Heißester Tag seit Beginn der Aufzeichnungen

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Sonntag der 21. Juli war der heißeste Tag der jüngeren Geschichte – bis zum Montag. Die globale Tagesdurchschnittstemperatur betrug am Montag, 22. Juli 17,15 °C und übertraf damit den bisherigen Rekord von 17,09 °C vom 21. Juli. „Wirklich verblüffend ist, wie groß der Unterschied zwischen der Temperatur der letzten 13 Monate und den vorherigen Temperaturrekorden ist“, sagt Carlo Buontempo, Direktor des Copernicus Climate Change Service (C3S) der Europäischen Kommission. „Wir befinden uns jetzt in wirklich unbekanntem Terrain.“

P.S. zur Zeit der Abfassung dieses Beitrags zeigte Climate Pulse für den 23. Juli ebenfalls eine globale Durchschnittstemperatur von 15,15°C. Weitere Rekorde sind wohl nicht auszuschließen.

Quelle: https://news.sky.com/story/truly-staggering-world-breaks-hottest-day-record-for-second-day-in-a-row-13184110
Tagesaktuelle Werte auf Climate Pulse: https://pulse.climate.copernicus.eu/



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Klimawandel verlangsamt die Erdrotation

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Schmelzende Eisschichten lassen die Erde langsamer rotieren, sodass jeder Tag länger dauert. Wenn das Eis an den Polen schmilzt, wird das Wasser umverteilt, und um den Äquator herum sammelt sich mehr Wasser an. Diese „Bauchspeck“ des Planeten verlangsamt seine Rotation um etwa 1 Millisekunde pro Jahrhundert, und der Effekt könnte bis 2100 2,6 Millisekunden pro Jahrhundert erreichen.

Die Änderung der Tageslänge liegt zwar im Millisekundenbereich, reicht jedoch aus, um möglicherweise den Internetverkehr, Finanztransaktionen und die GPS-Navigation zu stören, die alle auf eine genaue Zeitmessung angewiesen sind.

Der Einfluss des Menschen auf den Planeten wurde kürzlich auch durch Forschungsarbeiten belegt, die zeigten, dass die Umverteilung des Wassers die Rotationsachse der Erde – den Nord- und den Südpol – verschoben hat. Andere Arbeiten haben gezeigt, dass die Kohlenstoffemissionen des Menschen die Stratosphäre schrumpfen lassen.

„Wir können unsere Auswirkungen als Menschen auf das gesamte Erdsystem sehen, nicht nur lokal, wie der Temperaturanstieg, sondern wirklich grundlegend, indem wir die Art und Weise verändern, wie es sich im Raum bewegt und rotiert“, sagt der Geophysiker und Co-Autor der Studie Benedikt Soja von der ETH Zürich.

Quellen: https://www.theguardian.com/environment/article/2024/jul/15/climate-crisis-making-days-longer-study
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2406930121



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Energie aus erneuerbarem Wasserstoff in der EU: Prüfer:innen fordern einen Realitätscheck

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Einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs zufolge war die EU bei der Bereitstellung der Grundsteine für den aufkommenden Markt für erneuerbaren Wasserstoff nicht sehr erfolgreich. Zwar hat die Europäische Kommission eine Reihe positiver Schritte unternommen, doch bleiben in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette weiterhin Herausforderungen bestehen. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU ihre für 2030 gesetzten Ziele für die Erzeugung und den Import von erneuerbarem Wasserstoff erreichen wird. Die Prüfer:innen fordern einen Realitätscheck, um sicherzustellen, dass die Ziele der EU realistisch sind und dass die strategischen Entscheidungen auf dem Weg in die Zukunft nicht die Wettbewerbsfähigkeit von wichtigen Branchen beeinträchtigen oder neue Abhängigkeiten schaffen.

Erneuerbarer oder „grüner“ Wasserstoff hat erhebliche Implikationen für die Zukunft von wichtigen Industriezweigen in der EU, da er einen Beitrag zur Dekarbonisierung besonders schwer zu elektrifizierender Sektoren wie Stahlproduktion, Petrochemie, Zement und Düngemittel leisten kann. Außerdem kann sie der EU dabei helfen, ihr Klimaziel für 2050 zu erreichen, nämlich keine CO2-Emissionen zu verursachen, und die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen weiter zu reduzieren.

„Die EU-Industriepolitik für erneuerbaren Wasserstoff braucht einen Realitätscheck“, sagte Stef Blok, der für die Prüfung verantwortliche ECA-Mitarbeiter. „Die EU sollte über den strategischen Weg zur Dekarbonisierung entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation von wichtigen EU-Industrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen.“

Die Kommission hat zunächst übermäßig ehrgeizige Ziele für die Produktion und den Import von erneuerbarem Wasserstoff festgelegt, nämlich jeweils 10 Millionen Tonnen bis 2030. Diese Ziele basierten nicht auf einer soliden Analyse, sondern wurden vom politischen Willen bestimmt. Außerdem hatte die Erreichung dieser Ziele einen schwierigen Start. Zum einen waren die unterschiedlichen Ambitionen der Mitgliedstaaten nicht immer mit den Zielen in Einklang zu bringen. Zum anderen hat die Kommission bei der Koordinierung mit den Mitgliedstaaten und der Industrie nicht sichergestellt, dass alle Parteien an einem Strang ziehen.

Andererseits zollen die Prüfer:innen der Kommission Anerkennung dafür, dass sie die meisten Rechtsakte innerhalb kurzer Zeit vorgelegt hat: Der Rechtsrahmen ist nahezu vollständig und hat die nötige Sicherheit geschaffen, die für die Entwicklung eines neuen Marktes unerlässlich ist. Die Vereinbarung der Regeln zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff hat jedoch Zeit in Anspruch genommen, und viele Investitionsentscheidungen wurden aufgeschoben. Auch Projektentwickler:innen zögern Investitionsentscheidungen hinaus, weil das Angebot von der Nachfrage abhängt und umgekehrt.

Der Aufbau einer EU-Wasserstoffindustrie erfordert massive öffentliche und private Investitionen, aber die Kommission hat keinen vollständigen Überblick über den Bedarf oder die verfügbaren öffentlichen Mittel. Gleichzeitig sind die EU-Fördermittel – die von den Prüfer:innen für den Zeitraum 2021-2027 auf 18,8 Milliarden Euro geschätzt werden – auf mehrere Programme verteilt, so dass es für Unternehmen schwierig ist, die für ein bestimmtes Projekt am besten geeignete Art der Finanzierung zu bestimmen. Der Großteil der EU-Fördermittel wird von denjenigen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen, die einen hohen Anteil an schwer zu dekarbonisierenden Industrien haben und auch bei den geplanten Projekten weiter fortgeschritten sind, d. h. Deutschland, Spanien, Frankreich und die Niederlande. Es gibt jedoch immer noch keine Garantie dafür, dass das Wasserstoffproduktionspotenzial in der EU vollständig genutzt werden kann oder dass die öffentliche Finanzierung es der EU ermöglicht, grünen Wasserstoff aus Ländern mit großem Produktionspotenzial in Länder mit hoher industrieller Nachfrage zu transportieren.

Die Prüfer:innen fordern die Kommission auf, ihre Wasserstoffstrategie auf der Grundlage einer sorgfältigen Bewertung dreier wichtiger Bereiche zu aktualisieren: Wie sollen Marktanreize für die Erzeugung und Verwendung von erneuerbarem Wasserstoff gestaltet werden. Wie sollen die knappen EU-Mittel bevorzugt eingesetzt werden. Auf welche Teile der Wertschöpfungskette soll der Fokus gelegt werden, und welche Industriezweige soll die EU angesichts der geopolitischen Auswirkungen der EU-Produktion im Vergleich zu Importen aus Nicht-EU-Ländern zu welchem Preis erhalten.

Quelle: https://www.eca.europa.eu/en/news/NEWS-SR-2024-11 und der ganze Bericht (EN): https://www.eca.europa.eu/en/publications/SR-2024-11



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Der zweite Sachstandsbericht zum Klimawandel in Österreich erscheint im Sommer 2025

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Ziel des APCC-Berichts ist es, die gesellschaftliche Diskussion über Klimawandel und Klimaanpassung zu unterstützen und eine Grundlage für evidenzbasierte Politikmaßnahmen zu liefern. Das APCC – Austrian Panel on Climate Change – ist gewissermaßen das österreichische Gegenstück zum IPCC.

Mehr als 150 Wissenschafter:innen stellen den aktuellen Stand der Forschung dar und bereiten in acht Kapiteln alle Facetten des Klimawandels auf. 16 internationale Review Editoren sind seit Fertigstellung des ersten Berichtsentwurfs (First Order Draft) in den Reviewprozess involviert – sie überprüfen die Umsetzung sowie Einarbeitung der Review-Kommentare im Final Report. Die letzte Review-Runde läuft bis 7. August.

Die Koordination des Berichts obliegt den Co-Chairs Margreth Keiler (Universität Innsbruck), Daniel Huppmann, Keywan Riahi (beide IIASA) und Harald Rieder (Universität für Bodenkultur Wien), die von mehreren Postdocs und Nachwuchswissenschaftler:innen als Technical Support Unit und Chapter Scientists unterstützt werden.

Quelle: CCCA



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1,5 Grad 12 Monate lang überschritten

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In den letzten 12 Monaten lag die durchschnittliche Oberflächentemperatur des Planeten 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau – ein Meilenstein der globalen Erwärmung, den die Nationen im Pariser Klimaabkommen von 2015 zu vermeiden versprochen hatten. Daten des Copernicus Climate Service der Europäischen Union zeigen, dass die Erde zwischen Juli 2023 und Juni 2024 die höchsten Temperaturen aller Zeiten erreichte, die durchschnittlich 1,64 °C über den vorindustriellen Temperaturen lagen.

Die Ergebnisse bedeuten nicht, dass die Staats- und Regierungschefs bereits ihre Versprechen gebrochen haben, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts um 1,5 Grad zu begrenzen – ein Ziel, das in Durchschnittswerten von Jahrzehnten und nicht von einzelnen Jahren gemessen wird –, sondern dass die sengende Hitze mehr Menschen extremen Wetterbedingungen ausgesetzt haben wird. Ein anhaltender Temperaturanstieg über dieses Niveau erhöht auch das Risiko ungewisser, aber katastrophaler Kipppunkte.

Da die Temperaturen in manchen Monaten nur „sehr knapp“ über 1,5 Grad Celsius lagen, können Datensätze anderer Klimabehörden diese zwölfmonatige Temperaturschwankung möglicherweise nicht bestätigen, so die Wissenschaftler.

„Jetzt ist nicht die Zeit, die Bemühungen aufzugeben, den Anstieg einzudämmen“, sagt der Umweltpolitikwissenschaftler François Gemenne: „Es geht nicht um 1,5 °C oder den Tod – jedes 0,1 °C ist sehr wichtig, da wir über globale Durchschnittstemperaturen sprechen, die sich lokal in massive Temperaturunterschiede niederschlagen.“

Quelle: The Guardian



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Das ’stille Sterben‘ von Weidelandschaften bedroht Klima, Ernährung und Wohlergehen

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Die Verschlechterung von ausgedehnten, oft weitläufigen natürlichen Weidelandschaften durch Überlastung, missbräuchliche Nutzung, Klimawandel und Biodiversitätsverlust stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Nahrungsmittelversorgung und das Überleben von Milliarden von Menschen dar, warnen die Vereinten Nationen in einem umfassenden Bericht vom Mai 2024.

Bis zu 50 % der globalen Weideflächen sind degradiert, sage die Autor:innen des Global Land Outlook Thematic Report on Rangelands and Pastoralists, der in Ulanbaatar (Mongolei) von der UN Wüstenkonvention (UNCCD) vorgestellt wurde. Zu den Symptomen dieser Verschlechterung gehören verminderte Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffversorgung, Erosion, Versalzung, Alkalisierung und Bodenverdichtung, die das Pflanzenwachstum hemmt. Dies führt unter anderem zu Trockenheit, Niederschlagsschwankungen und dem Biodiversitätsverlust über und unter der Erde.

Ursachen sind vornehmlich die Umwidmung von Weideland in Ackerland und andere Landnutzungsänderungen aufgrund von Bevölkerungswachstums und Verstädterung, steigendem Bedarf an Nahrungsmitteln, Faserprodukten und Biotreibstoffen; Überweidung; Aufgabe von Weideflächen und durch die Politik vorangetriebene Übernutzung der Flächen.

Die Bedeutung von Weideland

In die Kategorie „Weideland“ fallen natürliche Graslandschaften, die von Vieh und Wildtieren als Weide- und Futterfläche genutzt werden, so auch Savannen, Buschland, Feuchtgebiete, Tundra und Wüsten.

Zusammengenommen machen diese Flächen 54 % der gesamten Landbedeckung aus, liefern ein Sechstel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers der Erde dar.

„Die Umgestaltung alter Weideflächen geschieht in aller Stille und ruft kaum öffentliche Reaktionen hervor“, sagt UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.

„Obwohl sie weltweit schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen ausmachen, werden die Hirtengemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen, die sich direkt auf ihren Lebensunterhalt auswirken, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als Außenseiter:innen in ihrem eigenen Land betrachtet.“

Insgesamt sind zwei Miliarden Menschen – Kleinhirt:innen, Viehzüchter:innen und Landwirt:innen – oft vulnerabel und ausgegrenzt – sind weltweit von intakten Weideflächen abhängig.

Der Bericht unterstreicht, dass paradoxerweise gerade die Bemühungen zur Erhöhung von Ernährungssicherheit und Produktivität durch Umwandlung von Weideflächen in Ackerland in den meisten trockenen Regionen zu einer Verschlechterung der Bodenqualität und zu geringeren landwirtschaftlichen Erträgen geführt haben. Weiter werden „schwache und ineffektive Regierungsführung“, „schlecht umgesetzte Politiken und Vorschriften“ und „fehlende Investitionen in Weidelandgemeinschaften und nachhaltige Produktionsmodelle“ als Gründe für die Zerstörung von Weideland genannt.

Laut der mehr als 60 Experten aus über 40 Ländern liegen die bisherige Schätzung der weltweiten Degradierung von Weideland – 25 % – deutlich zu niedrig und könnten tatsächlichen bis zu 50 % betragen.

Der Nutzen von Weideland und seine Funktionsweise werden oft schlecht verstanden, und Mangel an verlässlichen Daten verhindert größtenteils die nachhaltige Bewirtschaftung dieser für Nahrungsmittelversorgung und Klimaregulierung immens wertvollen Flächen.

Wichtigste Empfehlung: das Hirtenwesen schützen

Der Bericht stellt einen innovativen Ansatz vor, der es politischen Entscheidungsträger:innen ermöglichen würde, Weideland zu sichern, wiederherzustellen und zu verwalten.

Der neue Ansatz stützt sich auf Erfahrungen, die in Fallstudien aus fast allen Regionen der Welt zusammengetragen wurden, und zieht wichtige Lehren aus Erfolgen und Misserfolgen in der Weidewirtschaft.

Eine zentrale Empfehlung lautet: Schutz des Hirtenwesens, einer Jahrtausende alten mobilen Lebensform, die sich auf die weidebasierte Zucht von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden, Kamelen, Yaks, Lamas und anderen domestizierten Pflanzenfressern sowie halbdomestizierten Arten wie Bisons und Rentieren konzentriert.

Die weltweit am stärksten von der Verschlechterung der Weideflächen betroffenen Gebiete, in absteigender Reihenfolge:

Zentralasien, China, Mongolei Privatisierung und Agrarindustrialisierung hat die Hirt:innen von unzureichenden natürlichen Ressourcen abhängig gemacht, mit dem Resultat einer weit verbreiteten Degradation. Die allmähliche Wiederherstellung der traditionellen, gemeinschaftsbasierten Weidewirtschaft führt zu deutlichen Fortschritten bei der nachhaltigen Bewirtschaftung.

Nordafrika und Naher Osten Die Auswirkungen der Klimakrise in einer der trockensten Regionen der Welt treiben die Hirt:innen in die Armut durch Verschlechterung von lebensnotwendigen Weideflächen. Die Modernisieriung traditioneller Einrichtungen wie Agdals (Futterreservoirs, die zwischenzeitliche Regeneration natürlicher Ressourcen ermöglichen) und unterstützende Maßnahmen verbessern die Bewirtschaftung der Weideflächen.

Sahel und Westafrika Konflikte, Machtverhältnisse und Grenzfragen haben die Mobilität der Viehherden unterbrochen und zu einer Verschlechterung der Weideflächen geführt. Einheitlichere Maßnahmen, Anerkennung der Rechte von Viehzüchter:innen und grenzüberschreitende Vereinbarungen helfen, die essentielle Mobilität der Viehzüchter:innen wiederherzustellen.

Südamerika Klimakrise, Entwaldung (insb. durch industrialisierten Landwirtschaft und Bergbau) sowie die Umwidmung sind in Südamerika die Hauptursachen für die Verschlechterung der Weideflächen. Multifunktionalität und Vielfalt in Weidesystemen sind daher der Schlüssel zur Wiederherstellung einiger der bedeutendsten Weideländer der Welt (etwa Pampa, Cerrado– und Caatinga-Savannen und die Puna in den peruanischen Anden.).

Ostafrika Migration und Zwangsumsiedlung bedingt durch konkurrierender Landnutzungen (Jagd, Tourismus usw.) vertreiben die Hirt:innen, was die Degradierung der Weideflächen zur Folge hat. Von Frauen geführte Initiativen und verbesserte Landrechte sichern den Lebensunterhalt der Hirt:innen, schützen die Biodiversität und sichern die Ökosystemleistungen von Weideland.

Nordamerika Die Zerstörung traditioneller Graslandschaften und trockener Weideflächen bedroht die Artenvielfalt typischer nordamerikanischer Ökosysteme wie der Hochgrasprärien oder der südlichen Wüsten. Die Einbeziehung der indigenen Bevölkerung in die Bewirtschaftung von Weideland ist ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der historischen Landschaften.

Europa Die Förderung industrielle Landwirtschaft gegenüber der Weidewirtschaft sowie falsche Anreize führen zur Aufgabe und Verschlechterung von Weideland und anderer offener Ökosysteme. Doch zugleich können politische und wirtschaftliche Unterstützung, einschließlich rechtlicher Anerkennung und Differenzierung, zur Trendwende beitragen und damit beispielsweise zunehmende Häufigkeit und Intensität von Waldbränden und den Klimawandel eindämmen.

Südafrika und Australien Aufforstung, Bergbau und die Umwandlung von Weideflächen in andere Nutzungen führen zu einer Verschlechterung und zum Verlust von Weideflächen. Die gemeinsame Schaffung von Wissen durch Erzeuger und Forscher sowie die Achtung und Nutzung des traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften eröffnen neue Wege zur Wiederherstellung und zum Schutz von Weideland.

Paradigmenwechsel

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass ein Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftung auf allen Ebenen – von der Basis bis zur globalen Ebene – erforderlich ist, um die Verschlechterung aufzuhalten.

Pedro Maria Herrera Calvo, Hauptautor des Berichts: „Die sinnvolle Beteiligung aller Interessengruppen ist der Schlüssel zu einer verantwortungsvollen Bewirtschaftung von Weideland, die kollektives Handeln fördert, den Zugang zu Land verbessert und traditionelles Wissen und praktische Fähigkeiten einbezieht“.

Die Lösungen müssen auf die stark variierenden Merkmale und die Dynamik der Weidegebiete zugeschnitten sein. Darüber hinaus fordert der Bericht, dass Hirt:innen ihren Erfahrungsschatz aktiv einbringen und einbezogen werden, von der Planung über die Entscheidungsfindung bis hin zur Verwaltung. Häufig, so der Bericht, unterschätzen herkömmliche Bewertungsmethoden den tatsächlichen wirtschaftlichen Beitrag von Weideland und Hirtentum.

Die wichtigsten Empfehlungen:

  • Strategien zur Klimawandelabschwächung und -Anpassung und nachhaltige Bewirtschaftung von Weideland integrieren, um die CO2 Bindung und Speicherung zu erhöhen und die Widerstandsfähigkeit von Hirten- und Weidelandgemeinschaften zu stärken
  • Vermeidung oder Verringerung von Landnutzungsänderungen, die die Diversität und Multifunktionalität von Weideland beeinträchtigen, insbesondere auf indigenem und kommunalem Land
  • Maßnahmen zur Erhaltung von Weideland innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten, um die Biodiversität über und unter der Erde zu fördern und die Gesundheit, Produktivität und Widerstandsfähigkeit extensiver Viehhaltungssysteme zu stärken
  • Strategien und Praktiken stärken, die auf der Weidewirtschaft basieren und dazu beitragen, Schäden für die Gesundheit der Weideflächen, wie Klimawandel, Überweidung, Bodenerosion, invasive Arten, Dürre und Waldbrände, zu mindern
  • Förderung einer unterstützenden Politik, einer umfassenden Beteiligung der Bevölkerung und flexibler Verwaltungs- und Governance-Systeme, um die Leistungen von Weideland und Hirtentum für die gesamte Gesellschaft zu stärken.

Quelle: https://www.unccd.int/news-stories/press-releases/silent-demise-vast-rangelands-threatens-climate-food-wellbeing-billions

Der vollständige Bericht hier zum Downloade (Englisch): https://www.unccd.int/resources/global-land-outlook/glo-rangelands-report

Titelbild: Wüste Gobi, Mongolei, HBieser über Pixabay



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Das System geht aus den Fugen: zur Neuerscheinung „Kapitalismus am Limit“ von Ulrich Brand und Markus Wissen

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von Martin Auer

Alle reden vom Klima, aber niemand redet vom Sand. Sand gibt es doch wie Sand am Meer. Leider nein. Wenn die Bautätigkeit so weiter geht wie bisher, gibt es 2050 keinen für die Zementherstellung brauchbaren Sand mehr. Schon jetzt ist Sand knapp und so teuer, dass kriminelle Banden minderwertigen und illegal geförderten Sand an die Bauindustrie verkaufen. Absurd, oder? Tatsächlich gibt es nur eine Ressource, von der wir mehr verbrauchen: Wasser. Und auch das wird knapp, nämlich das Wasser im Boden. Und wer redet von der Phosphorkrise? Phosphor ist Bestandteil allen organischen Lebens. Deshalb braucht man ihn ja für Düngemittel. Der Preis von Rohphosphor hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Die Vorräte reichen noch 300 Jahre – wenn’s gut geht. Wenn nicht, dann noch 100 Jahre. Das sind nur ein paar der Krisen, von denen weniger gesprochen wird als von der Klimakrise und dem Artensterben. Bei letzterem geht es übrigens nicht nur um Tiger und Eisbären. Das Artensterben findet zu einem großen Teil unter den Bodenlebewesen statt, die die Erde erst fruchtbar machen. Und die letzte Pandemie hat uns allen vor Augen geführt, dass das immer tiefere Vordringen in noch unberührte Natur uns vom Tier auf den Menschen überspringenden Krankheiten aussetzt, die sich wie Buschfeuer um den Globus verbreiten und auch vor Reichen und Mächtigen nicht Halt machen.

Alle diese Krisen belegen, dass wir mit unserem Ressourcenverbrauch und unserem Verbrauch an Senken für unsere Abfälle (z . B. CO2) am Limit sind. Wir? Wer oder was hat uns an diese Grenzen, beziehungsweise schon weit über die ökologischen Belastungsgrenzen hinaus geführt? Bei der dreitägigen „Beyond Growth Konferenz“, die als Teil eines EU-Projekts kürzlich in Wien stattgefunden hat (Die Eröffnung war im Parlament unter den Auspizien des Bundespräsidenten und des Parlamentspräsidenten), waren sich die Mehrheit der Speaker und des Publikums einig: Der kapitalistische Wachstumszwang ist es, der uns ans Limit gebracht hat.

Ulrich Brand und Markus Wissen
© Bärbel Högner | © SBK

Kapitalismus am Limit“ heißt auch das neue Buch der Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen. Bekannt geworden sind die beiden Autoren durch ihren Bestseller von 2017 über die „Imperiale Lebensweise„. Die Autoren behaupten nicht, dass das Ende des Kapitalismus unmittelbar bevorsteht. Sie zeigen auf, wie der Kapitalismus seine eigene Existenz untergräbt. Die billige Natur, an der er sich Jahrhunderte lang bedient hat, ist teuer geworden, Ressourcen sind heftig umkämpft. Viele Staaten wollen ihre Ökonomien dekarbonisieren. Gerade das führt aber dazu, dass geopolitische Rivalitäten sich immer mehr an Rohstoffen, die für eine ökologische Modernisierung notwendig sind, entzünden. Öko-imperiale Spannungen nennen das die Autoren. Lange Zeit konnten die Krisen verborgen, das heißt externalisiert werden. Die sozial-ökologischen Kosten wurden dem globalen Süden aufgehalst; den Frauen im Süden wie im Norden, die unbezahlte Reproduktionsarbeit (Care, Sorgearbeit) leisten; und den künftigen Generationen. Immer neue Sphären der Rohstoff-Extraktion wurden erschlossen (zum Beispiel die Tiefsee). Doch auf allen diesen Gebieten wird es eng. Aufstrebende Ökonomien wie die chinesische oder die indische konkurrieren mit den alteingesessenen kapitalistischen Ökonomien sowohl um Rohstoffe als auch um Märkte. Immer mehr Gruppen wehren sich dagegen, sich die Kosten aufhalsen zu lassen. Frauen wehren sich dagegen, dass sie die Last der unbezahlten Care-Arbeit tragen sollen, indigene Völker kämpfen gegen Bergwerksbetriebe und Ölförderungen, die ihre Umwelt bedrohen. Umweltbewegungen beschränken sich nicht mehr auf Appelle an „die Politik“ sondern wehren sich aktiv, etwa durch Besetzungsaktionen wie die mehr als ein Jahr dauernde Besetzung des Dorfes Lützerath, das einem Braunkohle-Tagebau weichen sollte. Im globalen Süden wird die Forderung nach Reparationen für die Folgen des Klimawandels und die Schäden durch den Kolonialismus immer lauter.

Fossiler oder grüner Kapitalismus?

Während konservative Kräfte sich für den Fortbestand der fossilen Wirtschaft einsetzen, setzen andere auf einen „grünen Kapitalismus“, der ohne ständig steigenden Verbrauch von Ressourcen und Senken auskommen soll. Sie setzen auf Digitalisierung, CO2-Abscheidung und Speicherung, das E-Auto, Effizienzsteigerung, Recycling, und so weiter. Davon versprechen sie sich – und uns – eine Abkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch. Ein ganzes Kapitel widmen die Autoren dem European Green Deal. Doch „grünes Wachstum“ findet nicht statt. Es gibt zwar Gebiete und Zeiträume, in denen die CO2-Emissionen zurückgehen während das Brutto-Inlandsprodukt wächst, doch dieser Rückgang ist weit von dem entfernt, was für die Klimaneutralität Mitte des Jahrhunderts notwendig wäre. Die Extraktiomn von Bodenschätzen wird von Kohle, Öl und Gas auf Kupfer, Bauxit, Lithium, Kobalt, seltene Erden usw. verlagert, und zwar wiederum zum großen Teil auf Kosten der Natur und der Bevölkerung des globalen Südens, und die Konkurrenz darum verschärft geopolitische Spannungen.

Die autoritäre Rechte

Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Erstarken der autoritären Rechten in der Krise der imperialen Lebensweise. In Europa sind die CO2-Emissionen seit 1990 um 29 % gesunken. Das ist ja positiv. Doch wer hat seine Emissionen wirklich eingeschränkt? Der Climate Inequality Report zeigt: Die Pro-Kopf-Emissionen der ärmeren 50 Prozent sind um 30,6 Prozent gesunken, die des reichsten einen Prozent um 1,7 %. Die ärmeren 50 Prozent verursachen durch ihren Konsum pro Kopf 5 Tonnen CO2 im Jahr, die mittleren 40 Prozent 10,7 Tonnen, die reichsten 10 Prozent durchschnittlich 29,4 Tonnen und das reichste eine Prozent 90,6 Tonnen pro Kopf und Jahr. In Österreich, wo die Emissionen kaum gesunken sind, hat das reichste eine Prozent seine Pro-Kopf-Emissionen um 45 % gesteigert, und nur die Emissionen der ärmsten 50 Prozent sind gesunken. Es gibt also einen krassen Unterschied zwischen Oben und Unten. Die autoritäre Rechte aber zieht die Grenze nicht zwischen Oben und Unten, sondern zwischen Innen und Außen: „Wir“ gegen Migrant:innen und Geflüchtete, und setzt auf die Stärkung einer in die Krise geratenen Männlichkeit. In gewisser Weise ist das ein Protest von rechts gegen Globalisierung und Neoliberalismus, „mit einem autoritären, militaristisch-männlichen und menschenfeindlichen Angebot, das Menschen entlang von Kriterien wie Herkunft oder Religion sortiert, mit Kategorien wie ‚das Volk‘ vermeintlich Einheitlichkeit schafft und verlorengegangene Regierbarkeit zurückzugewinnen verspricht.“ Es ist ein Versuch, „die imperiale Lebensweise autoritär zu stabilisieren“. Doch die autoritäre Rechte bricht nicht wirklich mit dem Neoliberalismus. Sie setzt die Politik der Privatisierung und Deregulierung in vielen Bereichen fort.

Die imperiale Lebensweise ermöglichte in den Ländern des Nordens seit dem Ende des zweiten Weltkriegs einen Klassenkompromiss: Die Arbeitnehmer:innen konnten sich einen Anteil an der durch fossile Energie und Neokolonialismus ermöglichten Steigerung der Produktion von Konsumgütern erkämpfen. Der Fortbestand der kapitalistischen Ordnung in Form der Konsumgesellschaft war von der Kaufkraft der Massen abhängig. Doch der Kompromiss beginnt zu bröckeln. Die Krise der Lebenshaltungskosten, die Verluste von Arbeitsplätzen und Einkommen durch die Corona-Pandemie, die sogenannte Finanzkrise von 2008 fördern berechtigte Verlustängste. Und diese Ängste werden verstärkt durch die Ahnung, dass es im Ganzen so nicht weitergehen kann. Die autoritäre Rechte ergreift rhetorisch Partei für die „kleinen Leute“, verteidigt sie vor der Bedrohung von außen durch „Globalisten“ einerseits, und anderseits vor der Bedroh2ung durch kleine Leute, die noch schlechter dran sind: Migrant:innen und Geflüchtete, die angeblich in unser Sozialsystem einwandern und unsere Kultur bedrohen. In der Praxis aber stimmt sie für Politiken, die auf Kosten eben dieser kleinen Leute gehen, bzw. setzt sie dort durch, wo sie sich an die Macht spülen hat lassen.

Was kommt danach?

Das letzte Kapitel widmet sich – anders ist es ja nicht zu erwarten – den Möglichkeiten zur Überwindung der auf Konkurrenz und Wachstumszwang beruhenden Wirtschaftsweise. Unter anderem wird hier der wachsenden Degrowth- und Postgrowth-Bewegung eine wichtige Rolle zuerkannt und Bewegungen wie Ende Gelände, Fridays for Future oder Letzte Generation. Umweltbewegungen und soziale Bewegungen rücken näher zusammen. Letzten Monat demonstrierte in Wien die Klimabewegung gemeinsam mit den Busfahrer:innen in der Gewerkschaft vida unter dem Motto „Wir fahren gemeinsam“ für bessere Arbeitsbedingungen bei den privaten Buslinien. Die Verkehrswende kann schwerlich gelingen, wenn Beschäftigte im öffentlichen Verkehr an der Endstation nicht einmal ein richtiges Klo vorfinden.

Jenseits vom Wachstum

Und das bringt uns zurück zur „Beyond Growth Konferenz“. Wer von Überwindung des Kapitalismus spricht, von der Notwendigkeit, die Wirtschaft zu demokratisieren und planbar zu machen, und die Produktion von Gütern und die Bereitstellung von Leistungen zu vergesellschaften, bekommt bekommt schnell zu hören: „Was willst du denn? Eine Planwirtschaft mit Schlangen vor den Geschäften? Eine staatliche Plankommission, die Normen für Schuhe nach Gewicht plant, worauf nur genagelte Bergschuhe produziert werden, um den Plan schneller zu erfüllen?“ Die FPÖ bezichtigte kürzlich gar auf ihren Wahlplakaten die EU des „Öko-Kommunismus“. Doch niemand wünschte sich auf dieser Konferenz eine staatliche Plankommission. Eine Vielzahl von Wegen und möglichen Modellen wurde vorgestellt und diskutiert. Ein Thema, das sich durch die meisten Modelle durchzog, ist: Demokratisierung der Wirtschaft bedeutet ein aktives Mitspracherecht der Beschäftigten und der Konsument:innen darüber, was, wo, wie und von wem produziert werden soll. Die Abstimmung an der Supermarktkasse reicht da nicht. Die Mitbestimmung kann auf verschiedenen Ebenen geschehen. Natürlich auch auf staatlicher Ebene. Der Ausbau des Sozialstaats und eine bedingungslose Grundversorgung für alle spielt in den meisten Modellen eine bedeutende Rolle. Aber auch auf Betriebsebene ist Mitbestimmung gefordert, und zwar weit über das, was Betriebsräten heute zugestanden wird. Als Betriebsräte in einem österreichischen Rüstungsbetrieb zum Beispiel vorgeschlagen haben, statt Panzern Löschfahrzeuge zur Bekämpfung von Waldbränden zu produzieren, wurde das vom Unternehmen einfach abgeschmettert. Das soll es in einer demokratischen Wirtschaft nicht geben. Als die Beschäftigten des Rüstungsbetriebs Lucas Aerospace in den 1970er Jahren von einer Kündigungswelle bedroht waren, forderten sie das „Recht auf gesellschaftlich nützliche Arbeit“ und entwickelten einen Plan, was sie mit ihren Fähigkeiten und der vorhandenen Ausrüstung machen konnten: Windräder, Wärmepumpen, Heimdialysegeräte, Go-Carts für behinderte Kinder… Als die Beschäftigten des Autozulieferers GKN Automotive in Campo Bisenzio bei Florenz am 9. Juni 2021 per Email gekündigt wurden, besetzten sie die Fabrik, beriefen eine Betriebsversammlung in Permanenz ein und beschlossen, eine Genossenschaft zu gründen, die statt Achsen für schwere Autos Lastenfahrräder produziert. Die Prototypen sind in Florenz schon unterwegs.

Beeindruckend war der Bericht über einen kleinen Laden in Wien Ottakring: den Mila Mitmach-Supermarkt bei der Beyond Growth Konferenz. Er gehört denen, die dort einkaufen, einer Genossenschaft von derzeit 600 Mitgliedern. Jedes Mitglied arbeitet alle vier Wochen drei Stunden im Laden. Ein Mitglied der Genossenschaft erklärte, warum nur Mitglieder dort einkaufen dürfen: Die Mitglieder arbeiten für sich selber. Darum müssen sie keinen Gewinn machen. Sie müssen die Kundschaft nicht motivieren, mehr zu kaufen, als sie eigentlich will, sie nicht mit Muzak in Einkaufsstimmung bringen. Obst und Gemüse wird einzeln verkauft, niemand muss eine Kilopackung kaufen, wenn er oder sie nur eine Karotte braucht. Die Genossenschaft muss nicht mit anderen Firmen um Kunden konkurrieren, weil die Genossenschafter:innen ihre eigenen Kunden sind. Sie schlagen einheitlich 30 % auf den Einkaufspreis auf, und was sie so einnehmen, dient dazu, den Betrieb zu erhalten und zu erweitern. Über das Sortiment entscheiden die Mitglieder. Sie entscheiden, ob sie beim Einkauf mehr Gewicht auf den Preis oder auf die Qualität legen. Sie wollen wachsen, weil sie mehr Menschen diese Möglichkeit, Qualität zu niedrigen Preisen zu kaufen, geben wollen, aber sie sind nicht gezwungen dazu. Tatsächlich werden sie demnächst einen „richtigen“ Supermarkt eröffnen.

Mila ist ein Modell im Kleinen für eine solidarische Wirtschaft, eines von vielen unterschiedlichen Modellen, die aber gut nebeneinander existieren und einander ergänzen können. Allen diesen Modellen ist gemeinsam, dass nicht das produziert wird, was den meisten Profit bringt, sondern das, was Nutzen für die Gemeinschaft bringt. Lässt sich so ein Modell skalieren? Die Park Slope Food Coop betreibt den größten Supermarkt von New York und hat 17.000 Mitglieder. Vielleicht sind Kooperativen von Kooperativen der Weg, auch größere wirtschaftliche Zusammenhänge demokratisch zu organisieren. Die Kooperative hat auch den Vorteil, dass sie schon im jetzigen System bestehen kann. Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist noch lange nicht abgeschlossen und ganz sicher gibt es nicht nur eine.

Ulrich Brand, Markus Wissen
Kapitalismus am Limit
Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven.
ISBN: 978-3-98726-065-0
Softcover, 304 Seiten (auch als Epub oder PDF)

Titelbild: Martin Auer mithilfe von KI
Der Beitrag erschien zuerst im Standard am 18. Juni 2024



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In diesem Frühjahr schon 1,5 Milliarden Menschen von lebensgefährlicher Hitze betroffen

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Mehr als eineinhalb Milliarden Menschen haben bis Ende Mai dieses Jahres mindestens an einem Tag unter lebensgefährlicher Hitze gelitten, zeigt eine Analyse der Washington Post. Als lebensbedrohlich gilt ein Hitze-Index von 39,4°C. Dieser Hitzeindex wird aus der tatsächlichen Lufttemperatur und der Luftfeuchtigkeit errechnet. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, um so schwerer fällt es dem Körper, sich durch Schwitzen abzukühlen. Für ältere Menschen und Menschen mit gesundheitlichen Problemen kann schon ein geringerer Hitzeindex lebensgefährlich sein.
Am stärksten betroffen waren Bangkok (Thailand) mit 76 Tagen, Ho Chi Minh City (Vietnam) mit 61 Tagen, Dhaka (Bangladesh) mit 45 Tagen, Baranquilla (Kolumbien) mit 41 Tagen und Mumbai (Indien) mit 36 Tagen.
Quelle: Washington Post
Die katastrophale Hitze in Mekka während der Hadsch im Juni ist in dieser Analyse noch nicht enthalten. Bei über 51°C starben vermutlich 1.000 Menschen an Hitzefolgen.
Quelle: Der Spiegel



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Hitzenotfalleinheiten patrouillieren Phoenix, Arizona

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Die gute Nachricht ist, dass es so etwas gibt. Die schlechte Nachricht ist, dass so etwas nötig ist: In Phoenix, Arizona, patrouillieren bei extremen Temperaturen Hitzeeinsatzeinheiten durch die Stadt, verteilen Wasser, bringen Menschen in klimatisierte Räume und öffnen Kühlzentren, um Linderung zu verschaffen. „Wir nutzen 911-(Notruf-)Daten, um herauszufinden, wo sich die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen befinden. Wir wissen, dass Obdachlose einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Auch bei älteren Menschen sehen wir hohe Zahlen“, sagt ein Teammitglied. Sie arbeiten auch daran, die US-Stadt längerfristig abzukühlen, indem sie Plätze ausfindig machen, wo Bäume gepflanzt werden können. Gerade im Stadtzentrum ist das schwierig. In Phoenix sind im letzten Jahr fast 400 Menschen an Hitzefolgen gestorben.
Quelle: Wired



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Neue Studie bestätigt die Bedeutung indigener Gebiete für die Abmilderung des Klimawandels in Brasilien

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Lesedauer 3 Minuten.   

Die Erhaltung der Tropenwälder durch die Vermeidung von Entwaldung und Waldschädigung ist für die Sicherung der Ökosystemleistungen von entscheidender Bedeutung. Eine neue Studie, die in der Zeitschrift Perspectives in Ecology and Conservation veröffentlicht wurde, unterstreicht, dass brasilianische Schutzgebiete (Conservation Units – CUs) und indigene Gebiete (Indigenous Lands – ILs) die Entwaldung wirksam verhindern konnten und die Klimaregulierung unterstützen. Diese Schutzgebiete sind zunehmenden durch Waldbrände und Dürren in den Biomen Amazonas und Cerrado bedroht.

Der Bundesstaat Mato Grosso erstreckt sich über die zwei Biomen Amazonas und Cerrado, etwa zwei Drittel des Bundesstaates werden vom Amazonas bedeckt, das andere Drittel hingegen vom Cerrado. Der größte Teil des verbleibenden Waldes ist durch Naturschutzgebiete und indigenes Land geschützt, die der Abholzung, den Waldbränden und der Degradierung entgegenwirken.1 Die wachsesende Soja- und Fleischproduktuion im Mato Grosso, die den größten Marktanteil innerhalb Brasiliens stellt, bedroht jedoch diese Biome zunehmend.

Die Studie, welche die Schutzgebiete und das indigene Land in Mato Grosso betrachtet, bewertet diese als ausschlaggebend in der Verlangsamung und Regulierung der Auswirkungen des Klimawandels. Zugleich jedoch zeigt sie auf, dass diese Funktion immer mehr zurück geht: Die Fähigkeit der Schutzgebiete, den Wald intakt zu halten, hat insbesondere am südlichen Rand des Amazonasgebiets, wo die Verschlechterung der Waldqualität mit intensiven Dürren und Waldbränden verbunden ist, bereits deutlich abgenommen.

„Mato Grosso erfährt intensive Veränderungen durch die Ausdehnung von Weideland und Landwirtschaft“, so Hellen Almada, Forscherin am Vale Institute of Technology in Brasilien und Hauptautorin der Studie, gegenüber Mongabay. Anhand verschiedener Datensätze analysiert die Studie, wie sich menschliche und natürliche Störungen auf die Fähigkeit dreier Kategorien – indigener Gebiete (ILs), Schutzgebiete (CUs) und privater Mehrzweckflächen (multiple-use areas/MUs) auswirken, d. h. inwiefern sie deren Eigenschaften Faktoren wie die regionale Temperatur und den atmosphärischen Wasserkreislauf zu regulieren, beeinträchtigen. Dabei werden die Veränderungen der Evapotranspiration, der Oberflächentemperatur und der Oberflächenalbedo über einen Zeitraum von 20 Jahren untersucht und die Autor:innen zeigen, dass Schutzgebiete und indigenes Land stärker zur Klimaregulierung beitragen, als Gebiete mit Mehrfachnutzung oder Land außerhalb von indigenem Land und Schutzgebieten.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Landschaft in Mato Grosso durch die Ausweitung von Weideflächen und Ackerbau, größtenteils für die Fleisch- und Futtermittelproduktion, verändert. Die Autor:innen analysierten Geodaten, die zeigen, dass die einheimische Vegetation in Mato Grosso in den letzten zwei Jahrzehnten um 10 % und damit auf 63 % (2020) zurückgegangen ist. Der größte Teil wurde in Weideland und Ackerbau (insb. Soja) umgewandelt. Davon befinden sich 69 % im Amazonasgebiet und 31 % im Cerrado. Die zunehmende Fragmentierung der Wälder und der globale Temperaturanstieg haben zur Folge, dass die Wälder viel anfälliger für Dürren und Brände sind. So stellten die Autor:innen fest, dass intensive Dürren die verbrannte Fläche in Schutzgebieten und indigenen Gebieten sowohl im Amazonas als auch im Cerrado vergrößerten.

Die Studie zeigt, dass es in den Schutzgebieten (CUs & ILs) dreimal weniger Brände pro Quadratkilometer (pro 0,38 Quadratmeile) gab als in anderen Gebieten des Amazonasgebiets, und dass die Schutzgebiete dazu beitragen, niedrige Temperaturen, eine niedrige Albedo und eine hohe Evapotranspiration aufrechtzuerhalten, selbst bei extremen Dürreperioden. Das zeigt, dass Schutzgebiete nicht nur für den Erhalt der Wälder und der einheimischen Vegetation wichtig sind, sondern auch bei einem weiteren Temperaturanstieg eine noch wichtigere Rolle bei der Regulierung der regionalen Auswirkungen des Klimawandels spielen könnten.

Doch zeigt sich eine größere Brandanfälligkeit von Schutzgebieten, die beispielsweise auf den Temperaturanstieg und die Häufigkeit von Dürreperioden zurückgeführt werden kann. Die Brände widerum können den Energiehaushalt von Schutzgebieten beeinflussen und dergestalt die lokalen und regionalen Auswirkungen des Verlusts der einheimischen Vegetation verstärken und zu dauerhaft geschädigten Zuständen führen: „Dies unterstreicht die entscheidende Bedeutung integrierter Ansätze für Naturschutz und Landnutzung, die sowohl den Klimawandel als auch lokale menschliche Aktivitäten berücksichtigen“, sagte Almada gegenüber Mongabay.

Quellen: https://news.mongabay.com/2024/06/new-study-reaffirms-indigenous-lands-key-to-mitigating-climate-change-in-brazil/ sowie die originale Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2530064424000191

  1. https://news.mongabay.com/2023/06/protected-areas-store-a-years-worth-of-co%E2%82%82-emissions-study-reveals/ ↩︎


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