Klimaschutz in die Verfassung – Wie uns ein Grundrecht auf Klimaschutz gegen Untätigkeit des Staates helfen kann
von Martin Auer und Leonore Theuer

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Lesedauer 3 Minuten.   

Seit über 400 Tagen hat Österreich keine gesetzliche Beschränkung für Treibhausgas-Emissionen. Formell ist das Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz – KSG) aus dem Jahr 2011 noch in Kraft, jedoch hat die Festlegung der jährlichen Höchstmengen an Treibhausgasemissionen mit Ablauf des Jahres 2020 geendet, sodass dieses Gesetz „inhaltsleer“ geworden ist.

Gegen diesen Zustand kann man zwar protestieren, aber es gibt derzeit in Österreich keine Möglichkeit, gegen Säumnisse wie diese rechtlich vorzugehen. Ein Grundrecht auf Klimaschutz in der Verfassung könnte Abhilfe schaffen. Klimaschutz in der Verfassung zu verankern, war und ist eine der Forderungen des Klimavolksbegehrens, das von 380.590 ÖsterreicherInnen unterstützt wurde.

Umwelt- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat anlässlich des Klimavolksbegehrens zu dieser Frage eine Kurzstudie in Auftrag gegeben: „Möglichkeiten einer verfassungsrechtlichen Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz“1 . Verfasst hat sie der Umweltrechtsexperte Prof. Dr. Daniel Ennöckl vom Institut für Rechtswissenschaft der BOKU und im Juni 2021 vorgelegt.

Umweltschutz ist als Prinzip im Verfassungsgesetz für Nachhaltigkeit2 und in der Grundrechtecharta der EU enthalten. Nach Ennöckls Auffassung ist hier auch Klimaschutz inbegriffen. Doch beide Regelungen sind nicht einklagbar. In Deutschland und den Niederlanden haben die jeweiligen Höchstgerichte bereits ein Grundrecht auf Klimaschutz anerkannt. Daher wäre ein solches Grundrecht in Österreich kein „nationaler Alleingang“ sondern würde im Einklang mit den Entwicklungen anderer EU-Mitgliedsstaaten stehen.

Wenn man in Betracht zieht, welche Temperaturen in Österreich bald herrschen könnten, wenn der Klimaschutz vernachlässigt wird, zeigt sich laut Ennöckl, dass ein Grundrecht auf Klimaschutz die Bewahrung der Interessen der Bürger:innen, nämlich ihrer Gesundheit und Lebensqualität betreffen würde. Das Grundrecht auf Klimaschutz hätte also eine inhaltliche Nähe zum Grundrecht auf Gesundheit.

Der Studienautor sieht drei mögliche Varianten, dieses Grundrecht auf Klimaschutz in der Verfassung auszugestalten:

  • Der Staat könnte zur Klimaneutralität verpflichtet werden,
  • er könnte verpflichtet werden, seine internationalen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu erfüllen,
  • oder er könnte ganz allgemein zu angemessenen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet werden.

Jedenfalls sollte ein Verfassungsgesetz möglichst konkrete Handlungsverpflichtungen zur Treibhausgasreduktion vorsehen. Damit das Grundrecht auf Klimaschutz auch wirksam wird, ist es wesentlich, welchen Rechtsweg Bürger:innen beschreiten können, wenn ihr Grundrecht auf Klimaschutz verletzt wird.

Die Studie von 2021 zeigt am Beispiel des Luftreinhalterechts3 auf, wie behördliche Untätigkeit bekämpfbar gemacht werden könnte. Hier gibt es nämlich schon jetzt die Möglichkeit für unmittelbar Betroffene, als auch für anerkannte Umweltorganisationen, das Recht auf saubere Luft einzuklagen. Einzelpersonen oder Umweltorganisationen können beim Landeshauptmann bzw. der Landeshauptfrau einen Antrag auf die Erstellung oder Verbesserung eines Programms stellen, um Grenzwertüberschreitungen abzustellen. Wird der Antrag per Bescheid abgelehnt, können Betroffene oder Organisationen den Bescheid beim Landesverwaltungsgericht bekämpfen.

Ennöckl plädiert dafür, ein gleichartiges System des Rechtsschutzes in das geplante Klimaschutzgesetz (KSG) zu integrieren. Das ist seiner Meinung nach auch völkerrechtlich und unionsrechtlich geboten. Die Aarhus-Konvention4, ein internationaler Vertrag aus dem Jahr 2001, der in Österreich seit 2005 in Kraft ist, sieht vor, dass Mitglieder der Öffentlichkeit „Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Dieser Artikel der Konvention umfasse unzweifelhaft auch Verletzungen national definierter Klimaschutzverpflichtungen.

Ein Grundrecht auf Klimaschutz sollte also nicht nur den Menschen die Möglichkeit geben, klimaschädliche Regelungen rechtlich zu bekämpfen, sondern auch einen wirksamen Rechtsschutz bieten, wenn die Republik Österreich – seien es Bund, Länder oder Gemeinden – ihren Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht nachkommt.

Der Fall Mex

Mex leidet an einer temperaturabhängigen Form der Multiplen Sklerose. Im Winter, wenn es kalt ist, hat er nur geringe Beschwerden, doch im Sommer, an heißen Tagen, kann sich Mex nur im Rollstuhl fortbewegen. Die stetig steigenden Temperaturen und vermehrten Hitzetage, bedingt durch die Klimakrise, tragen maßgeblich dazu bei, dass Mex an immer mehr Tagen im Jahr das Haus nur mit einem Rollstuhl verlassen kann.

Mex im Rollstuhl in der Box-Trainingshalle

Sein Menschenrecht auf Leben und Gesundheit sieht er durch mangelnde Maßnahmen des Staates Österreich zur Bekämpfung der Klimakrise eingeschränkt. Daher will er nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Präzedenzfall schaffen, um Staaten zum schnellen Handeln in der Klimakrise zu bringen. Ein Team aus erfahrenen Anwält*innen, Jurist*innen und Universitätsprofessor*innen begleitet Mex auf seinem Weg. In diesem Interview berichtet Anwältin Michaela Krömer über den langwierigen Weg zur Anerkennung von Mex‘ Rechten.

"Die Klimaklage in Österreich" Michaela Krömer im Interview | S4F-Interview

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Mit dieser Thematik befasst sich bei S4F die Arbeitgruppe Politik und Recht. Wenn du Interesse an Mitarbeit hast, benutze unser Mitmachen-Formular

Titelbild: Martin Auer unter Verwendung eines Fotos von Thomas Raupach, CC BY-NC-SA


2 Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung (BVG Nachhaltigkeit)

3 Bundesgesetz zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe (Immissionsschutzgesetz – Luft, IG-L)

4 https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/eu_international/aarhus.html.

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