Bei dieser Veranstaltung im Kepler Salon gibt Mirko Javurek von Scientists for Future OÖ einen Überblick über die Klimakatastrophe: Wo stehen wir, was erwartet uns? Sind die von manchen als „apokalyptisch“ bezeichneten Visionen der Klimaprotestbewegung Schwarzmalerei oder wissenschaftlich fundiert?
Professor Rosenberger schildert als Moraltheologe seine Überlegungen zur Legitimität von Protesten im Bereich des zivilen Ungehorsam.
Louise, Aktivistin bei der „Letzten Generation“, erklärt aus ihrer Sicht, warum sie diese Art des Protests gewählt hat, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen.
Videoaufzeichnung der Vorträge und der Diskussion:
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Wie wirkt sich der Klimawandel in Oberösterreich aus, wie wird sich die Natur und das Leben der Menschen verändern? Wird genug zum Klimaschutz getan? Mit diesen Fragen kam Redakteurin Sarah Kowatschek von den Oberösterreichsichen Nachrichten auf die Scienitist For Future OÖ zu. Herausgekommen ist ein Artikel und Video-Interview mit Martin Hoffmann und Mirko Javurek.
Klimawandel in Oberösterreich: „Es geht fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“
LINZ. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Oberösterreich? Experten gehen davon aus, dass Temperaturen ansteigen, Schädlinge sich ausbreiten und extreme Wetterereignisse häufiger werden.
Vergangene Woche wurde die Klimastrategie für das Land Oberösterreich im Landtag beschlossen. Die Klimaallianz Oberösterreich stellt ein schlechtes Zeugnis aus: „Leider ist das Dokument eine riesige Enttäuschung“, fasst die Allianz nach einer Schnellprüfung der 160 Seiten langen Strategie zusammen. „An keiner Stelle wird das Papier auch nur annähernd dem Anspruch gerecht, eine Anleitung zu sein, wie die Klimaziele 2030 bzw. 2040 erreicht werden können.“ In der Klima-Allianz Oberösterreich haben sich verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen, die sich für einen Klimaschutzplan des Landes einsetzen – Fridays For Future Linz etwa, aber auch Radlobby Oberösterreich und Scientists for Future sind Teil davon.
„Damit machen wir in Oberösterreich, was machbar ist und setzen unseren Weg der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes fort“, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer zur Klimastrategie. Und, dass diese „umfassend und realistisch“ sei. Dem können sich Mirko Javurek und Martin Hoffmann, beide Mitglieder von Scientists for Future, nicht ganz anschließen: „Realistisch wird sie schon sein. Aber die Frage ist, zu welchen Zielen. Die Pariser Klimaziele werden damit nicht erreicht werden.“ Für Hoffmann ist Klimawandel ein soziales Problem: Der Überkonsum sei ein Hauptgrund für den Klimawandel.
Um jährlich 7 % bezogen auf das Ausgangsniveau müssen die Treibhausgase jährlich gesenkt werden
Im vergangenen Jahr sind die Emissionen in Oberösterreich um etwa sechs Prozent gestiegen. Das zeigt eine Prognose, die im November von Umweltlandesrat Stefan Kaineder veröffentlicht wurde. „Im Laufe des Jahres wird das noch genauer ermittelt“, sagt Javurek. Der Anstieg sei „eine Katastrophe“. Das Ziel ist, bis 2030 die Emissionen gegenüber dem Jahr 2005 um die Hälfte zu reduzieren. Dadurch, dass sich in den vergangenen Jahren wegen Corona fast nichts getan hätte, müsse die Reduktion der Emissionen in den verbleibenden Jahren nun schneller voran gehen. Um sieben Prozent müssten die Emissionen jährlich sinken, um bis 2040 klimaneutral zu werden. „Es geht also fast zu 100 Prozent in die falsche Richtung“, sagt der Mechatroniker, der sich für die Umwelt engagiert.
Trauriger Rekord in Oberösterreich
Im bisher wärmsten Jahr der Messgeschichte, im Jahr 2018, war die Durchschnittstemperatur in Oberösterreich um 2,1 Grad Celsius höher als im langjährigen Mittel. In keinem anderen Bundesland war dieser Wert höher. Auch von Trockenheit und Dürre war Oberösterreich am meisten betroffen. Im Flächenmittel fiel um 20 Prozent weniger Niederschlag. Das zeigen Berechnungen der damaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG, heute GeoSphere Austria).
Extreme Wetterereignisse werden sich in Zukunft häufen – eine Zunahme an Trockenheit und Hitzeperioden wird sowohl der Tier- als auch der Pflanzenwelt und den Menschen zusetzen. Das geht aus dem Klimaschutzbericht 2022 des Umweltbundesamtes hervor. Auch Unwetter mit hohem Niederschlag werden sich häufen – diese führen zu Rutschungen, Muren und Steinschlag. Ökonomische Folgen des Klimawandels betreffen alle Sektoren, wie den Tourismus, die Land-, Forst- und Energiewirtschaft und das Gesundheitswesen, heißt es in dem Bericht.
Schädlinge breiten sich aus
„Kontinentale Regionen werden wärmer als der globale Durchschnitt“, sagt Hoffmann. Durch den Temperaturanstieg fühlen sich Schädlinge wie der Borkenkäfer zunehmend wohler in den heimischen Wäldern. „Dementsprechend muss viel Schadholz geschlagen werden. Dadurch erhöht sich einerseits die Gefahr für Waldbrände, andererseits steigt auch der CO2-Ausstoß aus den Bodenflächen“, sagt Javurek. Der Kobernaußerwald etwa, einer der größten zusammenhängenden Wälder in Mitteleuropa, leidet bereits stark unter dem Klimawandel.
Auch der Wintertourismus steht vor einem Problem: „Der Schneemangel, den wir jetzt gerade erleben, wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen“, sagt Javurek. Es gebe viele Skigebiete, in denen Talabfahrten in den kommenden Jahren immer seltener möglich sein werden. Andere würden so niedrig liegen, dass der Skibetrieb über kurz oder lang eingestellt werden müsse.
Zwischen Dürren und Überschwemmungen
In der Landwirtschaft muss aufgrund der Extremwetterereignisse wie Dürre, Überschwemmungen, Hagel und Frost mit massiven Ernteausfällen gerechnet werden, sagt Javurek. Auch für die Fischbestände bedeutet der Klimawandel nichts Gutes: Im Granit- und Gneisgebiet der Böhmischen Masse etwa konnten Wassertemperaturanstiege von durchschnittlich 1,4 Grad Celsius gemessen werden. „Das hört sich nach nicht viel an, aber biologisch gesehen ist das eine ziemliche Katastrophe. Wenn man es beispielsweise mit der Körpertemperatur vergleicht: Mit plus 1,4 Grad Celsius hat man Fieber.“ Fische werden also aufgrund der steigenden Temperaturen gezwungen sein, in kühlere Gewässer zu ziehen. Das geht aus einer Studie des Bundesamts für Wasserwirtschaft hervor.
Auch Gletscher sind von den steigenden Temperaturen betroffen. Im vergangenen Jahr schmolzen die Gletscher zwei bis vier Mal schneller als im langjährigen Durchschnitt. Das zeigten Messungen der ZAMG. Der Alpenraum wird sich laut Berechnungen von Klimamodellen auch in Zukunft stärker als im globalen Mittel erwärmen. „Flüsse sind wesentlich von Gletschern versorgt“, sagt Hoffmann. Haben die Flüsse nicht mehr den Wasserstand, hat das Auswirkungen auf die Wasserkraftwerke. „Oberösterreich bezieht einen Großteil seiner erneuerbaren Energien aus den Donaukraftwerken“, ergänzt Javurek. Diese könnten vor allem im Sommer, wenn der Wasserstand zu stark schwanke, keine konstanten Leistungen erbringen. Das würde zu längeren Einbrüchen in der Stromerzeugung führen. Gleichzeitig würde Flexibilität verloren gehen, die bei normalem Wasserstand gegeben ist. „Man braucht dann mehr Strom aus anderen Energiequellen. Und das ist derzeit oft fossiler oder Atomstrom.“ So würde auch das Risiko steigen, dass das Stromnetz zusammenbreche und es zu einem Black-Out komme, sagt der Mechatroniker.
Drei Windräder pro Monat wären nötig
„Insofern ist es völlig unverständlich, warum das Land Oberösterreich die Windkraftplanung auslässt. Oberösterreich zählt zu den drei Bundesländern, die sich noch keine Ziele gesetzt haben, wie die Windkraft ausgebaut werden soll“, sagt Javurek. In der neuen Klimastrategie sei zwar vorgesehen, dass bestehende Windkraftanlagen erneuert und ausgebaut werden. „Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Um bis 2030 das Ziel zu erreichen, dass 100 Prozent des benötigten Stroms aus Erneuerbaren Energien kommt, müssten monatlich mindestens drei Windräder gebaut werden.
Javurek vergleicht den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen das Gewicht. „Wenn ich weiß, dass ich innerhalb einer gewissen Zeit ein gewisses Gewicht abnehmen möchte, muss ich einen Plan haben und Monitoring betreiben, damit ich das Ziel erreiche. Genau so etwas passiert im Hinblick auf den Klimawandel gerade weder in Oberösterreich noch auf Bundesebene“, sagt der Wissenschaftler.
Die Bewältigung der Klimakrise stellt eine noch nie dagewesene Herausforderung an die Menschheit dar, die nur mit wissenschaftlicher Unterstützung erfolgen kann. Gleichzeitig erfordert die Bewältigung einen globalen und grundlegenden Wandel des Lebensstils, der von allen ErdbewohnerInnen mitgetragen werden muss. Nach einem Überblick über die Grundlagen des Klimawandels (Ursachen und Wirkungen, bisherige Entwicklung, Zukunftsszenarien, verbleibendes CO2 Budget) geht es daher im Vortrag von Mirko Javurek von Scientists For Future Oberösterreich um den individuellen Beitrag der Menschen in Österreich zum Klimawandel, und welche Möglichkeiten es gibt, diesen Beitrag zu reduzieren. Die Systematik der Kombination der drei Strategien Suffizienz, Effizienz und Nachhaltigkeit wird auf die Bereiche Wohnen, Mobilität, Ernährung, Stromverbrauch und Konsum angewandt und anhand von Beispielen erklärt.
Weihnachten steht an. Und wir freuen uns auf eine besinnliche Zeit, Familie, Geschenke und natürlich den Weihnachts-Schmaus. Ob Würstelsuppe, Schweinsbraten oder Weihnachtsgans, die meisten Familien haben eine eigenen, speziellen Speiseplan in den Feiertagen. Und eines fehlt da in den seltesten Fällen: Fleisch. Aber war da nicht irgendwas mit Fleisch und Klimaschutz? In der Klimakrise stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Können wir uns da den Weihnachtsbraten überhaupt noch erlauben? Warum ist das mit dem Fleisch überhaupt so ein Problem und vor allem: Wie können wir es schaffen, über das Reizthema „Fleisch“ zu reden, ohne gleich den traditionellen Weihnachts-Familienkrach auszulösen? Über diese und andere Fragen rund ums Fleisch sprechen wir in unserem Talk for Future.
1.700 österreichische Wissenschafter*innen engagieren sich bei „Scientists for Future“ überinstitutionell, überparteilich und interdisziplinär für Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung. Sie unterstützen die Anliegen von „Fridays for Future“. Die Zeit drängt. Entschlossenes und unverzügliches Handeln ist dringend notwendig. In wissenschaftlich fundierter und verständlicher Form bringen sie aktiv den aktuellen Stand der Wissenschaft in die gesellschaftliche Debatte ein. Benedikt Weingartner spricht mit drei Mitgliedern, nämlich Markus Palzer-Khomenko (Koordinator der „Scientists for Future“ in Wien, NÖ & Burgenland), Martin Hasenhündl (Universitätsassistent am Institut für Wasserbau & Ingenieurhydrologie der TU Wien) und René Sedmik (Universitätsassistent für Neutronen- und Quantenphysik am Atominstitut der TU Wien).
Am Podium: Univ. Prof. Dr. Verena Winiwarter – Universität für Bodenkultur – Zentrum für Umweltgeschichte, Univ. Prof. Dr. Harald Rieder – Universität für Bodenkultur – Institut für Meteorologie und Klimatologie, Univ. Prof. Dr. Gottfried Kirchengast – Universität Graz – Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Dr. Renate Christ – langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats (IPCC), Dr. Daniel Huppmann – International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) – Mitautor des IPCC Sonderberichts 1,5°C. Und Lara Leik, Vernetzungsbeauftragte der Uni Salzburg für Scientists for Future. Moderation: Martin Auer
Prof. Kirchengast legte die neuesten Berechnungen des Wegener-Centers vor, wonach die Emissionen Österreichs 2021 wieder über das Vor-Corona-Niveau gestiegen sind. Das dringend notwendige Klimaschutzgesetz wird politisch nur hin- und hergeschoben: „Hier ist die ganze Regierung gefordert, dieses Klimakabinett zu bilden“. Fossile Ressourcen in der Mobilität und in der Industrieproduktion werden immer noch gefördert. „Hier möchte ich wirklich ganz harte Kritik üben“, sagte Kirchengast: „Da kann man nicht die Konsumentinnen und Konsumenten um bessere Lebensstile ersuchen. Für diese Rahmensetzungen ist einfach unsere Regierung in die Verantwortung zu nehmen.“
Professorin Verena Winiwarter von der Universität für Bodenkultur zeigte auf, dass die ökologische und soziale Steuerreform dringend notwendig ist, und zwar mit einem Preis von nicht unter 100 Euro pro Tonne CO2 ab dem Jahr 2022. Das sei das Mindeste, was man sich von einem Klimaschutzgesetz erwarten könne. Eine größere Veränderung „geht nicht nur über Lebensstiländerungen“, sagte Winiwarter. Es ist inzwischen unzweifelhaft, dass der Klimawandel menschengemacht ist, erklärte Winiwarter: „Der Zweifel ist keine wissenschaftlich haltbare Position mehr.“ Sogar die Tiefsee heizt sich auf.
Dr. Daniel Huppmann vom vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) erklärte, dass die Termeperaturerhöhung in Österreich auf Grund unserer geographischen Lage doppelt so hoch ausfällt wie im globalen Durchschnitt. Wenn wir auf eine globale Temperaturerhöhung von 2,7 Grad zusteuern, kann das für Österreich eine Erhöhung von 5 Grad oder mehr bedeuten.
Denn bisher sind wir vom Pariser Ziel der Begrenzung auf 1,5 Grad noch weit entfernt. Dr. Renate Christ, langjährige Leiterin des Sekretariats des IPCC, berichtete: Selbst wenn die Staaten ihren eigenen Verpflichtungen aus Klimaabkommen zum Senken des CO2-Ausstoßes nachkommen, landen wir eher bei einem Plus von knapp unter oder über drei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts.
Ist es die Aufgabe der Wissenschaft, auf die Straße zu gehen? Daniel Huppmann erklärte dazu: Es ist nicht Aufgabe oder Selbstverständnis der Wissenschaft, explizite Handlungsempfehlungen an Politik und Gesellschaft zu geben. Es ist aber sehr wohl die Aufgabe der Wissenschaft, alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Abwägungen zu quantifizieren, und die möglichen Auswirkungen verschiedener Maßnahmen (oder des bewussten Unterlassens von Maßnahmen) zu untersuchen. Die Wissenschaft kann und muss aufzeigen, dass die konkreten Maßnahmen der Regierung mit den selbstgesteckten Zielen der Klimaneutralität bis 2040 nicht übereinstimmen.
Lara Leik, Vernetzungsbeauftragte der Universität Salzburg für S4F, machte deutlich: Die Wissenschaft hat die Pflicht, voranzugehen.
Philipp Steininger – Fridays for Future Mag. Lukas Hammer – Abgeordneter zum Nationalrat, die Grünen Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl – Institute of Ecological Economics, Wirtschaftsuniversität Wien Dr. René Sedmik – Atominstitut, Technische Universität Wien Dr. Fabian Schipfer – Energy Economics Group, Technische Universität Wien
Moderation: Philip Pramer – Ressortleiter „Edition Zukunft“, Der Standard Begrüßung: Markus Palzer-Khomenko MSc. Technische Abwicklung: Dr. Martin Hoffmann
"(Irr-)Wege aus der Klimakrise" | Talks for Future vom 1.7.2021
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Der Hintergrund
Der ursprüngliche Anlass für diese Diskussion war, dass die Wirtschaftskammer Oberösterreich propagiert, Ölheizungen und Verbrennungsmotoren könnten angesichts der Klimakrise doch beibehalten werden, da über kurz oder lang synthetische Brennstoffe die fossilen ersetzen würden. Scientists for Future haben sich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und dazu auch eine Stellungnahme veröffentlicht. In dieser Diskussionsrunde sollte die Frage nach den Versprechungen, die uns neue Technologien machen, etwas breiter gefasst werde. Leider hat, wie Markus Palzer von S4F einleitend sagt, die Wirtschaftskammer die Einladung zur Diskussion nicht angenommen.
Wir fassen hier die wichtigsten Aussagen und Diskussionbeiträge zusammen.
Die Eingangsstatements
Lukas Hammer von den Grünen: Die Technologien für die Energiewende sind bereits vorhanden. Wir dürfen nicht auf etwas hoffen, dass es noch nicht gibt. Er spricht sich für echte Technologieoffenheit aus und nennt als Beispiel, dass Wasserstoff als Antrieb für Autos nicht sinnvoll sei, aber sehr wohl beim Einsatz in der Stahlproduktion.
Stefan Gara von den Neos ist Physiker und hat sich schon immer mit Photovoltaik auseinandergesetzt: Die vorhandenen Technologien sind jetzt schon wirtschaftlich und es braucht eine intelligente Vernetzung der Energiesystem. Die Diskussion darüber, wann wir Klimaneutralität erreichen wollen, ist schon obsolet. Wir brauchen einen klaren Ausstiegspfad, und das muss sich im Budget widerspiegeln. Allein in Wien müssen in den nächsten 20 Jahren 24.000 Gasheizungen getauscht werden.
Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien: Die Veränderung der Wirtschaft erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise. Die ökologische Ökonomie fragt: Was sind eigentlich die Ziele des Wirtschaftens? Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts? Die Erhaltung der Arbeitsplätze? Oder das Wohlbefinden der Bevölkerung und die Beseitigung von sozialer Ungleichheit? Die Ziele der Wirtschaft müssen nicht nur eine, sondern mehrere Dimensionen haben.
René Sedmik ist Physiker und befasst sich beruflich am Atominstitut mit Theorien zu dunkler Materie und dunkler Energie. Für S4F beschäftigt er sich auch mit den aktuellen Energiesystemen: Zur Bewältigung der Klimakrise brauchen wir einen klaren Plan. Zwar werden wir in Zukunft auch CO2 aus der Atmosphäre zurückholen müssen, doch müssen wir jetzt vor allem mit der CO2-Vermeidung beginnen, denn dies ist der schnellere und einfachere Weg. Allerdings ist das Hintergrundwissen dazu in der Bevölkerung immer noch nicht weit verbreitet. Viele denken, ihr eigener Einfluss wäre unwirksam. Doch jede und jeder Einzelne kann wirksam beitragen, zum Beispiel beim Thema Heizen. Allein eine gute thermische Isolation könnte 70% Heizkosten und damit auch CO2 einsparen.
Fabian Schipfer von S4F forscht beruflich an Energiesystemmodellen. Bei S4F leitet er die Arbeitsgruppe Faktencheck: Wir haben noch einigen Raum für Innovationen, und zwar nicht nur technische, sondern auch organisatorische und soziale Innovationen. Die Gesellschaft muss an den Entscheidungen Anteil haben, und besonders dezentrale Lösungen haben da große Möglichkeiten.
Philipp Steininger von Fridays for Future: Wir müssen vom Wissen zum Handeln kommen. Der Bau des Lobautunnels steht im Widerspruch zum Anspruch der Stadt Wien, Klimamusterstadt zu sein.
Die Problemstellungen
Lukas Hammer knüpft an: Die Verkehrsministerin hat angekündigt, dass sie das Bauprogramm der ASFINAG evaluieren wird. Sofort kommt der Aufschrei: Die Zukunft einer ganzen Region sei in Gefahr. Wenn es konkret wird, fallen viele in die alten Denkmuster zurück.
René Sedmik erklärt, was synthetische Treibstoffe sind und wie sie hergestellt werden. Das Verfahren ist eigentlich schon alt. Doch um CO2-neutrale synthetische Treibstoffe herzustellen, braucht man Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Dabei verliert man aber 60 Prozent der Energie durch Umwandlungsverluste. Um Verkehr und Heizung auf synthetische Treibstoffe umzustellen, bräuchten wir zwanzig Mal so viel erneuerbare Stromproduktion, wie aktuell geplant ist.
Philip Pramer vom Standard: Warum wird das so vorangetrieben?
Stefan Gara: Durch diese Lobbyarbeit will man möglichst die bestehenden Strukturen erhalten. Man kennt das Geschäftsmodell, und fürchtet neue Geschäftsmodelle.
Fabian Schipfer: Auch wenn wir jetzt schon eine Pilotanlage haben, müssen wir uns Fragen: Wie lange dauert es, bis wir genügend Anlagen haben? Dieser Treibstoff wird sehr teuer sein.
Einige Lösungsideen
Lukas Hammer: Das Ziel sollte sein, unsere Energie selbst zu produzieren. Wir müssen dafür sorgen, dass klimafreundliches Verhalten belohnt wird. Alternativen bieten, Förderungen bieten. Und wir brauchen die ökosoziale Steuerreform, um Umweltfolgekosten einzupreisen.
Sigrid Stagl: Die klassische Ökonomie erwartet, dass die Individuen sich nachhaltig verhalten. Aber wenn die Strukturen so sind, dass nachhaltiges Verhalten teurer und mühsamer ist, kann man sich nur wundern, dass so viele sich bemühen, nachhaltig zu handeln. Märkte sind Regelwerke. Und Regeln sind menschengemacht und können geändert werden. Aktuell stammen viele unserer Regelwerke von alten Problemstellungen, entsprechen aber nicht mehr den aktuellen Problemen.
Fabian Schipfer: Wir brauchen die Steuerung durch den Markt, aber auch durch Regulierung. Die Bevölkerung braucht Möglichkeiten, sich ein besseres Leben zu schaffen.
Sigrid Stagl: Wir müssen zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Interessen unterscheiden: Welche Teile der Wirtschaft werden hier von wem geschützt? Auf die Frage, wie hoch der CO2-Preis sein soll, meint sie: Ab 100 € pro Tonne beginnen wir zu diskutieren. Aber Untersuchungen sagen, dass die wahren Kosten bis zu 600 € pro Tonne betragen. Es geht darum, den Preis so hochzutreiben, dass die Reduktion stattfindet. Aber je mehr Reduktion durch Regulierung erreicht wird, umso weniger muss der CO2-Preis erhöht werden.
Philipp Steininger: Fridays for Future fordert, dass bis 2030 500 Mio t CO2 eingespart werden. Fossile Subventionen müssen schnellstmöglich abgeschafft werden. Die Einnahmen durch eine CO2-Steuer sollen auch für klimagünstige Förderungen verwendet werden.
René Sedmik: Wir können diese Ausgaben als Investitionen ansehen – Investitionen gegen wachsende Klimafolgekosten: Für 2050 rechnet man mit 8 Mrd. € Klimafolgenkosten für Österreich. Dabei werden Kosten durch einen höheren Bedarf im Gesundheitssektor, aber auch durch stärkere und häufigere Naturkatastrophen und Ernteausfälle verursacht. Auch hierbei leidet die Wirtschaft. Wenn wir jetzt investieren, können wir viel davon vermeiden.
Ein Vorbild sein
Stefan Gara: Wir müssen in kleinen Strukturen denken, die auch viel versorgungssicherer sind. Mit innovativen Konzepten und Beispielen kann Österreich ein Vorbild für andere Regionen sein und zeigen, dass es geht.
Fabian Schipfer: Wir dürfen die Verantwortung nicht auf andere abwälzen.
Philpp Steininger: Österreich kann Vorreiterin sein. Wenn wir es nicht schaffen, wer soll es dann schaffen?
Lukas Hammer und Stefan Gara: Es braucht auch den Druck von der Straße, von der Zivilgesellschaft.
Sigrid Stagl: Konflikte müssen angesprochen werden. Es ist wichtig, den Blick für Scheinlösungen zu schärfen. Was ist wirklich transformativ?
Schlußworte
René Sedmik spricht den anwesenden Politikern Lob aus. Wir sollen erwachsener reagieren, das heißt mehr auf die Fakten reagieren als auf unsere persönlichen Befindlichkeiten.
Stellen wir uns die Frage: Was bedeutet Wohlstand? Konsummaximierung kann nicht das Lebensziel sein. Wohlstand bedeutet, dass wir rausgehen können und eine gesunde Umwelt vorfinden. Eine Welt, die jedem eine Lebensgrundlage bietet, vorallem auch für kommende Generationen.
Welche Chancen bieten uns Technologien im Kampf gegen die Klima-krise und welche Gefahren gehen von falschen Erwartungen aus?
Moderation: Philip Pramer (Der Standard)
Es diskutieren: Lukas Hammer (NR-Grüne, Umweltsprecher) Stefan Gara (Landtag-Wien, Neos, Klimasprecher) Sigrid Stagl (Wirtschaftsuniversität-Wien, Ökonomin mit Nachhaltigkeits-Schwerpunkt) René Sedmik (S4F. Physiker am Atominstitut Wien ) Fabian Schipfer (S4F, Technologieforscher TU-Wien, S4F) Philipp Steininger Fridays for Future
Der Kampf gegen die Klimakrise erreicht mehr und mehr unseren Alltag. Aber wie sollen wir handeln? Was ist richtig, was ist falsch? Und welchen Versprechungen können wir glauben? Können wir guten Gewissens unsere Ölheizung und unseren Benziner behalten, wenn wir auf synthetische Treibstoffe setzen? Können wir uns guten Gewissens in ein Flugzeug setzen, wenn dafür andernorts aufgeforstet wird? Müssen wir aufhören, Fleisch zu essen? Darüber sprechen wir in einer spannenden Runde aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Unter dem Motto “Open your Course for Climate Crisis” (OC4CC) holen Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen in der Woche vom 17.5 bis 23.5 2021 die Klimakrise in Klassenzimmer und Lehrveranstaltungen. Zusammen mit „Fridays For Future“, „Students For Future“, „Teachers for Future“ und „Scientists for Future“ soll die Klimakrise auch während der Pandemie die dringend nötige Aufmerksamkeit bekommen.
Günter Getzinger von der Technischen Universität Graz sprich über Klimawandel und Technikphilosophie.
Günter Getzinger | Kurzvideo-Reihe: Der Klimawandel in meinem Fachgebiet
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Unter dem Motto “Open your Course for Climate Crisis” (OC4CC) holen Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen in der Woche vom 17.5 bis 23.5 2021 die Klimakrise in Klassenzimmer und Lehrveranstaltungen. Zusammen mit „Fridays For Future“, „Students For Future“, „Teachers for Future“ und „Scientists for Future“ soll die Klimakrise auch während der Pandemie die dringend nötige Aufmerksamkeit bekommen.
Manfred Kienpointner vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck spricht über Klimawandelrhetorik aus argumentationslinguistischer Perspektive.