Global Tipping Points Report: Fünf Kippsysteme im Erdsystem schon jetzt gefährdet – doch es gibt auch positive gesellschaftliche Kippunkte
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

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Kipppunkte stellen einige der größten Risiken für die lebenserhaltenden Systeme der Erde und die Stabilität unserer Gesellschaft dar. In einem bislang einmaligen Vorhaben hat ein großes internationales Forschungsteam auf der COP28 einen umfassenden Bericht über Kipppunkte im Erdsystem und ihre potenziellen Auswirkungen sowie Möglichkeiten für gesellschaftliche Veränderungen veröffentlicht. Mehr als 200 Forschende aus aller Welt haben an dem „Global Tipping Points Report“ mitgewirkt. Der über 500 Seiten umfassende Bericht ist ein maßgeblicher Leitfaden zum aktuellen Wissensstand über Kipppunkte. Er beschreibt Möglichkeiten zur Beschleunigung dringend benötigter Veränderungen und skizziert Optionen, wie die Politik die Risiken und Chancen von Kipppunkten besser steuern kann.

„Dieser Bericht ist der bisher umfassendste Überblick über Kipppunkte im Erdsystem“, erklärt Sina Loriani vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), einer der Hauptautoren des Berichts. „Das Überschreiten von Kippunkten kann grundlegende und mitunter abrupte Veränderungen auslösen, die das Schicksal wesentlicher Teile unseres Erdsystems für die nächsten Hunderte oder Tausende von Jahren unumkehrbar bestimmen könnten. Diese Kipppunkt-Risiken sind potenziell verheerend und sollten mit Blick auf heutige und künftige Generationen sehr ernst genommen werden, trotz der verbleibenden wissenschaftlichen Unsicherheiten.“

5 Kippsysteme derzeit gefährdet, 3 weitere in Gefahr bei Überschreitung von 1.5°C

Fünf große Kippsysteme laufen bereits Gefahr, bei der derzeitigen globalen Erwärmung ihren jeweiligen Kipppunkt zu überschreiten, so die Forschenden in ihrem Bericht: Der grönländische und der westantarktische Eisschild, die subpolare Wirbelzirkulation im Nordatlantik, Warmwasserkorallenriffe und einige Permafrost-Gebiete. Wenn die globale Erwärmung auf 1,5°C ansteigt, könnten mit borealen Wäldern, Mangroven und Seegraswiesen drei weitere Systeme in den 2030er Jahren vom Kippen bedroht sein.

In dem Bericht fassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Informationen über Kippsysteme und die damit verbundenen Temperaturschwellen aus Studien über Klimaveränderungen in der Erdgeschichte, heutigen Erdbeobachtungen und Computersimulationen zusammen. Die Autoren weisen darauf hin, dass systematischere Untersuchungen, wie das vom PIK geleitete Tipping Point Modelling Intercomparison Project (TIPMIP), erforderlich sind, um in Zukunft genauere Erkenntnisse über Kipppunkte und die damit verbundenen wissenschaftlichen Unsicherheiten zu gewinnen.

„Unsere Analyse zeigt übereinstimmende Kernaussagen in der bisher veröffentlichten Forschung zu Kipppunkten im Erdsystem auf. Sie verdeutlicht, dass der gegenwärtige Klimawandel und der Verlust der Natur grundlegende Veränderungen in Schlüsselelementen des Erdsystems verursachen könnten, mit weitreichenden Folgen für Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt“, sagt Jonathan Donges vom PIK, einer der Hauptautoren des Berichts. „Zu diesen Auswirkungen gehören ein beschleunigter Anstieg des Meeresspiegels, veränderte Wettermuster und geringere landwirtschaftliche Erträge – diese haben das Potenzial, negative soziale Kipppunkte auszulösen, die zu gewaltsamen Konflikten oder dem Zusammenbruch politischer Institutionen führen könnten. Kipppunkte sind auch nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in enger Wechselwirkung: Die Überschreitung eines Kipppunkts im Erdsystem oder in der Gesellschaft könnte wiederum ein anderes Kippsystem destabilisieren, wodurch Kippkaskaden möglich werden.“

Positive Kippunkte im Gesellschaftssystem

Unter der Leitung der Universität Exeter haben mehr als 200 Forschende aus verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen die verfügbaren Belege für die Veränderungen des Erdsystems für den Global Tipping Points Bericht zusammengetragen und geprüft. Das Forschungsteam unterstreicht, dass positive Kipppunkte für den notwendigen transformativen Wandel hin zum raschen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und der Verringerung der Emissionen aus der Landnutzung entscheidend sein können, um den Planeten zu stabilisieren und negative Auswirkungen von Erdysstem-Kipppunkten auf Gesellschaften zu vermeiden. Wenn man die Erkenntnisse über Kippdynamiken auf Gesellschaftssysteme anwendet, zeigt sich, dass solche wünschenswerten Veränderungen unter den richtigen Bedingungen selbstverstärkend wirken können. Ein Großteil des Berichts hebt daher die Potenziale für abrupte soziale und technologische Veränderungen hervor und verdeutlicht, dass solche nichtlinearen Veränderungen bereits heute auf den Märkten für erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge zu beobachten sind. Der Bericht hebt mehrere Optionen zur Beschleunigung der Transformation hervor, wie etwa koordinierte Anstrengungen, um positive gesellschaftliche Kipppunkte in den Sektoren Energie, Verkehr und Ernährung auszulösen, und das Vertiefen von Wissen über Kipppunkte in einem IPCC-Sonderbericht.

„Die Welt befindet sich nicht mehr in einem Zustand des schrittweisen und linearen Wandels“, fasst PIK-Direktor Johan Rockström zusammen. „Das bedeutet, wir müssen einen rasanten und tiefgreifenden Wandel über mehrere Sektoren und Regionen hinweg auslösen, indem wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen und gleichzeitig positive soziale und wirtschaftliche Kipppunkte nutzen. Die Anreize und Hebel für eine Transformation müssen sich so grundlegend ändern, dass wir als Gesellschaft einen neuen, nachhaltigen Kurs einschlagen. Der Global Tipping Points Bericht bietet den ersten umfassenden Leitfaden, um uns über die bevorstehenden Gefahren und Chancen aufzuklären.“


Report: 
T.M. Lenton, D.I. Armstrong McKay, S. Loriani, J.F. Abrams, S.J. Lade, J.F. Donges, M. Milkoreit, T. Powell, S.R. Smith, C. Zimm, J.E. Buxton, L. Laybourn, A. Ghadiali, J. Dyke (eds) (2023): The Global Tipping Points Report 2023. University of Exeter, Exeter, UK. 

Webseite zum Reporthttps://global-tipping-points.org/

Titelbild: KI

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COP28: Was bringt der „Global Stocktake“?
von Martin Auer

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Lesedauer 4 Minuten.   

Bei der COP28 findet der erste „Global Stocktake“ auf Grund des Pariser Abkommens statt, eine Bilanz darüber, wie weit die Welt bei der Eindämmung der Klimakatastrophe (Mitigation), bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptation) und bei der Finanzierung dieser Bereiche gekommen ist. Laut dem Pariser Abkommen soll diese Bestandsaufnahme nun alle fünf Jahre erfolgen.

Der Global Stocktake beurteilt nicht die Fortschritte in einzelnen Ländern, sondern die Summe aller bisherigen Maßnahmen. Dadurch sollen individuelle Staaten ermutigt werden, ihre eigenen nationalen Ziele „hochzukurbeln“. Sobald der Global Stocktake abgeschlossen ist, haben die Länder zwei Jahre Zeit, ihre neuen „national festgelegten Beiträge“ (NDCs) vorlegen müssen. Die EU legt einen gemeinsamen Plan vor, in den der österreichische nationale Energie- und Klimaplan eingeht.

Der Global Stocktake gliedert sich in drei Phasen:

1. Sammlung von Informationen

Diese Phase begann bei der COP26 im November 2021 und endete mit den Bonner Klimagesprächen 2023. In dieser Phase wurden Berichte der einzelnen Länder, des IPCC, der Vereinten Nationen und dem Sekretariat des UN-Rahmenabkommens zum Klimawandel (UNFCCC) eingeholt. Aus diesen Informationen wurden 13 Syntheseberichte generiert: Stand der Treibhausgas-Emissionen, Stand der Anpassung, Stand der umfassenden Effekte der NDCs und der Finanzflüsse. Vier Reports kommen vom UNFCCC-Sekretariat, neun von den Vereinten Nationen, internationalen und regionalen Organisationen und Stakeholdern, die nicht dem Pariser Abkommen angehören. Das Global Stocktake-Portal des UNFCCC enthält über tausend Dokumente.

2. Technische Auswertung

Diese Phase (Mitte 2022 bis Mitte 2023) diente dazu, die Informationen der ersten Phase auszuwerten und jeweils in einem Synthesebericht zu Mitigation, Adaption und Finanzierung zusammenzufassen sowie einem übergreifenden Synthesebericht. Diese Phase wurde von zwei Moderatoren geleitet, einem aus einem entwickelten und einem aus einem sich entwickelnden Land, nämlich Farhan Akhtar aus den USA (Chief scientist for climate change US State Department) und Harald Winkler für Südafrika (Universität Kapstadt, Lead Autor IPCC Working Group III).

3. Politische Phase

Diese Phase findet bei der COP28 in Dubai vom 30. November bis 12. Dezember statt. Hierbei wird eine „Globalen Bestandsaufnahme“ durchgeführt, bei der die Erkenntnisse aus den Fachdialogen von den Regierungen der Mitgliedsstaaten bewertet werden. Von der COP28 werden Entscheidungen aufgrund des vorher erstellten Syntheseberichts erwartet, die ein größeres Engagement für die Ziele des Pariser Abkommens bewirken und dazu führen, dass die Vertragsstaaten ihre Klimaschutzanstrengungen verstärken.

Der Synthesebericht

Der Synthesebericht listet 17 Schlüsselerkenntnisse auf, die hier kurz zusammengefasst sind:

  1. Das Pariser Abkommen hat beinahe universell Klimamaßnahmen befördert, indem es Ziele gesetzt hat und Signale an die Welt gesendet hat, wie dringend es ist, die Klimakrise zu bewältigen. Es gibt Fortschritte, doch viel mehr muss an allen Fronten getan werden.
  2. Um die globale Antwort auf Bedrohung durch den Klimawandel im Kontext nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung, müssen Regierungen Systemtransformationen unterstützen, die Klima-Resilienz und niedrige Treibhausgas-Emissionen in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehören auch rigorose Berichterstattung und Glaubwürdigkeit.
  3. Systemtransformationen eröffnen viele Chancen, doch schneller Wandel kann zu Erschütterungen führen. Ein Fokus auf Inklusion und Gerechtigkeit kann die Unterstützung von Klimamaßnahmen fördern. Die am meisten vom Klimawandel Betroffenen müssen in die Erarbeitung von Lösungen einbezogen werden.
  4. Die globalen Emissionen entwickeln sich nicht entlang der Pfade, die für die Erreichung der Pariser Ziele notwendig sind. Das Fenster für die Erreichung des 1,5°C-Ziel schließt sich rapide.
  5. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Verwirklichung heimischer Klimaschutzmaßnahmen und beim Setzen ambitionierterer Ziele in den NDCs um die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken und netto null bei CO2 bis 2050 zu erreichen. Es existieren genügend kostengünstige Möglichkeiten, die Emissionslücke bis 2030 zu schließen, doch bestehen große Herausforderungen, diese Chancen mit dem nötigen Tempo und im nötigen Maßstab zu realisieren. Klimaschutzmaßnahmen, die auch erfolgreich zu anderen Nachhaltigkeitszielen beitragen, können hochskaliert und in verschiedenen Zusammenhängen vervielfältigt werden.
  6. Um netto null Emissionen zu erzielen, sind Systemveränderungen quer über alle Sektoren notwendig. Das schließt den Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso ein wie ein Auslaufenlassen aller fossilen Brennstoffe, deren Klimawirkung nicht durch technische Maßnahmen verhindert werden kann, ein Ende der Entwaldung, die Reduzierung von nicht-CO2-Treibhausgasen und Maßnahmen sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite. Maßnahmen zur Systemtransformation in Industrie, Transport und Bautätigkeit müssen rasch Prozess- und Energieemissionen senken. Ein Beenden und Rückgängigmachen von Entwaldung und die Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken sind entscheidend für die Minderung von Emissionen und die Erhaltung von Kohlenstoffsenken. Nachhaltige Landwirtschaft muss intensiviert werden, ohne die landwirtschaftlichen Flächen auszudehnen. Transformationen müssen die gesamte Ökonomie, die gesamte Gesellschaft erfassen.
  7. Maßnahmen zu einem gerechten Übergang („just transition“) können zu robusteren Ergebnissen beim Klimaschutz führen. Kollektive und partizipatorische Entscheidungsprozesse sind notwendig, um gesellschaftliche Erschütterungen zu vermeiden.
  8. Ökonomische Diversifikation ist eine Schlüsselstrategie um negative Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen aufzufangen. Dazu gehören eine grüne Industrialisierung und nachhaltige Lieferketten.
  9. Da der Klimawandel alle Länder, Gemeinschaften und Menschen rund um die Welt gleichermaßen bedroht, sind verstärkte Anpassungsmaßnahmen und Anstrengung zur Minimierung von Schäden und Verlusten („loss and damage“) und Maßnahmen zur Bewältigung dieser Schäden und Verluste notwendig, insbesondere für diejenigen, die am wenigsten auf Veränderungen vorbereitet sind und am wenigsten fähig, sich von Katastrophen zu erholen.
  10. Insgesamt gibt es gestiegene Ambitionen für Anpassung und Unterstützung für Anpassung, doch sind die meisten beobachteten Maßnahmen fragmentiert, auf bestimmte Sektoren beschränkt und über die Regionen ungleich verteilt.
  11. Wenn Anpassung sachkundig und in lokalen Kontexten angegangen und von der Bevölkerung getragen wird, kann das die Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhen. Gelegenheiten dafür gibt es in allen Sektoren und vorbildliche Praktiken sind gut dokumentiert.
  12. Vermeidung, Minimierung und Entschädigung von Verlusten und Schäden erfordern dringend Handlungen quer durch alle Klima- und Entwicklungsstrategien. Die bisher vorhersehbaren Auswirkungen des Klimawandels werden die Grenzen für Anpassungsmöglichkeiten überschreiten. Die Auswirkungen werden irreversibel sein, wenn die Temperaturerhöhung mehr als 1,5°C erreicht.
  13. Vermeidung, Minimierung und Entschädigung für Verluste und Schäden müssen rapide verstärkt werden und Finanzflüsse müssen der Notwendigkeiten einer klimaresilienten Entwicklung entsprechen.
  14. Verstärkte Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in sich entwickelnden Ländern bedeutet internationale Finanzierung strategisch einzusetzen. Zugang zu Finanzierungen für sich entwickelnde Länder muss besser ermöglicht werden.
  15. Um Finanzflüsse den Erfordernissen der Treibhausgasminimierung anzupassen, müssen Billionen von Dollars eingesetzt werden und Investitionen auf allen Gebieten in Klimaschutzmaßnahmen umgeleitet werden.
  16. Bestehende sauberere Technologien müssen rasch eingesetzt werden und Innovationen und Transfer neuer Technologien für die Bedürfnisse sich entwickelnder Länder beschleunigt werden.
  17. Der Ausbau menschlicher, gesellschaftlicher und institutioneller Kapazitäten ist grundlegend für breiten und nachhaltigen Klimaschutz. Die Unterstützung für sich entwickelnde Länder muss verstärkt werden, um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden und indigene und traditionelle Wissenssysteme müssen genützt werden.

Der Synthesebericht zeigt klar: Klare, zielgerichtete Entscheidungen sind nötig. Dubai und die COP 28 sind der Ort für diese Entscheidungen.

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Wege in die Zukunft: Gesellschaftliche Entwicklungspfade und Klimaszenarien

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Lesedauer 7 Minuten.   

SSPs und RCPs – Shared Socioeconomic Pathways und Representative Concentration Pathways – sind Begriffe, die in Klimaszenarien immer wieder verwendet werden. Doch was bedeuten sie und wie hängen sie zusammen? Kurz gesagt: Welche dieser Pfade führen uns in eine lebenswerte Klimazukunft? Da die IPCC-Berichte, in denen diese Entwicklungspfade dargestellt werden, auf Englisch verfasst sind, haben jetzt mehrere Institutionen1 des deutschsprachigen Raums eine gemeinsame Empfehlung2 erarbeitet, wie diese Szenarien auf Deutsch benannt und beschrieben werden sollen.

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Halbherzige Maßnahmen können die Emissionen nicht halbieren – Die wichtigsten „Take-Home-Messages“ des IPCC-Berichts
von Renate Christ

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Renate Christ, langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats fasst die wichtigsten Botschaften des jüngsten IPCC-Berichts zusammen.

Der Bericht sagt klar: Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Erwärmung von 3,2°C zu, statt der angestrebten Begrenzung auf 1,5°C. Damit werden sich Klimarisiken wie Dürre, Überschwemmungen oder hitzebedingte Krankheits- und Todesfälle massiv erhöhen. Um die Temperaturerhöhung auf unter 1,5°C zu begrenzen, müssen die globalen Emissionen spätestens 2025, das ist in 3 Jahren, den Höchststand erreichen. Dann müssen die CO2 Emissionen drastisch abnehmen und zwar bis 2030 um 45%. Die Methanemissionen müssen um 34% sinken und auch bei den anderen Treibhausgas-Emissionen müssen starke Reduktionen erfolgen. Netto-Null CO2 muss 2050 erreicht werden. Für das 2°C Ziel sind die Erfordernisse ähnlich, nur etwas verzögert.

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von Renate Christ
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Weltklimarat: Wir haben die Werkzeuge und wir haben das Wissen.
Es ist möglich, die Emissionen bis 2030 zu halbieren, wenn wir jetzt handeln.
von Martin Auer

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Am 4. April wurde der letzte Teil des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC veröffentlicht, und zwar der Bericht der Arbeitsgruppe III: Vermeidung des Klimawandels. Der erste Teil behandelte die physikalischen Grundlagen des Klimawandels, der zweite Teil die Auswirkungen und die Notwendigkeiten der Anpassung. Der neue Bericht betont den Ernst der Lage, zeigt aber die Möglichkeiten auf, die wir haben, um einen extremen Klimawandel zu verhindern. Insofern macht der Bericht Mut und gibt Hoffnung.

In den Jahren von 2010 bis 2019 waren die Treibhausgas-Emissionen die höchsten der Geschichte. Sie nehmen immer noch zu, aber langsamer als zuletzt. Ohne sofortige und tiefgreifende Emissionsreduktionen in allen Sektoren wird es nicht möglich sein, die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Doch können die Wissenschaftler*innen feststellen, dass vermehrt Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.

Seit 2010 sind die Kosten für Solar- und Windenergie und auch für Batterien um bis zu 85 Prozent gesunken. Eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzen haben zu mehr Energieeffizienz (also besserer Ausnutzung von Energie) geführt, zu einer Verringerung der Geschwindigkeit der Entwaldung und zu einer beschleunigten Anwendung von erneuerbaren Energien.

„Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können uns eine lebenswerte Zukunft sichern“, sagte der Vorsitzende des IPCC, Hoesung Lee. „Wir haben die nötigen Werkzeuge und das nötige Wissen, um den Klimawandel einzudämmen. Ich bin ermutigt durch die Klimaschutzmaßnahmen, die in vielen Ländern durchgeführt werden. Es gibt Maßnahmen, Regulierungen und Marktinstrumente, die sich als wirksam erwiesen haben. Wenn diese in großem Maßstab und auf faire Weise angewandt werden, können sie tiefgreifende Emissionsreduktionen bewirken und Innovationen stimulieren.“

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Es ist möglich, die Emissionen bis 2030 zu halbieren, wenn wir jetzt handeln.
von Martin Auer
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IPCC Arbeitsgruppe II: Das Zeitfenster für 1,5°C schließt sich schnell. Über drei Milliarden Menschen sind durch die Folgen des Klimawandels besonders verwundbar
von Martin Auer

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Am 28. Februar 2022 wurde Teil 2 des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) veröffentlicht: „Klimawandel 2022: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit“. Das Climate Change Centre Austria (CCCA) lud aus diesem Anlass zu einer Pressekonferenz ein. Teil 1 kam letzten Sommer heraus.

Der Bericht der Arbeitsgruppe II wurde von 270 Autor*innen aus 67 Ländern verfasst und beinhaltet mehr als 34.000 wissenschaftliche Zitate, erklärte Prof. Harald Rieder, Vorstand des CCCA: Der Bericht zeigt, dass sowohl die Schwere des Klimawandels als auch die Risiken und Folgen direkt von den mittel- und kurzfristigen Maßnahmen im Bereich Klimaschutz und Anpassung abhängen, und dass unser Handeln im nächsten Jahrzehnt ganz entscheidend ist. Drei der am Bericht beteiligten Wissenschaftler*innen waren bei der Pressekonferenz anwesend und gaben einen Überblick über den Inhalt des Berichts.

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Klimakrise – Fakt oder Meinung?
von Markus Palzer-Khomenko

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Diskussionen um die Klimakrise erregen die Gemüter. Nicht selten ist da auch der Vorwurf zu hören, man würde einer Klima-Religion anhängen und keine anderen Meinungen zulassen. Ist die Wissenschaft eine Religion mit absolutem Wahrheitsanspruch? Warum sollten wir der Wissenschaft vertrauen und gibt es überhaupt die eine wissenschaftliche Wahrheit?

Sehen wir uns an, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Wissen-schaft ist, wie der Name schon sagt, das “Schaffen von Wissen”. Man könnte es auch als die “Suche nach der Wahrheit” bezeichnen. Dazu müssen gängige Erklärungen aber stets hinterfragt werden. Erst durch das beständige Hinterfragen, Anzweifeln und Prüfen können wir der “Wahrheit” Schritt um Schritt näher kommen.

Wenn Wissenschaft immer hinterfragt, warum können wir dann nicht auch die Klimakrise hinterfragen?

Das können, müssen und tun wir. Seit Jahrzehnten werden die Annahmen und Aussagen rund um die Klimakrise auf Herz und Nieren geprüft. Die Wissenschaft bedient sich hierzu sogenannter “Modelle”, die unsere Welt so gut wie möglich beschreiben sollen. Dabei wissen wir aber, dass alle Modelle vereinfachen und manchmal auch Fehler enthalten. Sobald ein solches Modell vorgeschlagen wird (z.B. der Mensch verursacht einen CO2-Anstieg in der Atmosphäre und damit eine Erwärmung des Klimas), beginnen Forschende rund um den Globus, das Modell zu prüfen, nach Fehlern und möglichen Verbesserungen zu suchen und die Ergebnisse mit anderen Modellen zu vergleichen. Wird ein Fehler gefunden, muss das Modell überarbeitet oder verworfen werden. Klimamodelle können beispielsweise geprüft werden, indem man auch die Vergangenheit modelliert und mit der beobachteten Klimaentwicklung vergleicht. Je besser ein Modell funktioniert und das Beobachtete erklärt, desto mehr können wir dem Modell vertrauen.

Unsere Modelle rund um die Klimakrise werden seit Jahrzehnten geprüft, verbessert und mit Beobachtungen verglichen. Es konnten bisher nicht nur keine Fehler oder Widersprüche in den grundlegenden Aussagen gefunden werden, die Aussagen wurden auch immer besser und genauer. Die unzähligen Schein-Argumente, die von unterschiedlichsten Personen aus unterschiedlichsten Gründen vorgebracht wurden, können allesamt mit wissenschaftlichen Argumenten, Experimenten und Messungen widerlegt werden.

Woher wissen wir überhaupt, dass tatsächlich die Mehrheit der Expert:innen von der Klimakrise überzeugt ist?

Durch das IPCC. Das ist eine Einrichtung der Vereinten Nationen, der 195 Länder (also praktisch alle Länder) angehören. IPCC steht für “Intergovernmental Panel on Climate Change” und hat seit 1988 den Auftrag, die Regierungen der Welt mit wissenschaftlichen Informationen zu versorgen. Dabei greift es auf hunderte führende Expert:innen aus der ganzen Welt zurück, die tausende bis zehntausende Publikationen zum Thema Klimawandel durchleuchten und zu einem Bericht zusammenfassen. Das IPCC macht keine eigene Forschung, sondern trägt den Stand der Forschung, ob Konsens oder Dissens, zusammen und stellt fest, was wir über Klimaveränderung wissen und wo noch Forschung nötig ist. Es veröffentlicht seine Erkenntnisse in Berichten. Unlängst ist der erste Teil des 6. Berichts erschienen, der sich mit den physikalischen Grundlagen beschäftigt.

Was sagt das IPCC?

Das IPCC und damit die führenden Expert:innen der Welt basierend auf der neuesten Forschung und mit Zustimmung praktisch aller Regierungen der Welt sagt in aller Deutlichkeit, dass wir Menschen durch den Ausstoß von Treibhausgasen den Planeten erwärmen und noch einige andere Probleme verursachen. 

Das IPCC sagt auch, dass die Erwärmung des Klimas unsere Zivilisation vor gewaltige Probleme stellt, die mit jedem 0.1°C größer werden. Ein Temperaturanstieg auf 1,5°C ist zumindest kurzfristig auch im besten Fall nicht mehr zu verhindern. Wir könnten das Klima aber in diesem Bereich stabilisieren, wenn wir sofort alle verfügbaren Maßnahmen setzen. Reagieren wir nicht, sind bis zu 5.7°C mehr bis zum Jahr 2100 zu befürchten.

Ist das IPCC zu pessimistisch?

Das ist (leider) sehr unwahrscheinlich. Da alle 195 Länder den Berichten des IPCC zustimmen und damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen müssen, sind die IPCC-Berichte sowas wie der Konsens zwischen Wissenschaft und Regierungen der Welt. Da schlechte Nachrichten und Maßnahmen gegen die Klimakrise meist unpopulär sind, versuchen viele Regierungen natürlich, die Aussagen zu hinterfragen und Angaben für die Wahrscheinlichkeit der Prognosen einzufordern. Wir müssen also davon ausgehen, dass die IPCC-Berichte eher zu optimistisch als pessimistisch sind.
Jedenfalls sollte man bei solchen wichtigen Themen ohnehin immer die pessimistischsten Annahmen als Handlungsgrundlage nehmen. Man stelle sich einen Wasserdamm oder ein Hochhaus vor, das optimistisch berechnet wurde. 

Fazit

Das Hinterfragen und Anzweifeln von Modellen und Szenarien für die Zukunft liegt in der Natur der Wissenschaft. Jedoch sollten auch Zweifel immer eine wissenschaftliche Grundlage haben. Bevor man anfängt, eine gut belegte wissenschaftliche These wie den Klimawandel zu hinterfragen, sollte man zunächst die Forschung und die Argumente dazu kennen sowie solide eigene Daten, Experimente oder Argumente haben, die den Zweifel untermauern.

Gesichtet: Renate Christ

Titelbild: Karen, USA – Beitrag zur #SayItWithScience Art Challenge

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