Wie gut kümmert sich Österreichs Politik um die Biodiversität?

Lesedauer 3 Minuten.   

Der Natur in Österreich geht es nicht gut. Die Hälfte aller Amphibien- und Libellenarten ist vom Aussterben bedroht1, die Anzahl der Vögel in der Kulturlandschaft ist drastisch zurückgegangen2, die Mehrzahl der schützenswerten Lebensräume ist in keinem guten Zustand3. Und es ist keine Frage, dass wir Menschen von einer intakten Natur abhängen – so nennt das World Economic Forum in seinem Global Risk Report den Biodiversitätsverlust als zweitgrößtes globales Risiko für die nächsten 10 Jahre4. Es sollte also klar sein, dass Österreich sich um seine Biodiversität kümmern muss. Aber passiert das auch? Das bewertet der Österreichische Biodiversitätsrat, ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, jährlich in seinem Barometer der Biodiversitätspolitik.

Das neueste Barometer wurde Ende Februar im Rahmen der „Tage der Biodiversität“ an der BOKU in Wien präsentiert. Das Ergebnis: Wenig beeindruckend. Insgesamt wurden 23 Forderungen, zusammengefasst unter fünf Kernforderungen, analysiert – darunter sind nur zwei mit „gut“ (grün) und fünf mit „verbesserungsbedürftig“ (gelb) bewertet (s. Abbildung unten). Der Rest ist rot, also schlecht. Und bei den meisten Themen ist nicht einmal ein Aufwärtstrend zu beobachten. Der Biodiversitätsrat appelliert deshalb dringend an die kommende Regierung und die Bundesländer, den Biodiversitätsverlust ernsthaft und mithilfe wissenschaftlicher Expertise in Angriff zu nehmen.

Finanzierung

Wenig überraschend ist die Finanzierung des Naturschutzes ein zentrales Thema. Der Biodiversitätsrat lobt zwar den Biodiversitätsfond des Umweltministeriums, der zur Förderung von verschiedensten Projekten errichtet wurde – eine zentrale Forderung ist allerdings seine deutliche Erhöhung von gegenwärtig 80 Millionen auf eine Milliarde Euro.

Nationale und internationale Strategien und Abkommen

In den letzten Jahren ist Österreich mehrere internationale Verpflichtungen zum Naturschutz eingegangen. So ist Österreich Teil des Kunming-Montreal-Biodiversitätsabkommens, das unter anderem festlegt, dass bis 2030 weltweit 30% der Landflächen geschützt werden müssen. Und im letzten Jahr wurde das EU-Renaturierungsgesetz beschlossen. Der Biodiversitätsrat sieht besonders Letzteres als wichtigen positiven Schritt. Auch die nationale Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ wird lobend erwähnt, gerade, weil sie unter deutlicher Einbeziehung verschiedener Stakeholder erarbeitet wurde – der Ausbau partizipativer Prozesse zur Beteiligung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft an politischen Entscheidungen erhält sogar eine Bewertung mit „Grün“.

Allerdings müssen diese nationalen und internationalen Strategien und Abkommen eben auch umgesetzt werden, wie der Biodiversitätsrat betont. Selbst die Ziele der seit 1992 bestehenden Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie werden bis jetzt nicht erreicht – mehr als 80 % der zu schützenden Arten und Lebensräume sind in einem mangelhaften Zustand. Es müssen mehr Schutzgebiete ausgewiesen werden; der Flächenanteil streng geschützter Gebiete müsste verdreifacht werden, um die angestrebten 10% der Fläche zu erreichen. Für die Umsetzung des Renaturierungsgesetzes braucht es dringend eine Arbeitsgruppe, die alle wichtigen Stakeholder und wissenschaftliche Beratung einschließt. Positive Schritte in Richtung Renaturierung: Das kürzlich gestartete Moor-Renaturierungsprojekt AMooRe5 und Analysen, die zeigen, wo Barrieren aus Flüssen entfernt werden könnten6.

Landnutzung

Eine Kernforderung befasst sich mit der Landnutzung in Österreich – wird diese biodiversitätsfördernd gesteuert? Nein, hier wurden sämtliche Punkte mit Rot bewertet. Der Biodiversitätsrat betont, dass nicht nur ein Netzwerk von Schutzgebieten notwendig ist, sondern auch Maßnahmen außerhalb von diesen – z.B. in der Agrarlandschaft und in Siedlungsräumen. Hier braucht es strategische Planung, eine Begrenzung des Bodenverbrauchs, und mehr extensiv genutzte Agrarflächen. Die biodiversitätsfördernden Maßnahmen im Agrarumweltprogramm ÖPUL werden zwar grundsätzlich positiv erwähnt, auch hier seien aber deutlich mehr Gelder bereitzustellen.

Naturverträgliche Gesellschaft

Österreichs Gesellschaft muss naturverträglich werden, so der Biodiversitätsrat. Dazu gehört z.B. eine sozialökologische Steuerreform, deren erste Schritte der Biodiversitätsrat begrüßt. Eine wichtige, bisher unerfüllte Forderung ist die nach einem Bundesrahmennaturschutzgesetz. Bislang liegen die Zuständigkeiten im Naturschutz weitgehend bei den Bundesländern. Ein neues Gesetz würde den Bund stärken und die internationale Zusammenarbeit vereinfachen. Zudem fordert der Biodiversitätsrat einen „Biodiversitäts-Check“ für Investitionen und Subventionen, der Auswirkungen auf die Natur quantifiziert – auch dieser fehlt bislang. Die Existenz eines eigenständigen Umweltministeriums dagegen wird positiv bewertet und erhält das zweite „Grün“ im Barometer. Hier stehen die Aussichten für die nächste Evaluierung allerdings schlecht, denn die neue Regierung ordnet Umwelt und Klima dem Landwirtschaftsministerium zu.

Werte und Bildung

Die für einen Wandel zur naturverträglichen Gesellschaft notwendige Wertedebatte bleibt bisher weitgehend aus. Die Natur ist nicht nur unsere Lebensgrundlage, sondern hat auch psychologischen, kulturellen und intrinsischen Wert. Dies wird weder ausreichend thematisiert noch in politische Entscheidungen einbezogen. Direkt damit im Zusammenhang steht die mangelhafte Bildung im Bereich der Biodiversität: Lehrer*innen erhalten keine ausreichende Ausbildung zu Naturthemen, viele Kinder haben wenig Kontakt zur Natur, und an den Universitäten nimmt die Artenkenntnis ab. Hier fordert der Biodiversitätsrat neben einer Stärkung der Biodiversitätsforschung, auch im Grundlagenbereich, eine umfassende Bildungsinitiative.

Nun liegt es an der Politik, die Alarmsignale ernst zu nehmen und sich für ein „grüneres“ Barometer in einem Jahr einzusetzen. Im neuen Regierungsprogramm7 werden Biodiversitätsfonds, Bodenschutz und die Umsetzung des Renaturierungsgesetzes zwar genannt, aber schlussendlich wird die Politik an ihren Taten, nicht ihren Worten gemessen werden.

Weitere Informationen: https://www.biodiversityaustria.at/biodiversitatsrat-poitische-verantwortung/

1 https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/naturschutz/rotelisten/rote-listen-tiergruppen

2 https://www.birdlife.at/vogelschutz/forschung-und-monitoring/monitoring-der-brutvoegel-oesterreichs/

3 https://www.eea.europa.eu/en/analysis/publications/state-of-nature-in-the-eu-2020

4 https://www.weforum.org/publications/global-risks-report-2025/digest/

5 https://life-amoore.at/

6 https://info.bml.gv.at/themen/wasser/gewaesserbewirtschaftung/fachliche-grundlagen/free-flowing-rivers.html, https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2024/10/Potenzial-fuer-die-Wiederherstellung-frei-fliessender-Fluesse-in-Oesterreich.pdf

7 https://www.spoe.at/wp-content/uploads/2025/02/Regierungsprogramm_2025.pdf

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