Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Universitäten, Forschungseinrichtungen und Disziplinen versammelten sich am 6.5.2024 vor der Parteizentrale der NEOS, um auf das Sicherheitsrisiko Klimakrise aufmerksam zu machen und eine effektive, wissenschaftsbasierte und sozial gerechte Klimapolitik einzufordern. Prof. Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien und Prof. Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien, analysierten die klimapolitische Strategie der NEOS aus dem Blickwinkel ihrer jeweiligen Fachgebiete. “Das Beispiel der LED-Lampe zeigt dies deutlich: Auch Verbote führen zu Innovationen – und sind damit auch ein wichtiger Teil der Lösung in der Klimakrise. Leider ist das bei den NEOS nicht angekommen. Sonst zeichnen sie sich oft durch rationale Ansätze aus”, resümiert Sigrid Stagl.
Klimakrise als Sicherheitsrisiko – Klimaschutz als Chance
Die Folgen der globalen Erwärmung sind weitreichend: von häufigeren und intensiveren Extremwetterereignissen über Ernteverluste, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit bis hin zum Verschärfen bestehender Krisen und Konflikte und dem Auslösen von Migrationsbewegungen. Unzureichender Klimaschutz sowie ungenügende Anpassung an unvermeidbare Klimafolgen bedrohen auch in Österreich die Gesundheit, den Lebensstandard und die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen. Hitzewellen stellen beispielsweise in Österreich die größte klimawandelbedingte Gesundheitsgefahr dar, die unmittelbar lebensbedrohlich sein kann1
Auf dieses Sicherheitsrisiko machen die Scientists for Future mit ihrer Kampagne im Klimawahljahr 2024 aufmerksam. Klimaschutz hingegen ist Zivilisationsschutz mit weitreichenden, positiven Folgen in vielen Lebensbereichen der Menschen. Klimafreundliche Strukturen können Ungleichheiten abbauen und mit sozialstaatlichen Maßnahmen kombiniert werden2.
Statt “invisible hand” mit “invisible foot” zu geringem ökologischen Fußabdruck
Positive und negative Punkte zählte Prof. Reinhard Steurer auf: Erfreulich sei, dass Österreich mit den NEOS eine liberale Partei rechts der Mitte hat, die sowohl die Klimakrise ernst nimmt als auch grundlegende Lösungsvorschläge anbietet, stellte Reinhard Steurer fest: “Die NEOS sind damit eine wichtige Alternative zur ÖVP, die die Klimakrise leider oft verharmlost und Lösungen blockiert. Kritisch zu sehen ist, dass die NEOS zu sehr auf Marktmechanismen setzen und bei der Notwendigkeit von Ge- und Verboten oftmals blind sind.”
Eine ausführliche Zusammenfassung der Rede gibt es hier
“Märkte werden durch bewusst gesetzte Regeln strukturiert. Die Frage ist daher nicht, ob, sondern wie der Markt reguliert wird”, betonte Prof. Sigrid Stagl: “Das hängt davon ab, welche Ziele erreicht werden sollen. Angesichts der Faktenlage muss der Klimaschutz oberste Priorität haben. Nicht zuletzt deshalb, weil die Klimakrise bestehende Krisen verschärft und jene besonders trifft, die am wenigsten dazu beigetragen haben.
“Die Lösung von Klima- und Umweltproblemen erfordert politischen Gestaltungswillen mit vielfältigen Instrumenten ohne ideologische Scheuklappen. Nur auf Technologie und marktbasierte Instrumente zu setzen, ohne über Ge- und Verbote nachzudenken, macht Klima und Umweltpolitik weniger wirksam und riskiert soziale Probleme,” ergänzt Stagl.
Eine ausführliche Zusammenfassung ihrer Rede gibt es hier.
“Würden die NEOS diesen blinden Fleck korrigieren, wären wir unverzichtbaren ordnungsrechtlichen Lösungen, wie zum Beispiel einem Werbeverbot für klimaschädliche Produkte, einen Schritt näher” resümiert Steurer.
Der Physiker Harald Geyer, in der Fachgruppe Energiewende der Scientists for Future tätig, nahm zu fossilen Subventionen Stellung und zum Marktversagen bei der Wärmedämmung: Da die Mieter:innen die Heizkosten tragen, die Kosten für Wärmedämmung aber die Vermieter:innen tragen müssten, haben die Vermieter:innen keinen Anreiz, die Häuser mit Wärmedämmung zu versehen.
Eine ausführliche Zusammenfassung des Beitrags gibt es hier.
Die Parteivorsitzende der Neos Beate Meinl-Reisinger kam noch zurecht, um den zweiten Teil der Analyse von Sigrid Stagl zu hören, und nahm dann selber Stellung zu der Kritik, die von Klimaaktivist:innen und Wissenschaftler:innen an der Klimapolitik der Neos geäußert wird. Sie betonte, dass sich die Neos nicht allein auf Marktmechanismen stützen, sondern sehr wohl auch für Regulierungen eintreten. Sie nannte als Beispiel die Zustimmung der Neos auf EU-Ebene zum Aus für Verbrenner. Sie wolle aber die Betriebe nicht mit zusätzlicher Bürokratie belasten, wie zum Beispiel gerade bei Energiewende-Projekten. Reinhard Steurer antwortete, indem er als Beispiel für die Marktorientiertheit der Neos auf ein programmatisches Papier verwies, in dem es heißt: „CO2-Steuer statt Verboten“
Die Aktion endete mit einem beiderseitigen Bekenntnis zum Dialog.
1APCC (2018). Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Austrian Panel on Climate Change (APCC), Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, Österreich, 340 Seiten, ISBN 978-3-7001-8427-0
2APCC (2023). APCC Special Report Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.
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