S4F-Klimacheck – damit die Wahl zur Klimawahl wird

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Bald schon ist es so weit. In 6 Jahren, um genau zu sein. Dann werden wir so viel CO2 in der Atmosphäre haben, dass sich die Erde mit großer Wahrscheinlichkeit um mehr als 1,5°C erwärmen wird. Und dann beginnt auch der gefährliche Teil unseres globalen Klimaexperimentes. Jenseits der 1,5°C wächst die Gefahr, dass unser Klima tatsächlich seine Stabilität verliert. Ein stabiles Klima ist die Grundlage für stabilen Wohlstand, stabile Nahrungsmittelproduktion und eine stabile und damit sichere Gesellschaft. Wenn wir nicht sofort einige Dinge verändern, setzen wir all das aufs Spiel.

Damit ist auch klar, dass Regierungen, die heute gewählt werden, die letzten sind, die das Ruder noch herumreißen können. Das gilt nicht nur für die Bundesregierung. Auch die Länder und Gemeinden können beim Klimaschutz viel bewegen und verhindern. Möglichkeiten wurden kürzlich in einem Pressegespräch von Scientists for Future Österreich dargelegt. Damit wird jede Wahl zur Klimawahl. Zum Glück sind die Zeiten, in denen die Klimakrise auf die eine oder andere Weise geleugnet wurde, praktisch vorüber. Stattdessen bemühen sich alle Parteien, sich selbst als die großen Klimaschützer:innen zu inszenieren. Aber was steckt dahinter? Welche Parteien wollen echten Klimaschutz, der rasch wirkt und wo bemüht man sich eher um einen grünen Anstrich für die graue Fassade? FFF, S4F und das Klimavolksbegehren haben anlässlich der Landtagswahl in Niederösterreich 17. Fragen an die Parteien geschickt und die Antworten auf Klimawahlen.at eingeordnet. Es zeigt sich: Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab für den Klimaschutz in Österreich.

Hier ein Überblick über die Antworten der Parteien in Niederösterreich: 

ÖVP: Die ÖVP wollte sich bei fünf Fragen nicht festlegen, zum Beispiel bei einem verpflichtenden Treibhausgasbudget für Niederösterreich inklusive eines Reduktionspfads. Hier möchte sie auf Vorgaben des Bundes warten. Beim Ausstieg aus Öl und Gas und bei der Wärmewende verweist sie auf bestehende Maßnahmen. Auch beim Fracking-Verbot gibt es kein klares Nein. Ein klares Nein gibt es hingegen zum Stopp großer Straßenbauprojekte und der Umstrukturierung der Landwirtschaft auf eine verstärkt pflanzliche Ernährung.

Fazit von S4F: Formell bekennt sich die ÖVP zu den Klimazielen, jedoch werden konkrete Maßnahmen abgelehnt, verzögert und verwässert. Verantwortungen werden hin- und hergeschoben. Die bestehenden Maßnahmen, auf die verwiesen wird, haben bisher keine wesentlichen Reduktionen von Treibhausgas-Emissionen erreicht. Zwischen 1990 und 2019 belaufen sich diesbezügliche Einsparungen auf lediglich -4 %. Um auf Klimakurs zu kommen, muss die ÖVP Niederösterreich also eindeutig noch liefern.


SPÖ: Die SPÖ ist in vielen ihrer Antworten zustimmend, beantwortet die Frage nach einem Stopp neuer Straßenbauprojekte mit Nein. 

Fazit von S4F: Der Verkehr ist Österreichs großes Sorgenkind in der Emissionsreduktion und eine umfassende Mobilitätswende ist unerlässlich. Große Straßenbauprojekte erzeugen einen Lock-In Effekt, machen uns also abhängig von noch mehr fossiler Infrastruktur und erhöhen das Verkehrsaufkommen. Statt den motorisierten Individualverkehr noch weiter zu fördern, braucht es einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, von Radwegen und eine Neuaufstellung der niederösterreichischen Raumplanung, um alternative Mobilitätsformen auch wirklich attraktiv zu machen. 


FPÖ: Die FPÖ beantwortete keine der Fragen von Klimawahlen.at.

Fazit von S4F: Gerade bei solch dringlichen und existenziell wichtigen Anliegen wie dem Klimaschutz sollten Parteien mit Maßnahmen und Lösungen, aber zumindest mit Antworten aufwarten. Wir deuten dies als Desinteresse an Klimapolitik im Allgemeinen.

Grüne: Die Grünen stimmten erfreulicherweise jeder einzelnen Frage zu und kommentierten mit inhaltlicher Expertise in Sachen Klimapolitik und Appellen an die Verantwortung Niederösterreichs. 

Fazit von S4F: Die Grünen zeigen hohes Problembewusstsein und Lösungskompetenz. Von ihnen ist ein progressiver Klimakurs mit Zielorientierung zu erwarten.

Neos: Die NEOS stimmten erfreulicherweise den meisten Fragen zu und kommentierten mit inhaltlicher Expertise in Sachen Klimapolitik. Ein Fracking-Verbot lehnen sie jedoch ab. Gegen einige große Straßenbauprojekte sprechen sie sich aus, jedoch nicht gegen den Lobautunnel.

Fazit von S4F: Fracking stellt eine Bedrohung für das Grundwasser sowie für die umliegenden Ökosysteme dar und fördert fossiles Gas, das die Klimakrise weiter anheizt. Die Antworten und Kommentare der NEOS lassen insgesamt auf einen progressiven Klimakurs mit Zielorientierung schließen.

Die Wahlentscheidung an der Urne spielt eine große Rolle bei der Frage, wie wir unsere Welt an unsere Kinder und Enkel weiterreichen. Aber auch abseits von Wahlen kann man viel bewegen. Studien zeigen, dass der Protest auf der Straße oft noch mehr bewirkt als Wahlergebnisse. Wer also nicht auf die nächste Wahl warten möchte und auch zwischen den Urnengängen Druck machen will, tut das am besten, indem man eine der vielen Gruppen unterstützt, die sich für Klima- und Biodiversitätsschutz engagieren, indem man sich nicht an der Kriminalisierung und Hetze gegen Klimaaktivist:innen beteiligt und natürlich indem man zum Klimastreik am 3. März kommt.


Titelbild: Photo by Element5 Digital

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Klimakatastrophe in Oberösterreich – Artikel und Video-Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten

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Wie wirkt sich der Klimawandel in Oberösterreich aus, wie wird sich die Natur und das Leben der Menschen verändern? Wird genug zum Klimaschutz getan? Mit diesen Fragen kam Redakteurin Sarah Kowatschek von den Oberösterreichsichen Nachrichten auf die Scienitist For Future OÖ zu. Herausgekommen ist ein Artikel und Video-Interview mit Martin Hoffmann und Mirko Javurek.

Online-Artikel (nur für Abo-Kund:innen, daher Text des Artikels unten folgend): https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/klimawandel-in-oberoesterreich-es-geht-fast-zu-100-prozent-in-die-falsche-richtung;art4,3779411

Video-Interview: https://www.nachrichten.at/nachrichten/videos/scientists-for-future-klimawandel-ist-ein-soziales-problem;sts224176,15744


Klimawandel in Oberösterreich: „Es geht fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“

LINZ. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Oberösterreich? Experten gehen davon aus, dass Temperaturen ansteigen, Schädlinge sich ausbreiten und extreme Wetterereignisse häufiger werden.

Vergangene Woche wurde die Klimastrategie für das Land Oberösterreich im Landtag beschlossen. Die Klimaallianz Oberösterreich stellt ein schlechtes Zeugnis aus: „Leider ist das Dokument eine riesige Enttäuschung“, fasst die Allianz nach einer Schnellprüfung der 160 Seiten langen Strategie zusammen. „An keiner Stelle wird das Papier auch nur annähernd dem Anspruch gerecht, eine Anleitung zu sein, wie die Klimaziele 2030 bzw. 2040 erreicht werden können.“ In der Klima-Allianz Oberösterreich haben sich verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen, die sich für einen Klimaschutzplan des Landes einsetzen – Fridays For Future Linz etwa, aber auch Radlobby Oberösterreich und Scientists for Future sind Teil davon.

 „Damit machen wir in Oberösterreich, was machbar ist und setzen unseren Weg der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes fort“, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer zur Klimastrategie. Und, dass diese „umfassend und realistisch“ sei. Dem können sich Mirko Javurek und Martin Hoffmann, beide Mitglieder von Scientists for Future, nicht ganz anschließen: „Realistisch wird sie schon sein. Aber die Frage ist, zu welchen Zielen. Die Pariser Klimaziele werden damit nicht erreicht werden.“ Für Hoffmann ist Klimawandel ein soziales Problem: Der Überkonsum sei ein Hauptgrund für den Klimawandel. 

Um jährlich 7 % bezogen auf das Ausgangsniveau müssen die Treibhausgase jährlich gesenkt werden

Im vergangenen Jahr sind die Emissionen in Oberösterreich um etwa sechs Prozent gestiegen. Das zeigt eine Prognose, die im November von Umweltlandesrat Stefan Kaineder veröffentlicht wurde. „Im Laufe des Jahres wird das noch genauer ermittelt“, sagt Javurek. Der Anstieg sei „eine Katastrophe“. Das Ziel ist, bis 2030 die Emissionen gegenüber dem Jahr 2005 um die Hälfte zu reduzieren. Dadurch, dass sich in den vergangenen Jahren wegen Corona fast nichts getan hätte, müsse die Reduktion der Emissionen in den verbleibenden Jahren nun schneller voran gehen. Um sieben Prozent müssten die Emissionen jährlich sinken, um bis 2040 klimaneutral zu werden. „Es geht also fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“, sagt der Mechatroniker, der sich für die Umwelt engagiert.

Trauriger Rekord in Oberösterreich

Im bisher wärmsten Jahr der Messgeschichte, im Jahr 2018, war die Durchschnittstemperatur in Oberösterreich um 2,1 Grad Celsius höher als im langjährigen Mittel. In keinem anderen Bundesland war dieser Wert höher. Auch von Trockenheit und Dürre war Oberösterreich am meisten betroffen. Im Flächenmittel fiel um 20 Prozent weniger Niederschlag. Das zeigen Berechnungen der damaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG, heute GeoSphere Austria).

Extreme Wetterereignisse werden sich in Zukunft häufen – eine Zunahme an Trockenheit und Hitzeperioden wird sowohl der Tier- als auch der Pflanzenwelt und den Menschen zusetzen. Das geht aus dem Klimaschutzbericht 2022 des Umweltbundesamtes hervor. Auch Unwetter mit hohem Niederschlag werden sich häufen – diese führen zu Rutschungen, Muren und Steinschlag. Ökonomische Folgen des Klimawandels betreffen alle Sektoren, wie den Tourismus, die Land-, Forst- und Energiewirtschaft und das Gesundheitswesen, heißt es in dem Bericht.

Schädlinge breiten sich aus

„Kontinentale Regionen werden wärmer als der globale Durchschnitt“, sagt Hoffmann. Durch den Temperaturanstieg fühlen sich Schädlinge wie der Borkenkäfer zunehmend wohler in den heimischen Wäldern. „Dementsprechend muss viel Schadholz geschlagen werden. Dadurch erhöht sich einerseits die Gefahr für Waldbrände, andererseits steigt auch der CO2-Ausstoß aus den Bodenflächen“, sagt Javurek. Der Kobernaußerwald etwa, einer der größten zusammenhängenden Wälder in Mitteleuropa, leidet bereits stark unter dem Klimawandel.

Auch der Wintertourismus steht vor einem Problem: „Der Schneemangel, den wir jetzt gerade erleben, wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen“, sagt Javurek. Es gebe viele Skigebiete, in denen Talabfahrten in den kommenden Jahren immer seltener möglich sein werden. Andere würden so niedrig liegen, dass der Skibetrieb über kurz oder lang eingestellt werden müsse.

Zwischen Dürren und Überschwemmungen

In der Landwirtschaft muss aufgrund der Extremwetterereignisse wie Dürre, Überschwemmungen, Hagel und Frost mit massiven Ernteausfällen gerechnet werden, sagt Javurek. Auch für die Fischbestände bedeutet der Klimawandel nichts Gutes: Im Granit- und Gneisgebiet der Böhmischen Masse etwa konnten Wassertemperaturanstiege von durchschnittlich 1,4 Grad Celsius gemessen werden. „Das hört sich nach nicht viel an, aber biologisch gesehen ist das eine ziemliche Katastrophe. Wenn man es beispielsweise mit der Körpertemperatur vergleicht: Mit plus 1,4 Grad Celsius hat man Fieber.“ Fische werden also aufgrund der steigenden Temperaturen gezwungen sein, in kühlere Gewässer zu ziehen. Das geht aus einer Studie des Bundesamts für Wasserwirtschaft hervor.

Auch Gletscher sind von den steigenden Temperaturen betroffen. Im vergangenen Jahr schmolzen die Gletscher zwei bis vier Mal schneller als im langjährigen Durchschnitt. Das zeigten Messungen der ZAMG. Der Alpenraum wird sich laut Berechnungen von Klimamodellen auch in Zukunft stärker als im globalen Mittel erwärmen. „Flüsse sind wesentlich von Gletschern versorgt“, sagt Hoffmann. Haben die Flüsse nicht mehr den Wasserstand, hat das Auswirkungen auf die Wasserkraftwerke.  „Oberösterreich bezieht einen Großteil seiner erneuerbaren Energien aus den Donaukraftwerken“, ergänzt Javurek. Diese könnten vor allem im Sommer, wenn der Wasserstand zu stark schwanke, keine konstanten Leistungen erbringen. Das würde zu längeren Einbrüchen in der Stromerzeugung führen. Gleichzeitig würde Flexibilität verloren gehen, die bei normalem Wasserstand gegeben ist. „Man braucht dann mehr Strom aus anderen Energiequellen. Und das ist derzeit oft fossiler oder Atomstrom.“ So würde auch das Risiko steigen, dass das Stromnetz zusammenbreche und es zu einem Black-Out komme, sagt der Mechatroniker.

Drei Windräder pro Monat wären nötig

„Insofern ist es völlig unverständlich, warum das Land Oberösterreich die Windkraftplanung auslässt. Oberösterreich zählt zu den drei Bundesländern, die sich noch keine Ziele gesetzt haben, wie die Windkraft ausgebaut werden soll“, sagt Javurek. In der neuen Klimastrategie sei zwar vorgesehen, dass bestehende Windkraftanlagen erneuert und ausgebaut werden. „Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Um bis 2030 das Ziel zu erreichen, dass 100 Prozent des benötigten Stroms aus Erneuerbaren Energien kommt, müssten monatlich mindestens drei Windräder gebaut werden.

Javurek vergleicht den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen das Gewicht. „Wenn ich weiß, dass ich innerhalb einer gewissen Zeit ein gewisses Gewicht abnehmen möchte, muss ich einen Plan haben und Monitoring betreiben, damit ich das Ziel erreiche. Genau so etwas passiert im Hinblick auf den Klimawandel gerade weder in Oberösterreich noch auf Bundesebene“, sagt der Wissenschaftler.

Sarah Kowatschek, 24. Januar 2023

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Warum Klimaschutz ein Menschenrecht werden muss

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von Dr. Tilman Voss in der Presse am 8. November 2022

Der Klimaschutz muss Menschenrecht werden. Dieses Grundrecht muss in Österreich als einer der Klimagerechtigkeit verpflichteten Demokratie im Verfassungsrang stehen. Nur so kann die nachgeordnete Gesetzgebung entsprechend den Anforderungen des Klimaschutzes adaptiert werden. Erst dann ist es möglich, den Staat für Versäumnisse oder Verstöße im Sinne des Klimaschutzes zu belangen. Es besteht Handlungsbedarf. Unser Rechtssystem muss klimafit werden.

Die Forderung Klimaschutz als Grundrecht hatte das Klimavolksbegehren erhoben, gestützt auf 400.000 Unterschriften. Die Regierung muss die Interessen zukünftiger Generationen schützen. Klima- und Umweltschutz sind Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Kinder und Enkelkinder ihre Rechte auf Leben und Entwicklung, auf Schutz der Gesundheit, aber auch auf Information und Partizipation sowie auf einen angemessenen Lebensstandard wahrnehmen können.

Auch international gewinnt dieses Thema an Bedeutung. Eine Vielzahl von „Klimaklagen“ werden derzeit überall auf der Welt eingebracht (climatecasechart.com). Erste Erfolge sind in Deutschland und in den Niederlanden zu verzeichnen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht stellte unlängst fest, dass das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 nicht mit den Grundrechten vereinbar sei. Aus der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates folge die Verpflichtung, die deutsche Klimapolitik dahingehend zu ändern, dass die Bekämpfung des Klimawandels fair über die Generationen hinweg verteilt werde.

Die Schutzstandards der Grundrechte wurden in den letzten Jahren auch herangezogen, um private Umweltschädiger (Unternehmen/Konzerne) rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. In den Niederlanden klagten mehrere NGOs das Unternehmen Royal Dutch Shell in erster Instanz erfolgreich.

Bei Klimaschäden ist es meist schwierig nachzuweisen, wer der konkrete Schädiger und wer der Geschädigte ist, der sich in seiner Betroffenheit von anderen abgrenzt. Das allerdings ist notwendig, um in Österreich ein Recht erfolgreich geltend zu machen. Ein Menschenrecht auf Klimaschutz würde die Situation ändern. Der Klimawandel in Österreich ließe sich damit auch auf dem Rechtsweg bekämpfen. Einzelne Akteure (Staat, Unternehmen, Private) könnten dann rechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Der Widerstand gegen ein derartiges Gesetz im Verfassungsrang ist allerdings groß. Die ÖVP lehnt es vehement ab. Für sie und auch die Industriellenvereinigung ist das subjektive Klagerecht, d.h., jeder Bürger kann Klimaschutz einklagen, ein rotes Tuch.

Die Rechtswissenschaft ist gespalten. Univ.-Prof. Ennöckl (BOKU) sieht keinerlei juristische Probleme in der Einführung eines derartigen Gesetzes. Univ.-Prof. Piska (Universität Wien) hingegen sieht im Grundrecht Klimaschutz ein „Freiheitsbeschränkungsrecht“.

Klar ist, die Demokratie und das zugrunde liegende Rechtssystem müssen sich für den Prozess der ökosozialen Transformation weiterentwickeln. Dem Gesetzgeber, und damit der Politik kommt hierbei die wichtige Rolle zu, juristische Leitschienen zu errichten.

Die Klimakatastrophe ist da! Wir müssen jetzt sofort handeln! Da darf das Rechtliche nicht ausgenommen sein. Heute nicht zu handeln, gefährdet die Zukunft der Menschheit, also das Recht unser aller Kinder und Kindeskinder auf eine lebenswerte Zukunft. Es braucht Solidarität. Es braucht Bescheidenheit und Verzicht auf manch Liebgewonnenes zugunsten einer lebenswerten Zukunft für alle.

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COP-27 was ist zu erwarten?

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von Renate Christ

Von Glasgow nach Sharm El-Sheikh

Nach zwei Jahren Pandemiepause haben sich Vertragsparteien und Delegierte erstmals im November 2021 wieder in Glasgow zur 26. Vertragsstaatenkonferenz der UNO Klimarahmen-konvention[1] (UNFCCC COP-26) getroffen. Dabei wurden beachtliche Erfolge erzielt. So wurde das Regelwerk für das Übereinkommen von Paris (Paris Agreement PA), wie Berichtspflichten und grundsätzliche Regeln für den globalen Emissionshandel, fertiggestellt. Erstmals wurden Kohleausstieg und fossile Subventionen im Schlussdokument direkt angesprochen and das 1,5°C Gard Ziel wurde klar bekräftigt. Dies allerdings mit dem Nachsatz des COP-Präsidenten, dass sein Puls bereits sehr schwach sei und dringendes Handeln geboten ist. Ein zentrales Element des Übereinkommens von Paris sind die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions NDC), die alle wesentlichen Bereiche wie Emissionsminderung, Anpassung, Finanzierung, Technologietransfer etc. umfassen. Sie werden jeweils für einen Zeitraum von 5 Jahren vorgelegt. Eine Reihe von Staaten hat neue nationalen Beiträge vor allem im Bereich Emissionsminderung und netto Null Emissionsziele präsentiert und alle Staaten wurden zu einer Verschärfung ihrer NDC aufgefordert. Ein spezielles Arbeitsprogramm für weitere dringende Emissionsminderung, sowie Arbeitsprogramme für ein globales Anpassungsziel und für das im Jahr 2023 vorgesehene „global stock-take“ wurden verabschiedet, sowie weitere Arbeit zum Thema Verluste und Schäden vereinbart. Die Finanzierungszusage von 100 Mrd jährlich und eine Verdoppelung der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen wurden zwar bekräftigt, im Bereich Verluste und Schäden blieben die Aussagen aber sehr vage.    

Mittlerweile hat sich viel geändert. Zwei weitere Berichte des Weltklimarats haben die Dringlichkeit des Handelns unmissverständlich aufgezeigt, während viele Weltregionen drastische Auswirkungen der Klimaveränderung bereits schmerzhaft erlebten. Damit rückt die Frage der Anpassungsmaßnahmen und die Problematik von klimabedingten Verlusten und Schäden noch stärker ins Zentrum. Dennoch stiegen die globalen Emissionen nach einer kurzen Corona-bedingten Abnahme wieder deutlich an und durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise hat sich der Fokus vieler Staaten von der Dekarbonisierung des Energiesystems auf die kurzfristigen Herausforderungen der Energiewirtschaft verlagert. Damit ist die Ausganglage diesmal besonders schwierig. Auch im Rahmen der Klimakonvention selbst kam es zu Veränderungen. Die Amtszeit von Executive Secretary Patricia Espinosa ist ausgelaufen und erst kürzlich wurde Simon Stiell, ehemaliger Umweltminister von Grenada zum Nachfolger bestellt. Weiters wird der Vorsitz turnusmäßig von Großbritannien an das afrikanische Gastgeberland Ägypten weitergegeben.  

Was steht auf der Agenda

Beim Studium der Dokumente ist zu beachten, dass es sich bei der COP formell um drei Vertragsstaatenkonferenzen handelt, nämlich der Klimarahmenkonvention (UNFCCC), des Kyoto Protokolls (KP) und des Übereinkommens von Paris (PA), und daher Themen wie Emissionsminderung, Anpassung oder Finanzen in unterschiedlichen Foren und unter mehreren Tagesordnungspunkten behandelt werden. Meist wird versucht, die Ergebnisse in einer Schlusserklärung zusammenzufassen. Die diesjährige COP steht ganz im Zeichen von Implementierung von Maßnahmen sowie Finanzierung. 

Wichtige Themen und Tagesordnungspunkte sind: 

  • Emissionsminderung: In Glasgow wurde ein Arbeitsprogramm zur dringenden Verschärfung von Emissionsminderungsmaßnahmen und deren Implementierung „urgently scaling up mitigation ambition and implementation“ verabschiedet. Dabei  geht es vor allem um verschärfte Emissionsreduktion im Rahmen der nationalen  Beiträge (NDC) für 2020-2025. Neue NDC für 2025-2030 sollen 2024 vorgelegt werden.  
  • Weltweite Bestandsaufnahme: Laufende Arbeiten zur im Jahr 2023 vorgesehenen weltweiten Bestandsaufnahme „global stocktake“, die auf Basis der derzeitigen NDC und deren Implementierung, sowie neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse analysieren soll wo wir im Hinblick auf die Einhaltung der Paris Ziele stehen sind ein wichtiger Tagesordnungspunkt. Die Ergebnisse des „global stocktake“ bilden auch eine Grundlage für die Verschärfung der nationalen Beiträge für die Periode 2025-2030.
  • Anpassungsmaßnahmen: Bei der COP26 wurde das Glasgow – Sharm El Sheik Arbeitsprogramm für ein globales Anpassungsziel „global goal on adaptation“ beschlossen, und daher werden Beschlüsse bei dieser COP erwartet.
  • Verluste und Schäden: Klimabedingte Verluste und Schäden „loss and damage“, insbesondere die Schaffung eines Finanzierunginstruments, haben sich bisher sehr kontroversiell gestaltet und sind ein zentrales Anliegen der Präsidentschaft.  
  • Finanzierung: Eine Reihe von weiteren Tagungspunkten betreffen Finanzierung, einschließlich Finanzierungszusagen ab 2025 und eine Erhöhung der Gelder für Anpassungsmaßnahmen 
  • Kooperative Maßnahmen unter Art. 6 PA: Die Erarbeitung von Regeln für die Zusammenarbeit von Staaten zur Erreichung ihrer NDCs, z.B. durch Emissionshandel gestalteten sich sehr schwierig. Die wesentlichen Beschlüsse wurden in Glasgow gefasst. Einige Detailfragen betreffend Kohlenstoffmarkt und nicht marktbasierter Zusammenarbeit zwischen Vertragsstaaten sind noch zu klären.
  • Zweiter periodischer Review des langfristigen Ziels der Konvention: Hier geht es um die Frage ob auf Basis neuer Erkenntnisse, wie dem 6. IPCC Sachstandsbericht das Ziel die Erwärmung auf weniger als 2°C bzw. 1,5°C zu begrenzen noch angemessen ist. Eine diesbezügliche Entscheidung wird von dieser COP erwartet.  

Am 7.-8. Nov sind Regierungschefs eingeladen ihre Statements abzugeben, bei denen hoffentlich verschärfte nationale Pläne (NDC) zu hören sein werden und dadurch ein Momentum für den weiteren Verlauf der Konferenz geben werden. Interessant wird sein, wieweit die oft etwas allgemein formulierten und in weiter Ferne liegenden Netto-Null Ziele durch kurz- und mittelfristige Ziele und Strategien untermauert werden. 

Was tut sich am Rande 

Die jährlichen Klimakonferenzen bilden auch eine wichtige Plattform für Akteure der Zivilgesellschaft. So wurden bereits eine Reihe von Vereinbarungen und Selbstverpflichtungen z.B. von Städten und Industriezweigen getroffen deren Wirksamkeit nicht zu unterschätzen ist. Um diesen Austausch zu fördern wurde u.a. das Marrakech Partnership Programm gegründet. Auch bei dieser COP werden gemeinsam mit der Präsidentschaft „Climate Action“ Thementage organisiert. Dazu kommen eine Vielzahl von Side Events, organisiert von NGOs, wissenschaftlichen Institutionen, Vertretern von indigenen Völkern usw.   

Wie wird der Erfolg zu bewerten sein

Auch wenn von dieser Konferenz keine großen Würfe zu erwarten sind ist zu hoffen, dass sie dazu führt, dass sich alle Akteure trotz der gegenwärtigen Krisen wieder auf Klimaschutzmaßnahmen konzentrieren und eine entsprechende Balance zwischen der dringenden Emissionsreduktion, und Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen und Verluste und Schäden in den Beschlüssen erzielt wird. Denn ohne sofortige drastische Mitigation steigen die Klimarisiken an, und je weniger Mitigation und Adaptation umso mehr Loss and Damage wird es geben. 

Weiterführende Links

unfccc.int und cop27.eg

Auf diesen beiden Websites kann man offizielle Dokumente, Hinweise auf Veranstaltungen, Webcasts von Sitzungen und Events, sowie Pressemitteilungen finden.

https://enb.iisd.org/topics/climate-change

Das „Earth Negotiations Bulletin“ des International Institute for Sustainable Development (IISD) verfasst täglich Berichte über die Verhandlungen und ausgewählte Side Events und am Ende der Konferenz eine Zusammenfassung und Analyse. Auch Berichte über frühere Meetings sind dort zu finden.     

www.unep.org

Seit mehr als 10 Jahren veröffentlicht das UNO Umweltprogramm kurz vor der jährlichen Klimakonferenz den sogenannten „Emissions Gap Report“ und bringt damit ordentlich Dynamik in die Debatte.  Der Emissions Gap Report 2022 wird im Oktober erwartet. 

www.ipcc.ch

Hier findet man Berichte des Weltklimarats (IPCC). Der kürzlich erschienene 6. Sach-standsbericht ist ein wichtiger Input für eine Reihe von Tagesordnungspunkten. 

Titelbild: Florian Pircher auf Pixabay

Gesichtet: Markus Palzer-Khomenko


[1] United Nations Framework Convention on Climate Change 

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Gemeinsame Pressekonferenz von Scientists for Future, Armutskonferenz und Fridays for Future zum Klimastreik
von Martin Auer

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Mitten im ausgetrockneten Zicksee gaben am Dienstag Vertreter:innen von Scientists for Future, der Armutskonferenz und von Fridays for Future eine Pressekonferenz zum bevorstehenden Klimastreik.

Daniel Huppmann von Scientists for Future widerlegte die oft zitierte Selbstdarstellung von Österreich als Klimamusterland dank Wasserkraft und Bio-Landwirtschaft. Während in der EU in den letzten Jahren die CO2-Emissionen um 25 Prozent gesunken sind, sind sie in Österreich heute höher als zur Zeit von Huppmanns Geburt (Anm. d. Red.: 3. Jänner 1985). Zwei Drittel unseres Energieverbrauchs kommen aus importierten fossilen Ressourcen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat gezeigt, dass die Klimakrise und die Energiekrise untrennbar miteinander verbunden sind und gemeinsam gelöst werden müssen. Die Auswirkungen des Klimawandels, die der 6. Sachstandsbericht des IPCC benennt, können wir jetzt schon in Österreich beobachten, sowohl Dürren als auch Überschwemmungen. Der 6. Sachstandsbericht zeigt uns aber auch Wege zur Verminderung und zur Anpassung: erneuerbare Energiequellen, bessere Energieeffizienz, aber auch Veränderung der Strukturen, so dass ein klimafreundliches Leben einfacher wird. Die Wissenschaft kann durch ihre Analysen eine evidenzbasierte Politik und eine Diskussion quer durch die Gesellschaft ermöglichen. Dafür stehen die Scientists for Future gerne bereit.

Für die Armutskonferenz sprach Martin Schenk . Er betonte, dass die Klimakrise im Kerne eine soziale und eine Gerechtigkeitsfrage ist. Die Klimakrise trifft nicht alle gleich. Die Umweltfolgen belasten ärmere Haushalte sowohl in Österreich als auch weltweit stärker als Haushalte, die oben in der Verteilungsskala liegen. Die meisten Menschen, die in Hitzewellen an Hitzefolgen sterben, sind Menschen aus Vierteln mit den geringsten Einkommen. Seit 2013 gab es immer wieder Jahre, wo mehr Menschen durch Hitze gestorben sind als im Straßenverkehr. 2 Grad Klimaerwärmung bedeuten 50 Prozent mehr Hitzetote. Die Klimakrise wird auch nicht von allen gleich verursacht. Reiche belasten die Umwelt deutlich mehr als Arme. Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Österreich verbrauchen vier Mal so viel an Ressourcen und Energie wie die ärmsten 10 Prozent, und sie tragen doppelt soviel zur Klimakrise bei wie die ärmere Hälfte. Beide Tatsachen zusammen machen klar, dass der Klimaschutz nur dann erfolgreich sein wird, wenn er nicht sozial blind ist. Soziale Kälte abwenden und globale Hitze verhindern ist eine Verteilungs- und Gerechtigkeitsfrage.

Die sogenannte Strompreisbremse bezeichnet Schenk als eine sozial sinnvolle Maßnahme. Sie sollte zur Energiegrundsicherung weiterentwickelt werden: Eine bestimmte Menge an Strom bzw. Energie soll jedem Menschen zustehen. Darüber hinaus sollen die Kosten progressiv ansteigen.

Klara König von Fridays for Future erinnerte an den Sommer mit sich überschlagenden Negativrekorden und einen bevorstehenden harten Winter. Die Klimakatastrophe, der russische Angriffskrieg, die Energiekrise werde befeuert und finanziert von einem desaströsen fossilen System. Sie kritisierte, dass die Regierung noch immer nicht die notwendigen Gesetze beschließt, dass Landeshauptleute sich weigern, die notwendigen Flächen für Photvoltaik und Windräder freizugeben. In Niederösterreich denkt man lieber über Fracking nach, Politiker:innen in Kärnten finden Windräder einfach nicht schön, in Oberösterreich wird über die Reaktivierung eines Kohlkraftwerks nachgedacht, das frühestens in zwei Jahren fertig wäre und hinterfragt die Sanktionen, in Tirol, Salzburg und Vorarlberg steht noch kein einziges Windrad. König verwies auf die kommenden Landtagswahlen, in denen über weiteres Blockieren entschieden werden wird.

Fridays for Future fordern eine Energiewende für alle. Sie betont die Rolle von erneuerbaren Energien für die Bekämpfung von Energiearmut, für die Unabhängigkeit von brutalen Autokraten, und prinzipiell für eine sichere, friedliche Zukunft. Die Stromsparkampagne „Mission 11“ der Bundesregierung reiche nicht. Fridays for Future kritisieren auch das Fehlen einer Übergewinnsteuer. Energiekonzerne seien Profiteure der humanitären Krise in der Ukraine. Klimaschutzgesetz und Erneuerbare-Wärme-Gesetz seien längst überfällig.

Kritik äußern Fridays for Future an WKO und ÖVP, die Österreich so abhängig von russischem Gas gemacht haben. Sie seien diejenigen, die jede einzelne Klimaschutzmaßnahme in den letzten Jahren blockiert haben. Die WKO ignoriere, dass ein Klimaschutzgesetz auch Planungssicherheit für Unternehmen bedeuten würde. FFF fordern die ÖVP auf, ihre Blockadehaltung zum Klimaschutzgesetz zu beenden. „Denn wenn das Haus nach den Überschwemmungen nicht mehr steht, dann hilft uns auch der Hausverstand der ÖVP nicht weiter. Auch die Grünen hätten drei Jahre verstreichen lassen, ohne das Klimaschutzgesetz durchzusetzen. Wenn es ihnen jetzt nicht gelingt, das Gesetz im großen Herbstpaket zu beschließen, drohe das Klimaschutzgesetz gar nicht mehr zu kommen.

Die fossile Krise fordere radikale Klimaschutzmaßnahmen. Alle Klimaschutzvorhaben im Regierungsprogramm müssten jetzt im Rekordtempo umgesetzt werden. FFF wünschen sich, nächstes Jahr auf einen schwierigen, aber transformativen Winter zurückblicken zu können, in dem wir aufgehört haben, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu finanzieren und die Klimakrise zu befeuern, in dem die horrenden Übergewinne der Energiekonzerne an die Leute, die es benötigen, verteilt worden sind, mit einer Energiegrundsicherung, die eine soziale und treffsichere Entlastung bietet und zugleich zum Energiesparen animiert, einen Winter, in dem Windräder so schnell wie Skipisten gebaut werden und wo die Einstellung zu erneuerbaren Energien Wahlen entschieden hat, einen Winter, in dem die Probleme an der Wurzel gepackt und transformative Gesetze beschlossen worden sind.

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Klimaschutzrecht: Kein Kurswechsel in Sicht!

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Von Leonore Theuer (FG Politik und Recht)

Österreich soll bis 2040 klimaneutral werden, dennoch steigen die Treibhausgasemissionen. Seit über 600 Tagen fehlt ein Klimaschutzgesetz, das die Wende einleiten könnte. Der Vergleich mit einem Segelschiff zeigt, woran es sonst noch mangelt.

Segelsetzen zur Energiewende?

Im Jahr 2021 trat das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Kraft und ein Entwurf zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz liegt vor, um die Rahmenbedingungen zum Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger zu schaffen. Teile des alten Energieeffizienzgesetzes sind mit Ende 2020 außer Kraft getreten. Ein neues Energieeffizienzgesetz ist zwar in Ausarbeitung, aber auch hier ist ungewiss, wann es erlassen wird. Unser Schiff wird daher mangels ausreichender Segel immer noch zusätzlich von einem Dieselmotor angetrieben. 

Kein Kiel

Um in stürmischen Zeiten nicht zu sinken, benötigt ein solches Segelboot einen Kiel, der es stabilisiert und aufrichtet, wenn es in Schieflage gerät – ein Grund- bzw Menschenrecht auf Klimaschutz in der Verfassung. Dann müssten sich neue Gesetze am Klimaschutz messen, klimaschädliche Regelungen und Subventionen könnten bekämpft werden, ebenso wie staatliche Untätigkeit.

Das Steuer blockiert – Warum?

Das bisherige Klimaschutzgesetz ist 2020 ausgelaufen. Zwar sah es eine Reduktion von Treibhausgasen vor, jedoch war es wirkungslos, weil es keine Konsequenzen enthielt, wenn die Vorgaben nicht eingehalten wurden.             

Das soll sich mit einem neuen Klimaschutzgesetz ändern, um den Kurswechsel in Richtung Klimaneutralität 2040 zu ermöglichen. Neben inhaltlichen Regelungen (wie CO2-Reduktionspfade nach Wirtschaftssektoren wie z.B. Verkehr, Industrie und Landwirtschaft) sind rechtliche Konsequenzen bei Verstößen unabdingbar, ebenso wie Rechtsschutzbestimmungen, also Regelungen zur Rechtsdurchsetzung: Klimaschutz muss gegenüber dem Staat einklagbar werden. Diskutiert werden weiters Sofortprogramme, wenn die Ziele nicht eingehalten werden, eine Erhöhung der CO2-Steuer und Strafzahlungen von Bund und Ländern.

Wann ein solches Klimaschutzgesetz erlassen wird, ist derzeit nicht absehbar. Doch je mehr Zeit verstreicht, ohne dass Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden, desto drastischer müssen diese ausfallen, um die Erderhitzung mit all ihren verheerenden Folgen einzudämmen. Das Boot hat ein Leck, durch welches permanent Wasser eindringt, und droht mit der Zeit zu sinken! Weshalb werden keine rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Reparatur und Kurskorrektur geschaffen? Weshalb wird die Dringlichkeit von Teilen der Politik und Gesellschaft verneint?

Laut Medienberichten lehnen ÖVP, WKO und Industrieellenvereinigung die Verankerung von Klimaschutzzielen in der Verfassung ab, ebenso wie eine Erhöhung der CO2-Steuer bei der Verfehlung von Klimazielen. Eine detaillierte Anfrage der Fachgruppe Politik und Recht der Scientists for Future Austria nach dem Auskunftspflichtgesetz zum neuen Klimaschutzgesetz sollte vor allem darüber Aufschluss geben, welche Regelungen bisher akkordiert und welche noch strittig sind. Doch das Klimaschutzministerium blieb diese Antwort schuldig: Der Fachentwurf zum Klimaschutzgesetz befinde sich noch vor der Begutachtung, die Diskussion und Willensbildung seien noch im Gange. Mit dem Finanzministerium als Hauptansprechpartner fänden laufend Gespräche statt. Man bemühe sich um eine rasche Finalisierung. 

Fazit 

Ein Kurswechsel in Richtung Klimaneutralität ist nicht in Sicht. Das Schiff, in dem wir alle sitzen, schlingert – ohne Kiel und mangels ausreichender Segel mit Diesel angetrieben – in die falsche Richtung. Das Steuer blockiert und durch ein Leck dringt Wasser  ein. Nur das kleine Segel des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes vermag derzeit den Kurs zu beeinflussen. Entscheidende Teile der Besatzung sehen jedoch immer noch keinen Handlungsbedarf.

Titelbild: Renan Brun auf Pixabay

Gesichtet: Martin Auer

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​Der US „Inflation Reduction Act“ bringt trotz Verwässerung hunderte Milliarden USD zur Bekämpfung des Klimawandels

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Nach langem Tauziehen hat der „Inflation Reduction Act“ der Biden-Administration am 7. August 2022 den US-Senat passiert. Entgegengestellt hatte sich dem Plan vor allem der demokratische Senator Joe Manchin, ein Vertreter der Kohlenlobby, der eine Reihe von Verwässerungen durchsetzen konnte, da die Demokraten auf seine Stimme unbedingt angewiesen waren. Dieses Gesetz soll einerseits neue Steuereinnahmen in Höhe von 739 Mrd. USD bringen, andererseits Ausgaben in Höhe von 370 Mrd. USD für die Bekämpfung des Klimawandels und die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit bewilligen. Der Rest soll der Verringerung des Budgetdefizits dienen. Eine vorläufige Analyse durch das REPEAT-Projekt (Rapid Energy Policy Evaluation and Analysis Toolkit) der Princeton-Universität kommt zu dem Schluss, dass dieses Budgetgesetz zwei Drittel der von der Biden-Administration angestrebten Halbierung der Emissionen bis 2030 bewirken kann.
https://repeatproject.org/docs/REPEAT_IRA_Prelminary_Report_2022-08-04.pdf

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Bioethikkommission: „Die Klimakrise als ethische Herausforderung“

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Die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt nennt „Fünf Herausforderungen für ethisches Handeln“. Unter anderem die Gefährdung der Menschrechte auf Gesundheit und soziale Sicherheit, die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen oder die Tatsache, dass lokal verursachte Verschmutzungen globale Schäden hervorrufen. Kritisiert wird untere anderem, dass es in Österreich kein Grundrecht auf Umwelt- und Klimaschutz gibt. Die Kommission gibt eine Reihe wichtiger Empfehlungen zu Gesetzen und Maßnahmen.
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/bioethikkommission/pressemitteilungen-bioethik/klimakrise-als-ethische-herausforderung.html

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Energie sparen und Erneuerbare! Fracking und Kohle sind die falschen Lösungen für Österreich
Stellungnahme des Climate Change Center Austria

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In der hektischen Suche nach Lösungen, falls Russland an Europa und Österreich kein Gas mehr liefern sollte, wird ein in Österreich bereits vor zehn Jahren gestopptes Projekt wieder thematisiert. So sind in den Medien in den letzten Wochen erneut Berichte aufgetaucht, wonach auf politischer Ebene ernsthaft und konkret über eine Wiederbelebung der Pläne zur Schiefergasförderung (“Fracking”) durch die OMV im Weinviertel nachgedacht wird. Zusätzlich hat die Bundesregierung aktuell die Reaktivierung eines bereits stillgelegten Kohlekraftwerks angeordnet. Im Zeitalter des fortschreitenden menschengemachten Klimawandels wären diese Vorhaben aus wissenschaftlicher Sicht allerdings weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar.

Die vollständige Ausschöpfung und Nutzung des geschätzten Schiefergasvorkommen in Österreich könnte den Jahresgasverbrauch von 10 Mrd. m³ ca. 30 Jahre decken. Zu bedenken ist dabei allerdings der damit verbundene gigantische CO2-Ausstoß von mehr als einer halben Gigatonne (Gt) CO2 (zum Vergleich: derzeitiger österreichischer Jahresausstoß ca. 0,08 Gt CO2). Insbesondere die Freisetzung großer Mengen Methan bei diesem Verfahren befeuern den Klimawandel, da Methan ein vielfach effektiveres Treibhausgas ist als bspw. Kohlendioxid. Der österreichische Gasbedarf wäre damit zwar mehr als gedeckt[1], der Preis für die Umwelt wäre jedoch enorm und das Ziel der Klimaneutralität bliebe unerreichbar.

Auch der Wiedereinsatz von Kohle würde zu einem deutlichen Anstieg der nationalen THG-Emissionen führen. Laut Umweltbundesamt konnten im Sektor Energie im Zeitraum von 1990 bis 2019 THG-Emissionen um insgesamt 68% durch den Wegfall des Stein- und Braunkohleeinsatzes sowie der Verringerung des Heizöleinsatzes eingespart werden.

Kurzfristig könnte Österreich seine Wettbewerbsfähigkeit durch ein Beharren auf klimaschädliche Technologien zwar behaupten, langfristig gesehen wäre der Wirtschaftsstandort Österreich aber existentiell gefährdet. Um die Energiewende glaubwürdig zu forcieren, muss der Fokus auf dem Ausbau und der Entwicklung klimafreundlicher Energiesysteme wie etwa Wind- oder Sonnenenergie liegen.

Zusammenfassend sei gesagt, dass die derzeitige Situation Österreichs im Bereich der Energieversorgung herausfordernd ist. Erste Priorität aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes haben Energiespar-Maßnahmen, speziell wenn sie einfach, schnell und billig realisiert werden können wie z.B. verschärfte Tempolimits im Straßenverkehr. Was nicht eingespart werden kann, sollte bevorzugt durch den rascheren Ausbau und die Erschließung erneuerbarer und klimaneutraler Energiequellen abgedeckt werden. Nur wenn minimale Restbeträge durch die Punkte 1 und 2 auf Zeithorizonten von über zehn Jahren nicht abgedeckt werden können, wäre eine Erschließung heimischer fossiler Energiequellen im Vergleich zu Importen aus den USA oder der Golfregion zu bevorzugen. Diese müssten aber unter Berücksichtigung der Klimaziele und der sonstigen Verpflichtungen Österreichs sowie unter Wahrung der Glaubwürdigkeit seiner Klimaschutzpolitik erfolgen. Erschließungen im großen Stil in Österreich, wie im Falle der überlegten Schiefergasförderung zu erwarten, käme aus wissenschaftlicher Sicht einer klimapolitischen Kehrtwende mit massivem politischen Glaubwürdigkeitsverlust gleich.

Die Ankündigung über die Reaktivierung eines Kohlekraftwerks stellt den von der Bundesregierung festgelegten Klimaschutzfahrplan ebenfalls in Frage, auch wenn der Anlass eine gewisse Flexibilität verlangt. Diese Maßnahme sollte im Ernstfall nur als kurzfristige Überbrückung (mit vorab zu fixierendem Ablaufdatum) am Weg zur nachhaltigen Energieautonomie durch Erneuerbare eingesetzt werden. Denn um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und Lebensqualität zu sichern, muss der Druck auf die natürlichen Ressourcen jedenfalls stark reduziert werden. Nur so kann auch der Wirtschaftsstandort Österreich langfristig gesichert werden.

Die Expert_innen des CCCA stehen für den Dialog mit politischen Entscheidungsträger_innen und Interessenvertretungen hinsichtlich sozialverträglicher sowie ökonomisch vertretbarer Maßnahmen weiterhin zur Verfügung.

[1] derzeitiger Gasverbrauch in Österreich ca. 8 – 9 Mrd. m³/Jahr, davon ca. 6 Mrd. m³ importiert aus Russland.

Für den CCCA Vorstand:

Harald Rieder, Gerhard Wotawa, Tania Berger, Alexander Passer, Sabine Kamraner-Köpf, Daniel Huppmann, Simon Tschannett, Helga Kromp-Kolb

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Greenpeace-Studie: G7 können bis 2025 18% Gas einsparen

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Greenpeace hat anlässlich des G7-Gipfels unter deutscher Ratspräsidentschaft das Beratungsunternehmen DIW Econ beauftragt, das Gas-Einsparpotential der G7  auszurechnen, ohne das Gas durch andere fossile Energieträger ersetzt wird und ohne Reduzierung der Industrieproduktion. Das Ergebnis der Studie: Wenn die G7 jetzt konsequent Maßnahmen auf den Weg bringen, könnte ihr Gasverbrauch im Jahr 2025 um 264 Milliarden Kubikmeter niedriger sein als 2020. Das entspricht einer Einsparung um 18 Prozent. Zum Vergleich: Russland exportiert jährlich rund 210 Milliarden Kubikmeter fossiles Gas. 

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