Was haben Waschbär, Götterbaum und Roter Amerikanischer Sumpfkrebs gemeinsam? Sie alle sind in Österreich invasive gebietsfremde Arten – vom Menschen eingeführte Arten, die der Natur Schaden zufügen. Und damit oft genug auch uns Menschen.
Das Auftreten neuer Tier- oder Pflanzenarten klingt vielleicht zunächst nicht weiter bedrohlich. Tatsächlich macht die Mehrheit eingeführter Arten wenig Probleme. Die weltweit mehr als 3500 invasiven Arten allerdings verändern Boden, Gewässer und Ökosysteme, verdrängen heimische Arten oder übertragen Krankheiten. In österreichischen Süßgewässern breiten sich beispielsweise eine Reihe invasiver amerikanischer Krebsarten (Roter Amerikanischer Sumpfkrebs, Signalkrebs, Marmorkrebs) aus. Sie übertragen die Krebspest, die ihnen selbst wenig anhaben kann, einheimische Krebse dagegen stark dezimiert. Ein anderes Beispiel sind Waschbären, deren Vorfahren vor Jahrzehnten aus Pelztierfarmen entkamen und die nun österreichweit vorkommen. Sie ernähren sich unter anderem von lokalen Tierarten, von Amphibien bis hin zu Vögeln, und können für deren Populationen problematisch werden; zudem richten sie Schäden an Gebäuden an.
Insgesamt sind die Auswirkungen invasiver Arten enorm, wie ein kürzlich publizierter Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES betont: Sie spielen beispielsweise weltweit bei geschätzt 60% der Aussterbeereignisse eine Rolle; bei 16% sind sie sogar der alleinige Auslöser1. Sie zählen zu den fünf Hauptursachen der Biodiversitätskrise (genau wie übrigens der menschengemachte Klimawandel). Die global durch invasive Arten entstehenden jährlichen Kosten werden auf 423 Milliarden US-Dollar geschätzt1. Den Menschen in Österreich schaden invasive Arten als Landwirtschafts- oder Forstschädlinge (wie der Maiswurzelbohrer, ein maiszerstörender Käfer), Krankheitsüberträger (wie die Tigermücken), Allergieauslöser (wie die Beifuß-Ambrosie) oder unerwünschte Mitbewohner (wie der Waschbär).
Invasive Arten nehmen zu
Wie kommt es, dass wir Menschen diese Arten verbreiten? In der Vergangenheit geschah das oft mit Absicht. Seit dem 15. oder 16. Jahrhundert brachten „Entdeckungsreisende“ exotische Pflanzen aus ästhetischen Gründen nach Europa, die sich dann unter Umständen in die Natur ausbreiteten (auch heute noch stammen viele invasive Pflanzen aus dem gärtnerischen Bereich). Umgekehrt bildeten sich in Kolonien wie Australien „Akklimatisationsgesellschaften“ – Gruppen von Europäern, die die dortige Natur durch Einführung von Arten aus ihrer Heimat „verbessern“ wollten. Heute wird ein Großteil der neuen Arten unbeabsichtigt mit Waren in neue Gebiete transportiert, z.B. per Schiff. Auf Holzgütern, Getreide oder Gemüse können Insekten oder Pflanzensamen leicht unbemerkt mitreisen. Und da globale Vernetzung und Handel immer weiter zunehmen, steigt auch die Zahl der invasiven Arten rasant1.
Die Einführung potenziell invasiver Arten ist aber nur der erste Schritt. Für eine echte Invasion müssen sie sich im neuen Gebiet etablieren und ausbreiten. Wie invasive Arten dies in einem ihnen fremden Ökosystem überhaupt schaffen, ist nicht immer klar. Ein Grund kann sein, dass sie dort oft von Fressfeinden und Krankheitserregern befreit sind, durch die sie in ihrem Herkunftsgebiet in Schach gehalten werden. Das verschafft ihnen Vorteile gegenüber heimischen Arten.
Was haben invasive Arten mit der Klimakrise zu tun?
Ob sich eine neue Art ausbreiten kann, hängt aber auch entscheidend vom lokalen Klima ab. Eine aus den Tropen kommende Art wird sich in der Arktis meist nicht wohlfühlen. Wir verändern das Klima – wie wirkt sich das auf invasive Arten aus? Um diese Frage zu beantworten, analysieren Forschende bereits erfolgte Invasionen und treffen Vorhersagen für die Zukunft. Ein wichtiges Instrument dazu sind Verbreitungsmodelle. Sie kombinieren Informationen über die Umweltbedingungen (z.B. Temperatur und Niederschlag), an die eine Art angepasst ist, mit zukünftigen Klimaszenarien (z.B. denen des Weltklimarates IPCC). So kann prognostiziert werden, in welche Gebiete sich die Art möglicherweise in Zukunft ausbreiten kann.
Der Bericht des Weltbiodiversitätsrates2 fasst die Ergebnisse solcher und weiterer Studien zusammen und zeigt: Klimaveränderungen beeinflussen Ausbreitung und Auswirkungen invasiver Arten deutlich, und das oftmals zugunsten der invasiven Arten und auf Kosten heimischer Arten und des Menschen. Wie genau können diese Effekte aussehen?
- Invasive Arten breiten sich aus. Invasive Arten werden oft durch kalte Winter aufgehalten. Gerade viele Insekten kommen mit Frostperioden schlecht zurecht. Selbst wenn sie in wärmeren Jahreszeiten ein neues Gebiet besiedeln können, sterben sie im Winter wieder aus. Das kann sich durch den Klimawandel ändern: Höhere Temperaturen ermöglichen es vielen invasiven Arten, sich polwärts und / oder in die Höhe auszubreiten3. So nehmen in Europa mit zunehmenden Wintertemperaturen beispielsweise invasive Schädlingsinsekten zu4. Dazu kommt, dass einige gebietsfremde Arten momentan noch an menschliche Strukturen wie Wohngebäude, Gewächshäuser oder Städte gebunden sind, in denen für sie angenehme Temperaturen herrschen. Diese Arten sind „Schläfer“ – steigen die Durchschnittstemperaturen, breiten sie sich in die Natur aus2. Neben der Temperatur können auch andere Aspekte des Klimawandels invasive Arten begünstigen; einige Arten profitieren sogar von Stürmen oder Waldbränden2.
- Heimische Arten ziehen den Kürzeren. Die Klimakrise stresst heimische Arten, die oft nicht an die veränderten Bedingungen angepasst sind. So haben invasive Arten weniger Konkurrenz. Letztere sind oft bereits aus ihrem Ursprungsgebiet an höhere Temperaturen gewöhnt. Das trifft z.B. auf einige der oben erwähnten in Österreich invasiven Krebsarten zu, die somit neben der Resistenz gegen die Krebspest einen weiteren Vorteil gegenüber heimischen Arten haben5. Es wird außerdem vermutet, dass invasive Arten generell besonders anpassungs- und verbreitungsfähig sein könnten und dadurch besser auf Umweltveränderungen reagieren können6. So wurde z.B. gezeigt, dass sich invasive Pflanzenarten in den wärmer werdenden Alpen doppelt so schnell in die Höhe ausbreiten wie heimische Arten7.
- Negative Auswirkungen auf den Menschen nehmen zu. Einige invasive Arten, die sich durch Klimaveränderungen weiter ausbreiten, haben gesundheitliche Auswirkungen. Die Beifuß-Ambrosie (Ragweed) ist ein starker Allergieauslöser. Mit ihrer Ausbreitung in Europa wird wohl auch die Zahl allergischer Menschen deutlich zunehmen8, denn eine Allergie wird bei wiederholtem Kontakt mit den Pollen wahrscheinlicher. Die Klimakrise begünstigt zudem viele invasive Arten, die Krankheiten übertragen können. Zwei invasive Mückenarten, die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke, können z.B. Zika-Virus und Chikungunya-Virus übertragen. Beide Mückenarten mögen es warm. Modelle sagen voraus, dass sich die Bedingungen für die aus Afrika stammende Gelbfiebermücke in vielen Teilen der Erde verbessern werden, auch in Südeuropa9. Die Asiatische Tigermücke hat sich bereits jetzt bis nach Österreich ausgebreitet10. Momentan spielt sie hier glücklicherweise als Krankheitsüberträger keine große Rolle; dies kann sich jedoch in Zukunft leicht ändern.
- Invasive Arten profitieren nicht immer und überall. Während invasive Arten in den gemäßigten Zonen wahrscheinlich zunehmen werden, können sich die Bedingungen für einige Arten in den Tropen verschlechtern, z.B. durch zu extreme Hitze4. Neben der Temperatur bestimmen weitere Faktoren wie die Niederschlagsmengen, wo eine Art leben kann – so kann eine Zunahme von Dürreperioden zu einer Abnahme invasiver Arten führen2. Viele Aspekte der Klimakrise, wie z.B. die Zunahme von Extremereignissen, haben komplexe, noch nicht ausreichend untersuchte Auswirkungen2.
Was können wir tun?
Die Bekämpfung invasiver Arten ist nicht einfach. Zum einen stellt sie bei Tieren ein ethisches Problem dar. Das großangelegte Töten invasiver Säugetiere wie Ratten oder Katzen in Australien wirkt auf viele Menschen drastisch. Zum anderen ist die Zurückdrängung invasiver Arten aufwendig und kostenintensiv. Zwar sind Ausrottungsversuche durchaus oft erfolgreich, vor allem, wenn das besiedelte Gebiet relativ begrenzt war. Aber nicht alle Arten lassen sich aufhalten – viele Pflanzen bilden jahrelang keimfähige Samen, die man kaum alle einsammeln kann, und Gewässerorganismen sind schwer kontrollierbar. Aus diesen Gründen gilt: Prävention ist besser als Bekämpfung. Maßnahmen, die früh ansetzen, sind z.B. Import- und Grenzkontrollen sowie die Überwachung von Ökosystemen, damit neue invasive Arten so schnell wie möglich entdeckt werden1.
Da das Problem invasiver Arten eng mit internationalem Handel und Transport zusammenhängt, kann es nicht allein lokal gelöst werden. Weltweite Abkommen erkennen invasive Arten inzwischen als kritisches Problem an. Im Dezember 2022 beschloss die internationale Staatengemeinschaft im Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, die Einführung und Etablierung invasiver Arten bis zum Jahr 2030 um mindestens 50% zu reduzieren. Für die EU gibt es bereits seit Jahren eine Liste invasiver Arten, die nicht eingeführt, gehandelt oder freigesetzt werden dürfen. Trotzdem sind sich WissenschaftlerInnen einig, dass noch viel zu tun ist1. So haben die meisten Länder zwar Ziele festgelegt, setzen diese aber größtenteils nicht durch konkrete Bestimmungen um.
Obwohl invasive Arten und die Biodiversitätskrise insgesamt – genau wie die Klimakrise – globale Herausforderungen sind, die politisch angegangen werden müssen, können wir auch im Kleinen einen Beitrag leisten. Das Wichtigste: Versuchen, nicht selbst zum Problem beizutragen. Dazu gehört, keine Gartenabfälle in der Natur zu entsorgen, im Garten möglichst heimische Arten anzupflanzen, und keine exotischen Tiere zu kaufen und dann freizusetzen (was unsere LeserInnen hoffentlich sowieso nie tun würden).
Wer mit unterschiedlichen Süßgewässern in Kontakt kommt, z.B. AnglerInnen, TaucherInnen und BenutzerInnen von Freizeitbooten, sollte besonders vorsichtig sein und vor jedem „Gewässerwechsel“ das Material reinigen. Zwei der bedeutendsten invasiven Arten sind die Zebramuschel und ihre Verwandte, die Quaggamuschel. Diese setzen sich an Booten fest und können, falls ein Boot in ein anderes Gewässer transportiert wird, dort wieder freigesetzt werden. Einmal in einem Gewässer etabliert, bilden diese Muscheln Massenvorkommen, verändern das Nahrungsnetz und besetzen Boote, Stege und Rohre großflächig. Die Verbreitung dieser Muschelarten kann durch Reinigung der Boote verhindert werden11.
Auch zur Früherkennung invasiver Arten kann man beitragen. Auf Plattformen wie iNaturalist (www.inaturalist.org) können Fotos von Tieren, Pflanzen und Pilzen – ob invasiv oder nicht – mit Fundort hochgeladen werden; die App unterstützt dann bei der Artbestimmung. So entstehen riesige Datensätze, die automatisch auch Daten zu Vorkommen und Ausbreitung invasiver Arten beinhalten. Gezielter gehen Citizen Science-Projekte vor, bei denen BürgerInnen aufgefordert werden, Daten zu bestimmten Artengruppen zu sammeln. Über die App „Mosquito Alert“ (www.mosquitoalert.com) können Fotos mutmaßlich invasiver Mücken eingereicht werden, die dann von ExpertInnen begutachtet werden. So wird die Ausbreitung der Mückenarten in Echtzeit verfolgt.
Wer mehr Zeit hat, kann an Aktionen lokaler Naturschutzgruppen teilnehmen. Manchmal suchen diese HelferInnen für das Entfernen von Pflanzen wie Goldrute oder Drüsiges Springkraut, die dichte Bestände bilden und heimische Arten verdrängen. Zumindest lokal tragen solche Maßnahmen zur Eindämmung der invasiven Pflanzen und zum Schutz des Ökosystems bei.
Zu guter Letzt: Ein Bewusstsein in der Bevölkerung ist wichtig, damit politischer Handlungsdruck entsteht und die Einführung und Ausbreitung invasiver Arten verhindert werden kann1. Und so kann man bereits durch Ansprechen des Themas einen Beitrag leisten.
Literatur
1. Roy, H. E. et al. IPBES Invasive Alien Species Assessment: Summary for Policymakers. (2023).
2. Hulme, P. E. et al. IPBES Invasive Alien Species Assessment: Chapter 3. Drivers Affecting Biological Invasions. (2024).
3. Grünig, M., Calanca, P., Mazzi, D. & Pellissier, L. Inflection point in climatic suitability of insect pest species in Europe suggests non-linear responses to climate change. Global Change Biology 26, 6338–6349 (2020).
4. Bellard, C. et al. Will climate change promote future invasions? Global Change Biology 19, 3740–3748 (2013).
5. Capinha, C., Larson, E. R., Tricarico, E., Olden, J. D. & Gherardi, F. Effects of climate change, invasive species, and disease on the distribution of native European crayfishes. Conservation Biology 27, 731–740 (2013).
6. Davidson, A. M., Jennions, M. & Nicotra, A. B. Do invasive species show higher phenotypic plasticity than native species and, if so, is it adaptive? A meta-analysis. Ecology Letters 14, 419–431 (2011).
7. Dainese, M. et al. Human disturbance and upward expansion of plants in a warming climate. Nature Clim Change 7, 577–580 (2017).
8. Lake, I. R. et al. Climate change and future pollen allergy in Europe. Environmental Health Perspectives 125, 385–391 (2017).
9. Iwamura, T., Guzman-Holst, A. & Murray, K. A. Accelerating invasion potential of disease vector Aedes aegypti under climate change. Nat Commun 11, 2130 (2020).
10. Reichl, J. et al. A citizen science report—Tiger mosquitoes (Aedes albopictus) in allotment gardens in Graz, Styria, Austria. Parasitol Res 123, 79 (2023).
11. De Ventura, L., Weissert, N., Tobias, R., Kopp, K. & Jokela, J. Overland transport of recreational boats as a spreading vector of zebra mussel Dreissena polymorpha. Biol Invasions 18, 1451–1466 (2016).
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