Quelle: IPBES: Launch of IPBES-IPCC Co-Sponsored Workshop Report on Biodiversity and Climate Change
Am 10. Juni 2021 veröffentlichten die zwei großen zwischenstaatlichen Gremien für Klimaschutz und Artenschutz einen gemeinsamen Bericht, nämlich das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services). Es handelt sich um die erste Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen der beiden Gremien.
Im Dezember 2020 kamen 50 weltweit führende Expert*innen für Klima und Biodiversität zu einem Workshop zusammen, um einen großen Mangel zu beheben: Bisher wurden Maßnahmen für Klimaschutz und Schutz der Biodiversität großteils unabhängig voneinander geplant und durchgeführt. Doch beide Aufgaben im Zusammenhang anzugehen ergibt Synergien, die helfen können, sowohl den Klimawandel als auch den Artenverlust einzudämmen.
Prof. Hans-Otto Pörtner, Co-Vorsitzender des wissenschaftlichen Steuerungskomitees, erklärte, dass der menschengemachte Klimawandel zunehmend die Natur und ihre Leistungen für die Menschen bedroht. Je wärmer die Welt wird, umso weniger Nahrung, Trinkwasser und andere wichtige Beiträge könne die Natur uns geben. Andererseits würden Veränderungen der Biodiversität das Klima beeinflussen, nämlich durch ihren Einfluss auf die Stickstoff-, Kohlenstoff- und Wasserkreisläufe. Einen Ausgleich zwischen Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität zu schaffen, würde einen grundlegenden Wandel unserer persönlichen und kollektiven Werte erfordern: Weg von einer Auffassung von wirtschaftlichem Fortschritt, die sich nur am Wachstum des Bruttinlandsprodukts misst, hin zu einer Auffassung von Fortschritt, die auf einem Ausgleich zwischen menschlicher Entwicklung und vielfältigen Werten der Natur beruht, für eine gute Lebensqualität ohne die biophyischen und sozialen Schranken zu übrschreiten.
Maßnahmen, die einander ergänzen
Die Autor*innen warnen, dass enggefasste Maßnahmen zum Klimaschutz direkt und indirekt die Natur schädigen können, und umgekehrt, doch dass es viele Maßnahmen gibt, die sich auf beiden Gebieten positiv auswirken:
- Verlust und Verfall von kohlenstoffreichen und artenreichen Ökosystemen an Land und im Meer stoppen. Dazu gehören Wälder, Feuchtgebiete, Moore, Grasland und Savannen; küstennahe Ökosysteme wie Mangroven, Salzmarschen, Kelpalgen-Wälder und Seegraswiesen; und auch Kohlenstoffspeicher in der Tiefsee und n den Polen. Allein durch das Beenden von Entwaldung und Walddegradation könnten 0,4 bis 5,8 Gigatonnen CO2-Äquivalent jährlich eingespart werden (das wäre bis zu einem Zehntel des derzeitigen Ausstoßes).
- Wiederherstellung von kohlenstoffreichen und artenreichen Ökosystemen. Die Autor*innen betonen, dass dies eine der billigsten naturbasierten Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels sei. Es würde Lebensraum für Pflanzen und Tiere schaffen und sich günstig auf Regulierung von Überflutungen, Küstenschutz, Wasserqualität auswirken, Bodenerosion verringern und das Überleben von Bestäubern sichern. Auch könnten so Jobs und Einkommen für indigene und lokale Bevölkerungen geschaffen werden.
- Nachhaltige landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Maßnahmen fördern. Dazu gehört, wieder mehr unterschiedliche Nutzpflanzen und Baumarten anzubauen. Durch verbesserte Bodenkonservierung und verringerten Düngereinsatz können jährlich 3 bis 6 Gigatonnen CO2-Äquivalent jährlich eingespart werden.
- Naturschutzgebiete ausweiten. Derzeit stehen 15 Prozent der Landflächen und 7,5 Prozent der Ozeane unter Schutz. Dieser Schutz soll auf 30 bis 50 Prozent aller Land- und Meeresflächen ausgedehnt werden.
- Subventionen für schädliche Aktivitäten beenden, also alles, was Entwaldung, Überdüngung, Überfischung und so weiter fördert. Das würde sowohl helfen, den Klimawandel zu mildern, als auch die unvermeidliche Anpassung an den Klimawandel erleichtern. Dazu gehört weiter auch die Änderung individuellen Konsumverhaltens, die Verminderung von Verschwendung und Abfall, und eine Hinwendung zu einer stärker pflanzlichen Ernährung.
Einseitige Maßnahmen, die schaden
Einige Maßnahmen, die zu eng auf Eindämmung des Klimawandels und Anpassung fokussieren, schaden nach Meinung der Wissenschaftler*innen der Biodiversität und den Diensten, die die Natur den Menschen bietet:
- Großflächiger Anbau von Bioenergie-Monokulturen. Solche Nutzpflanzen schaden dem Ökosystem, wenn sie große Flächen beherrschen. Im kleinen Maßstab angewandt kann der Anbau von Bioenergiepflanzen Vorteile für Klimaschutz und Artenerhalt bieten.
- Bäume anpflanzen in Ökosystemen, die historisch keine Wälder waren und Aufforstung mit Monokulturen, insbesondere exotischen Arten. Das kann zwar zur Milderung des Klimawandels beitragen, ist aber schädlich für die Artenvielfalt, Nahrungsmittelproduktion, hat auch keine erkennbaren Vorteile für die Anpassung an den Klimawandel und kann lokale Bevölkerungen vom Land verdrängen.
- Bewässerungskapazitäten erhöhen. Dies wird oft als Antwort auf die Bedrohungen durch Dürre gesehen, doch kann es zu Konflikten um Wasser und Dammbauten führen und zu dauernder Schädigung des Bodens durch Versalzung.
- Alle Maßnahmen, die zu eng auf die Eindämmung des Klimawandels fokussieren, sollen im Hinblick auf ihren Gesamtnutzen und mögliche Risiken evaluiert werden. Zum Beispiel kann der Einsatz erneuerbarer Energien dazu führen, dass anderswo der Bergbau große Landflächen zerstört. Auch manche technische Maßnahmen wie Dammbauten oder Flutschutzmauern können sich negativ auswirken, indem sie die Wanderrouten mancher Spezies unterbrechen oder Lebensräume zerschneiden. Solche negative Wirkungen lassen sich minimieren durch die Entwicklung alternativer Batterien, die Produktion langlebiger Produkte, effiziente Recycling-Systeme für mineralische Ressourcen und Bergbaumethoden, die Nachhaltigkeit in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft berücksichtigen.
Die Natur kann nicht alles tun
Die Autor*innen betonen, dass die Natur uns effektive Möglichkeiten bietet, den Klimawandel einzudämmen, doch dass diese nur dann wirksam werden können, wenn sie auf einer ambitionierten Verringerung aller von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen fußen.
„Land und Meer tun schon sehr viel – sie nehmen 50 Prozent des von Menschen verursachten CO2 auf – aber die Natur kann nicht alles tun“, sagte Ana María Hernández Salgar, Vorsitzende des IPBES.
Gesichtet: F. F.
Titelfoto: Gerhard Mauracher: Enger Moor, Salzburg. Quelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA
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