, Familie und Kolleg:innen teilen!
  • Zur Vertiefung des Themas an unserem Talk4Future „Wiederherstellung der Natur in Österreich: Wie und warum?“ teilnehmen! Am Dienstag, 4. Juni, 18:30 Uhr (online) diskutieren wir mit Rafaela Schinegger (BOKU), Joschka Brangs (WWF) und Christian Schröck (IG Moorschutz) über Chancen und Herausforderungen von Renaturierungen.

Quelle

Langhammer, P. F., Bull, J. W., Bicknell, J. E., Oakley, J. L., Brown, M. H., Bruford, M. W., Butchart, S. H. M., Carr, J. A., Church, D., Cooney, R., Cutajar, S., Foden, W., Foster, M. N., Gascon, C., Geldmann, J., Genovesi, P., Hoffmann, M., Howard-McCombe, J., Lewis, T., … Brooks, T. M. (2024). The positive impact of conservation action. Science, 384(6694), 453–458.

Titelfoto: Triplec85 via Wikimedia, CC 0

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Politologe Reinhart Steurer zur Klimapolitik der ÖVP: Sicherheitsrisiko für Österreich

Lesedauer 3 Minuten.   

Im Superwahljahr 2024analysieren Wissenschaftler:innen von Scientists for Future die Klimapolitik der österreichischen Parlamentsparteien und besuchen die Parteizentralen, um ihre Kritik dort hörbar zu machen. Der erste Besuch galt der ÖVP, wo sich am 4. April beinahe 100 Wissenschaftler:innen versammelten. Reinhart Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur, hatte der ÖVP folgendes auszurichten:

Wir brauchen dringend eine faktenbasierte Klimapolitik. Diese einzufordern war nie leichter als im Super-Wahljahr 2024.

Partei des Klima-Rechtspopulismus

Es war einmal eine ÖVP, die sich als staatstragende Partei verstand. Sie setzte sich sogar für hohe Umweltschutzstandards ein, wenn Österreich davon profitierte, wie z.B. beim bei uns vorbildlichen Gewässerschutz. Dem Tourismus sei Dank. Diese ÖVP prägte auch das Konzept der öko-sozialen Marktwirtschaft. Es war die schwarze ÖVP eines Josef Riegler und eines Erhard Busek, hochgehalten bis zuletzt von Othmar Karas im EU-Parlament. Die türkise ÖVP, die im Grunde mit Schüssel begann und von Kurz vollendet wurde, hat damit nichts mehr zu tun. Sie ist längst eine andere Partei, eine Partei des unverantwortlichen Klima-Rechtspopulismus, die die Klimakrise bis heute nicht ernst nimmt, geschweige denn angemessen zu bekämpfen versucht. Für diese Diagnose gibt es eine klare Beweislage in mindestens drei Bereichen.

Strategisch notwendiger Unsinn

Zum ersten hat die ÖVP gemeinsam mit der WKO zu verantworten, dass nur ein Bruchteil der Vereinbarungen im Regierungsprogramm umgesetzt wurden, und das obwohl auch die ÖVP 2019 im Nationalrat den Klimanotstand anerkannt hat. Das hat zur Folge, dass die mit den Grünen im Regierungsprogramm vereinbarte Klimaneutralität 2040 eine Märchenerzählung bleibt.

Zum zweiten ist die Koalition mit der Ansage angetreten, in der EU zu den Klima-Vorreitern gehören zu wollen. Auch diese Vereinbarung wurde von der ÖVP gebrochen, denn sie war gerade in letzter Zeit wiederholt damit beschäftigt, wichtige umweltpolitische Beschlüsse der EU (wie z.B. ein Verbrenner-Aus bis 2035) zu sabotieren.

Zum dritten macht die ÖVP aus dem ohnehin schwierigen, aber unausweichlichen Wertewandel hin zu einem klimafreundlicheren Leben gerade in den Bereichen Mobilität und Ernährung einen spaltenden Kulturkampf. Da wird nicht nur der ungesund hohe Fleischkonsum mit peinlichen Normal-Videos verteidigt, sondern da werden auch dringend nötige Änderungen in allen Lebensbereichen mit Technologie-Nebelgranaten untergraben, die Parteistrategen selbst wohl als SNU, also als Strategisch Notwendigen Unsinn, bezeichnen würden. Dieser Unsinn wird immer dann zelebriert, wenn dringend nötige Regulierungen mit Hinweisen auf Technologieoffenheit, E-Fuels, Wasserstoff oder CO2-Speicherung gegen Grundsätze der Physik verhindert werden. Die elektrische Zukunft des Autos ist längst entschieden, nur ÖVP und FPÖ wollen das noch nicht wahrhaben – sehr zum Leidwesen der heimischen Wettbewerbsfähigkeit.

Dieses Konglomerat an gebrochenen Versprechen und Realitätsverweigerung nennt die ÖVP dann Klimapolitik mit Hausverstand. Ganz nebenbei ist das eine offene Kampfansage an die Wissenschaft. Ich nehme das hier und heute gerne auf und halte dagegen: Was wir dringender denn je brauchen, ist eine Klimapolitik mit Sachverstand statt Hausverstand – aus einem einfachen Grund: Wie wir spätestens seit der Pandemie wissen, ist der Hausverstand bei der Lösung hochkomplexer Probleme ein Trottel. Klimapolitik mit Hausverstand ist wie Pandemiepolitik mit Pferde-Entwurmungsmittel: für viele tödliche Scharlatanerie (in der Klimakrise mit starker Verzögerung, deshalb funktioniert der Schmäh hier besser).

Nehammer-ÖVP ist ein Sicherheitsrisiko für Österreich

Und was sagt der wissenschaftliche Sachverstand zur ÖVP-Klimapolitik mit Hausverstand? Drei Dinge:

Erstens, die ÖVP ist aufgrund ihrer Positionen und ihrer langjährigen Regierungsbeteiligung DIE Partei des Scheinklimaschutzes, des So-tun-als-Ob Klimaschutz wichtig wäre. Sie ist somit DIE Partei der Klima-Heuchelei, charakterisiert durch große Versprechen und gebrochene Ziele. Daran haben wir Scientists for Future am 25.9. erinnert, als wir dem Figl-Denkmal hinter dem Kanzleramt die Augen verbunden haben, damit das Abbild des großen ÖVP-Staatsmannes dieses Trauerspiel nicht länger mitansehen muss.

Zweitens, wenn eine Partei meint, eine ohnehin schwierige Herausforderung mit Strategisch Notwendigem Unsinn vergiften zu müssen, dann gehört sie nicht in die Regierung, sondern bestenfalls in die Opposition. Wollen wir die Klimakrise in den Griff bekommen, dann braucht es Regierungsmitglieder, die Sachstandsberichte statt Verleugner-Literatur aus dem Trump-Umfeld lesen. Was wir dringender denn je brauchen, sind faktenbasierte Diskussionen bis hin zu den Stammtischen, statt wissenschaftsfeindliches Stammtisch-Geschwätz im Kanzleramt. 

Schlussendlich ergibt sich aus all dem, dass nicht nur die Kickl-FPÖ, sondern auch die Nehammer-ÖVP ein Sicherheitsrisiko für Österreich ist. Die Klimapolitik der ÖVP ist ein Sicherheitsrisiko, weil sie nicht nur Sicherheit und Wohlstand, sondern letztlich auch Menschenleben gefährdet. Leider.

Sachverstand statt „Hausverstand“

Das sagt der Sachverstand, der sich traut, die Dinge beim Namen zu nennen. Für eine gelingende Klimapolitik, die ihren eigenen Zielen gerecht wird, brauchen wir dringend eine staatstragende ÖVP im Geiste Leopold Figls, eine ÖVP, für die Klima-Sachverstand nicht nur ein Objekt der Verhöhnung, sondern das Fundament für eine faktenbasierte Politik ist. Dann würde nämlich auch der Kanzler den einfachsten Grundsatz der Klimapolitik endlich verstehen, der da lautet: Egal, wie klein der Anteil eines Landes an den globalen Emissionen ist, die Klimakrise wird nur kontrollierbar sein, wenn alle Länder ihre im Rahmen des Paris-Abkommens abgegebenen Versprechungen einlösen – allen voran die reichsten Länder der Welt. Würde das gelingen, könnten wir die globale Erhitzung noch auf einem erträglichen Niveau stabilisieren. Mit der gegenwärtigen ÖVP-Klimapolitik brechen wir unsere eigenen Versprechen und gehen sehenden Auges blind in eine Katastrophe. 

Natürlich ist eine Klimapolitik mit Sachverstand dann eher möglich, wenn diese von einer großen Mehrheit gerade auch bei Wahlen eingefordert wird. Sofern jemand im Fall einer schweren Krankheit eher zu einer Ärztin als zu einem Wunderheiler geht, wäre es eigentlich nicht zu viel verlangt, Klimapolitik mit Sachverstand statt mit Hausverstand einzufordern. Das Super-Wahljahr 2024 bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten.

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