Die FachgruppeBodenverbrauch mit Unterstützung der FG Mobilität & Stadtplanung und der FG Politik & Rechthat eine Vision für eine zukunftsfähige Entwicklung des Bodenschutzes in den kommenden Jahren entwickelt.
Der ungebremste Bodenverbrauch der letzten Jahrzehnte ist besorgniserregend. Es braucht dringend eine Bodenwende, denn:
der quantitative und qualitative Erhalt unserer Böden ist grundlegend für die langfristige Sicherung der Versorgung mit Nahrungsmitteln und
Böden spielen eine wesentliche Rolle für Anpassung an den Klimawandel und den Umgang mit Extremwetterereignissen (zuletzt das Hochwasser im September, Trockenperioden und Hitzewellen im Sommer 2024)
Daher haben sich bereits 87% der Bevölkerung für mehr Bodenschutz ausgesprochen und 76% der Bevölkerung sind für fixe Grenzwerte.
Aus diesen Gründen hat die Fachgruppe Bodenverbrauch der Scientists for Future fünf Thesen formuliert, die die Eckpfeiler einer Vision für eine zukunftsfähige Entwicklung des Bodenschutzes in den kommenden Jahren bilden und damit im künftigen Regierungsprogramm zu berücksichtigen sind:
Österreich verankert rechtlich verbindliche Ziele zum Bodenschutzund reduziert entsprechend der EUBodenstrategie für 2030 die Flächenneuinanspruchnahme konsequent bis 2050 auf Netto-Null.
Die bis Ende 2026 festgelegten verbindlichen Obergrenzen für den Bodenverbrauch gemäß dem Aktionsplan der Bodenstrategie für Österreich helfen schrittweise, einen verbindlichen Reduktionspfad ortsspezifisch, regional und in allen Bundesländern und Kommunen umzusetzen.
Die Gründung einer ministeriell verankerten Institution auf nationaler Ebene ermöglicht die österreichweite Koordinierung von Bodenschutz, Raumordnung und Baukultur.
Angesichts der Dringlichkeit von Klimawandelanpassung und -mitigation und Sicherung der Österreichischen Ernährungssouveränität, bedarf es einer nationalen und wirksamen Koordinierung von Maßnahmen und Regelungen (ähnlich zum Bundesamt für Raumentwicklung ARE in der Schweiz). Die Institutionalisierung von Bodenschutz, Raumordnung und Baukultur unter Eingliederung der ORÖK (die derzeit noch als Verein organisiert ist) innerhalb eines Ministeriums ermöglicht ein koordiniertes, gemeinsames Vorankommen im Bodenschutz. Diese Institution forciert und beaufsichtigt die erfolgreiche Umsetzung der Ziele der Bodenstrategie für Österreich (Schutz von Frei- und Grünland, Unterbindung der Zersiedelung, effiziente Innen-Entwicklung, Leerstandsbekämpfung und Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit).
Die Schaffung eines nationalen Rahmens unterstützt ein gleichgerichtetes Vorgehen aller Verwaltungsebenen beim Bodenschutz. Dabei wird auch die Implementierung bestehender Raumordnungsinstrumente und die proaktive Umsetzung der Bodenstrategie für Österreich auf Landesebene erleichtert.
Wertvolle landwirtschaftliche Flächen und Grünräume werden vor Bebauung und Versiegelung gesetzlich geschützt.
Gewerbegebiete und Handelseinrichtungen können somit nur mehr innerhalb der Siedlungsgrenzen, auf Brachflächen oder bereits bebauten Flächen neu errichtet werden. Dies leistet wesentliche Beiträge zur Erhaltung der Ernährungssouveränität, zum Schutz der Biodiversitätsowie zur effizienten Innenentwicklung und Erhaltung des Gebäudebestandes in unseren Gemeinden und Städten. Mangelnde Verfügbarkeit von Grundstücken sind dabei kein Grund für Baulandneuausweisungen, sondern Ansporn, innovative Lösungen im Bestand zu entwickeln und kommunal wie regional zusammenzuarbeiten. Für ein effektives Flächenmanagement werden Leerstände professionell in einer österreichweiten Datenbank erfasst und die Weiternutzung bestehender Strukturen erleichtert. Die Befristung, auch von bestehenden Baulandwidmungen, führt entweder zur zeitnahen, bedarfsgerechten Nutzung von geeignetem Baulandreserven oder zu Rückwidmungen in Grün- und Freiflächennutzungen.
Das Steuersystem, der Finanzausgleich und Förderprogramme werden reformiert und Bodenfonds für aktive Bodenpolitik geschaffen.
Die Neuorientierung des Finanzausgleichs, der Leerstands- und Infrastrukturabgaben sowie eine aufkommensneutrale Neukonzeption der Grundsteuer (erhöhte Steuersätze für Leerstand, Zweitwohnsitze und ungenutzte oder unternutzte Bauflächen) schaffen Anreize zum Flächensparen und tragen zur bedarfsgerechten zeitnahen Nutzung von Bauflächen im Sinne der Raumordnungsziele bei. Zusätzliche Anpassung von Förderprogrammen, gesetzlichen Rahmenbedingungen und Steuerrecht privilegiert die Bestandserhaltung vor dem Neubau und trägt zur Entwicklung kompakter, zukunftsfähiger und lebenswerter Siedlungsstrukturen bei.
Ein Moratorium beim Ausbau des hochrangigen Straßennetzes trägt dazu bei, die Dynamik des Bodenverbrauchs zu stoppen.
Zusätzliche Angebote für Auto-Mobilität erzeugen zusätzliche Anreize zur KFZ-Nutzung im Alltag. Während wertvolle Grünflächen für die Verkehrsinfrastruktur selbst versiegelt werden, fördert der Straßenbau auch die Ansiedlung von Wohn- und Gewerbegebieten abseits der Siedlungskerne und damit die Zersiedelung. Mit der Reduktion der Anreize für die Nutzung von Autos für Alltagswege und dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsangebote in den Regionen kann eine klimagerechtere und lebenswertere Flächennutzung erreicht werden.
Voll Zuversicht, dass diese Visionen die Gestaltung des nächsten Regierungsprogramms hinsichtlich des dringend notwendigen Bodenschutzes inspirieren, FG Bodenverbrauch, FG Mobilität und Stadtplanung, FG Politik und Recht
Anlässlich der kommenden Nationalratswahlen und des weltweiten Klimastreiks am 20. September 2024 luden die Scientists4Future zu einer Pressekonferenz zum Thema „Nach dem Extremwetter – vor der Transformation“ im Presseclub Concordia, Wien, ein.
Während des Extremwetters der vergangenen Woche waren Meteorolog:innen und Klimawissenschaftler:innen gefragt und haben ihre Expertise eingebracht. Auch hier auf unserem Blog haben wir die Öffentlichkeit informiert. Doch wie die Charta der S4F ausführt: „Die notwendigen Wandlungsprozesse erfordern entschlossenes und unverzügliches Handeln auf der politischen, wirtschaftlichen und technischen, sozialen und kulturellen, wissenschaftlichen sowie der privaten Ebene“ – und darum muss es bei den Wahlen und danach gehen!
Ein hochrangiges Expert:innenpodium gab Auskunft über die Herausforderungen der unmittelbaren und längerfristigen Zukunft:
Welche Kosten verursacht Nichthandeln, wie teuer ist und könnte Anpassung werden, was kostet die Transformation?
Was sind die mittel- und langfristigen Folgen solcher Extremereignisse für die Gesundheit?
Was sollten wir daraus für den Ausbau von Infrastruktur lernen?
Wer wird von der heutigen Mobilitätssituation benachteiligt?
Das heutige Ausmaß des Autoverkehrs hat in einer nachhaltigen Gesellschaft keinen Platz – nicht nur, was den CO2 – Ausstoß betrifft, sondern auch wörtlich, im Sinn von Bodenverbrauch und Raumkonsum. Der Straßenausbau ist eine Klimafalle: Er fördert automobile Verhaltensmuster, die Abhängigkeiten vom fossilen System prolongieren, anstatt diese abzubauen. Dazu hat S4F ein Positionspapier erarbeitet, das wir kurz vorstellten (s. u.).
Podium:
Anna-Katharina Brenner B.A, MSc (BOKU)
OA Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter (Meduni Wien)
Dipl.-Ing. Dr. techn. Johannes Fiedler (FG Mobilität & Stadtplanung, S4F Österreich)
Assoz. Prof. Stefanie Peer (WU Wien)
Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl (WU Wien)
Moderation: Univ.Prof. Ing. Dr.phil. Dr.h.c. Verena Winiwarter (Fachkollegium S4F Österreich)
Wir brauchen funktionsfähige, unversiegelte Böden, die in der Lage sind, Wasser zu speichern. Das haben die Starkregen in der vergangenen Woche gezeigt. Dazu bedarf es jedoch einer grundlegenden Richtungswende in der Politik. In unserer jüngst erschienen Studie (Brenner et. al., 2024) konnten wir zeigen, dass zwischen 1975 und 2020 die Bauaktivitäten in Österreich rapide zugenommen haben. Spannt mensch über Österreich ein Netz aus 1 Hektar großen Rasterzellen und betrachtet die Fläche, die in Österreich überhaupt für Siedlungszwecke zu Verfügung steht (den Dauersiedlungsraum), zeigt sich, dass im Jahr 2020 rund 40% der Rasterzellen eine Bebauung aufwiesen. Was in diesem Fall besonders problematisch ist: Mit der Bebauung in Österreich hat auch die Zersiedelung rapid zugenommen. Zersiedlung ist die räumliche Ausbreitung von Siedlungen in die Landschaft, außerhalb kompakter Siedlungsstrukturen und in geringer Dichte, insbesondere in Form von freistehenden Einfamilienhäusern, großflächigen Gewerbegebieten und Einkaufszentren. Pro Wohneinheit und Arbeitsplatz verbraucht Zersiedelung die meiste Fläche. Gleichzeitig fördert Zersiedelung die Abhängigkeit vom Auto. Die Folge ist eine weitere Versiegelung der Böden durch den Ausbau der Straßeninfrastruktur. Bislang ist diese Entwicklung weitestgehend von der Politik ignoriert worden. Für eine klimafreundliche und auch eine resilientere Zukunft braucht es Bildungs-, und Betreuungseinrichtungen, Nahversorgung, Gesundheitsversorgung, öffentliche Infrastruktur in kompakter Siedlungsform. Alltagswege können mit den ÖPNV, zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Menschen können ihren Alltag unabhängig von einem Auto gestalten. Das gibt Freiheiten zurück und schützt den Boden.
Literatur
Brenner, A.-K., Krüger, T., Haberl, H., Stöglehner, G. & Behnisch, M. Rapider Anstieg der Zersiedelung in Österreich von 1975 bis 2020. Eine räumlich explizite Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Wohnbevölkerung. Soc. Ecol. Work. Pap. vol.198 Vienna (2024).
Berrill, P. et al. Comparing urban form influences on travel distance, car ownership, and mode choice. Transp. Res. Part Transp. Environ. 128, 104087 (2024).
OA Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter Meduni Wien
Die Klimakrise wird immer offensichtlicher zu einem gesundheitlichen Notfall. Alle Bevölkerungsgruppen und fast alle Ebenen der Gesundheit sind von der Klimakrise betroffen. Es gibt praktisch keinen Bereich, der davon unberührt bleibt. Die verheerenden weiträumigen Überschwemmungen und Murenabgänge nach Starkregen und heftige Sturmböen zogen eine Spur der Verwüstung nach sich, auch körperlich und mental. Ist die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben ausgestanden und auch die öffentliche Aufmerksamkeit abgeebbt, kann die mentale Belastung danach noch lange andauern und zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Belegt ist ein Anstieg von posttraumatischen Belastungsstörungen u.a. mit Schlafstörungen, depressiven Symptomen und psychischem Stress in den betroffenen Gebieten. Nicht zu vernachlässigen sind auch (mittel- und langfristige) Gesundheitsrisiken aufgrund mikrobieller Verunreinigungen und Schimmelbildung sowie in Folge chemischer Verunreinigungen etwa durch eingeschwemmte Schadstoffe aus Industrie- und Kläranlagen oder kontaminierten Böden. Anpassungsmaßnahmen sind selbstverständlich sehr wichtig. Aber mit Anpassungsmaßnahmen alleine ist es nicht getan, Klimaschutz ist mittlerweile auch als Teil ärztlicher Sorgfaltspflicht zu begreifen – aus Verantwortung gegenüber der Allgemeinbevölkerung und allen im Gesundheitswesen arbeitenden Personen.
Literatur
Alderman K, Turner LR, Tong S. Floods and human health: a systematic review. Environment international. 2012;47: 37-47. Bartholdson S, von Schreeb J. Natural Disasters and Injuries: What Does a Surgeon Need to Know? Curr Trauma Rep. 2018;4:103-108. Bloom E, Grimsley LF, Pehrson C, Lewis J, Larsson L. Molds and mycotoxins in dust from water-damaged homes in New Orleans after hurricane Katrina. Indoor Air. 2009;19: 153-158. Chung MC, Jalal S, Khan NU. Posttraumatic stress symptoms, co-morbid psychiatric symptoms and distorted cognitions among flood victims of different ages. Journal of mental health. 2017;26: 204- 211. Fisk WJ, Eliseeva EA, Mendell MJ. Association of residential dampness and mold with respiratory tract infections and bronchitis: a meta-analysis. Environmental Health: A Global Access Science Source. 2010;9:72 Kõlves K, Kõlves KE, De Leo D. Natural disasters and suicidal behaviours: a systematic literature review. Journal of affective disorders. 2013; 46(1): 1-14. Liang SY, Messenger N. Infectious diseases after hydrologic disasters. Emergency Medicine Clinics. 2018;36(4): 835-851. Mendell MJ, Kumagai K. Observation-based metrics for residential dampness and mold with dose- response relationships to health: A review. Indoor Air. 2017;27: 506-517. Robin C, Beck C, Armstrong B, Waite TD, Rubin GJ, Oliver I. Impact of flooding on health-related quality of life in England: results from the National Study of Flooding and Health. Eur J Public Health. 2020;30:942–948.World Health Organization (2018): Chemical releases caused by natural hazard events and disasters – information for public health authorities. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/272390/9789241513395-eng.pdf
Assoz. Prof. Stefanie Peer WU Wien
Versiegelte Flächen verstärken die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hitzewellen erheblich. Ein beträchtlicher Anteil dieser versiegelten Flächen entfällt auf die Verkehrsinfrastruktur. 30 % der von Menschen genutzten Flächen in Österreich (abseits von Land- und Forstwirtschaft) entfallen auf die Verkehrsinfrastruktur (fast ausschließlich den Straßenverkehr), wovon drei Viertel versiegelt sind. Nach wie vor dominiert die Tendenz, steigenden Verkehrsbelastungen — vor allem infolge von Zersiedelung — durch weiteren Ausbau und Neubau von Straßen zu begegnen. Diese Lösung erweist sich jedoch mittel- und langfristig als ineffektiv. So kehren meist innerhalb weniger Jahre nach einer Erweiterung des Straßennetzes die Zeitverluste durch Staus auf das ursprüngliche Niveau zurück, da der Ausbau die Autonutzung attraktiver macht und die Zersiedelung weiter vorantreibt („induzierter Verkehr“). Um diesen Teufelskreis (*) zu durchbrechen, sind schlagkräftigere Raumplanungsgesetze und eine effektivere Nutzung bestehender Planungsinstrumente erforderlich. Gleichzeitig sind Maßnahmenbündel notwendig, die den Besitz und die Nutzung von Privatautos weniger attraktiv gestalten, während sie alternative Mobilitätsformen attraktiver machen.
* Im Englischen: „“law of congestion” by Downs (1962), a “vicious cycle” of increased congestion by Newman and Kenworthy (1999), a ‘black hole of highway investment’ by Plane (1986), ‘induced demand’ by Cervero (2003), the mass transit death spiral by Sterman (2000), or the system of automobility by Urry (2004)“ (Pokharel et al., 2023)
Literatur
Khalaj, F., Pojani, D., Sipe, N., & Corcoran, J. (2020). Why are cities removing their freeways? A systematic review of the literature. Transport reviews, 40(5), 557-580. Pokharel, R., Miller, E. J., & Chapple, K. (2023). Modeling car dependency and policies towards sustainable mobility: a system dynamics approach. Transportation research part D: transport and environment, 125, 103978. ÖROK (2022). Flächeninanspruchnahme und Versiegelung in Österreich (2022). https://www.oerok.gv.at/raum/daten-und-grundlagen/ergebnisse-oesterreich-2022 Volker, J., & Handy, S. L. (2021). The Induced Travel Calculator and Its Applications.
Podium
Anna-Katharina Brenner B.A, MSc forscht zu Siedlungsstruktur und Nachhaltigkeitstransformation. In Kürze schließt sie ihr Doktorat am Institut für Soziale Ökologie, BOKU University, ab. Sie ist am Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden tätig.
Dipl.-Ing. Dr. techn. Johannes Fiedler ist Architekt und Stadtplaner. Architekturbüro fiedler.tornquist (Graz); 2014-2017 Forschungsbeauftragter bei Doppelmayr Urban Solutions; 2008-2011 städtebaulicher Berater Wien 3420 AG, Seestadt Aspern; Lehre: Professur Städtebau TU Braunschweig (2010-2012), Gastprofessur EiABC Addis Abeba (2013), Lehraufträge TU Wien, TU Graz, KFUni Graz, TU Berlin; 1988 – 2011 Beratungstätigkeit Städtebau und Regionalentwicklung in Afrika und Nahost im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der österreichischen Bundesregierung und der Europäischen Kommission.
OA Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter: Doppelstudium „Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung“ an der Universität für Bodenkultur sowie „Medizin“ an der Universität Wien. Mehrjährige Tätigkeit als Physikatsarzt im Öffentlichen Gesundheitswesen in Wien, Leitung der Umweltmedizinischen Ambulanz der Stadt Wien. Seit 2000 Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Schwerpunkt Umweltmedizin am Department für Umwelthygiene und Umweltmedizin (Zentrum für Public Health, MedUni Wien)., seit 2015 stellvertretender Leiter. Gründer der „Doctors For Future – Austria“
Assoz. Prof. Stefanie Peer ist Associate Professorin am Institut für Räumliche und Sozioökonomische Transformationen (ISSET) der Wirtschaftsuniversität Wien und leitet das Forschungsinstitut für Raum- und Immobilienwirtschaft. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Nachhaltigkeitsthemen im Bereich Mobilität. Im Rahmen des Zweiten Österreichischen Sachstandsberichts zum Klimawandel (AAR2) koordiniert sie die Kapitel zu Personen- und Güterverkehr sowie Transportinfrastruktur.
Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl (WU Wien) Professorin für Umweltökonomie am Department Sozioökonomie an der WU, forscht zu nachhaltigen Energie- und Nahrungssystemen.
Die Urlaubsreisezeit ist soeben zu Ende gegangen. Die Menschen waren wieder massenhaft auf Autobahnen und Schnellstraßen unterwegs, und die Flughäfen waren voll. Wieder gab es Temperaturrekorde, Waldbrände, Unwetter, Hangrutschungen und Überflutungen – und jetzt die Flutkatastrophe in Ost- und Mitteleuropa! Der Zusammenhang zwischen diesen Phänomenen und den gängigen Mobilitätsmustern wird verdrängt.
Österreicher und Österreicherinnen unternehmen zwei Drittel aller Urlaubsreisen mit dem Auto, weitere rund 15% entfallen auf Flugreisen1 somit sind mindestens 80% aller Urlaubsfahrten klimaschädlich. Auf dem Weg zu einem klimaverträglichen Urlaubsverkehr muss mit einigen Stereotypen aufgeräumt werden. Dazu gehört die Vorstellung, dass für eine reibungslose Abwicklung des Durchzugsverkehrs das hochrangige Straßennetz weiter ausgebaut werden muss, um „die Menschen zu entlasten“ – wie etwa der wahlkämpfende Bundeskanzler kürzlich argumentierte.2
In diesem Denkmuster bleibt die Strukturwirkung von Schnellstraßen und Autobahnen unbeachtet. Diese tragen nicht nur mit Flächenverbrauch und Versiegelung zur lokalen Erhitzung bei − sie generieren Strukturen, die auch abseits des Reiseverkehrs automobile Verhaltensmuster unterstützen. An sie lagern sich Fachmärkte, Büro- und Gewerbeparks an, und es entstehen Ziele und Relationen, die nur mit dem Auto funktionieren.
In der Folge sind es die genannten, vermeintlich „entlasteten“ Menschen in den Dörfern und Städten selbst, die im Windschatten des Durchzugsverkehrs auf den Schnellstraßen zur Arbeit und zum Shoppingcenter fahren und dabei übers Jahr ein Vielfaches jenes Verkehrsaufkommens erzeugen, das der Urlaubsreiseverkehr mit sich bringt. Die politische Argumentation mit dem Durchzugsverkehr ist also eine Täuschung, ein Vorwand, um das automobile Gesellschaftsmodell abzusichern.
Durch das langlebige Angebot und wegen der großen Mengen an Kapital, das in diesen autogerechten Bauten und Anlagen steckt, kommt es zu Lock-In-Effekten. Die notwendige Verhaltensänderung, wie sie die Klimakatastrophe erfordert, wird alltagspraktisch, politisch und ökonomisch gehemmt. Das Mobilitätsverhalten wird faktisch einzementiert, die Gesellschaft bleibt im automobilen System eingeschlossen.
Wer in dieser Situation einen weiteren Ausbau des hochrangigen Straßennetzes fordert, gießt buchstäblich Öl ins Feuer, heizt den unheilvollen Teufelskreis aus Straßenangebot und Autoverkehrsnachfrage weiter an. Will man hingegen eine entgegengesetzte Wirkungsspirale zugunsten der klimagerechten Mobilität in Gang setzen, genügt es nicht, Quartiere in Städten und Dörfern vom Autoverkehr zu entlasten – man muss beim hochrangigen Straßennetz ansetzen: kein weitere Ausbauten, klimagerechter Umbau, Rückbau…
Zurück zum Reiseverkehr: In einem künftigen klimagerechten Verkehrsnetz sind alle europäischen Destinationen gut mit der Bahn erreichbar, es gibt ein durchgängiges Buchungssystem für alle Verkehrsmittel und Destinationen, ausgebaute Angebote des Haus-zu-Haus-Gepäcksservices, Möglichkeiten der Mitnahme von Fahrrädern und E-Kfz, sowie flächendeckende öffentliche Verkehrsmittel für die Last Mile.
Jedenfalls sind große Investitionen in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr notwendig – aber nicht zusätzlich zum Ausbau des Straßennetzes, sondern stattdessen.
Statistics Austria 2022: Kfz 63,5%, Flug 14,5 % https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/SB_3-4_Urlaubs-und-Geschaeftsreisen-2022.pdf. ↩︎
Von Christina Hummel (Scientists for Future), Barbara Steinbrunner (TU Wien), Maria Baumgartner (TU Graz, FH Joanneum)
Start des längst notwendigen Prozesses zur Reduktion der weiteren Flächenneuinanspruchnahme und Bodenversiegelung bis 2030 – Nun heißt es für die Länder konsequent in die Umsetzung zu gehen!
Überschwemmungen, Verlust wertvoller Ackerflächen, Zerschneidung der Landschaft, Hitzeinseln, ausgedehnte Gewerbe- und Einfamilienhausgebiete rund um leere Ortszentren – die Auswirkungen der fortschreitenden Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung werden immer spürbarer. Mit zunehmendem Verlust von Grünräumen bedrohen wir unsere Lebensmittelversorgung und verlieren Lebensräume, Wasser- und kohlenstoffspeichernde Böden. Damit gefährden wir unsere Daseinsvorsorge und zukünftige Generationen.
Vor diesem Hintergrund haben sich Bund, Länder, Städte und Gemeinden mit der Österr. Raumordnungskonferenz (ÖROK) zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen, gemeinwohlorientierten und gerechten Raumentwicklung bekannt1. Dabei wird eine substanzielle Reduktion der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030 angestrebt. Den Weg dahin soll die Bodenstrategie für Österreich angeben2, welche bis Ende 2022 gemeinsam mit Fachexpert:innen aus Wissenschaft und Verwaltung ausgearbeitet wurde.
Der politische Beschluss wurde mehrmals vertagt, da man sich nicht auf ein quantitatives Ziel einigen konnte.
Im auftraggebenden Umsetzungspakt „Bodenstrategie für Österreich“ wurde gefordert, konkrete, quantitative Ziele auf Bundes-, sowie daran orientierend, auf Länderebene festzulegen. Die Grünen Regierungspartner:innen wollten das bekannte „2,5 ha/Tag-Ziel“ bis 2030 des Regierungsprogramms 2020-20243 verbindlich in die Strategie aufnehmen. Da aber nicht geklärt wurde, wie diese 2,5 ha auf alle Länder und Gemeinden fair aufgeteilt werden, sollte dieses Ziel im Zuge der Strategieumsetzung einer „Plausibilisierung“ unterzogen werden. Dieses Ziel geht auf die Nachhaltigkeitsstrategie 2002 zurück und wurde für 2010 festgelegt – somit ist selbst diese fast 5-fache Reduktion der derzeitigen Flächeninanspruchnahme (~11ha/Tag)4 veraltet.
Verantwortung abschieben, Verwässern, Verzögern
Hitzige Diskussionen, Uneinigkeit, was unter Flächeninanspruchnahme fallen darf, Abschieben der Verantwortung für den Nichtbeschluss und Selbstlob für die politische Errungenschaft eines gemeinsamen Vorgehens prägten den Prozess. Die für die Raumplanung zuständigen Länder und Gemeinden wollten kein Bundesziel akzeptieren und selbst der Bund war sich nicht einig. Die beratende Wirtschafts- und Arbeiterkammer mischten ebenfalls mit. Im Zuge der Verhandlungen wurde der Originalentwurf teilweise umformuliert, um Verbindlichkeiten herauszustreichen: So wurde z.B. aus einer „Verpflichtung“ zu Umsetzung der Maßnahmen eine „Absichtserklärung“, und klare Jahreszahlen für Meilensteine wurden zu vagen Zeiträumen bzw. nach hinten verschoben. Im Februar 2024 beschließen die Länder die Strategie (Stand Juni 2023) ohne den Bund.
Trotz Verwässerung beinhaltet die Strategie wichtige Ziele und bekannte Maßnahmen, die umgesetzt werden sollen:
Schutz von Frei- und Grünland,
Unterbindung der Zersiedelung,
effiziente Innenentwicklung und
Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.5
Der Aktionsplan gibt die Umsetzung der geplanten Maßnahmen bis 2030 an. Ein Meilenstein, ein einheitliches Monitoring der Flächeninanspruchnahme, wurde im Dezember 2023 präsentiert. Weiters sollen finanzielle Instrumente angepasst und Bauland außerhalb von Siedlungsbereichen reduziert werden. Die Strategie gibt an, wie einfach und zeitnah Maßnahmen umsetzbar sind. Während z.B. die Ausweisung landwirtschaftlicher Vorrangzonen rasch und unkompliziert möglich ist, besteht bei der Rückwidmung von Bauland noch Klärungsbedarf bzgl. grund- und verfassungsrechtlicher Umsetzung sowie Möglichkeiten für die Finanzierung von Entschädigungszahlungen.
Langfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft (Netto-Null Flächeninanspruchnahme) angestrebt. Die Strategie bekennt sich zu dem von der EU-Kommission geforderten Ziel bis 20506. Generell ist die Flächenverbrauchshierarchie7 anzuwenden:
Vermeiden
Wiederverwenden
Minimieren
Kompensieren
Das bedeutet nicht, dass keine neuen Flächen für wirtschaftliche Aktivitäten oder die Bedürfnisse der Bevölkerung zur Verfügung stehen werden, sondern Flächen zu sparen, dichter zu bauen und bei unvermeidbaren Eingriffen andere Gebiete zu renaturieren/entsiegeln. Dies trägt zu einer höheren Lebensqualität bei (z.B. kurze Wege, innerörtliche Grünräume, Erhalt der für Ernährung notwendigen Flächen).
Eine verbindliche Obergrenze ist notwendig, um die künftige Flächeninanspruchnahme zu reduzieren und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Jedoch sind die gesetzlichen Grundlagen für Flächenkontingente erst zu schaffen. Das betrifft v.a. die räumliche Verteilung zwischen Gemeinden/Ländern sowie die Priorisierung von Nutzungen bei der Vergabe. In der Strategie wird daher die Entwicklung von Methoden für die Ableitung von Zielwerten sowie Klärung der Kompetenzen und rechtlichen Verankerung angestrebt. Mittelfristig sind Pilotprojekte auf regionaler Ebene vorgesehen.
Trotz teils vager Formulierungen und wenig Verbindlichkeit, ist der Beschluss der Bodenstrategie der erste Schritt eines längst notwendigen Prozesses. Die Strategie ist zwar nicht rechtlich, aber politisch bindend. Somit braucht es nun in den Ländern messbare, quantitative Ziele und konkrete Zeithorizonte, damit die „substantielle“ Reduktion der Flächeninanspruchnahme bis 2030 auch umgesetzt wird. Sonst besteht die Gefahr, dass überfälligen Reformen noch weiter hinausgezögert werden. Das können wir uns nicht mehr leisten. Jeder m2 unversiegelter Boden zählt. Österreich ist im Grunde fertig bebaut.8 Die ökonomischen Auswirkungen eines weiteren ungebremsten Bodenverbrauchs sind viel teurer als die kurzfristigen Gewinne9.
Zur Flächenkreislaufwirtschaft fehlen zwar noch Erfahrungen, aber Umsetzungskonzepte sind bekannt, tlw. sogar gesetzlich vorgegeben und sollen auch umgesetzt werden! Wichtig dafür ist die politische und gesellschaftliche Akzeptanz für höhere Bebauungsdichten.
Dafür kann jede:r etwas tun:
Über Bodenverbrauch sprechen: mit Bekannten, Politiker:innen, Gemeinderät:innen
Aktiv werden: z.B. in Bürgerinitiativen
Gute Beispiele teilen: Sanieren, Bauen im Bestand, Mehrfamilienhäuser, erhaltene/neu geschaffene Grünräume sind Erfolge.
EU-Renaturierungsgesetz: Dringender Appell an Landeshauptmann Kaiser für Umlaufbeschluss zum Renaturierungsgesetz
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kaiser!
Noch vor wenigen Tagen haben Sie in einem Standard-Interview erklärt „Der Schutz von Natur und Umwelt, der Schutz unserer Fauna und Flora, der Schutz gesunder Lebensbedingungen für unsere Kinder“ sind Ihnen ein Herzensanliegen.
Wir, die Scientists for Future Kärnten, nehmen Sie beim Wort. Deshalb appellieren wir an Sie, die Chancen, die das im Rat der Europäischen Union am 17. Juni 2024 zur Abstimmung stehende EU-Renaturierungsgesetzes bietet, zu ergreifen und einen Umlaufbeschluss unter den Landeshauptleuten zu initieren, der letztgültig klärt, welches Bundesland hinter dem überarbeiteten EU-Renaturierungsgesetz steht.
Die von Ihnen geäußerten Bedenken, das Gesetz ginge an der Lebensrealität der Menschen vorbei, sind unbegründet, denn nach dem Beschluss des Gesetzes liegt es in Ihrer Hand, die Maßnahmen zur Verbesserung von gestörten Ökosystemen für Kärnten und Österreich festzulegen. Im Renaturierungsgesetz, das im Europäischen Parlament mit den Stimmen Ihrer Fraktion beschlossen wurde und das der Spitzenkandidat Ihrer Partei, Andreas Schieder, sehr begrüßt hat, sind, wie vielfach falsch dargestellt, keine Enteignungen vorgesehen. Vorgesehen ist hingegen die Erhaltung der Versorgungssicherheit der 450 Millionen EU- Bürger, darunter 100 Millionen Kinder und Jugendliche.
Die Sicherung funktionaler Ökosysteme stellt die Lebensgrundlage dieser jungen Menschen dar. Die österreichische Zustimmung zu diesem wichtigen europäischen Vorhaben sollte nicht an Missverständnissen oder an bürokratischen Details scheitern. Fassen Sie sich also ein Herz und senden Sie einen neuerlichen Umlaufbeschluss zum aktuellen Renaturierungsgesetz an Ihre Kolleginnen und Kollegen. Es würde genügen, wenn lediglich Kärnten das Gesetz befürwortet. Dann wäre der Weg für die europaweite Umsetzung frei.
Wir hoffen auf Ihr Engagement für unser gemeinsames Herzensanliegen!
Update zum Offenen Brief der Fachgruppe Bodenverbrauch
Am 4. Mai veröffentliche die Fachgruppe Bodenverbrauch der S4F einen offenen Brief, in dem sie eine Stellungnahme zum Verbleib der Bodenstrategie für Österreich forderte. ÖROK-Migliedern und Expert:innen arbeiteten bereits im November 2022 eine Strategie aus, sie wurde aber immer noch nicht politisch beschlossen. Etliche Wissenschaftler:innen unterzeichneten den Brief, um ihre Unterstützung zu signalisieren. Die Antwort des Ministeriums und Rückantwort der FG Bodenverbrauch gibt es in diesem Beitrag.
Zur Veröffentlichung des offenen Briefs wurde zu einem Pressegespräch mit Diskurs. Das Wissenschaftsnetz geladen. Hier sprachen die Expert:innen Renate Christ (Biologin, ehemalige Leiterin des IPCC Sekretariats, CCCA), Martin Gerzabek (BOKU, Bodenforschung, ÖAW), Franz Fehr MSc. (BOKU, Agrarwissenschaft, UniNEtZ), Ulrich Leth (TU Wien, Mobilität) und Gaby Krasemann (AAU, Stadtplanerin) zum Thema.
Der offene Brief kann hier eingesehen werden (Unterschriftenliste Stand 08.5.23):
Die Antwort des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) folgte am 6. Juni mit Ende Juni als geplantem Termin, sich dem Thema zu widmen. Das Antwortschreiben des Ministeriums kann hier eingesehen werden:
Nachdem kein Beschluss folgte, reagierte die FG Bodenverbrauch am 11. Juni mit einem erneuten Antwortschreiben, indem die Gruppe ihre wissenschaftliche Unterstützung anbietet und eine langfristige Netto-Null-Flächeninanspruchnahme fordert und begründet. Das Antwortschreiben der FG Bodenverbrauch kann hier nachgelesen werden:
„Der Klimawandel mit starken Niederschlagsdefiziten, die Versiegelung der Böden und die Regulierung der Flüsse mit daraus folgenden Erosionen des Flussbettes wirken sich nachhaltig negativ auf den Grundwasserspiegel aus“, erklärte Univ.Prof. DDr Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur bei einem Pressegespräch der Österreichischen Hagelversicherung. Dürreschäden bei Herbstkulturen wie Mais, Sojabohnen, Kürbis, Kartoffeln und Sonnenblumen werden heuer rund 100 Mio Euro betragen. Während in den 80iger Jahren alle zehn Jahre eine Dürre aufgetreten ist, treten große Dürreereignisse in Österreich nun durchschnittlich jedes zweite Jahr auf. See- und Flusswasserstände in Österreich sind auf einem langjährigen Tiefpunkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist ein Rückbau von Flüssen und Feuchtgebieten sowie die Reduktion des Bodenverbrauchs notwendig. Allein in den letzten 25 Jahren wurden in Österreich 150.000 ha Agrarflächen verbaut, das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220812_OTS0051/duerre-und-verbauungen-gefaehrden-grundwasserspiegel-seen-fluesse-und-agrarflaechen-anhaenge
Der Bodenverbrauch ist eines der größten Umweltprobleme Österreichs, findet aber kaum Aufmerksamkeit in der politischen Diskussion. Gesunder Boden ist für uns unersetzbar – er sichert nicht nur unsere Ernährung, sondern bietet auch Schutz vor z.B. Hochwasser, Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, sorgt für sauberes Grundwasser, speichert CO2 und ist Erholungsfaktor.
Diese Funktionen des Bodens bilden wichtige Lebensgrundlagen – und doch wird die Funktion des Bodens als Bauland oft priorisiert. In ganz Österreich werden immer wieder neue Bauprojekte angestoßen, die gesunden Boden versiegeln. Dabei gehen seine anderen Funktionen verloren. Die Konsequenzen dessen zeigen sich allerdings schleichend. Was diese „Tyrannei der kleinen Entscheidungen“ zur Folge hat und was sich ändern muss, erörterten Andreas Baumgarten (AGES – Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), Kirsten von Elverfeldt (Universität Klagenfurt, S4F Kärnten, S4F Fachkollegium) und Arthur Kanonier (Technische Universität Wien, Österreichische Gesellschaft für Raumplanung) letzte Woche in einem Pressegespräch von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz und Scientists for Future. Sofia Palzer-Khomenko von Scientists for Future moderierte.
Die Statements von Andreas Baumgarten, Kirsten von Elverfeldt und Arthur Kanonier können hier nachgehört werden:
Bodenverbrauch in Österreich dramatisch hoch
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Autor innen: Daniela Fuchs-Hanusch (TU Graz), Martin Regelsberger (Technisches Büro für Kulturtechnik), Katharina Schwarzfurtner und Lisa Waldschütz (Universität für Bodenkultur Wien)
Begutachtet von: Isabel Auer und Magdalena Holzer (Weatherpark), Carina Brachner (Technische Universität Wien)
Hitzetage nehmen in Österreich seit den 1980er Jahren stetig zu [1]. Von Hitze sind Siedlungen besonders betroffen. Hohe Bebauungsdichten mit wärmeabsorbierenden Oberflächen und hohem Versiegelungsgrad führen zu sogenannten urbanen Hitzeinseln. Die Hitzebelastung wird sich in Zukunft aufgrund der globalen Erwärmung, fortschreitender Versiegelung und durch den Verlust von aktivem Boden, sowie dessen Wasserspeicherfähigkeit, noch weiter verschärfen [2].
Der Bedarf an erneuerbaren Energien nimmt Jahr für Jahr zu. 2020 beispielsweise hat der Anteil an erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung in der EU erstmals Kohle und Gas abgehängt.1 Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist das sehr erfreulich. Doch die Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung des Stroms benötigen Rohstoffe, ebenso wie die elektronischen Geräte, die die Digitalisierung der Wirtschaft ermöglichen sollen. Um den wachsenden Bedarf an diesen Rohstoffen zu decken, bedarf es einer enormen Steigerung des Abbaus. Genau diesen Bedarf versucht die Europäische Kommission nun zu decken. Laut dem Bericht des Central and Eastern European Bankwatch Network2: „Raw Deal“ vom Jänner 2021 passiert dies jedoch häufig unter Missachtung von fairen Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen und Artenschutz.
Scientists4Future Salzburg ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen der Universitäten und Hochschulen in Salzburg. Ergänzend zu früheren Stellungnahmen wollen wir hiermit nochmals auf wichtige Aspekte hinsichtlich der Entscheidung zum möglichen Ausbau der Mönchsberggarage hinweisen.
Mobilität und Verkehr
Der geplante Ausbau der Mönchsberggarage widerspricht grundsätzlich den verkehrspolitischen Zielen von Stadt und Land Salzburg. Das Vorhaben konterkariert alle verkehrsplanerischen Bemühungen, den Umweltverbund (Fußverkehr, Radverkehr, Öffentlicher Personenverkehr) nachhaltig zu stärken (vgl. Masterplan Gehen und Radstrategie 2025+ der Stadt Salzburg sowie Landesmobilitätskonzept salzburg.mobil 2025salzburg). Der motorisierte Individualverkehr (MIV) ist nicht nachhaltig und nicht klimagerecht, seine Bedeutung nimmt in Europa vor allem in den Innenstädten seit Jahren ab. Die geplante Garagenerweiterung im Herzen der Stadt Salzburg ist ein falsches Signal für die Zukunft und mindert die Lebensqualität in Stadtteilen wie Riedenburg und Maxglan durch enorme zusätzliche Verkehrsbelastung. Eine echte Stärkung des Umweltverbundes im Zentralraum Salzburg, inklusive guter Integration von P+R Parkplätzen im Stadtumland sowie ein intelligentes Parkraum-und Mobilitätsmanagement wären zeitgemäße und vorausschauende Lösungen im Sinne einer lebenswerten Stadt Salzburg.