Dürren im Klimawandel von Douglas Maraun und Laurenz Roither

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Lesedauer 5 Minuten.   
  • In den letzten Jahren führten regenarme Sommer wiederholt zu starken Sommerdürren.
  • Reine Niederschlagsdefizite (meteorologische Dürre) sind bisher Ausdruck natürlicher Schwankungen; Jahrzehnte vergleichbarer oder sogar stärkerer Defizite gab es in den letzten 210 Jahren mehrmals.
  • In Sommerdürren der letzten Jahre trocknete auch der Boden sehr stark aus (Bodenfeuchtedürre), da die Verdunstung über die letzten Jahrzehnte anstieg. Dies lässt sich zu einem großen Teil auf den Klimawandel zurückführen, teilweise aber auch auf sinkende Aerosolkonzentrationen. (Aerosole sind Schwebstoffe, die Sonnenlicht zurückstreuen, v. a. Schwefeldioxid, das bei Verbrennung von Kohle und Öl entsteht.)
  • Aussagen über meteorologische Dürren im Klimawandel sind noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Auch wenn es grundsätzlich immer wieder feuchte und trockene Dekaden geben wird, begünstigen steigende Temperaturen die Austrocknung des Bodens, sodass Bodenfeuchtedürren künftig sowohl trockener als auch intensiver ausfallen werden.

Sommerdürren, ihre Auslöser und Folgen

Dürre ist ein äußerst komplexes Phänomen. Aufgrund der relevanten Folgen werden vor allem Sommerdürren betrachtet. Tritt ein langanhaltendes Niederschlagsdefizit im Vergleich zum langjährigen Mittel auf, spricht man von einer meteorologischen Dürre, die Wochen bis Jahre dauern kann [1]. In den mittleren Breiten werden diese typischerweise durch anhaltende blockierende Wetterlagen ausgelöst. Ist die Verdunstung höher als der Niederschlag, trocknet der Boden aus und es herrscht eine Bodenfeuchtedürre, wegen sinkender Erträge auch landwirtschaftliche Dürre genannt [1]. Hohe Temperaturen im Sommer und Temperatur-Rückkopplungen, ein vorangegangener trockener Winter oder Frühling, sowie starkes Vegetationswachstum im Frühling (und die resultierende starke Verdunstung) können Bodenfeuchtedürren im Sommer verstärken [2]. Während hydrologischer Dürren sinken schließlich auch die Flusswasserstände und Grundwasserspiegel [3]. Hoher Wasserverbrauch und Eingriffe in Gewässer können Dürren weiter verstärken [4]. Ausbleibender Regen, hohe Temperaturen und Sonneneinstrahlung sowie starke Winde können, wie im Sommer 2012 in den USA, Bodenfeuchtedürren sehr schnell (innerhalb von Wochen) intensiv werden lassen, man spricht dann von Flash Droughts [5].

Dürren können gravierende ökologische und sozioökonomische Folgen haben, wobei die Auswirkungen nach Dauer, Jahreszeit, und Art der Auswirkung stark variieren.

Temperatur-Rückkoppelung: wird Wasser verdunstet, entzieht es der Umgebung Wärme. Trocknet der Boden stark aus, sinkt dieser Kühleffekt und die Umgebungstemperaturen erhöhen sich noch stärker.
Verdunstung über Land: aktive Wasseraufnahme der Wurzeln, Transport und Verdunstung über große Blattoberfläche der Pflanzen erhöht Verdunstungsrate im Vergleich zu nacktem Boden.

Jüngste Ereignisse im Kontext des Klimawandels

Meteorologische Dürre – definiert als reine Niederschlagsdefizite – und Bodenfeuchtedürre können sich im Klimawandel sehr unterschiedlich ändern, eine differenzierte Betrachtung ist deshalb wichtig. Seit dem Beginn des 21. Jh. häufen sich schwere Dürren in Europa. So gab es 2019 und 2015 die stärksten österreichweiten Niederschlagsdefizite im Sommer seit 1961, die meteorologische Dürre von 2003 war im Westen Österreichs die stärkste seit 1950 [6]. Im Frühling und Sommer 2018 waren vor allem der Westen und Norden Österreichs von der Rekorddürre in Mittel- und Westeuropa betroffen. Betrachtet man längere Zeiträume, zeigt sich allerdings die Bedeutung von natürlichen Klimaschwankungen für das Auftreten von Niederschlägen und somit meteorologischer Dürre. Dekaden mit ausgeprägten Niederschlagsdefiziten traten immer wieder auf, die stärksten Niederschlagsdefizite der letzten 210 Jahre gab es in den 1860er und 1940er Jahren [7].
Die Niederschlagsdefizite der letzten Jahre trafen aber mit einer in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Verdunstung zusammen, so dass sich die Dürren der letzten Jahre zu sehr intensiven Bodenfeuchtedürren entwickelten. Die Trends zu mehr Verdunstung [8] lassen sich teilweise auf den Klimawandel, teilweise auf verbesserte Luftqualität seit den 1980er Jahren zurückführen.
Erstens ist durch sinkende Aerosolkonzentrationen die Sonnenscheindauer gestiegen [9]; zweitens sind die Temperaturen vor allem durch den menschgemachten Klimawandel, aber auch durch die sinkenden Aerosolkonzentrationen gestiegen [9]; und drittens ist, als direkte Folge der Temperaturänderungen, die Vegetationsperiode, während der die Pflanzen dem Boden Wasser entziehen, länger geworden [10].

Auch der Sommer 2022 war vor allem in Kärnten, der Steiermark, dem Burgenland und Wien sehr trocken, von der Rekordhitze und Dürre in weiten Teilen Europas wurde Österreich aber verschont. Auslöser dieses Klimaextrems war ein stabiles Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln, der Klimawandel erhöhte die Temperaturen zusätzlich und verstärkte damit auch die Austrocknung des Bodens [11]. Vor allem Spanien, Frankreich und die Po-Ebene in Italien waren betroffen. Zum Auftreten der auslösenden Wetterlage finden sich jedoch keine Langzeittrends [12].

Sommerdürren der Zukunft

Auch bezüglich Klimaprojektionen muss zwischen den Niederschlagsdefiziten der meteorologischen Dürren und Bodenfeuchtedürren unterschieden werden.
Für Sommerniederschläge wird generell ein Rückgang über dem Alpenraum erwartet, nur wenige Klimamodelle simulieren eine leichte Zunahme [12]. Dieser Niederschlag wird außerdem an weniger Tagen fallen. Diesen Trends steht eine Zunahme des Niederschlags im Winter und Frühling entgegen [12]. Entscheidend für langanhaltende meteorologische Dürren ist die Häufigkeit und Dauer von blockierenden Hochdruckgebieten, die wiederum durch den polaren Jetstream bestimmt werden. Änderungen in diesen Wetterphänomenen sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet [9], so dass unser Wissen über meteorologische Sommerdürren, definiert als reine Niederschlagsdefizite, im Klimawandel noch sehr begrenzt ist. Feuchte und trockene Dekaden werden jedoch immer wieder auftreten.

Mit steigenden Temperaturen wird die Verdunstung weiter zunehmen, so dass Bodenfeuchtedürren in Europa häufiger und länger auftreten und auch größere Flächen betreffen werden [13]. Diese Ergebnisse zeigen sich insbesondere auch für Österreich [14].

Douglas Maraun ist Leiter der Forschungsgruppe Regionales Klima an der Universität Graz

Laurenz Roither ist Mitarbeiter am Climate Change Centre Austria (CCCA)

CCCA Fact Sheet #45 | 2023, CC BY-NC-SA

Titelfoto: CIMMYT Images via flickr, CC BA-NC-SA


[1] Dai, A. (2011). Drought under global warming: a review. Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change, 2(1), 45-65.
[2] Bastos, A., Ciais, P., Friedlingstein, P., Sitch, S., Pongratz, J., Fan, L., … & Zaehle, S. (2020). Direct and seasonal legacy effects of the 2018 heat wave and drought on European ecosystem productivity. Science advances, 6(24), eaba2724.
[3] Tallaksen, L.M., Van Lanen, H.A.J., 2023. Hydrological drought: processes and estimation methods for streamflow and groundwater, 2nd edition, Developments in water science. Elsevier. ISBN: 9780128190821.
[4] Van Loon, A. F., Gleeson, T., Clark, J., Van Dijk, A. I., Stahl, K., Hannaford, J., … & Van Lanen, H. A. (2016). Drought in the Anthropocene. Nature Geoscience, 9(2), 89-91.
[5] Yuan, X., Wang, Y., Ji, P., Wu, P., Sheffield, J., & Otkin, J. A. (2023). A global transition to flash droughts under climate change. Science, 380(6641), 187-191.
[6] Ionita, M., Tallaksen, L. M., Kingston, D. G., Stagge, J. H., Laaha, G., Van Lanen, H. A., … & Haslinger, K. (2017). The European 2015 drought from a climatological perspective. Hydrology and Earth System Sciences, 21(3), 1397-1419.
[7] Haslinger, K., & Blöschl, G. (2017). Space‐time patterns of meteorological drought events in the European Greater Alpine Region over the past 210 Years. Water Resources Research, 53(11), 9807-9823.
[8] Duethmann, D., & Blöschl, G. (2018). Why has catchment evaporation increased in the past 40 years? A data-based study in Austria. Hydrology and Earth System Sciences, 22(10), 5143-5158.
[9] IPCC (2021) Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.
[10] IPCC (2022) Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.
[11] Faranda, D., Pascale, S., & Bulut, B. (2023). Persistent anticyclonic conditions and climate change exacerbated the exceptional 2022 European-Mediterranean drought. Environmental Research Letters.
[12] Ritzhaupt, N., & Maraun, D. (2023). Consistency of seasonal mean and extreme precipitation projections over Europe across a range of climate model ensembles. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 128(1), e2022JD037845.
[13] Samaniego, L., Thober, S., Kumar, R., Wanders, N., Rakovec, O., Pan, M., … & Marx, A. (2018). Anthropogenic warming exacerbates European soil moisture droughts. Nature Climate Change, 8(5), 421-426.
[14] Haslinger, K., Schöner, W., Abermann, J., Laaha, G., Andre, K., Olefs, M., and Koch, R.: Apparent contradiction in the projected climatic water balance for Austria: wetter conditions on average versus higher probability of meteorological droughts, Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 23, 2749–2768, https://doi. org/10.5194/nhess-23-2749-2023, 2023.

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Trotz Net-Zero-Versprechen: Produzenten von fossilen Brennstoffen planen weitere Steigerungen

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Der Production Gap Report des UN-Umweltprogramms (UNEP) für 2023 untersucht die Produktionspläne der 19 größten Produzenten von fossilen Brennstoffen und vergleicht sie mit den Ausstiegspfaden, die für die Pariser Klimaziele erforderlich wären.

Laut den bekannten Planungen sollen bis 2030 doppelt so viele fossile Brennstoffe gefördert werden, als für das 1,5°C-Ziel tragbar wären, beziehungsweise 70 Prozent über dem Limit für das 2,0°C-Ziel. Die Diskrepanz ist am höchsten bei dem schädlichsten der Brennstoffe, nämlich Kohle: die geplante Produktion übersteigt das Limit für 1,5°C um 460 Prozent. Die geplante Ölproduktion liegt um 30 Prozent über dem Limit und die Gasproduktion um 80 Prozent. Staatliche Subventionen für Fossile erreichten 2022 einen neuen Höchststand.

Quelle: 2023 Production Gap Report

Die für die Pariser Ziele errechneten Limits beruhen freilich auf der Annahme, dass durch Carbon Capture and Storage ein gewisses Maß an CO2-Emissionen nicht in die Atmosphäre gelangen wird. Doch sind diese Technologien noch bei weitem nicht ausgereift, was bedeutet, dass der Ausstieg aus Fossilen noch schneller gehen muss, wenn die Klimaerhitzung nicht über 1,5°C hinausgehen soll.

Von den 20 untersuchten Ländern haben 17 Net-Zero-Verpflichtungen abgegeben, doch bei keinem stimmen die Planungen mit den Versprechungen überein. Brasilien, Saudi Arabien und die USA planen gewichtige Steigerungen der inländischen Ölproduktion, Qatar und Russland planen die größten Steigerungen bei der Gasproduktion. Was die Produktion von Kohle betrifft, planen Indien, Indonesien und Russland massive Steigerungen. Das würde den Effekt der von USA und China geplanten Reduzierungen verringern oder zunichte machen. Aus Südafrika waren keine Daten zu bekommen. Die einzigen Öl- und Gasproduzenten, die signifikante Reduktionen planen, sind Großbritannien und Norwegen.

Zum Teil werden die Steigerungen mit der Energieknappheit durch den Ausfall der russischen Produktion begründet, wie es zum Beispiel durch die Biden-Administration tut. Andere Länder begründen die Steigerung damit, dass sie von den Einkünften aus dem Export abhängig sind und wieder andere wollen ihre Abhängigkeit von Importen reduzieren. Selbst wenn einige Gesichtspunkte gerechtfertigt sein mögen, führen sie in der Summe zur Überproduktion.

In dieser Grafik werden Emissionen aus fossilen Brennstoffen nicht dem Land zugeordnet, wo sie verbrannt werden, sondern dem Land, wo sie erzeugt werden.
Quelle: 2023 Production Gap Report

Eine andere Studie, Navigating Peak Demand des Carbon Tracker Thinktanks warnt die fossilen Unternehmen vor Fehlinvestitionen. Die internationale Energieagentur (IEA) rechnet in ihrem neuesten Bericht damit, dass die Nachfrage nach fossilen Energien noch in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen und danach sinken wird. Das bedeutet, dass die Unternehmen möglicherweise Hunderte Milliarden von Dollars in langfristige Projekte investieren, die bald wertlos sein werden. Nicht direkt angesprochen wird in dem Bericht, dass ein Zusammenbruch dieser – oder einiger – Unternehmen infolge solcher Fehlinvestitionen eine massive Wirtschaftskrise auslösen könnte. Das ist ein weiterer Gesichtspunkt, der für einen geplanten und koordinierten Ausstieg aus Fossilen spricht.

UN-Generalsekretär António Guterres zum Production Gap Report: „Wir können die Klimakatastrophe nicht bewältigen, ohne ihre Grundursache anzugehen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. COP28 muss ein klares Signal senden, dass dem fossilen Zeitalter das Benzin ausgeht – dass sein Ende unausweichlich ist. Wir brauchen glaubhafte Verpflichtungen, Erneuerbare voranzutreiben, Fossile auslaufen zu lassen, Energieeffizienz zu steigern und einen gerechten Übergang zu gewährleisten.“

Titelbild: Peabody Energy, Inc. CC BY-SA

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Interview mit Prof. Tobias Pröll Teil 2: Negative Emissions

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von Marco Sulzgruber

Immer wieder werden in der öffentlichen Debatte um die Klimakatastrophe Technologien angepriesen, die zumindest auf den ersten Blick helfen können, den globalen Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß deutlich zu verringern. Zuletzt sorgte die Kernfusion für Schlagzeilen, im letzten Jahr war aber auch die Abscheidung und Lagerung von CO2 ein Thema in den Medien.

Bei diesen Entwicklungen ist grundsätzlich Skepsis angebracht: Übertriebenes Vertrauen in neue, noch nicht ausgereifte Technologien kann den Kampf gegen den Klimawandel bremsen. Genauso gefährlich wäre es aber, wissenschaftliche Errungenschaften außer Acht zu lassen, wenn sie tatsächlich einen Beitrag zur Eindämmung der Klimakatastrophe leisten können.

Im ersten Teil unseres Interviews mit Professor Tobias Pröll von der Universität für Bodenkultur Wien haben wir mit ihm darüber gesprochen, wie klassische Carbon Capture Systeme funktionieren. Im zweiten Teil geht es um das Potential solcher Systeme, zur Bekämpfung der Klimakatastrophe beizutragen, um Negative Emission Technologies, und um die Frage, ob es sinnvoll ist, CO2 direkt aus der Luft zu filtern, laut IPCC eine der möglichen solchen Technologien.

Celsius: Von Seiten vieler Klimaforscher:innen und -aktivist:innen kommt oft die Kritik, dass Carbon Capture and Storage (CCS) und Negative Emission-Technologies viel versprechen, aber nicht genug liefern. Warum wurde Ihrer Meinung nach bis jetzt nicht mehr davon umgesetzt?

Tobias Pröll: Das Problem bei der Umsetzung von CCS ist, dass es wirksame Regelungen braucht, damit CCS für die Betreiber wirtschaftlich darstellbar ist. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir stets technologieoffen steuern sollten. Das wären wirksame CO2-Preise auf alle Emissionen. Meiner Ansicht wäre bei CO2-Preisen von etwas mehr als 100 Euro/Tonne CO2, die tatsächlich gutgeschrieben werden, wenn das CO2 eben nicht emittiert, sondern permanent gespeichert wird, bereits mit der „freiwilligen“ Implementierung von CCS zu rechnen. Wo genau die Wirtschaftlichkeit beginnt, hängt erstens vom Emittenten ab, weil der Großteil der Kosten ist mit der Abscheidung des CO2 aus Gasgemischen verbunden. Das beginnt mit Bioethanolproduktion, wo fast reines CO2 vorliegt, über die Chemieindustrie, wo teilweise auch sehr konzentrierte CO2-Ströme auftreten, bis hin zu Verbrennungsanlagen, wo für die Abscheidung aus dem Abgas etwa 1 MWh Wärme bei 120°C pro Tonne CO2 aufgewendet werden muss. Zweitens vom Standort: je näher an der Speicherstätte, desto kostengünstiger.

Celsius: Aber welchen Beitrag zum Klimaschutz können solche Technologien realistisch wirklich leisten?

Tobias Pröll: Zum Potenzial habe ich keine Zahlen parat. Ich würde CCS für Emissionen aus Technologien reservieren wollen, die wir auch in Zukunft schwer vermeiden können werden: Zementwerke, thermische Abfallbehandlungsanlagen, Stahlindustrie, Papier- und Zellstoff, und so weiter. Das sind riesige Mengen an CO2, Großteils fossil, teilweise biogen. Wir müssen mittelfristig jede Emission vermeiden, darum werden wir CCS brauchen. Zusammen mit CCS werden wir auch Bioenergy mit CCS (BECCS) machen, das ist der Schritt hin zu negativen Emissionen, das geht fließend: im Hausmüll, der in Wien verbrannt wird, sind z.B. 60% des Kohlenstoffs biogen, also nicht fossil.

Die Abscheidung aus der Umgebungsluft sehe ich wegen des theoretisch mindestens dreimal, in der Praxis aber 6-10 mal höheren Energiebedarfs im Vergleich zur Abscheidung aus Abgasen in absehbarer Zukunft nicht. Das ist in energielimitierten Settings nicht sinnvoll.

Der Energiebedarf für verschiedene CO2-Abscheidungsprozesse im Überblick: Bei Case 1 wird CO2 aus der Umgebungsluft abgeschieden, bei Case 2 und 3 aus den Abgasströmen eines Gasturbinenkraftwerks bzw. eines Feststoffverbrennungskraftwerks. Quelle: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.iecr.9b06177?fig=fig9&ref=pdf

Celsius: Kommen wir noch zur zweiten Kategorie von Prozessen, den Negative Emission Technologies beziehungsweise zum Filtern von CO2 aus der Luft. Wie funktioniert das und wie sinnvoll sind diese Technologien generell?

Tobias Pröll: Der Kohlenstoffkreislauf funktioniert ja so, dass Biomasse wächst und CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt. Wenn die Biomasse dann verrottet oder verbrannt wird, geht das CO2 wieder zurück in die Atmosphäre. Im natürlichen Kreislauf ist das CO2-neutral. Was wir Menschen jetzt machen ist, wir holen fossile Rohstoffe aus der Geosphäre, setzen dieses CO2 zusätzlich frei und der CO2-Anteil in der Atmosphäre steigt. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, diesen von uns veränderten Kohlenstoffkreislauf sozusagen wieder zu reparieren. Wir können zum Beispiel die Pflanzen daran hindern, das CO2 wieder freizusetzen. Da gibt es wirklich die unterschiedlichsten Untersuchungen, zum Beispiel wurde die Idee untersucht, Baumstämme in der Tiefsee zu versenken oder in Gruben einzubuddeln, um dort einfach den Kohlenstoff zu speichern. Das wäre relativ kostengünstig.

Aber de facto müssen wir unsere Lösungsvorschläge vor dem Hintergrund durchdenken, dass wir auf einem Planeten mit 8 bis 9 Milliarden Menschen leben. Zum Leben brauchen wir Menschen Energie, die wir heute global zu 80% aus Kohle, Öl und Erdgas beziehen. Dieser Anteil von 80% hat sich übrigens über die letzten 30 Jahre nicht verändert. Also müssen wir alle Lösungsansätze auch vor diesem Hintergrund sehen. Dieser Aspekt zieht sich durch die gesamte Diskussion und kommt meines Erachtens auch im IPCC nicht zur Geltung: Mir erscheint manchmal, dass hier scheinbar in einer Welt gelebt wird, in der wir schon dekarbonisiert sind. Ich kann Energie aufwenden, um beispielsweise Holzstämme einzugraben. Ich könnte aber auch aus den Holzstämmen Energie gewinnen und damit Öl oder Kohle substituieren. Dann muss ich lebenszyklus-analytisch betrachten, was gescheiter ist. Jetzt könnte ich aber die Energie aus den Holzstämmen nutzen und zusätzlich das CO2 aus dem Abgas abtrennen und das CO2 wieder verpressen. Das wäre natürlich in unserer Welt, wo wir Homo sapiens leben, keine so blöde Idee. Wo wir doch die Energie so dringend brauchen, dass wir uns so zukunftsfeindlich verhalten (und die fossilen Energieträger nutzen, Anm.), kann ich keinen Vorschlag machen, wo ich einen nicht fossilen Energieträger einbuddle. Das ist irgendwie widersinnig.

Genauso die Idee, CO2 aus der Umgebungsluft abzuscheiden, wo die Konzentration nur 400 parts per million ist. Das Problem ist, dafür brauche ich irrsinnige Mengen an Energie. Den Vorschlag kann man in einer Welt machen, in der erneuerbare Energie im Überschuss verfügbar ist. Und das „verfügbar“ ist das Keyword hier. Dann würde ich sagen: „ja, bevor wir die Windräder jetzt abdrehen und uns sonst nichts mehr einfällt, holen wir noch CO2 aus der Atmosphäre.“ Das ist zwar extrem ineffizient auf Tonnen CO2 pro Megawattstunde Energie gerechnet, aber bevor ich nichts mit dem Strom mache, wäre das eine Idee. Noch besser wäre es wahrscheinlich, die Energie für den Winter zu speichern, falls man da keinen Überschuss hat.

Celsius: Derzeit sinnvoll wäre Ihrer Meinung nach also nur das Abscheiden von CO2 bei der Verbrennung von Biomasse?

Tobias Pröll: Den Ansatz finde ich schon überlegenswert – und ich finde, dass Schweden zum Beispiel hier auf dem richtigen Weg ist: Da gibt es eine ähnliche Forstwirtschaft wie in Österreich, wo die Wälder eben nicht verwüsten wie in anderen Weltregionen. Dort ist es sehr gängig, dass große Städte zum Beispiel mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Holzhackschnitzelbasis mit Wärme versorgt werden. Dort das CO2 aus dem Abgas zu holen und in Norwegen in die Lagerstätten zu verpressen, halte ich für eine sehr spannende Denkrichtung.

Kategorisch wären Negative Emission-Technologies nicht auszuschließen, es müssen nur vernünftige sein. Wir sollten auf den Energiebedarf achten. Wenn der globale Mix 80% fossil ist, ist wahrscheinlich etwas, was zusätzlich viel Energie braucht, keine gute Lösung. Es gibt immer Alternativen: Vielleicht ist in Island ein realer Überschuss an erneuerbarer Energie da, dann könnte man lokal so ein Projekt machen. Man könnte aber auch mit der erneuerbaren Energie noch mehr Aluminium produzieren und dafür woanders substituieren, wo die Energie aus fossilen Rohstoffen kommt. Das hätte wesentlich mehr Klimawirkung.

Celsius: Ein anderer Ansatz für Biomasse-basierte Negative Emission Technologies wäre, Biokohle aus landwirtschaftlichen Substraten herzustellen.

Tobias Pröll: Da kann man ungefähr 50% der Energie nutzen – für Trocknungsanlagen im landwirtschaftlichen Bereich zum Beispiel – und in der Biokohle, die entsteht, sind die Nährstoffe aus dem Substrat für Pflanzen verfügbar, der Kohlenstoff ist aber nicht abbaubar. Das heißt, wenn man das auf einem Feld appliziert, kann man einen Ertragsgewinn für die Landwirtschaft haben und braucht weniger fossilen Phosphatdünger. Man nutzt zwar nur einen Teil der Energie, hat aber ein nachhaltigeres Bodenproduktionssystem.

Wir haben das für Baumwollstängel durchgerechnet: Da könnte man ungefähr ein Drittel des CO2, das jährlich durch die Baumwollpflanzen aus der Luft geholt wird, langfristig im Boden speichern.

Celsius: Das heißt, es ist sozusagen eine Kohlenstoffdeponie – es bleibt aber ein Boden, den man für Landwirtschaft nutzen kann?

Tobias Pröll: Ja genau, der Kohlenstoff wird einfach im Boden angereichert und verbessert potenziell die Bodenfruchtbarkeit. Von Jahr zu Jahr immer mehr. Das ist gerade im warmen Klima sinnvoll, wo wir sandige Böden vorfinden, also für Europa wäre das im Mittelmeerraum. Dort gibt es ja keine nennenswerten Mengen Waldbiomasse, aber landwirtschaftliche Nebenprodukte: Stroh, Pinienkernschalen, Oliventrester und ähnliches – super angereichert mit Nährstoffen. Wenn man diese Nebenprodukte zu Biokohle umwandelt, kann man die Nährstoffe dort, wo die Pflanzen angepflanzt werden, wieder anwenden – und es wächst dadurch mehr Biomasse. Zusätzlich kann man– abhängig vom Wassergehalt – ungefähr 50% des Heizwertes der Einsatzstoffe in Form von Hochtemperaturwärme nutzen (durch Verbrennen der Pyrolysegase, Anm.).

Celsius: Das ist auch ein Forschungsgebiet von Ihnen?

Tobias Pröll: Ja, die systemische Betrachtung von Negative Emission Technologies speziell die Biomasse-basierten Negative Emission Technologies. Es gibt da auch andere, die ich jetzt nicht erwähnt habe.

Celsius: Weil die in der Welt mit 80% fossilem Energiemix eigentlich nicht vernünftig sind?

Tobias Pröll: Das ist meine Meinung, es gibt viele andere, die anderer Meinung sind, vor allem auch im IPCC. Und ich finde es bedenklich, dass die Regierenden sich so auf das verlassen, weil es gibt, glaube ich, sehr einfache Argumente, wie man das ins rechte Licht rücken kann. Aber ich vermute, dass im IPCC viele Leute schon gedanklich in dieser dekarbonisierten Welt leben und aus der heraus argumentieren. Das ist aber ein Trugschluss, denn die Welt ist leider zu 80% fossil.

Bei den Baumwollstängeln sieht man, das wären Negative Emissions. Aber damit bekommt man keine Forschungsförderung. Da wird gesagt, „das ist ja low-tech, das ist well-known Technology, da brauchen wir nicht mehr forschen“. So etwas geht auch in Zusammenhang mit Kraft-Wärmekopplungsanlagen, wie ich vorhin gesagt habe, in Schweden. Man kann relativ schnell sehen, wo die Potentiale liegen würden, und man sieht auch, was es dem Klima netto bringt. Da muss man halt ehrlich sein. Das ist ganz wichtig

Celsius: Wäre das auch Ihr Schlussplädoyer für dieses Interview?

Tobias Pröll: Ich möchte dazu ermutigen, immer die Frage zu stellen, wo die Energie herkommt. Weil: Die Klimakrise ist eine Energiekrise – würden wir die Energie nicht brauchen, für unseren Wohlstand, hätten wir keine Klimakrise. Der Schlüssel ist die Energie. Etwas vorzuschlagen, was die Energiekrise nicht löst, wird auch die Klimakrise nicht lösen. Darum plädiere ich sehr stark für den Ausbau der direkten erneuerbaren Energie – Wind, Photovoltaik, für Österreich zumindest. In anderen Weltregionen gibt es vielleicht noch Wasserkraftpotentiale, bei uns sehe ich die nicht mehr.

Der Mensch braucht Energie für den Wohlstand, man kann punktuell effizienter werden, das wird typischer weise aufgefressen vom Rebound Effekt (Steigerung der Effizienz führt dabei nicht zu verringerten Emissionen, sondern durch niedrigere Preise zu höherer Nachfrage, Anm.). Die Menschen werden sich den Wohlstand nicht nehmen lassen wollen, und wir müssen Maßnahmen schaffen, wie wir dekarbonisieren können, ohne die Volkswirtschaft in einer Weise zu beeinflussen, dass die Menschen das demokratisch nicht mittragen. Wir brauchen clevere Policies, bei denen die Menschen mitgehen. Freiwillig. Und wo zumindest 50% der Menschen uns wählen. Und ein Ansatz wäre, es müssen Policies sein, wo die vielen, die wenig emittieren, die selten fliegen, die selten Skiurlaub machen, netto profitieren. Und die, die viel verschmutzen, einen Nachteil haben. Aber die sind bei der Abstimmung, bei der Wahl dann nicht die Mehrheit.

Prof. Tobias Pröll ist Professor für Energietechnik und Energiemanagement an der Universität für Bodenkultur Wien und forscht unter anderem am Thema Negative Emission Technologies. Er ist Fachgutachter in zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften, Mitglied des Scientific Committees der International Conference on Negative Emissions und Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für innovative Computerwissenschaften, sowie des IEAGHG Networks on High Temperature Solid Looping Cycles.

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Interview mit Prof. Tobias Pröll Teil 1: Carbon Capture

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von Marco Sulzgruber

Immer wieder werden in der öffentlichen Debatte um die Klimakatastrophe Technologien angepriesen, die zumindest auf den ersten Blick helfen können, den globalen Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß deutlich zu verringern. Zuletzt sorgte die Kernfusion für Schlagzeilen, im letzten Jahr war aber auch die Abscheidung und Lagerung von CO2 ein Thema in den Medien.

Bei diesen Entwicklungen ist grundsätzlich Skepsis angebracht: Übertriebenes Vertrauen in neue, noch nicht ausgereifte Technologien kann den Kampf gegen den Klimawandel bremsen. Genauso gefährlich wäre es aber, wissenschaftliche Errungenschaften außer Acht zu lassen, wenn sie tatsächlich einen Beitrag zur Eindämmung der Klimakatastrophe leisten können.

Wir haben uns mit Professor Tobias Pröll von der Universität für Bodenkultur Wien getroffen, um mit ihm über Carbon Capture (ein Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen) und Negative Emission Technologies (Ansätze zum Entnehmen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre) zu reden. Im ersten Teil des Interviews erklärt er, wie klassische und neuere Prozesse helfen können, industrielle CO2-Emissionen direkt beim Erzeuger zu verringern, wo das Sinn macht, welche Irrwege es gibt und was Politik und Wirtschaft in seinen Augen tun müssten, um den Anschluss an andere Länder nicht zu verpassen.

Celsius: Was ist Ihrer Meinung nach das wichtigste Anliegen bei dem Thema Carbon Capture und vergleichbare Technologien?

Tobias Pröll: Wichtig ist mir bei diesen Sachen immer, dass man den Zeithorizont betrachtet und dass man Dinge nicht vermischt. Ich leide darunter, dass in der öffentlichen Diskussion Dinge grob fahrlässig vermischt werden, zum Beispiel, wenn wir über Kohlendioxid-Abscheidung und Speicherung sprechen: Es ist ein Unterschied, ob man Kohlendioxid aus einem Industrieprozess, oder einem Kraftwerk abscheidet, oder aus der Umgebungsluft; wenn man das vermischt, dann tut man der ganzen Sache eventuell nichts Gutes.

Auch die Energie muss man immer mitdenken. Energie kann man nicht sehen, aber es ist natürlich nicht egal, ob ein Prozess sehr viel erneuerbare Energie, zum Beispiel Überschussstrom oder grünen Wasserstoff verbraucht oder nicht. In der Diskussion wird oft davon ausgegangen, grüner Wasserstoff wäre verfügbar, so als würden wir jetzt an Lösungen für 2050 arbeiten. Aber wir sind jetzt in einer fossilen Realität, wo wir uns global zu 80 % durch Kohle, Öl und Erdgas mit Energie versorgen. Und in dieser Realität muss man anders argumentieren als in einer Realität, wo wir vielleicht in 30 Jahren sein werden, wo man dann tatsächlich technisch verfügbare Überschüsse an erneuerbarer Energie zur Verfügung haben wird.

Celsius: Eine Sache, die wohl auch oft vermischt wird, bei Carbon Capture: Das hört sich so an, als würde man Kohlendioxid aus der Umgebungsluft herausfiltern, aber das ist nicht so. Also, was ist denn Carbon Capture eigentlich?

Tobias Pröll: Das klassische Carbon Capture and Storage (CCS) setzt so, wie es auch thermodynamisch vernünftig ist, dort an, wo bereits Kohlendioxid konzentriert vorliegt, also überall dort, wo wir klassischerweise die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas verwenden. Das passiert zu über 90 % zur Energiebereitstellung, auch in der Industrie. Dort entsteht CO2 im Abgas, wo die Konzentration um einen Faktor 100 bis 500 höher ist, als in der Umgebungsluft. Technisch ist es so: Je geringer die Konzentration in der Quelle ist, desto energieaufwendiger ist es, das herauszuholen.

Celsius: Genauso wie man sich vorstellen kann, bei der Gewinnung von Rohstoffen im Bergbau wird man auch da anfangen, wo eine besonders reiche Ader von diesem Rohstoff vorhanden ist.

Tobias Pröll: Richtig, und darum ist eben vor 20 Jahren begonnen worden davon zu sprechen bei Kraftwerken, aber auch bei Industrieprozessen, CO2 abzuscheiden. Auch vom IPCC gab es einen „Special Report On Carbon Capture and Storage“ im Jahr 2005[1]. Was die Abscheide-Technologie, den Transport des CO2 und die Lagerstätten betrifft, hat sich seit damals Vieles in der Substanz nicht verändert.

Celsius: Wie kann man sich diesen Prozess technisch vorstellen?

Tobias Pröll: Das Energieaufwändigste ist das Aufkonzentrieren von CO2 aus dem Abgasstrom. Der Transport hat dann hohe Anforderungen an die Reinheit dieses Kohlendioxids, da sollten keine korrosiven Stoffe dabei sein, zum Beispiel auch kein Wasser. 75% der Kosten vom CCS sind beim Capture, das ist natürlich nur wirtschaftlich bei großen Punktquellen wie Industriekombinaten oder Kohlekraftwerken, wobei letztere sich sehr einfach substituieren lassen. Die sollten wir gar nicht mehr betreiben.

Zur Frage nach den Technologien: Da gibt es verschiedene Ansätze. Die große Gruppe, die auch am weitesten fortgeschritten sind, sind die sogenannten Post-Combustion Capture Verfahren. Da wird aus dem Abgas CO2 selektiv herausgeholt und das passiert klassisch mit flüssigen Waschverfahren. CO2 reagiert sauer und wird von basischen Lösungsmitteln selektiv zurückgehalten – auf der anderen Seite wird mit Wasserdampf ausgekocht und dort erhält man dann ein Wasserdampf-CO2-Gemisch. Nach Kondensation des Wasserdampfs hat man reines CO2. Man sieht schon, man braucht für diesen Prozess zusätzliche Energie. Um in einem Kraftwerk zum Beispiel die gleiche Menge elektrische Energie zu produzieren, braucht man ungefähr 20 bis 25 % mehr Brennstoff.

Celsius: Und das heißt, es kommt auch am Ende 25% mehr CO2 heraus, das zwar jetzt nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern aufgefangen wird und dann muss man irgendetwas damit machen.

Tobias Pröll: Richtig. Und das ist auch ein wesentliches Argument, der Kritiker:innen der Technologie, dass das eigentlich in die falsche Richtung geht: Ich brauche dann noch mehr von dem fossilen Brennstoff um die gleiche Menge Nutzen zu erzielen. Es gibt da ein Kohlekraftwerk in Kanada, da ist eine große Anlage in Betrieb und man sieht das auch am Foto, wie riesig diese Waschanlagen sind, wo man schon erahnen kann, wie teuer das ist.

Celsius: Wie sieht es mit den anderen Verfahren aus?

Tobias Pröll: Es gibt noch andere Verfahren, die alle ihre Vor- und Nachteile haben und es ist nicht eindeutig, welche „besser“ sind. Es gibt Pre-Combustion Capture, da dekarbonisiert man den Brennstoff. Zum Beispiel kann aus Erdgas CO2 und Wasserstoff erzeugt und der Wasserstoff dann als Energieträger genutzt werden.

Ein dritter Ansatz wäre, Luft in Sauerstoff und Stickstoff aufzutrennen und dann mit reinem Sauerstoff zu verbrennen, da spricht man von Oxifuel Combustion. Dann muss man aber mit Sauerstoffüberschuss arbeiten und bekommt nie zu 100% reines CO2 heraus. Aber auch diese Oxifuel Technologien haben sich letztendlich bis heute nicht im kommerziellen Maßstab durchgesetzt.

Dann gibt es noch Emerging Technologies, an denen ich auch die letzten 15 Jahre mitforschen durfte. Das Ziel ist, den Energieaufwand deutlich zu verringern: Bei den bisher genannten Technologien muss man immer Gase von Gasen trennen, ob das jetzt CO2 aus dem Abgas ist, oder Sauerstoff aus der Luft. Das ist einfach viel Arbeit und wirkt sich auf den Energieverbrauch aus. Da gibt es interessante Technologien, wie Chemical Looping Combustion, wo man von Anfang an die Vermischung von Brennstoff und Luft vermeidet, und daher auch nicht entmischen muss. Dabei wird zum Beispiel ein Metall in einem Luftreaktor verbrannt, nimmt also Sauerstoff auf, gibt diesen im Brennstoffreaktor wieder ab und ermöglicht so, dass der Brennstoff zu CO2 und Wasserdampf oxidiert. In der Theorie ist das sehr schön, man hat keine sogenannte Energy-Penalty (keine zusätzliche Energie, die aufgebracht werden muss, um die gleiche Leistung zu erzielen, Anm.). An dem Prozess haben wir viel geforscht, es ist nicht so leicht, den Brennstoff vollständig zu oxidieren, wie wenn man das direkt mit Luft macht; sehr gut funktioniert dieser Luftreaktor, also das Rückoxidieren vom Metalloxid, dort wird auch die Wärme frei. Das wäre eine Emerging Technology, an der große Hoffnungen hängen.

Celsius: Jetzt haben all diese Prozesse gemeinsam, dass man dann am Ende reines oder fast reines CO2 hat, das irgendwie gelagert werden muss. Wie macht man das und wie stellt man sicher, dass dieses CO2 auch langfristig nicht entweicht?

Tobias Pröll: Es ist natürlich keine Option, das CO2 in großen Tanks zu lagern, sondern man müsste es in geologische Formationen verbringen, um es wirklich vom kurzfristigen Kohlenstoffkreislauf wegzusperren. Die muss man sich so vorstellen, wie die Öl- und Gaslagerstätten, wo das Erdgas auch herkommt. Weil das CO2 sauer ist, würde es mit dem Gestein, das sehr häufig basische Mineralien enthält, reagieren und wäre dann dort gebunden. Für solche Lagerstätten haben wir weltweit riesige Potentiale, allein unter dem Nordseegrund ungefähr in 1000 m Tiefe gibt es poröse Formationen, wo seit Ende der 1990er Jahre CO2 testweise eingebracht wird. Die Formation ist sehr gut untersucht, sie könnte für mehrere Jahrzehnte den gesamten europäischen CO2-Ausstoß aufnehmen, das ist off-shore, da gibt es keine Anrainer, die Bedenken haben müssten, dass dort das Grundwasser versauert wird oder dergleichen.

Celsius: Wie würde der Transport zu diesen Lagerstätten funktionieren?

Tobias Pröll: Das wäre auch in dem Bericht aus 2005 sehr schön drinnen: Es gibt sehr viel Erfahrung mit dem Transport von CO2 aus den USA, wo das CO2 zum Beispiel mit Pipelines über tausende Kilometer aus Texas nach Wyoming gebracht und dort für tertiäre Ölförderung verwendet wird. Das bräuchten wir nicht mehr entwickeln, es ist einfacher, CO2 zu transportieren, als Erdgas.

Auch das Pressen in die Lagerstätten ist übrigens für die Öl- und Gasindustrie Standard. Wir hatten schon in den 1980er Jahren ein Erdgasfeld in Österreich, wo das Erdgas bereits CO2 enthalten hat. Da hat man das CO2 abgetrennt und wieder in die gleiche Lagerstätte hineingebracht, um den Druck aufrecht zu erhalten. Irgendwann hat sich dann der CO2-Gehalt an dem Bohrloch so sehr erhöht, dass das Ganze nicht mehr wirtschaftlich war und dann hat man das verschlossen.

Celsius: Wie sehen Sie die Lage in Österreich, was die Verbreitung dieser Technologien angeht?

Tobias Pröll: Wenn Sie mich nach CCS fragen, dann ist Österreich nach wie vor im Dornröschenschlaf. Es wurde 2011 die Lagerung von CO2 verboten, aufgrund von Sicherheitsbedenken der Bevölkerung, was als politische Entscheidung nachvollziehbar ist. In Österreich wird stark das Thema Kohlendioxidabscheidung und Weiterverwendung gepusht, also Carbon Capture and Utilization (CCU). Da muss man aber immer überlegen, ob sich der hohe Aufwand für die Abscheidung lohnt. Wenn man diesen Aufwand betreibt und das CO2 weiterverwendet, indem man es in ein kurzlebiges Produkt umwandelt, zum Beispiel in Harnstoffdünger, der auf dem Feld eine Halbwertszeit von wenigen Tagen hat, dann ist das CO2 erst recht wieder in der Atmosphäre. Wenn das der Effekt ist, man aber das Zertifikat gutgeschrieben bekäme, für so eine Maßnahme, dann wäre das Greenwashing.

CCU ist aus meiner Sicht sehr mit Vorsicht zu genießen. Es ist auch ein Versuch, die gesamte Forschung in dem Bereich und das Interesse der Industrie nicht abzuwürgen, aber gleichzeitig das politische Problem der Lagerung zu umschiffen. Die Hoffnung ist, dass trotzdem technologische Entwicklungen möglich sind, die dann auch für wahrscheinlich klimarelevantere CCS von Nutzen sind. Das heißt politisch ist es in Österreich derzeit so: CCS wird herumgereicht, wie eine heiße Kartoffel; CCU wird derzeit breit ausgerollt.

Celsius: Was müsste oder könnte Ihrer Meinung nach die Politik tun, damit es ein Umdenken in Bezug auf das CCS gibt?

Tobias Pröll: Ich hielte es für dringend angeraten, Möglichkeiten zu untersuchen und Infrastruktur aufzubauen, um CO2 von Standorten in Österreich zu europäischen CO2-Entsorgungszentren zu bekommen. Die entstehen gerade in Hamburg, in niederländischen Häfen oder entlang der norwegischen Küste und so weiter. Wenn die EU uns dazu zwingt, zu dekarbonisieren, dann wäre es für die österreichische Industrie wahrscheinlich gut, wenn es Infrastruktur gäbe, das CO2 auch wirklich loszuwerden. Sonst können sie natürlich auch zusperren und wir machen Stahl und Zement nur noch an der Küste, wo wir mit den Schiffen zu den Lagerstätten kommen. Ich denke, auch unsere Industrie wäre gut beraten, in diese Richtung zumindest Konzepte auszuarbeiten. Was passiert, wenn die EU hier die Schrauben anzieht, und wenn es wirklich einmal für dekarbonisierte Produkte einen Marktvorteil gibt? Dann haben die Nordseeanrainer einen Standortvorteil – und das wird zum Nachteil für die anderen. Das wird aber notwendig sein, wenn wir uns irgendwie in Richtung Klimaneutralität hinbewegen wollen.

Aufgrund der Länge erscheint dieses Interview in zwei Teilen. Im zweiten Teil wird es um das Potential von Carbon Capture and Storage-Systemen, zur Bekämpfung der Klimakatastrophe beizutragen gehen, um Negative Emission Technologies, und um die Frage, ob es sinnvoll ist, CO2 direkt aus der Luft zu filtern, laut IPCC eine der möglichen solchen Technologien.

Prof. Tobias Pröll ist Professor für Energietechnik und Energiemanagement an der Universität für Bodenkultur Wien und forscht unter anderem am Thema Negative Emission Technologies. Er ist Fachgutachter in zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften, Mitglied des Scientific Committees der International Conference on Negative Emissions und Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für innovative Computerwissenschaften, sowie des IEAGHG Networks on High Temperature Solid Looping Cycles.


[1] https://www.researchgate.net/publication/239877190_IPCC_Special_Report_on_Carbon_dioxide_Capture_and_Storage

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Ein konkreter Vorschlag zur Erfassung militärischer Emissionen
von Martin Auer

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Militärs gehören zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Bis zu fünf Prozent, in Kriegsjahren sechs Prozent aller Emissionen weltweit gehen auf ihre Rechnung.  Doch Militärs können ihre Emissionen nicht reduzieren, wenn sie sie nicht messen. Da ihnen lange Zeit keine Reduktionsziele vorgegeben waren, hinkt ihre Fähigkeit, den Überblick über ihre Emissionen zu wahren, hinter anderen Sektoren hinterher. Das Forschungsinstitut Conflict and Environment Observatory (CEOBS) hat daher ein Rahmenkonzept[1] für die Meldung von militärischen Emissionen im Rahmen der UNFCCC[2] ausgearbeitet. Das CEOBS arbeitet mit Harvard Law School, King’s College London, den Universitäten von Edinburgh und Leeds und verschiedenen NGOs zusammen. Es wurde 2018 mit dem Ziel gegründet, das Bewusstsein für die Umweltfolgen von Konflikten und militärischen Aktivitäten und für die humanitären Folgen, die sich daraus ergeben, zu fördern.

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1 Prozent der Weltbevölkerung verursacht 50 Prozent der CO2-Emissionen durch Flugverkehr

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Gössling, Stefan, & Humpe, Andreas. (2020). The global scale, distribution and growth of aviation: Implications for climate change. Global Environmental Change, 65, 102194. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2020.102194

Fliegen ist eine der Energie-intensivsten Konsum-Formen, stellen die Studienautoren fest. Laut IATA 1 fliegt der „Durchschnittsbürger“ einmal alle 22 Monate. Dieser Durchschnitt sagt nicht viel aus, wenn man bedenkt, dass mehr als 80 Prozent der Bevölkerung noch nie ein Flugzeug bestiegen haben und in einem Jahr nur 11 Prozent fliegen. Von diesen nehmen höchstens 4 Prozent der Weltbevölkerung internationale Flüge in Anspruch. Und 1 Prozent der Weltbevölkerung ist für 50 Prozent der CO2-Emissionen durch Flugverkehr verantwortlich.

Generell sind die Pro-Kopf-Emissionen auf der Welt höchst ungleich verteilt: 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen 45 Prozent der gesamten Emissionen, die untersten 50 Prozent tragen nur 13 Prozent bei. In der EU sind 1 Prozent der Bevölkerung für 27 Prozent der Emissionen verantwortlich, mit einem Pro-Kopf-Ausstoß von 55 Tonnen CO2e 2.

Im Kreis derer, die besonders viel CO2 verursachen, ist Flugverkehr die Konsumkategorie mit den höchsten Emissionen. Flugreisende sind überproportional wohlhabend. So ist zum Beispiel der Besitz von mehreren Wohnungen oder Häusern – womöglich in verschiedenen Ländern oder auf verschiedenen Kontinenten – ein Grund für häufiges Fliegen. Wer Business-Class fliegt, also einen größeren Teil des Flugzeugs für sich beansprucht, verursacht auch mehr Emissionen. Rund 70 Prozent aller Geschäftsreisen sind laut World Bank Business-Class (dreifache Emissionen) oder First Class (neunfache Emissionen). First Class Suite wird auf das Fünfzehnfache an Emissionen im Vergleich zu Economy geschätzt.

Doch die höchste Energie-Intensität haben Privatflugzeuge, da sie noch weniger Personen pro Energieeinheit transportieren. Schätzungen sagen, dass Privatflugzeuge bis zu 1.500 Tonnen CO2 pro Besitzer*in und Jahr verursachen.

Auch in Ländern mit hohem Durchschnitteinkommen fliegt nur eine Minderheit, z. B. 47 Prozent in den USA und 35 Prozent in Deutschland.

In einem Jahr besteigen 53 % der erwachsenen Bevölkerung der USA kein Flugzeug. 35 Prozent buchen 1 bis 5 Flüge pro Jahr. 12 Prozent buchen 6 oder mehr Flüge.
Quelle: Gössling, Stefan, & Humpe, Andreas. (2020). The global scale, distribution and growth of aviation: Implications for climate change. Global Environmental Change, 65, 102194. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2020.102194

Die Autoren der Studie kritisieren, dass der internationale Flugverkehr sowohl im Kyoto-Protokoll als auch im Pariser Abkommen aus der Berichtspflicht der Länder ausgenommen wurde. Ebenso halten sie fest, dass die beiden Abkommen sich nur auf langlebige Treibhausgase beziehen, aber den Strahlungsantrieb 3 durch Stickoxide und Wasserdampf (Kondensstreifen), der beim Flugbetrieb entsteht, außer acht lassen. Dieser Beitrag ist aber vergleichbar oder noch größer als der durch CO2 alleine, je nach Schätzung bis zu doppelt so hoch.

Die Autoren schließen, dass die gegenwärtige Klimapolitik in Bezug auf den Flugverkehr unzureichend ist. Sie fordern starke regulierende Eingriffe. Da eine geringe Zahl von sehr wohlhabenden Konsument*innen für den Großteil der Flugreisen verantwortlich ist, würden sich mäßige Preiserhöhungen kaum auswirken. Würde man dagegen die Flugaktivität des einen Prozent mit den meisten Flügen halbieren, so würde das die Emissionen aus dem kommerziellen Passagiertransport um über 25 Prozent senken.

Die Studie ist unter einer Creative Commons Lizenz allgemein zugänglich.

Foto: Hush Hush (CC BY 2.0)


1 International Air Transport Association

2 CO2-Äquivalent: Die Wirkung der Treibhausgase wird umgerechnet auf die Wirkung von CO2 und zusammengezählt.

3 Maß für die Änderung der Energiebilanz der Erde durch Änderung der Wirkung der Strahlung aus dem Weltraum, gemessen in Watt pro quadratmeter

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