Stellungnahme zur Behandlung von Anja Windl durch die Fremdenpolizei

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Lesedauer 2 Minuten.   

Stellungnahme der Fachgruppe Politik & Recht der S4F Österreich

Anja Windl, von Boulevard-Medien auch als „Klima-Shakira“ bezeichnet, ist eines der bekanntesten Gesichter der Klimaschutzbewegung Letzte Generation. Sie ist deutsche Staatsbürgerin und lebt und studiert in Österreich. 

Unlängst musste sie sich einer dreistündigen Einvernahme vor dem BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) unterziehen, weil die Behörde ihre Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot in Österreich prüft. 

Die Aktivistin dürfte nur ausgewiesen werden, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.[i] Das bedeutet laut dem Verwaltungsgerichtshof, es müsste von ihr eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt! Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention, also auf den Schutz der Allgemeinheit verweisende Begründungen sind nicht zulässig. [ii]

Bei einem Aufenthaltsverbot handelt es sich um eine noch schärfere Maßnahme als bei einer Ausweisung, weil es für bis zu zehn Jahre erlassen werden kann. Selbst strafrechtliche Verurteilungen alleine reichen dafür nicht aus. Damit ist jedoch gerichtliches Strafrecht und nicht Verwaltungsstrafrecht gemeint.[iii] Anja Windl werden aber lediglich Verwaltungsübertretungen zu Last gelegt, weil sie sich an der Fahrbahn festgeklebt hat. Motiv für ihren friedlichen zivilen Widerstand ist der Kampf gegen die Klimakrise, welche bei weiteren politischen Säumnissen unsere Gesellschaft zunehmend erschüttern wird. Die Voraussetzungen für diese fremdenpolizeilichen Maßnahmen sind sohin nicht einmal ansatzweise erfüllt.

Daher rief das Vorgehen des BFA auch heftige Kritik hervor, zumal die Verwaltungsstrafen gegen die Klimaschützerin nicht rechtskräftig seien.[iv] So bezeichnet Amnesty International  das Vorgehen der Behörde unlängst „bitteren Meilenstein in der Kriminalisierung von Klimaprotest in Österreich“.[v] Auch der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, Prof. Dr. Walter Obwexer, äußerte sich kritisch zum behördlichen Umgang mit der Klimaaktivistin. Bloße Verwaltungsübertretungen könnten selbst bei Rechtswirksamkeit kein Grund für eine Ausweisung sein. Dafür bräuchte es eine schwere Straftat, wie etwa „eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub, und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird.“ Selbst eine schwere Straftat samt rechtskräftiger Verurteilung reiche demnach nicht aus, wenn keine Gefahr einer wiederholten Straffälligkeit bestehe.[vi]

Den Behörden kann wohl kaum krasse Rechtsunkenntnis unterstellt werden. Daher erhebt sich die Frage, weshalb gegen die Aktivistin mit rechtlich unzulässigen Mitteln vorgegangen wird. Möchte man Druck aufbauen, einschüchtern, schikanieren oder schlichtweg die Botschaft vermitteln, dass Klimaaktivist:innen in Österreich unerwünscht sind? Man kann dem Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur Wien und Mitglied bei Scientists for Future Österreich, Dr. Reinhard Steurer, nur zustimmen wenn er meint: „Die Behörden wären gut beraten, solche bedenklichen Fehlentwicklungen rasch zu korrigieren.“[vii] Sie würden damit nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch dem Rechtsstaat und der demokratischen Kultur in Österreich etwas Gutes tun.

Die Fachgruppe Politik & Recht der Scientists for Future Österreich fordert die Behörden daher dazu auf, dem Rechtsstaat widersprechende Maßnahmen gegen Klimaaktivist:innen zu unterlassen, die einzig zur Einschüchterung und als Schikane dienen.

Titelbild: Niek Verlaan auf Pixabay


[i]    § 66 Fremdenpolizeigesetz (FPG) und § 55 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)

[ii]   VwGH 2012/18/0228, VwGH 26. 6. 2014, Ro 2014/21/0024; 14. 11. 2017, Ra 2017/21/0151; 5. 2. 2021, Ra 2020/21/0439, jeweils mwN.

[iii]   § 67 FPG, VwGH 29. 9. 2020, Ra 2020/21/0112, mwN.

[iv]  https://www.derstandard.at/story/2000145276612/deutsche-klimaaktivistin-wertet-einvernahme-bei-der-fremdenpolizei-als-einschuechterungsversuch

[v]   https://mailchi.mp/letztegeneration/ueberwaeltigende-solidaritaet-3-tag-proteste-in-graz

[vi]  Siehe FN iv

[vii]  Siehe FN v



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