Blut und CO2 – Was der Krieg mit dem Klima macht
von Martin Auer

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Lesedauer 6 Minuten.   

Zweiter Teil unserer Serie zum Thema Klima und Friedenspolitik. Der erste Teil behandelte den CO2-Stiefelabdruck des Militärs am Beispiel der USA. Heute geht es speziell um die Auswirkungen von Krieg auf das Klima.

Kriege kosten Menschenleben, nicht nur auf dem Kriegsschauplatz. Kriege tragen zum Klimawandel bei und verursachen so indirekt den Tod von Menschen rund um den Globus durch Hitzestress, Wassermangel, Überschwemmungen, Mangelernährung, durch die Zunahme von durch Tiere auf Menschen übertragbare Krankheiten und noch andere Faktoren. Und sie kosten Geld, das dringend für die Abwendung der Klimakatastrophe benötigt würde.

Kriege tragen auf vielfältige Weise zum Klimawandel bei1: Ölförderanlagen, Tanklager oder Transportinfrastruktur sind oft unmittelbare Angriffsziele. Während des zweiten Golfkriegs brannten 1991 in Kuwait die Ölfelder. Ungefähr 4,6 Millionen Barrels verbrannten pro Tag. Das verursachte 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen in diesem Jahr. Der Rauch verdunkelte die Sonne über dem Persischen Golf2. Der Ruß erreichte tibetische Gletscher, setzte sich dort ab und beschleunigt so deren Schmelzen, da eine dunkle Oberfläche mehr Wärme aufnimmt3.

Auch die Vegetation kann ein Angriffsziel sein. Verrottende Biomasse setzt CO2 frei. Während des Vietnamkriegs setzte die US-Armee „Agent Orange“ und andere Herbizide ein, um Wälder zu entlauben und so dem Gegner die Deckung zu nehmen. Dadurch verlor Vietnam je nach Schätzung 14 bis 44 Prozent seiner Wälder, die sich nur langsam oder gar nicht wieder erholen4. Kürzlich wurden Wälder in Nagorny-Karabach angezündet, um Drohnenangriffe zu erleichtern5. Vom Gazastreifen aus werden im Zuge des Palästinakonflikts brennende Kohle und Brandbeschleuniger mit Drachen und Ballons nach Israel getragen. Dadurch sind Felder und Naturschutzgebiete nahe der Grenze geschädigt worden6.

US Airforce versprüht das Dioxinhaltige Entlaubungsmittel „Agent Orange“ über dem Mekong-Delta in Vietnam
Foto: Dick Swanson via Flickr

Wenn durch Krieg und Konflikt Infrastrukturen und Märkte zerstört werden, greifen Menschen oft zu schädlicheren Brennstoffen, zum Beispiel Holz oder Holzkohle zum Heizen und Kochen, was die Entwaldung fördert7. Der Krieg in Syrien hat die dortige Ölindustrie zerstört. In Nordostsyrien wird jetzt mit sehr primitiven Mitteln Erdöl zu Benzin und Diesel verarbeitet, was zu hohen Emissionen und starker Luftverschmutzung führt. Die stark ökologisch ausgerichtete autonome Selbstverwaltung von Rojava ist auf diese Treibstoffe angewiesen und hat bis jetzt keine Möglichkeiten, die schädliche Praktik zu beenden8.

Die humanitäre Hilfe für die von Krieg und Flucht betroffene Bevölkerung verursacht auch wieder Emissionen, sowohl durch den Transport von Hilfsgütern, als auch durch Dieselgeneratoren, die Flüchtlingslager oder Stützpunkte mit Strom versorgen. 2017 machten die Kosten für Treibstoff 5 Prozent der globalen Budgets für humanitäre Hilfe aus9.

Hilfsgüter-Konvoi in Syrien. Foto: New Zealand Red Cross

Generell kann sich besonders ein lang andauernder Konflikt lähmend auf die wirtschaftliche und technologische Entwicklung in einem Land auswirken und dazu beitragen, dass schädliche Praktiken wie zum Beispiel das Abfackeln von Gas beibehalten werden, oder, dass ganze Industrien auf minderwertige und besonders schädliche Energiequellen angewiesen sind.

Auch aus veränderter Landnutzung infolge von Konflikten entstehen Emissionen. Wenn durch Fluchtbewegungen landwirtschaftliche Gebiete aufgegeben werden, entstehen Emissionen durch Bodendegradation, wie zum Beispiel in Bosnien10. „Verbrannte Erde“ ist eine bekannte militärische Taktik, neuerdings wieder angewandt in Myanmar11.

Wenn durch Konflikte Regierungen und staatliche Strukturen zusammenbrechen oder geschwächt werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Staaten nicht an internationalen Prozessen teilnehmen, um den Klimawandel einzudämmen. Und dass, obwohl gerade sie besonders verwundbar für Klimawandelfolgen sind. Libyen zum Beispiel hat noch nie seine Emissionen im Sinne der Klimakonvention UNFCCC bekanntgegeben und Syriens letzter Bericht ist von 201012. Zu Beginn des Jahres 2021 hatten sieben Länder das Pariser Abkommen noch nicht ratifiziert. Die meisten von ihnen sind oder waren kürzlich von bewaffneten Konflikten betroffen: Südsudan, Irak, Eritrea, Jemen und Libyen. Kriegerische Auseinandersetzungen führen auch dazu, dass Projekte für nachhaltige Entwicklung nicht durchgeführt werden können.

Nach dem Krieg muss der Schutt weggeräumt werden. Es wird geschätzt, dass eine Million Lastwagenfahrten notwendig sind, um die Trümmer aus den zerstörten Städten Homs und Aleppo in Syrien abzutransportieren13. Laut einer Studie der Weltbank14 wurden durch den Krieg in Syrien 7 Prozent aller Häuser zerstört und 20 Prozent beschädigt. Die Herstellung von Zement für den Wiederaufbau von 900.000 Wohneinheiten wird an die 22 Millionen Tonnen CO2 freisetzen.


Dunkelrot: Große Kriege mit mehr als 10.000 Toten im letzten Jahr. Hellrot: Kriege mit 1000 bis 9.999 Toten im letzten Jahr. Ocker: Kleinere Konflikte mit 100 bis 999 Toten im letzten Jahr. Gelb: Scharmützel und bewaffnete Zusammenstöße mit 10 bis 99 Toten im letzten Jahr.
Nur die Kriegsschauplätze sind farbig markiert, nicht die an einem Konflikt beteiligten Länder.
Quelle: Wikimedia

Am Beispiel des Irak-Kriegs…

Nikki Reisch und Steve Kretzmann veröffentlichten 2008 die Studie „A Climate of War“ über die Klimafolgen des 2. Irak-Kriegs15. Reisch ist Leiterin des Klima- und Energieprogramms des Center for International Environmental Law in Washington. Davor war sie unter anderem Professorin an der New Yorker CUNY School of Law. Als Juristin befasst sie sich mit Fragen von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen. Steve Kretzmann gründete 2005 den Thinktank „Oil Change International“, der die Kosten und Schäden, die durch die Ölindustrie verursacht werden, untersucht und auf dessen Erkenntnisse sich Aktivist*innen in der ganzen Welt stützen können.

In der Einleitung zur Studie weisen die Autor*innen auf die Wechselwirkung zwischen der Klimakrise und militärischen Konflikten hin: „Nicht nur erhöht der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit von Konflikten – vor allem um den Zugang zu natürlichen Ressourcen – sondern der Krieg beschleunigt seinerseits die globale Erwärmung und entzieht unserer Wirtschaft Geld, das für saubere Energie benötigt würde.“

Der zweite Irak-Krieg dauerte offiziell von 20. März bis 1. Mai 2003. Darauf folgten jedoch noch 8 Jahre Besatzung durch die USA und Großbritannien. Der Krieg hat auf irakischer Seite 460.000 Menschenleben gekostet und auf amerikanischer Seite 4.800.

Park der Oregon State University 2008
Weiße Fähnchen: irakische Todesopfer
Rote Fähnchen: US-amerikanische Todesopfer
Foto: Parhamr via Wikimedia

Der Krieg verursachte Emissionen von 141 Millionen Tonnen CO2e16: Das entspricht dem, was ein Land wie Neuseeland oder Kuba in einem Jahr verursacht. Die Emissionen stammen aus dem Treibstoff für Kampfhandlungen, aus brennenden Ölfeldern, aus vermehrtem Abfackeln von Gas, von Explosivstoffen und Chemikalien. Doch nicht nur das Zerstörungswerk verursacht Treibhausgas-Emissionen. Wenn die zerstörten Gebäude und Straßen wieder aufgebaut werden, entstehen durch den Verbrauch von Zement weitere Emissionen.

Treibstoff allein ist verantwortlich für 100 Millionen Tonnen CO2e. Bei den Kriegshandlungen selber wurden 49 Millionen Tonnen freigesetzt, und fast genau so viel, nämlich 47 Millionen Tonnen, beim Transport des Treibstoffs zum Kriegsschauplatz. Der Transport der Truppen von den USA und zurück war für 3 Millionen Tonnen CO2e verantwortlich.

Die ökonomischen Kosten veranschlagte der Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz im Jahr 2008 mit insgesamt 2,6 Billionen (Englisch „trillion“) USD oder monatlich 12 Milliarden (Englisch: „billion“) USD.

Reisch und Kretzmann berechneten, dass die direkten Ausgaben der US-Regierung für den Krieg ausgereicht hätten, um ein Viertel der Energieproduktion der USA durch Windkraft zu ersetzen und so die Emissionen der USA um ein Sechstel (1 Mrd. Tonnen CO2e) zu senken.

Protestdemonstration gegen den Irak-Krieg London 2002
Foto: William M. Connolley via Wikimedia

…und Afghanistans

Die Politologin Neta Crawford von der Boston University zog kürzlich für das „Costs of War“-Projekt Bilanz über den Afghanistan-Krieg17. Der zwanzigjährige Krieg der USA in Afghanistan kostete 46.000 Zivilist*innen das Leben und trieb weit über zwei Millionen Afghan*innen in die Flucht nach Iran und Pakistan (einige Hunderttausend schafften es nach Europa). Ein Drittel der Einwohner*innen und die Hälfte aller Kinder unter 5 Jahren sind dort heute unterernährt. Auf amerikanischer Seite wurden 2.455 Soldat*innen getötet und 20.722 verletzt. Die finanziellen Kosten für die USA belaufen sich auf 2,3 Billionen USD (zur Veranschaulichung: Das ist mehr als das Fünffache der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung Österreichs). Die medizinische Versorgung aller verwundeten und dauerhaft behinderten amerikanischen Kriegsveteran*innen seit „9/11“ (2001) wird bis 2050 Kosten von weiteren 2 Billionen USD verursachen.

Die Berechnungen, was diese Summen für den Klimaschutz hätten bringen können, stehen noch aus.

Foto: WikiImagea via pixabay

Gesichtet: Sarah Moussa
Titelbild: Brennende Ölfelder in Kuwait 1991. Foto: Lt. Steve Gozzo, USN, Public domain, via Wikimedia Commons


1 Conflict and Environment Observatory (2021): How does war contribute to climate change? https://ceobs.org/how-does-war-contribute-to-climate-change/

2 Hobbs Peter V.; Radke Lawrence F. (1992): Airborne Studies of the Smoke from the Kuwait Oil Fires. In: Science 256 (5059), S. 987–991. DOI: 10.1126/science.256.5059.987 .

3 Zhou, Jiamao; Tie, Xuexi; Xu, Baiqing; Zhao, Shuyu; Wang, Mo; Li, Guohui et al. (2018): Black carbon (BC) in a northern Tibetan mountain: effect of Kuwait fires on glaciers. In: Atmos. Chem. Phys. 18 (18), S. 13673–13685. DOI: 10.5194/acp-18-13673-2018 .

4 https://news.mongabay.com/2016/12/vietnams-forests-on-the-upswing-after-years-of-recovery/

5 https://ceobs.org/investigating-the-environmental-dimensions-of-the-nagorno-karabakh-conflict/

6 https://ceobs.org/fanning-the-flames-the-environmental-impact-of-gazas-incendiary-kites/

7 https://www.theguardian.com/global-development/2019/jul/22/gorillas-charcoal-fight-survival-congo-rainforest

8 https://theecologist.org/2019/aug/28/where-black-rivers-flow

9 Grafham, Owen; Lahn, Glada. (2018) The Costs of Fuelling Humanitarian Aid. Chatham House, the Royal Institute of International Affairs

10 Witmer, Frank D. W. (2008) : Detecting war‐induced abandoned agricultural land in northeast Bosnia using multispectral, multitemporal Landsat TM imagery, International Journal of Remote Sensing, 29:13, 3805-3831, DOI: 10.1080/01431160801891879

11 Thiri, Shwesin Aung (2021): Satellite Analysis of the Environmental Impacts of Armed-Conict inRakhine, Myanmar (Preprint), https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-112904/v1

12 National Communication submissions from Non-Annex I Parties: https://unfccc.int/non-annex-I-NCs

13 https://ceobs.org/we-must-not-ignore-explosive-weapons-environmental-impact/

14 World Bank (2017): The Toll of War: The Economic and Social Consequences of the Conflict in Syria. https://www.worldbank.org/en/country/syria/publication/the-toll-of-war-the-economic-and-social-consequences-of-the-conflict-in-syria

15 Reisch, Nikki; Kretzman, Steve (2008):A Climate of War: The War in Iraq and Global Warming. In: Oil Change International, http://priceofoil.org/content/uploads/2008/03/A%20Climate%20of%20War%20FINAL%20(March%2017%202008).pdf.

16 CO2e: CO2-Äqulivalent. Treibhausgase wie Methan, Lachgas usw. werden nach ihrer Wirkung in CO2 umgerechnet.

17 Crawford, Neta (2021): Calculating the costs of the Afghanistan War in lives, dollars and years. In: The Conversation, https://theconversation.com/calculating-the-costs-of-the-afghanistan-war-in-lives-dollars-and-years-164588

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